An diesem Tag wurde ein Video veröffentlicht, das angeblich Korruption in einem großen Pharmaunternehmen aufdeckte. Darin erzählt der Pfizer-Manager Jordon Trishton Walker seinem (vermeintlichen) Date, daß Pfizer das Covid-Virus mutieren wolle, um der Impfstoffproduktion einen Schritt voraus zu sein.
Die Aufnahme wurde heimlich gemacht – eine Strategie, die von Project Veritas häufig angewandt wird – und es ist nicht klar, inwieweit Walker nur Quatsch redete, um sein attraktives Gegenüber zu beeindrucken. Aber ihre Wirkung war explosiv und kam genau zum richtigen Zeitpunkt, nämlich als die amerikanische Öffentlichkeit der Covid-Mandate und ewigen Auffrischimpfungen überdrüssig wurde.
Sie festigte den Status von James O’Keefe, dem charismatischen CEO von Project Veritas, als Volksheld für viele Amerikaner. Hier war endlich der Beweis, daß Big Pharma sie anlüge und Big Media es vertusche. Die beiden großen Mainstream-Giganten CNN und MSNBC schwiegen zu der Enthüllung, aber Elon Musks neu befreites Twitter sorgte dafür, daß sich der Coup wie ein Lauffeuer verbreitete.
Weniger als einen Monat später wurde James O’Keefe als Leiter der Organisation, die er gegründet hatte, von seinem eigenen Vorstand völlig überraschend abgesetzt. Am 20. Februar postete O‘Keefe ein Video aus den Büros von Project Veritas, wo er seine Sachen (darunter einen Chinchillapelz, eine Erinnerung an seinen Durchbruch-Coup) zusammenklaubte. Er erklärte: „Ich weiß nicht, warum das jetzt passiert, oder genauer gesagt, warum das so plötzlich passiert. Gerade jetzt.“
Gerade jetzt, also direkt nach dem brisanten Pfizer-Video? Eine Theorie für seine plötzliche Entfernung lautet: Diesmal sei O’Keefe zu weit gegangen, und die Mächte, die Amerika kontrollieren – Big Tech, Big Pharma, Big Finance, der tiefe Staat und die Kriegsindustrie – wollten nicht länger zusehen, wie er in ihren Hinterhöfen in den Mülltonnen herumwühlt. Diese Theorie setzt natürlich voraus, daß der Vorstand von Project Veritas in irgendeiner Weise einem oder mehreren dieser Interessengruppen verpflichtet war.
Aber könnte es eine einfachere Erklärung geben? Der Vorstand von Project Veritas beschuldigte O’Keefe finanzieller Unregelmäßigkeiten. Schließlich hatte O’Keefe, kurz bevor er entlassen wurde, den Finanzchef der Organisation gefeuert. Warum? Und was ist mit Ausgaben wie de 150 000 Dollar für „schwarze Autos“? Dabei handele es sich um gemietete Autos, mit denen er zu Treffen gefahren sei, erklärte O’Keefe in einem Abschiedsvideo. Sein Job erforderte es, daß er fast ständig unterwegs war.
Die Organisation stand auch juristisch durch eine Reihe von Klagen unter Druck. Gegen Project Veritas wurde sogar eine strafrechtliche Untersuchung wegen des Kaufs eines von Ashley Biden, der Tochter von Präsident Biden, gestohlenen Tagebuchs eingeleitet. Mit Verfahren dieser Art muß eine Organisation von Undercover-Guerilla-Journalisten natürlich rechnen, insbesondere wenn sie sich in erster Linie gegen die herrschenden linken Eliten richtet.
Es bleibt also die Frage: Warum wollte man O’Keefe, den prominenten Anführer der Operation, loswerden, und warum gerade jetzt?
