Susanne Schröter: Global gescheitert?

von Felix Dirsch --

Susanne Schröter ist eine mutige Frau. Die Ethnologin, die vor allem mit ihren Wortmeldungen zum Islam für öffentliche Debatten sorgte, hat den Appeasement-Kurs einiger ihrer Kollegen (wie Gudrun Krämer) stets abgelehnt.

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Dem­entspre­chend hef­tig waren die Reak­tio­nen gegen ihre Stel­lung­nah­men. Eine von ihr initi­ier­te islam­kri­ti­sche Kon­fe­renz 2019 führ­te sogar zu For­de­run­gen, sie ihres Pro­fes­so­ren­am­tes zu ent­he­ben. Ein Mus­ter­bei­spiel für Can­cel Cul­tu­re oder jeden­falls ein veri­ta­bler Ver­such in die­ser Rich­tung! Lob ver­dient vor allem ihr Ein­satz für freie Debattenräume.

Schrö­ter ist eine beken­nen­de Anhän­ge­rin der west­li­chen Wer­te­ge­mein­schaft. Die­se uni­ver­sa­lis­ti­sche Posi­ti­on ermög­licht Distanz zu den »woken« Iden­ti­täts­kämp­fern wie zu rech­ten iden­ti­tä­ren Posi­tio­nen. Unge­ach­tet sol­cher Affi­ni­tä­ten kennt die Frank­fur­ter Gelehr­te natür­lich die Apo­rien im Dis­kurs über die Wes­ter­ni­sie­rung. Offen­sicht­lich ist beson­ders fol­gen­der Wider­spruch: Einer­seits grei­fen Län­der wie die USA seit eh und je welt­weit aus und haben dem­entspre­chend eine lan­ge Blut­spur hin­ter­las­sen, die auch in letz­ter Zeit immer wie­der kri­tisch erör­tert wur­de (Bernd Grei­ner, Danie­le Gan­ser); ande­rer­seits ist die »ein­zi­ge Welt­macht« genau­so wie Frank­reich und Deutsch­land nicht in der Lage, die eige­nen Gren­zen zu schüt­zen, weil der herr­schen­de polit­me­dia­le Kom­plex über­wie­gend der Mei­nung ist, huma­ni­tä­re Zie­le zu ver­wirk­li­chen, wenn er Gefah­ren für die offe­ne Gesell­schaft im Inne­ren ignoriert.

Die hyper­mo­ra­lis­ti­sche Dok­trin, die weit über die Garan­tie indi­vi­du­el­ler Grund­rech­te hin­aus­geht, rich­tet innen- wie außen­po­li­tisch nicht gerin­ge Schä­den an. Rechts- und sozi­al­staat­li­che Bas­tio­nen wer­den in erheb­li­chem Aus­maß geschlif­fen. Nicht nur in die­sen Berei­chen zer­stö­ren west­li­che Gesell­schaf­ten ihre Res­sour­cen rückstandslos.

Die neu­es­te Publi­ka­ti­on Schrö­ters behan­delt in einem Rund­um­schlag aktu­el­le Brenn­punk­te der Debat­te: Ukrai­ne­krieg, Afgha­ni­stan-Desas­ter, Post­ko­lo­nia­lis­mus-Theo­re­me, Iden­ti­täts­kon­tro­ver­sen, Schat­ten­sei­ten der Migra­ti­ons­po­li­tik, geo­po­li­ti­sche Macht­spie­le, all­ge­mei­ne Zei­ten­wen­de und die Zukunft des Westens.

Wer sich vor­be­halt­los den Posi­tio­nen des west­li­chen Uni­ver­sa­lis­mus anschließt, gerät bei der Bewer­tung des Ukrai­ne­krie­ges in Ver­su­chung, die bekann­ten ein­sei­ti­gen Pro­pa­gan­da­pa­ro­len undif­fe­ren­ziert zu ver­tre­ten. Die Nar­ra­ti­on, die Schrö­der prä­sen­tiert, blen­det das Vor­drin­gen der NATO nach dem Zer­fall des War­schau­er Pak­tes aus, wei­ter die mas­si­ven Ver­su­che, die Ukrai­ne ins west­li­che Bünd­nis ein­zu­be­zie­hen. Eben­so wer­den die meist rus­si­schen Opfer in den Sepa­ra­tis­ten­ge­bie­ten zwi­schen 2014 und Anfang 2022 übergangen.

Die Vor­ge­schich­te des »Auf­mar­sches« (Jörg Kro­nau­er) wäre also dif­fe­ren­zier­ter zu schil­dern, als dies bei Schrö­ter geschieht. Ins­ge­samt fällt es einer so klar posi­tio­nier­ten Autorin wie Schrö­ter natür­lich schwer, zu kon­sta­tie­ren, daß vie­le der­zei­ti­ge Ereig­nis­se auf ein Ende der über­kom­me­nen uni­po­la­ren Welt­ord­nung hin­deu­ten. Nicht zuletzt das rus­sisch-chi­ne­si­sche Abkom­men vom 4. Febru­ar 2022 wird im nach­hin­ein wohl als ein wich­ti­ges Schlüs­sel­do­ku­ment im Kon­text die­ses epo­cha­len Umbruchs gelten.

Klei­ne­re Flüch­tig­keits­feh­ler – so kehr­te bei­spiels­wei­se Ruhol­lah Mus­a­wi Cho­mei­ni 1979, nicht 1978 in den Iran zurück; der Kuba­ner Fidel Cas­tro sieg­te 1959, nicht 1958 – ändern nichts dar­an, daß sich die Beschäf­ti­gung mit der streit­ba­ren und fun­diert argu­men­tie­ren­den Pro­fes­so­rin lohnt – selbst dann, wenn man nicht alle ihre Posi­tio­nen teilt.

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Susan­ne Schrö­ter: Glo­bal geschei­tert? Der Wes­ten zwi­schen Anma­ßung und Selbst­hass, Frei­burg i.Br.: Her­der. 234 S., 20 €

 

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