Schwierige Heimkehr

Wir Beitrittsgebietler hatten es im Zuge der Wiedervereinigung zunächst nicht bemerkt, daß uns ein wirtschaftlich zwar potentes, aber ideell kriselndes Land übernahm.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

Auf­ge­wach­sen waren wir mit der Dok­trin: Die Bun­des­re­pu­blik da drü­ben ist der Feind, in Gestalt des Deutsch­lands, das an das alte Reich und so an eine dra­ma­ti­sche Geschich­te anschloß, die viel umfas­sen­der war als jene Bezü­ge, die die DDR – vom Bau­ern­krieg über die 48er Revo­lu­ti­on bis zum Mari­ne­auf­stand 1918 – als paß­recht für ihre Tra­di­ti­ons­li­nie empfand.

Die Bun­des­re­pu­blik stand für Umfas­sen­de­res und für ein ande­res Erbe­ver­ständ­nis. Damals, heu­te nicht mehr.

Wir in der DDR Her­an­ge­wach­se­nen wähn­ten uns kraft der Legen­de von der Stun­de Null und im Ergeb­nis von Auf­bau­erfol­gen in einem ganz neu­en Deutsch­land zu Hau­se, das sei­ne Kon­se­quen­zen aus his­to­ri­schen Feh­lern und deren End­ka­ta­stro­phe gezo­gen oder sich davon „revo­lu­tio­när“ abge­kop­pelt hat­te. Gut, dies wies sich im öko­no­mi­schen Erfolg noch nicht aus, aber dafür, wur­de uns erklärt, gab es Ursa­chen, die pri­mär nicht im sozia­lis­ti­schen Auf­bruch selbst lägen.

Das wer­de schon noch, erläu­ter­te man uns. Wir sei­en jung, genau unse­re Leis­tung wäre gefragt, wir wür­den sehr gebraucht und hät­ten uns hart anzu­stren­gen, denn künf­ti­ger Wohl­stand wol­le erar­bei­tet sein – sozia­lis­tisch aber, kein bür­ger­li­cher Spie­ßer­wohl­stand. Ein Wirt­schafts­wun­der blieb nicht allein wegen Sys­tem­män­geln aus: Die UdSSR zog bis 1953 Repa­ra­tio­nen in Höhe von 15 Mil­li­ar­den Dol­lar ab, das Drei­fa­che der Las­ten des Wes­tens, und bedien­te sich auch danach aus der lau­fen­den Produktion.

Den­noch wur­de die DDR von vie­len Hin­ein­ge­bo­re­nen tat­säch­lich als Vater­land emp­fun­den, und zwar wohl oder übel. Sie ver­füg­te durch­aus über eine natio­na­le Idee und zwang in ihrer Aus­schließ­lich­keit jeden zu einer Posi­tio­nie­rung, für oder gegen sie. Daß sie schei­ter­te, mag zwin­gend fol­ge­rich­tig gewe­sen sein, aber einen so rasan­ten, so ful­mi­nan­ten Unter­gang, der nichts übri­gließ, hat­ten wir nicht erwartet.

Viel­leicht weil sich nie­mand vor­stel­len konn­te, daß die Sowjet­uni­on – schon gar in der Per­son des völ­lig ver­klär­ten Hoff­nungs­trä­gers Gor­bat­schow – ihr eige­nes Geschöpf so abrupt fal­len­las­sen wür­de. Peter Hacks, ein so inter­es­san­ter Autor wie über­zeug­ter Sta­li­nist und trotz bizar­rer Auf­fas­sun­gen eine erns­te lite­ra­ri­sche Emp­feh­lung wert, hat Gor­bat­schow daher einen „erwie­se­nen Unmar­xis­ten“ und „kau­ka­si­schen Gewohn­heits­lüg­ner“ genannt, „ein Schaf im Schafs­pelz mithin.“

Wir waren zwar kei­ne Sowjet­re­pu­blik, aber Hun­dert­tau­sen­de Sowjet­sol­da­ten im Land, all­ge­gen­wär­tig, erschie­nen als aller­stärks­tes Argu­ment, als Garan­tie einer wie auch immer fort­zu­set­zen­den DDR-Exis­tenz. Unse­re inne­re Wär­me, von der spä­ter oft so unklar wie doch tref­fend die Rede sein soll­te, wur­de durch den Kal­ten Krieg erzeugt.

Im Rücken die so mäch­ti­ge wie unheim­li­che Sowjet­uni­on, von der wir aller­dings zu wenig wuß­ten und deren düs­ters­te Geheim­nis­se wir nicht kann­ten, uns als Front­staat gegen­über die Bun­des­re­pu­blik als NATO-Staat. Die­se soll­te der aggres­si­ve Feind, jene der gute star­ke Bru­der sein. So die Konstellation.

Daß die ver­meint­lich bereits den Kom­mu­nis­mus erbau­en­de UdSSR schlapp­ma­chen und uns hän­gen­las­sen könn­te, war gera­de ange­sichts der Über­prä­senz ihrer Mili­tär­macht für uns eben­so­we­nig erkenn­bar wie der schick­sal­haf­te Wan­del, daß das gleich­spra­chi­ge Fein­des­land drü­ben uns in die deut­sche Geschich­te heim­ho­len würde.

Aber genau so geschah es. Wer heu­te meint, er hät­te das erwar­tet, der fabu­liert sich etwas zurecht. Aus unse­rer wie aus der Innen­per­spek­ti­ve der Bun­des­re­pu­blik war die­ser sagen­haf­te Vor­gang der Wie­der­ver­ei­ni­gung noch im Früh­jahr 1989 über­haupt nicht abseh­bar. Wer den­noch dar­auf hoff­te, tat es auf eine Art polit­re­li­giö­se Wei­se, so wie man noch auf die Rück­kehr Schle­si­ens, Pom­merns und Ost­preu­ßens hof­fen mag – nach­voll­zieh­bar zwar, aber ohne jede Aus­sicht auf Erfüllung.