Nach dreizehn Jahren als Star und Impulsgeber der amerikanischen jungen Rechten, die sich vom Mainstream-Republikanertum („Conservatism Inc.“) abzusetzen suchen, hätte O’Keefe alles Recht, diese Frage zu stellen. Alles begann im Jahr 2009, als er ein ambitionierter junger Mann mit einer Idee war: Die Heuchelei linker Eliten zu entlarven, denen die Mainstream-Medien offenbar einen Freifahrtschein für ihre diversen Unternehmungen ausgestellt hatten. Berühmt wurde er in jenem Jahr mit einer verdeckten Operation, die die Korruption in den Büros der „Association of Community Organizations for Reform Now“, kurz ACORN, enthüllte.
ACORN beschreibt sich selbst als eine internationale Sammlung autonomer gemeindebasierter Organisationen, die sich für Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen einsetzen. Die Organisation wurde auch vom amerikanischen Steuerzahler finanziert und nach Ansicht vieler mißbraucht, um Wähler für die Demokraten zu registrieren und Menschen in staatliche Programme zu locken.
O’Keefe trat als Zuhälter auf und schlenderte mit einer leichtbekleideten jungen Frau am Arm, die er als Prostituierte ausgab, in die ACORN-Büros – angeblich in einem völlig lächerlichen 70er-Jahre-Zuhälter-Kostüm mit Chinchillapelz und flottem Gehstock, was aber vermutlich eine nachträglich lancierte Legende war, um den Show-Effekt zu steigern. Immerhin schien die Information, daß das Paar Hilfe bei der Steuerhinterziehung suchte und illegalen Menschenhandel betrieb, für die Damen, die das Büro leiteten, kein Hindernis zu sein, die beiden hingebungsvoll zu beraten.
Die Diskussion um die Videos führte dazu, daß die Bundesmittel für ACORN gekürzt wurden, was etwa ein paar Monate später dazu führte, daß der Laden komplett dichtmachen mußte.
Die ACORN-Videos hätten niemals solche Wellen geschlagen, wenn O’Keefe sie nicht dem rechten Impresario Andrew Breitbart gezeigt hätte. Breitbart machte das skandalöse Material fachkundig publik und gab O’Keefe eine Kolumne auf seiner Website „BigGovernment“, die später in seine gleichnamige Nachrichtenseite „Breitbart“ integriert wurde. Breitbart und O’Keefe arbeiteten bis zu Breitbarts frühem Tod im Jahr 2012 zusammen.
Um den plötzlichen Tod von Andrew Breitbart im Alter von nur 43 Jahren ranken sich etliche Verschwörungstheorien, und ebenso verhält es sich mit O’Keefes Entlassung. Viele der Twitter-Follower von Project Veritas trennten sich nach seinem Ausscheiden von dem Unternehmen, nachdem sie wütende Abschiedstweets abgesetzt hatten.
In diesen Tweets wurden oft Theorien darüber aufgestellt, wer ihrer Meinung nach für O’Keefes Entlassung verantwortlich war: Eine weit verbreitete Vermutung war, daß Project Veritas von innen heraus von Kräften zu Fall gebracht wurde, die mit denjenigen im Bunde stehen, die die Organisation zu entlarven versuchte. Rasch wurde ein führender Mitarbeiter von Project Veritas namens Matthew Tyrmand als Rädelsführer des Putsches identifiziert.
Matthew Tyrmand: Breitbart-Journalist, Investor, außenpolitischer Analyst und regelmäßiger Gast in Sendungen wie Steve Bannons „The War Room“ oder der inzwischen eingestellten Show „Tucker Carlson Tonight“, ist der Sohn von Leopold Tyrmand (1920–1985), einem in Polen geborenen Autor und antikommunistischen Kreuzritter. Tyrmand ist auch Mitglied in mehreren Aufsichtsräten und weiß somit einiges über die Kunst der Einflußnahme. Es wird vermutet, daß Tyrmand Project Veritas als eine weitere Feder in seinem Hut sah, als Organisation, die er für seine eigene neokonservative Agenda mißbrauchen könnte.
Ein Blick auf das Ausmaß von Tyrmands Ambitionen verleiht dieser Idee eine gewisse Glaubwürdigkeit. Seine beratenden Funktionen sind wahrscheinlich lukrativ und scheinen sein nicht unbeträchtliches Ego zu stärken. Was ihm an tatsächlicher Einsicht oft fehlt, macht er durch selbstbewußtes Auftreten wett. Seine Spezialität ist es, das Vertrauen in bestimmte Narrative zu stärken, die an nützliche Idioten am liberalen Ende des konservativen Spektrums verkauft werden sollen.
In einer Folge des “Situation Report“-Podcasts vom 28. März 2022 behauptete Tyrmand beispielsweise zuversichtlich, daß Putin seine Truppen innerhalb von ein oder zwei Wochen aus der Ukraine entfernen werde. Während der Präsidentschaftswahlen 2022 in Brasilien trat er in mehreren Shows und Podcasts als „Experte“ für das südamerikanische Land auf. Seine Botschaft war bei jedem Auftritt klar: Der Sieg des linken Luiz Inacio Lula da Silva sei ungültig und sollte von seinem konservativen Gegner Jair Bolsonaro angefochten werden.
In einem “Hearts of Oak“-Podcast vom Dezember 2022 mit dem Titel „Brazil Saying No to Communism and Election Fraud“ (Brasilien sagt Nein zum Kommunismus und zum Wahlbetrug) stellte Tyrmand eine wilde Behauptung nach der anderen auf, etwa daß Lula sich nicht die Mühe gemacht habe, einen Wahlkampf unter der Bevölkerung zu führen, weil er wisse, daß ihn ohnehin niemand wählen würde, und nährte damit das Narrativ, daß ein Sieg des damals von den Medien favorisierten Lula unweigerlich Wahlbetrug sein müsse.
Er behauptete auch, daß jegliche Gewalt im Wahlkampf ausschließlich von Lula-Anhängern ausgehe, während er in krassem Widerspruch dazu festhielt, daß Lula ohne massiven Sicherheitsschutz nicht unter die Leute gehen könne. Er behauptete in diesem Podcast auch, daß der größte Teil des Landes im Moment bete, vom Militär gerettet zu werden, eine Aussage, die dem Aufruf zum bewaffneten Umsturz eines demokratisch gewählten Führers eines souveränen Landes gefährlich nahe kommt.
Am Ende haben Bolsonaros Streitkräfte nicht geputscht, und russische Truppen befinden sich immer noch in der Ukraine. Was in beiden Fällen zählt, ist Tyrmands Botschaft: Rußland und China böse, „Kommunismus“ böse, die „Linken“ böse; NATO gut, Amerika doppelplusgut, während grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Ländern gerechtfertigt sei, wenn es die „Guten“ tun.
In demselben Podcast zitierte Tyrmand zustimmend Reagans Beschreibung Amerikas als „die leuchtende Stadt auf dem Hügel“ („the shining city upon a hill“): Amerika habe „ein moralisches Prädikat“, „weil wir eben das sind – eine Nation gegründet auf der Aufklärung und auf jüdisch-christlichen Werten“.
Diese Ausdrücke sollten jedem bekannt sein, der sich an die Propaganda erinnert, die den von den Neokonservativen vom Zaun gebrochenen Irakkrieg begleitete. Interessanterweise ergänzte Tyrmand diese Zeilen mit einem Zitat von Calvin Coolidge: „The business of America is business“ (Das Geschäft Amerikas ist das Geschäft). Wie bei den Neocons vor ihm, scheint Tyrmands Freiheitsbegeisterung mit einer Liebe zu unregulierten Märkten zusammenzuhängen, also jener Art von Dingen, die „böse“ Nationen wie Rußland, China, Katar, Iran und Saudi-Arabien nicht bereit sind, in ihren Ländern einzuführen.
Tyrmands Mission ist die Apologie der amerikanischen Wirtschaftshegemonie, wie sie sich nach dem Kalten Krieg etabliert hat. Das ist seine Schlüsselbotschaft und er handelt wie ein leidenschaftlicher Auftragskiller, wenn es darum geht, sie zu verbreiten. Sein Einfluß reicht sogar bis nach Europa, wo der Europaabgeordnete der Alternative für Deutschland, Maximilian Krah, in sein Fadenkreuz geriet.