Des­halb die all­zu roman­ti­sche Rede vom Geschenk der deut­schen Ein­heit. Fas­zi­nie­rend, ja. Nur kam man mit dem Nach­den­ken dar­über kaum hin­ter­her. Die Pro­zes­se, vor 1989 undenk­bar, lie­fen dann ab Win­ter 1989/90 mit der enor­men Kraft des Fak­ti­schen uner­war­tet schnell ab.

Der plötz­li­che Wunsch nach Ver­ei­ni­gung war frag­los stark. Auch weil ein im Herbst 1989 wie­der recht klein erschei­nen­des Land nach bis­he­ri­ger Logik ja irgend­wo­hin gehö­ren muß­te und nicht auf sich allein gestellt blei­ben konn­te. Der Ost­block ver­sank wie ein gewal­ti­ges, aber rost­zer­fres­se­nes und leck­ge­schla­ge­nes Schlacht­schiff, von dem man sich erst jetzt frag­te, wes­halb man es über­haupt für schwimm- und manö­vrier­fä­hig gehal­ten hatte.

Aber Tsche­chen waren Tsche­chen, Slo­wa­ken blie­ben Slo­wa­ken, Polen sind immer stol­ze Polen und Ungarn ein­fach Ungarn; nur DDR-Bür­ger waren, fiel jetzt auf, doch wohl eher – Deutsche?

Das ret­ten­de Ufer lag im Wes­ten. Dort spra­chen sie unse­re Spra­che, dort war das alte Deutsch­land, das sich doch offen­bar wirt­schaft­lich und poli­tisch bewährt hat­te, wäh­rend wir in einer Art glo­ba­ler Bla­ma­ge geschei­tert waren, ganz zu schwei­gen von dem Schuld­kon­to, das von der Staats­ver­schul­dung bis zur Staats­si­cher­heit plötz­lich offenlag.

Außer­dem war seit Gor­bat­schow, Glas­nost und Pere­stroi­ka die­ser Lei­chen­ge­ruch der Opfer nicht mehr zu ver­drän­gen, weil die Kel­ler­ge­wöl­be der Geschich­te des Sta­li­nis­mus geöff­net wor­den waren. Geschockt regis­trier­ten wir, daß alles der Wahr­heit ent­sprach, was kurz vor­her noch als „hys­te­ri­scher Anti­so­wje­tis­mus“ gegol­ten hatte.

Jen­seits aller Wende‑, Bür­ger­be­we­gungs- und Heldenstadt-Leipzig-Romantik:

Unser Lam­pe­du­sa, unse­re Bal­kan­rou­te waren schon unmit­tel­bar vor der Wie­der­ver­ei­ni­gung die bun­des­deut­schen Bot­schaf­ten in Prag und War­schau gewe­sen. Die einen saßen dort fest und wur­den bekös­tigt, bis Gen­scher ihnen die fro­he Bot­schaft brach­te, die ande­ren – gera­de noch „zu Hau­se“ – fan­den ihre sich dem Wes­ten auf­drän­gen­den Lands­leu­te pein­lich und for­der­ten illu­sio­när eine ande­re DDR; schließ­lich aber kamen alle sozu­sa­gen in den Wes­ten bzw. der Wes­ten mit Demo­kra­tie, Rechts­staat, D‑Mark und Dis­coun­tern zu ihnen. Auch alle Hel­den­städ­ter und Wen­de­häl­se woll­ten vor allem eines – end­lich die Inter­shop-Waren frei zugäng­lich ein­kau­fen: „Coca-Cola, Büch­sen­bier – Hel­mut Kohl wir dan­ken dir!“ So lau­te­te einer der ehr­li­che­ren Slogans.

Noch jeder beleib­te Bus­fah­rer, der uns ab Wie­der­ver­ei­ni­gung auf Bil­lig­tou­ren durch Euro­pa kutsch­te, erschien uns mit der schwarz ein­ge­stick­ten Rose auf der Hemd­wam­pe wie ein erfolg­rei­cher Unter­neh­mer, min­des­tens aber bür­ger­lich, ganz im Gegen­satz zu uns.

Den­noch: Die da drü­ben im Wes­ten waren nicht nur fremd gewor­de­ne Ver­wand­te, son­dern die ganz ande­ren Deut­schen, die wir über Jahr­zehn­te als Fein­de anzu­se­hen hat­ten und von denen nicht weni­ge tat­säch­lich unse­re Fein­de gewe­sen waren und viel­leicht geblie­ben sind.

Auf­fäl­lig, daß nach der soge­nann­ten Wen­de über alles mög­li­che gere­det wur­de, nicht aber dar­über, daß poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche Feind­schaft, wenn­gleich sie aus einer glo­ba­len Ost-West-Spal­tung rühr­te, für von der Geschich­te nun wie­der Ver­ein­te durch­aus ein Pro­blem ist. Plötz­lich taten alle so, als kämen mit der Wie­der­ver­ei­ni­gung tief befreun­de­te Volks­grup­pen zusam­men, die böse Mäch­te ganz unfrei­wil­lig von­ein­an­der getrennt hat­ten. Fort­ge­schrie­ben wur­de, wur­de, was Kat­ja Hoyer so for­mu­liert: „West­deutsch­land wur­de zum Kon­ti­nui­täts­staat erklärt und Ost­deutsch­land zu Anomalie.“

Die Ver­ei­ni­gung funk­tio­nier­te einer­seits, weil wir bedin­gungs­los kapi­tu­lier­ten, zual­ler­erst vor uns selbst, geschockt von der eige­nen Nie­der­la­ge, gera­de wegen ver­zwei­fel­ter Bemü­hun­gen ums Eige­ne in den Acht­zi­gern, noch ver­blüff­ter dar­über, das Ende nicht kom­men gese­hen zu haben. Sie, die Ver­ei­ni­gung, funk­tio­nier­te ande­rer­seits, weil die ande­ren nun mal die Sie­ger der Geschich­te waren und ihre ver­meint­lich durch­weg bewähr­ten Regu­la­ri­en auf uns über­tru­gen. Wie lächer­lich doch, ja beschä­mend, daß genau unse­re Staats­füh­rung immer für die DDR in Anspruch genom­men hat­te, Sie­ger der Geschich­te zu sein.