Im August 2022 hatte Tyrmand begonnen, Krah in einem vulgären Tonfall auf Twitter zu attackieren und ihm insbesondere zu unterstellen, von China gekauft zu sein. Am 5. August 2022 beschimpfte er sowohl den Parteivorsitzenden Tino Chrupalla als auch Krah als „verräterische Huren auf der Gehaltsliste von diktatorischen Regimen“ („treasonous whores on dictatorial regime payrolls“).
Anfragen des Krah-Büros ergaben, daß Tyrmand im Vorstand des New York Young Republican Club saß, dessen Mitglieder Krah ebenfalls bekannt waren. Es stellte sich schließlich heraus, daß beide bei der “New York Young Republican”- Galaveranstaltung am 10. Dezember 2022 anwesend waren, wo Krah heimlich als Teil einer – was sonst? – Undercoveraktion von Project Veritas gefilmt wurde.
Diese “Stichoperation” war für Project Veritas insofern ungewöhnlich, als sie einen konservativen Kollegen attackierte, noch dazu einen ausländischen, was viele Clubmitglieder als Affront gegen ihre Gastfreundschaft betrachteten. Ein tatsächlicher Skandal war hinter der etwa einminütigen Aufnahme nicht zu erkennen.
Darin ist ein Mann zu hören, der versucht, Krah eine Stellungnahme zu der Zahl der Opfer, die auf Baustellen des World-Cup-Stadiums in Katar ums Leben gekommen sein sollen, zu entlocken. Krah stimmt zu, daß er die von westlichen Medien angegebene Zahl – oft mit 500 beziffert – für übertrieben hält („It’s bullshit!“) und stattdessen der Meinung ist, daß die von den Katarern angegebene offizielle Zahl von 20 der Wahrheit näherkomme. In seinen Aussagen schwingt implizit die Annahme mit, daß Länder mit nicht-westlichen Werten oft dämonisierenden Propagandakampagnen ausgesetzt werden. Das war es auch schon.
Dieser kurze Austausch wurde nun zu einem Skandal aufgeblasen. In englischsprachigen Artikeln sowie in der deutschen Publikation Tichys Einblick wurde zusätzlich suggeriert, daß Krah irgendwie in den Skandal um die griechische sozialistische Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, verwickelt sei. Nun gab es keinen Zweifel mehr, warum „Katar“ als Gesprächsthema für die heimlich angefertigte Aufnahme ausgewählt worden war.
Kaili hatte nämlich Säcke mit Bargeld erhalten, von denen angenommen wurde, daß sie von der katarischen Regierung stammten. Einziger „Beweis“ für die Verbindung des deutschen Konservativen Krah mit dem Skandal war ein Foto, das ihn bei einer offiziellen Veranstaltung mit dem katarischen Botschafter zeigte, an der er als Mitglied der „Monitoring Group“ für Südasien im Europäischen Parlament teilgenommen hatte.
Diese Methode erinnert an die „schwarzen Autos“ O’Keefes: Reiße irgendetwas aus dem Zusammenhang, das seltsam erscheinen könnte, und gib es dem Publikum als Hirnfutter, um sich daraus seine eigenen Horrorgeschichten zu spinnen. Bei Krah reichte ein diplomatischer Akt mit einem Botschafter aus einem als „antiwestlich“ geltenden Land aus, um ihn als bestechlich oder bestochen hinzustellen.
Strippenzieher dieser Story war Matthew Tyrmand selbst, zu einem Zeitpunkt, als O’Keefe noch Kopf von Project Veritas war. O’Keefe war auch Stargast der erwähnten Galaveranstaltung in New York am 10. Dezember 2022. An diesem Abend waren neben Krah auch andere Mitglieder der AfD anwesend: die Europaparlamentarier Nicolaus Fest und Markus Buchheit sowie Filip Gaspar, der auf Buchheits, Fests und Gunnar Becks Gehaltsliste steht.
Alle drei wurden bei den Feierlichkeiten im freundschaftlichen Gespräch mit Herrn Tyrmand gesehen. Erstaunlicherweise war Krah das einzige anwesende AfD-Mitglied, das heimlich aufgenommen wurde. Daß Fest und Buchheit neokonservativ-transatlantisch ausgerichtet und Krahs Konkurrenten für die nächste Liste zur Europawahl sind, könnte eine relevante Tatsache sein.
Daß es sich hier um eine konzertierte Kampagne gegen Krah handelte, wurde nur drei Tage nach der Gala mit der Veröffentlichung des Artikels “The AfD’s CCP Man in Brussels“ deutlich. Tyrmand stellte darin Krahs Bemühungen, freundschaftliche Beziehungen zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner China aufrechtzuerhalten (wie mittlerweile auch von Emmanuel Macron oder dem Präsidenten des Bundesarbeitgeberverbandes gefordert), als „Apologie der KPC“ und Lobbyarbeit für chinesische Interessen hin. Er bezeichnete Krah gar als „Sprachrohr für Argumente aus Pekings“. Die amerikazentrierte Sichtweise des Autors ließ für Deutschland keinen anderen außenpolitischen Ansatz gelten als die Anbindung aller Handels- und Verteidigungspolitik an die Vereinigten Staaten.
Nur zwei Tage vor Weihnachten wurde der deutsche Europaabgeordnete auf Twitter mit einem direkten Angriff von Tyrmand konfrontiert. „Ich sag dir was, @KrahMax“, schrieb er einem nicht besonders festlich gestimmten Tweet: „Wenn du vor Silvester kündigst, werde ich die nächsten sieben Kapitel dieses mehrteiligen Exposés vielleicht doch nicht veröffentlichen. Wie du dir vorstellen kannst – da du es selbst am besten weißt – gibt es noch eine ganze Menge mehr. Und ich habe alles. Der Gestank um dich herum ist überwältigend.“ Den Text begleiten Emojis von einem Schwein und einem Kackhaufen sowie die Flaggen von China, Russland, Iran und Katar.
Der Wind hatte jedoch begonnen, sich gegen Matthew Tyrmand zu drehen. Am 21. Februar 2023 gab der New York Young Republican Club die Suspendierung Tyrmands bekannt. Grund sei seine mutmaßliche Rolle beim Sturz O’Keefes:
Nach einer Reihe von Befragungen hat der Vorstand des New York Young Republican Club erfahren, daß Matthew Tyrmand, ein Mitglied unseres Beratergremiums, O’Keefes Absetzung möglicherweise aufgrund von fadenscheinigen Behauptungen über finanzielles Fehlverhalten eingefädelt hat.
O’Keefe ist ein enger Freund des Clubs, und Tyrmand ist Mitglied des Beratergremiums des Clubs. Bis zum Ergebnis einer internen Untersuchung, die von unserem obersten Direktorium durchgeführt wird, wird Matthew Tyrmand von seiner Funktion suspendiert. (…) Die glaubwürdigen Berichte, die wir erhalten haben, erfordern eine vollständige Untersuchung, um sicherzustellen, daß die Interessen unserer Mitglieder angemessen vertreten werden.
Bis heute zeigt der Twitter-Mob, der Tyrmand beschuldigt, Project Veritas zerstört zu haben, keine Anzeichen von Gnade. Tyrmand wird nicht mehr eingeladen, um über brasilianische Politik oder die Ukraine zu sprechen. Sogar sein alter Kumpel Steven Bannon hat ihn in seiner Sendung „The War Room“ („Tyrmand, the whole crowd – dead to us, never come back!“) namentlich als Verschwörer hinter dem Sturz von James O’Keefe bezeichnet und zur persona non grata erklärt.
Aber Tyrmand hat Eisen in mehreren Feuern und bleibt im Vorstand vieler Organisationen und Publikationen tätig, einschließlich des in Ungarn ansässigen European Conservative, der sich selbst als „Europas führende konservative, englischsprachige, vierteljährlich erscheinende Zeitschrift für Philosophie, Politik und Kunst“ bezeichnet. Hier finden wir Tyrmands Namen in der Redaktion aufgelistet.