Nein, wir hat­ten ver­lo­ren, schie­nen allein nicht über­le­bens­fä­hig, wur­den aber von den frem­den Ver­wand­ten nach­sich­tig adop­tiert. Wir soll­ten gefäl­ligst dank­bar sein. Wir waren weni­ge, die Ein­woh­ner­zahl im Osten ent­sprach etwa der von Nord­rhein-West­fa­len; die mäch­ti­ge Bun­des­re­pu­blik wür­de uns schon behau­sen, so die halb hoff­nungs­vol­le, halb resi­gnier­te Annahme.

Eben­so wich­tig ist jedoch ein Trug­schluß, für des­sen Klä­rung wir etwa zwei Jahr­zehn­te brauchten:

All­zu sehr mit dem eige­nen Schick­sal beschäf­tigt, erkann­ten wir erst nach und nach, daß die Bun­des­re­pu­blik selbst sich längst geän­dert hat­te und über­haupt nicht mehr der hart leis­tungs­ori­en­tier­te Staat Ade­nau­ers, Erhards und Kie­sin­gers war, son­dern, bedingt durch Gene­ra­ti­ons­wech­sel, eine Art sozi­al­de­mo­kra­tisch und ten­den­zi­ell grün­al­ter­na­ti­ve Weich-Vari­an­te davon.

Die an die acht­und­sech­zi­ger Revol­te anschlie­ßen­de Kul­tur­re­vo­lu­ti­on der Sieb­zi­ger war in ihrer Dimen­si­on aus der DDR-Per­spek­ti­ve und mit DDR-Polit­lo­gik kaum zu begrei­fen, weil ja auch nicht zu begrei­fen war, was die sich links wäh­nen­den Bür­ger­söhn­chen und höhe­ren Töch­ter mein­ten, wenn sie, Papas dickes Taschen­geld im Porte­mon­naie, von Mar­xis­mus und Leni­nis­mus spra­chen. Min­des­tens dar­auf mein­ten wir ja in der DDR das allei­ni­ge Anrecht zu haben, mit allen Schwie­rig­kei­ten, die er uns in der Pra­xis eintrug.

Drü­ber war der Mar­xis­mus doch wohl nicht Pra­xis. Oder doch? Wil­ly Brandt moch­te zwar der gute alte Onkel der Sozia­lis­ti­schen Inter­na­tio­na­le gewe­sen sein, aber Hel­mut Schmidt hat­te immer noch die Anmu­tung eines schnei­di­gen Wehr­machts­of­fi­zier und pas­sen­der­wei­se die NATO-Nach­rüs­tung inspi­riert, und Hel­mut Kohl schien das alte wuch­ti­ge Deutsch­land gera­de­zu phy­sisch zu ver­kör­pern, ins­be­son­de­re wenn er neben Hon­ecker oder eben Lothar de Mai­ziè­re zu ste­hen kam. Schon famos, wie er auf den Hal­len­ser Eier­wer­fer zuwalz­te. Die­se Akti­on konn­te über­haupt als iko­no­gra­phisch für die neue Ein­heit gelten.

Wir Ost­ler konn­ten nicht umfas­send nach­voll­zie­hen, daß sich die Bun­des­re­pu­blik längst von unten auf sehr prin­zi­pi­ell ver­än­dert hat­te und das, was einst ihre Stär­ke gewe­sen sein moch­te, zu schwin­den begann.

Wir ver­stan­den nicht, daß der uns heim­ho­len­de Wes­ten, den wir dann mit der ersehn­ten D‑Mark erleb­ten und der sich in den Neun­zi­gern mit Treu­hand, Über­nah­men und Ratio­na­li­sie­run­gen noch als regel­recht kapi­ta­lis­tisch zeig­te, sei­ne ursprüng­li­che Iden­ti­tät bereits ver­än­dert hatte:

Rhei­ni­scher Kapi­ta­lis­mus, das klang ja noch nach was. Und dazu moch­te der Rosen­züch­ter von Rhön­dorf eben­so gepaßt haben wie Gel­sen­kir­chen als Stadt der tau­send Feu­er. Aber die­ser gute alte Kapi­ta­lis­mus war, bemerk­ten wir irri­tiert, längst im Ver­schwin­den begrif­fen – wie ande­rer­seits unser pseu­do­he­roi­scher Sozia­lis­mus sta­li­nis­ti­scher Prä­gung, nur eben lang­sa­mer, gleich­wohl aber unaus­weich­lich. Mit dem Kal­ten Krieg ende­ten die letz­ten Aus­läu­fer der Moderne.

Spä­tes­tens am Ende der Neun­zi­ger regis­trier­ten wir:

Die im Wes­ten woll­ten min­des­tens offi­zi­ell ja gar kei­ne Nati­on mehr sein! Gewis­ser­ma­ßen hat­te die Weiz­sä­cker-Rede von 1985 das klar­ge­stellt, was die Kin­der und Enkel­ge­nera­ti­on die­ses noch kon­ser­va­tiv wir­ken­den Bun­des­prä­si­den­ten klar­ge­stellt wis­sen woll­te, und dies bereits 1985, also fünf Jah­re vor unse­rem Bei­tritt. Gleich­falls deu­te­te der His­to­ri­ker­streit dar­auf hin. Jür­gen Haber­mas, Hans und Wolf­gang Momm­sen sowie Hans-Ulrich Weh­ler pole­mi­sier­ten seit den Sieb­zi­gern gegen das alte natio­na­le Selbst­ver­ständ­nis; die von Hel­mut Kohl zunächst beschwo­re­ne „geis­tig-mora­li­sche Wen­de“ blieb aus.

Weiz­sä­ckers Wort von der „Befrei­ung“ mein­te nicht weni­ger als den Abschied von der alten Nati­on über­haupt. Ein neu­es Deutsch­land soll­te es sein, ein prin­zi­pi­el­ler Bruch soll­te erfol­gen. Und er erfolgte.