So verwundert es nicht, daß nun auch der European Conservative Maximilian Krah ins Visier genommen hat, diesmal mit Korruptionsvorwürfen basierend auf Hörensagen seiner politischen Feinde, in diesem Fall Tyrmand-Partner und Transatlantiker Nicolaus Fest. Immerhin macht dieser Artikel unmißverständlich klar, weshalb Krah angegriffen wird: er sei nämlich „the champion of the anti-Atlanticist cause favouring greater ties with Russia, China, and even anti-Western nations such as Iran.“
Tyrmand neigt dazu, wie in einem Karnevals-Maulwurfspiel von einem Aktionsfeld zum nächsten auf- und abzutauchen. Was nicht heißen soll, daß der Mann ein Gauner ist. Vielmehr ist er ein Überzeugungstäter. Tyrmand ist stolz auf die antikommunistische Haltung seines Vaters und betrachtet den Kommunismus als ständige Bedrohung, die hinter fast allen seinen Feinden lauert:
China und Russland sind für ihn „böse Imperien“ insofern, als sie „immer noch kommunistisch in jeder Hinsicht“ seien. Diesen bösen Mächten setzt Tyrmand die „Pax Americana“ derjenigen entgegen, „die einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen, um Handel zu treiben und friedliche, wohlhabende Gesellschaften aufzubauen.“
So einfach kann man die Welt in Schwarz und Weiß, Gut und Böse aufteilen. Aus Sicht des neokonservativen Kults sind Demokratie nach amerikanischem Muster und freie Märkte unerlässlich für ein glückliches Leben. Sie sind so wichtig, daß man bereit ist, für sie zu sterben – oder vielmehr andere für sie sterben zu lassen. Da die Bewegung mehr von einem religiösen Eifer als von einem tatsächlichen politischen Mandat oder einer definierbaren Wählerbasis motiviert ist, bewegt sie sich mit Leichtigkeit zwischen den Parteien der Demokraten (Obama, Biden) und der Republikaner (Bush Jr.), je nachdem, wie ihre Ziele am ehesten erreicht werden können.
Amerikanische Liberale der alten Schule wie Robert Kennedy Jr. und Chris Hedges lehnen sie ebenso ab wie konservative Persönlichkeiten wie Pat Buchanan oder die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene. Trump war bislang der einzige Präsident, der versuchte, den neokonservativen Einfluß mit einem ideologisch konträren populistisch-protektionistischen, anti-interventionistischen „America First“-Programm zumindest zu bremsen.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, wie schnell neokonservative Prinzipien die frischgebackene politische Partei „Alternative für Deutschland“ kolonisiert haben. Viele prominente Mitglieder wie Beatrix von Storch, Norbert Kleinwächter, Nicolaus Fest und Markus Buchheit teilen ihre Grundsätze und arbeiten mit Beratern wie Matthew Tyrmand zusammen, die ihnen Einbindung in die Netzwerke wohlgesonnener amerikanischer Journalisten versprechen.
Doch die AfD-Wählerbasis bleibt skeptisch gegenüber diesem außenpolitischen Ansatz, der sich nicht wesentlich von den Angeboten der „Altparteien“ unterscheidet. Gleichzeitig ist der Einfluß der Neokonservativen im Schwinden begriffen, nicht zuletzt aufgrund des desaströsen Ukraine-Konflikts.
Wenn es irgendetwas aus der Project Veritas-Saga zu lernen gibt, dann, daß Neocons häufig Überzeugungstäter sind, denen alle Mittel recht sind. Leider wurden auch viele kleinere Publikationen, die sich „konservativ“ auf der Fahne schreiben, und die vielleicht wie Project Veritas mal unabhängig waren, von dieser Sekte vereinnahmt. Meinungslenkung muß im digitalen Zeitalter überall betrieben werden, und Fake News sind nicht die ausschließliche Domäne der Öffentlich-Rechtlichen.
Götz Kubitschek
lassen wir unkommentiert stehen.