Die Bun­des­re­pu­blik aber, lern­ten wir Dazu­ge­kom­me­nen, woll­te nicht nur kei­ne Nati­on mehr sein und sich statt­des­sen in „Euro­pa“ oder bes­ser noch in der „Welt­ge­mein­schaft“ auf­ge­gan­gen wis­sen, sie woll­te, mehr noch, mit gera­de noch basis­ka­pi­ta­lis­ti­schen Mit­teln eine Art Sozia­lis­mus all­um­fas­sen­der Gerech­tig­keit und Gleich­heit wagen. Daher all die neu­en Pro­pa­gan­da­be­grif­fe wie Teil­ha­be, Inklu­si­on, Bildungsgerechtigkeit.

Mitt­ler­wei­le ging es nicht mehr zuerst um Leis­tung und Leis­tungs­ge­sell­schaft, son­dern um anzu­mel­den­de „Bedar­fe“. Plötz­lich war nicht nur die Wür­de des ers­ten Grund­ge­setz­ar­ti­kels jedem per se zuzu­mes­sen, son­dern eben­so der glei­che Wert. Das galt mehr noch für Zugewanderte.

Ja, wir gewan­nen den Ein­druck, daß für die Sicher­stel­lung des eige­nen Wer­tes nichts mehr zu leis­ten war, son­dern daß jene, die weni­ger oder gar nichts leis­ten woll­ten, ins­be­son­de­re nicht für das zuneh­mend ver­pön­te Vater­land, sogar das Maß und die Rich­tung bestimm­ten. Warf man ihnen das vor, ver­lang­ten sie mehr „Respekt“. Wofür bloß?, frag­ten wir uns.

Ganz wesent­li­cher Wan­del: Ungleich­heit und Unge­rech­tig­keit wur­den ein­an­der mehr und mehr gleichgesetzt.

Leis­tungs­an­for­de­run­gen zu stel­len oder für Ver­güns­ti­gun­gen Leis­tungs­be­reit­schaft zu ver­lan­gen, das begann nun­mehr als dis­kri­mi­nie­rend, als seg­re­gie­rend zu gel­ten. Wo einst Exklu­si­on erfolgt war, sol­le jetzt um so mehr Inklu­si­on hei­len, ins­be­son­de­re in der Bil­dung, wo das Schei­tern kraft kul­tus­bü­ro­kra­ti­scher Richt­li­ni­en und Erlas­se ver­hin­dert wur­de. Und wo es den­noch geschah, sah man die Leh­rer oder sozia­le Umstän­de als dafür ver­ant­wort­lich an, aber schon gar nicht mehr den Schü­ler selbst in der Pflicht, sich mehr zu engagieren.

Im Zuge die­ses Wan­dels griff zudem eine Art gesell­schaft­li­cher Neu­ro­ti­sie­rung um sich:

Die Ver­gan­gen­heit wur­de ins­ge­samt als ein böser Alp­traum wahr­ge­nom­men, als Schreck­nis und Ver­bre­chen, wor­über sie im Wes­ten noch geschock­ter schie­nen als wir, nach­dem klar war, was Sta­li­nis­mus wirk­lich bedeu­tet hatte.

Nicht nur das Vater­land galt als dis­kre­di­tiert, son­dern eben­so die Mut­ter­spra­che. Wer noch auf deren siche­ren und nuan­cier­ten Gebrauch hin­zu­wir­ken ver­such­te, alt­mo­disch kon­se­quen­te Deutsch­leh­rer etwa, galt bald als Gram­ma­tik­fa­schist – mit der Fol­ge, daß die eige­ne Spra­che von immer weni­ger Deut­schen qua­li­fi­ziert beherrscht wur­de und damit gleich­falls das kri­ti­sche Den­ken ein­ge­schränkt war, mehr noch als von der ein­set­zen­den Neu­auf­la­ge poli­ti­scher Zen­sur und der Wie­der­kehr der Berufsverbote.

Plötz­lich woll­te eben jene Bun­des­re­pu­blik anti­im­pe­ria­lis­tisch sein, die wir aus DDR-Sicht als natür­lich und ker­nig impe­ria­lis­tisch kann­ten und als sol­che respek­tie­ren gelernt hat­ten. Sie sah sich längst als schwer schuld­be­las­tet an, rief, ange­trie­ben von „woken“ jun­gen Gar­den, ihr „Mea cul­pa, mea cul­pa!“ immer hys­te­ri­scher in die Welt und wirk­te in ihrem Bedürf­nis, sich immer affek­tier­ter klein­zu­ma­chen, indem sie allen ande­ren alle Anspruchs­rech­te sich gegen­über ein­räum­te, bei­na­he unfrei­wil­lig komisch, ja blöd­sin­nig und poli­tisch geistesgestört.

So, wie bald jeder Mann, nur weil er Mann war, als qua­si natur­ge­mäß poten­ti­el­ler Sexist galt, stand jeder Deut­sche im Ver­dacht, im Geno­typ unwei­ger­lich Nazi zu sein, der sich ohne ein­dring­li­che poli­ti­sche Bil­dung neu­er­lich zum „wil­li­gen Vollt­re­cker“ aus­wach­sen wür­de. Des­halb hat­te er sich mit vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam in die neue Regen­bo­gen­fah­ne zu hül­len und in sei­nen Äuße­run­gen der Regel­poe­tik gefühls­lin­ker Cor­rect­ness zu folgen.

Erst nach­dem wir Ost­ler begrif­fen hat­ten, wohin die Rei­se poli­tisch ging, sahen wir klarer:

Wir bemerk­ten, daß ins­be­son­de­re die Schu­le immer mehr kul­tu­rel­le Bestands­ver­lus­te zug­las­sen hat­te, weil die Schul­po­li­tik mein­te, nur über den Ver­zicht auf sub­stan­ti­el­le Kennt­nis­se und auf die Erzie­hung zu frü­her bewähr­ten Tugen­den wür­de Bil­dung gerech­ter. Weil weni­ger ver­mit­telt wur­de, muß­te kulan­ter geprüft und muß­ten die Bewer­tun­gen infla­tio­niert wer­den, wäh­rend das Gym­na­si­um zu Gesamt­schu­len und die nicht­gym­na­sia­len Bil­dungs­gän­ge zu Res­te­schu­len abstiegen.

Wir bemerk­ten plötz­lich über­haupt den augen­fäl­lig mise­ra­blen Trai­nings­zu­stand unse­rer Alters­ge­nos­sen im Wes­ten, die wir doch eigent­lich für fit gehal­ten hat­ten. Der „Lauch“, das war der Jun­gen­d­typ West. Kraft­voll, mobil und elas­tisch wirk­ten eher die ins Land drän­gen­den Migranten.

In Ergeb­nis der Mas­sen­ein­wan­de­rung wird deut­lich, daß letzt­lich mit Ein­ge­wan­der­ten kein Staat zu machen ist, weil die qua­si selbst ihren Staat machen. In sei­nem Kom­men­tar mit dem bered­ten Titel „Sie wol­len ein­fach nicht“ wird das F.A.Z.-Autor Jas­per von Alten­bo­ckum klar:

„Ein­bür­ge­rung muss aber, um über­haupt etwas gestal­ten zu kön­nen, ein Zei­chen gegen­sei­ti­ger, nicht ein­sei­ti­ger Akzep­tanz sein. Die tür­ki­schen Auto­kor­sos auf deut­schen Stra­ßen waren inso­fern eine Macht­de­mons­tra­ti­on, die sich gegen eine devo­te Ein­wan­de­rungs­po­li­tik rich­te­te. Sie soll­te sagen: Ihr könnt noch so wenig wol­len, wir wol­len gar nicht.“

Nach­dem uns anfangs mit päd­ago­gi­scher Pene­tranz und didak­tisch erho­be­nem Zei­ge­fin­ger weis­ge­macht wor­den war, wir kämen vom fau­len Sozia­lis­mus in eine auf­ge­weck­te Leis­tungs­ge­sell­schaft und der Preis für die Frei­heit wären Selbst­ver­ant­wor­tung und Fleiß, wur­de immer deut­li­cher, daß Leis­tung mehr und mehr als Über­for­de­rung, ja als dis­kri­mi­nie­rend ange­se­hen wur­de und daß ein jeder Anrecht auf Ergeb­nis­se von Wert­schöp­fung haben soll­te, sogar gera­de dann, wenn er selbst gar nicht wil­lens oder über­haupt in der Lage war, etwas an Wer­ten zu schöpfen.

Seit­dem die muti­ge Agen­da-Poli­tik Ger­hard Schrö­ders, die­ses letz­ten alten wei­ßen Man­nes der Alt-BRD, rück­ab­ge­wi­ckelt wird, erle­ben wir, for­ciert noch von der staats­so­zia­lis­tisch anmu­ten­den Coro­na-Maß­re­ge­lungs­po­li­tik, gigan­ti­sche Umver­tei­lun­gen, nicht nur in Deutsch­land selbst, son­dern mehr noch in „Euro­pa“, des­sen ers­tes Anrecht zu sein scheint, an Deutsch­lands Finanz­we­sen zu genesen.

Und weil sich die­ses neue Deutsch­land immer noch so ver­gan­gen­heits­be­schmutzt wähn­te, zele­brier­te es Rei­ni­gungs­ri­tua­le und ver­hieß, daß es sich allen Armen und Bela­de­nen der Welt gegen­über in der Pflicht sah. Genau das wur­de 2015 ein­drucks­voll dra­ma­tisch durch­ex­er­ziert und danach vorm Hin­ter­grund des geschei­ter­ten Dub­lin-Abkom­mens fortgesetzt.

Seit etwa zehn Jah­ren dann der aggres­si­ve Bil­der­sturm auf ein geschicht­li­ches und kul­tu­rel­les Erbe, das nun pri­mär als impe­ria­lis­tisch, ras­sis­tisch und kolo­nia­lis­tisch iden­ti­fi­ziert wird, aber aus dem his­to­risch genau jener Kom­fort erwach­sen war, des­sen Luxus der links­grü­nen und woken Bewe­gung erst die Kraft zur ver­häng­nis­vol­len Neu-Ideo­lo­gi­sie­rung ermöglichte.

Den­noch: Im Zuge der Umwer­tung aller Wer­te und Wor­te soll es hin­fort Moh­ren-Apo­the­ken eben­so­we­nig geben, wie Joseph Con­rads „Nig­ger von der Nar­cis­sus“ noch ein lite­ra­tur­ge­schicht­li­cher Fort­be­stand gewährt wer­den darf. Eher noch wird aus dem Nig­ger ein Nie­mand. Nur so kann des­sen „Iden­ti­tät“ geschützt werden.

Apro­pos Identität:

Unfugs­be­grif­fe wer­den erson­nen, etwa jener der „kul­tu­rel­len Aneig­nung“. Davor näm­lich soll angeb­lich „Iden­ti­tät“ geschützt wer­den. Die kommt zwar „indi­ge­nen Völ­kern“ zu, darf aber vom eige­nen gera­de nicht bean­sprucht wer­den, hät­ten sich die Deut­schen doch als rein staats­bür­ger­recht­lich defi­niert zu ver­ste­hen, kei­nes­falls aber als Eth­nie oder Schick­sals­ge­mein­schaft im Sin­ne eines Volkes.

Wird das von poli­ti­schen Kräf­ten den­noch bean­sprucht, dekla­riert der Ver­fas­sungs­schutz die­se als rechts­extre­mis­tisch. Wer noch von „Volk“, gar von „Nati­on“ und „Hei­mat“ spricht, steht mitt­ler­wei­le sogleich im Geruch, Faschist zu sein.

„Viel­falt“, als pro­pa­gan­dis­ti­scher Slo­gan per­ma­nent ver­kün­det, schließt irrer­wei­se nur die eige­ne links­grün uni­for­mier­te Gefolg­schaft ein, aus­schließ­lich der gegen­über auch Tole­ranz geübt wird – dort also, wo sie wegen völ­li­ger Über­ein­stim­mung, ja Gleich­schal­tung im Ideo­lo­gi­schen gar nicht nötig wäre.

Wo sie hin­ge­gen erfor­dert ist, gegen­über Anders­den­ken­den, gibt es kei­ne Tole­ranz im Dis­kurs; dort soll viel­mehr umstands­los der Ver­fas­sungs­schutz als exe­ku­ti­ves Aus­schluß­or­gan tätig wer­den. Die Dis­kre­di­tie­rung kri­ti­scher Über­zeu­gun­gen gilt in Deutsch­land neu­er­dings als „Cou­ra­ge“.

Ja, es ist alles viel bes­ser im Sin­ne von kom­for­ta­bler gewor­den. Aber ver­mut­lich ist es die­ser ent­las­ten­de Kom­fort, der den Ver­fall von For­men und Insti­tu­tio­nen bedingt und intel­lek­tu­el­lem Kre­t­i­nis­mus eben­so Vor­schub leis­tet wie einer Schwä­chung der Hal­tung sowie die­ser selt­sa­men Kom­plex­be­la­den­heit, die über jede not­wen­di­ge und gesun­de Selbst­kri­tik hinausgeht.

Daß in Deutsch­land immer mehr Schü­ler und Stu­den­ten ihre Aus­bil­dung abbre­chen, liegt ja eben nicht an hart selek­tie­ren­den Prü­fun­gen (Die gibt es kaum mehr!), son­dern am schwin­den­den Ver­mö­gen, über­haupt am Mor­gen auf­zu­ste­hen und Her­aus­for­de­run­gen sta­bil zu begegnen.

Resi­li­enz wur­de nicht von unge­fähr zum Mode­wort. Die Hal­tung, Wid­rig­kei­ten des Lebens mit Kraft und Aus­dau­er ent­ge­gen­zu­tre­ten und sou­ve­rän zu han­deln, wird als etwas ganz Beson­de­res bewun­dert, wäh­rend sie frü­her die not­wen­di­ge Bedin­gung des Lebens und Über­le­bens schlecht­hin war.

Der alte Osten ist geschei­tert. All die Ursa­chen kann man nach­le­sen und mehr oder weni­ger ein­se­hen, aber die­ser alte Osten war weni­ger ver­zär­telt als vital. Unser einst eige­nes Leben begann erst mit den Seg­nun­gen des Wes­tens zu krän­keln und ins­be­son­de­re auf den einst so leben­di­gen Dör­fern völ­lig abzu­ster­ben. Min­des­tens dür­fen wir skep­tisch sein gegen­über die­sem neu­en Deutsch­land, das vor allem eines um kei­nen Preis mehr sein will: Deutschland.

Heino Bosselmann

Heino Bosselmann studierte in Leipzig Deutsch, Geschichte und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien.

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Kommentare (71)

Laurenz

5. Juni 2023 09:28

Ich weiß nicht, ob Sie Ihren schön geschriebenen Gegenwarts-Artikel ausreichend überdacht haben. Gerade die DDR-Bürger, vor allem die Stasi-Leute der Hauptverwaltung A hätten das alles eigentlich vorab wissen müssen, was Sie hier ansprechen. Die Sowjetunion in der Nach-Stalin-Ära, wie die Russische Föderation waren/sind Vielvölkerstaaten, was einer gewissen Diplomatie bedarf. Ob da noch ein paar hergelaufene, Mongolen, Tschechen, Polacken oder Nemez in den Vasallenstaaten dazu kommen, spielte dann auch kein Geige mehr. Die Freiheit im Westen mußte nur solange aufrecht erhalten werden, wie es keine Freiheit im Osten gab. Die DDR hätte durchaus die Option gehabt, sich teurer verkaufen zu können, mehr Deutsches im GG festschreiben zu können. Aber Gregor Gysi & Dietmar Bartsch trafen im Westen auf ihresgleichen. Endlich konnte man auf diesen nationalen Quatsch verzichten & sich wieder auf die Weltrevolution konzentrieren. Wer hat denn im Westen die Sowjetunion geschaffen? US Amerikaner, die Trotzki schickten. Umgekehrt wirkte der KGB im Westen subversiv. Hier Yuri Bezmenov im Interview https://youtu.be/pOmXiapfCs8

Alex Schleyer

5. Juni 2023 09:48

Wieder ein weinerlicher, aber erhellender Text von HB, auf dessen Texte ich mich immer am meisten freue. Ich würde sogar noch weiter gehen und konstatieren, daß eine "Wiedervereinigung" nie stattgefunden hat – zu fremd sind wir uns geworden, zu sehr sind wir entfremdet worden.
Ich als Mitte der 80er Geborener wurde groß, erzogen und gewöhnt an die Spaltung, noch heute komme ich aus "deep in the West of Germany" wenn jemand fragt. Noch heute leben wir die Klischees voneinander, doch ganz falsch sind sie nicht. Die "Ossis" tragen ihr Herz am rechten Fleck und die richtige Skepsis im Hirn, aber mit meiner Begeisterung für fernöstliche Philosophie oder Indie-Rock der späten 90er können sie nichts anfangen. Schon bei der Bundeswehr waren "die Ossis" die besseren Kameraden, aber Freude wurden sie nie. Zu verschieden waren wir im Denken und Fühlen. Wir, die "hochnäsigen Wessis", und "die von drüben", die mit dem proletoiden Stigma versehenen "Ossis" sind – zumindest in meiner Generation noch merklich – inzwischen zwei Völker.
Die Teilung und damit die Schwächung Deutschlands hat also nachhaltig gewirkt. Dessen Hoffnung liegt aber nun im Osten...

Laurenz

5. Juni 2023 09:54

(2) Etwas Gutes hatte die Besatzung durch die Rote Armee, die Säkularisierung über gut 40 Jahre. In den 10 Jahren, in denen der ehemalige DDR-Bürger die Wahrheit sagen durfte, kam das Deutsche Wesen, ohne orientalischen Größenwahn & Bigotterie, die Ehrlichkeit ans Licht des Tages. Der Ex-DDR-Bürger mußte keine Werte mehr verteidigen, er konnte sich auf das reduzieren, was er ist, Deutscher sein, seine Interessen wahrnehmen, nur seine Interessen auch anderen zu verkaufen, hatte er nie gelernt. Bis auf den erneut installierten kultur-marxistischen Maulkorb ist der Bürger in den Neuen Ländern das geblieben, was er nach der Wende war. Sie, HB, können den Unterschied in der SiN-Redaktion festmachen. EL (*1975) ist im Prinzip zu jung, geht aber mehr in die Theorie, Historie & Militär, wo man recht gut ohne Ideologien auskommt. Sie sind der einzig echte Ex-DDR-Bürger unter den Autoren, derselbe Proporz, wie in der Politik. Bis auf das Sie Sich in liberalen Träumereien verlieren können, schreiben Sie immer über das, was ist. Alle anderen sind ideologisch verseucht, wie alle im Westen. Nur GK gelingt es durch die Kunst Seiner expliziten Kürze, literarische Freiheit zu generieren.

RMH

5. Juni 2023 10:12

Was im Artikel auffällt ist, dass von "wir Ostler" gesprochen wird und immer wieder auch uns und wir verwendet wird. Ich selbst bin Zeitzeuge West der Wiedervereinigung, aber ich vermute, im sog. Westen hätte sich kaum einer als Westler bezeichnet (ein Begriff, den ich als Schüler und Abiturient nicht kannte). Die abfällige Ossi Bezeichnung kam nach meiner Erinnerung auch erst nach der Wiedervereinigung in Mode, es wäre sicher einmal interessant, herauszufinden, woher die Bezeichnung Ossi herrührt. Inhaltlich kann man auch aus der Westperspektive festhalten, dass die Wiedervereinigung bei den Etablierten damals, in den Jahren 88 und am Beginn 89, abgeschrieben war (Lippenbekenntnisse einmal außer Acht gelassen). Aber: Es gab in den alten Ländern eine Partei, die sich aufschwang, erste rechtspopulistische Erfolge einzufahren und deren Hauptforderung in der Außenpolitik war die Wiedervereinigung Deutschlands. Bei der Parteizeitschrift "Der Republikaner" war der Slogan "Deutschland Zuerst" gängig. Es gab also vitale Strömungen (keine Mehrheiten) in den alten Ländern, welche die Wiedervereinigung propagierten (selbst in der Union gab es einige, für die es nicht nur die oben genannten Lippenbekenntnisse waren, aber sie waren sicher nicht in der Mehrheit).  Deshalb: Vergessen wir bitte nicht die alten Rechten und die Konservativen, die einen guten Teil dazu beigetragen haben, dass zumindest noch ein Grundton pro Wiedervereinigung in Deutschland zu hören war (auch wenn er nicht mehr mehrheitlich angestimmt wurde). 

Dietrichs Bern

5. Juni 2023 10:57

Meine Erinnerung ist anders, geprägt von "runden Tischen", an denen unsympathisch wirkende Menschen Rechnungen aufmachten, wieviele Milliarden ihnen aus dem Westen zustehen würden und der wenig sozialen Haltung sich mehrfach mit Begrüßungsgeldern einzudecken. Sehenswert auch einen Talkshow mit Löwenthal, dem ein Lederkäppi-Träger im Publikum energisch die Fürsorge der sozialistischen Führung für die DDR - Bürger entgegen hielt. Und: Die paar Klonovskys waren nicht die ganzen Illners wert, die wir bekamen.

Franz Bettinger

5. Juni 2023 11:28

Ich habe den Beitrag genossen und Einiges gelernt. Nur den ersten Satz unterschreibe ich nicht. West-Deutschland war 1989 nicht in der Krise, auch nicht ideell. Wie auch die restliche Welt schon lange von irgendwelchen wirklichen Krisen (Hunger, Seuchen, Kalt-Zeiten…) verschont worden war, und das hätte so bleiben können. Was man uns heute in der Welt der Lügen als Krisen verkauft, sind alles oktroyierte Nöte. Und erst Merkel stürzte uns hinein. 

das kapital

5. Juni 2023 12:09

@franz bettinger1986 Bahnhaltepunkt im Oldenburgischen: Oh Kohl, du bist so hohl. Nix geistig moralische Wende. Sondern Pfälzer Schlachtplatte bundesweit. Und eine Ehefrau mit "Lichtallergie". Danach eine planlose Wiedervereinigung, welche die Substanz nicht geschützt hat, sondern alles verramscht hat. Angefangen mit der DVAG Versicherung. Die gehörte international angeboten bzw. ausgeschrieben, um den Wettbewerb zu fördern und den besten Preis zu erzielen. Statt dessen wurde sie an die Allianz verhökert. Das Elend in Deutschland fängt mit Trittin Fischer und Schröder ab 1998 an. Energiewende ins Nichts, die uns wirtschaftlich vernichtet und immer weniger bringt. Und Merkel macht so weiter. Beschließt  2011 gemeinsam mit der FDP das Atomaus. Und nach der Nordstreamsprengung und den 10 Sanktionspaketen, mit denen wir uns selber vernichten, werden dann auch noch die letzten 3 Kernkraftwerke zugesperrt. Rostock Lichtenhagen 1992: Das Volk hat keinen Bock auf Zuwanderung und zündelt. Dann kommt die sichere Drittstaatenregelung. Seit 2015 ist sie abgeschafft. Das Volk hat sich abgewöhnt zu zündeln. 8 Jahre lang wird geredet und nichts getan. Statt dessen zünden die Zugereisten Berlin an und schmeißen Feuerlöscher auf Rettungswagen. So geht repräsentative Demokratie. Ja, werden wir denn nur von Idioten regiert? Ja, werden wir! 80 Prozent der Wähler wollen es so.

Umlautkombinat

5. Juni 2023 13:17

> Nur den ersten Satz unterschreibe ich nicht
 
Interessant! Den unterschreibe ich nun gerade. Der ganze Rest ist offen zur Interpretation und laeuft eher unter "Ja? Nein? Uninteressant, alles schon oft gekaut..." 
 
Man mag Teilaspekte der eigenen Indoktrinierung anbringen, aber trotzdem: die grundlegende Leere war fuer mich nahezu koerperlich greifbar. "Wohlstand mehren"?, auf die Spitze getrieben viel spaeter durch die sedierende lustlose Aussprache der Sentenz durch Merkel, aber nicht zu verwechseln mit dem tatsaechlichen mageren Nichtgehalt als solches. Aeusserst unbefriedigend als Entwurf. Und da habe ich - durch haessliche Scheidung bedingt und gesellschaftlich gesehen lediglich flankiert durch massiven Feminismuseinfluss auf die Familiengerichtsbarkeit - im Abbruchhaus gewohnt und etwas mehr Wohlstand waere schon willkommen gewesen. Meine Neunziger fuehrten zuerst sehr schnell zur Orientierung an Dingen ausserhalb dieses Landes, weil ich dieser bleiernen Inhaltslosigkeit entkommen wollte. 
 
Jetzt Corona und Klima und zusehend, wie diese Leere in den Kindern und meist eher schon Enkeln dieser Generation (aber nicht nur dort) durch Ideologie gefuellt wird, weil eben letztlich zwingend Gehalt sein muss. Sei er auch verdreht wie nur irgendetwas.
 
 

Gimli

5. Juni 2023 13:21

Ist das Gefühl, dass alles schlechter ist als früher, nicht in großen Teilen darauf zurückzuführen, dass man Maßstäbe aus der Vergangenheit anlegt, dass man Kategorien verwendet, die eben nicht mehr gültig sind? Ist Inklusion woke, wenn sie nicht nur Rollatoren den Zugang zum ÖPNV mittels immens teurer Anhrbung von Strabahaltestellen ermöglicht, sondern meine Tochter  auch eine Gästin sein darf, weil das Gen Maskulinum kein Naturgesetz ist? Freier Transit durch Europa ohne Geldwechsel ist ein Segen, ditto Roamingregeln uvwm. Ich fürchte auch, der hier gern gezeigte (weitgehend humanistische, bei Science schaut's anders...) Bildungsstand halt schon in den 80ern (mein Abijahr) nicht und taugt nicht für Untergangsstimmung. Zeiten ändern sich. Schon immer. Und auf die Jugend wurde schon immer geschimpft. Ich mag dieses ehrliche HB-Stimmungsbild, teile es aber nirgends.

Ein gebuertiger Hesse

5. Juni 2023 13:38

Großartiger Aufsatz. Der erste Satz - und hier widerspreche ich ausnahmsweise mal F. Bettinger - hat eine monumentale Stimmigkeit, könnte man in Stein ritzen.  

Gracchus

5. Juni 2023 13:54

Mir fällt allerdings, wie @RMH, das "Wir" auf, mir würde tatsächlich nicht einfallen, wir, Westler zu sagen, und ich bezweifle, dass alle Ossis Bosselmanns Erzählung so unterschreiben würden. Nach meiner Erinnerung hieß es auch "Jammer-Ossis" (im Gegensatz zu Besser-Wessis), und wäre man böswillig, könnte man auch Bosselmanns Text darunter fassen - so dass man behaupten könnte, dass also das, was Bosselmann beklagt - schwindende Leistungsbereitschaft - von den sich angesichts der neuen kapitalistischen Begebenheiten überfordert fühlenden Ossis in die neue BRD hineingetragen worden ist. Das Bild von vor Vitalität strotzenden Ossis erscheint mir - originell.
Schon damals (ich war 12) empfand ich, dass die Wiedervereinigung sehr technokratisch abgewickelt wurde, und zwar über die Köpfe der Menschen hinweg. Es wurde ja auch keine neue Verfassung, wie allerdings vom GG vorgesehen, in Angriff genommen. West-Intellektuelle hatten natürlich eine Aversion gegen alles Nationale. Das konnte man hier ja zuletzt bei Heimo Schwilk nachlesen. Deren Einfluss würde ich aber nicht überschätzen, ich gehe vielmehr davon aus, dass gobalistische Interessen sich durchgesetzt zu haben, die Wiedervereinigung vor allem der Einbindung in den internationalen Markt diente und das Nationale auf Sparflamme gehalten wurde, weil der Ausbau der EU etc. bereits bevorstand. 
 

Dietrichs Bern

5. Juni 2023 14:07

@Gimli: Sie reden einfach nur Unsinn. In den 80ern - auch mein Abi- Jahrgang, gab es pro Klasse 1 oder 2 Schüler mit Mihigru und nicht 60%, von denen ein Drittel auch in der weiterführenden Schule kaum die Landessprache versteht. Die Grenzen innerhalb Europas waren für hohe Einkommensklassen sicher hinderlich zum regelmäßigen Trip zu den Latifundien in der Toscana, genauso aber für Clans, die heute zum Sprengen von Bankautomaten und dem Damenexport die Reisefreiheit genießen. Im übrigen dürften nicht ansatzweise so viele Millionen aufgewendet worden sein, um behinderten Menschen den Alltag zu erleichtern, wie zur Inklusion Ihrer Gästin. Und natürlich gibt es Maßstäbe mit ewiger Gültigkeit, Anstand zum Beispiel.

Der Gehenkte

5. Juni 2023 16:39

Mein Gott, beinahe hätte ich diesen Text aufgrund seiner Länge nicht gelesen – was wäre das für ein Verlust gewesen? Bosselmann, Sie haben mir die Augen geöffnet, ich verstehe mich selbst nun besser. Dafür mein Dank!
Ob nun der erste Satz der Schlüsselsatz ist, darüber kann man streiten, aber man darf die Klammer nicht übersehen, und die macht für mich den letzten Satz zum wichtigsten: „Unser einst eigenes Leben begann erst mit den Segnungen des Westens zu kränkeln.“
Hier einmal angelangt, müßte man nur noch über die Konsequenzen nachdenken. Können wenigstens wir uns noch retten? Und wenn ja, wie?

Gimli

5. Juni 2023 16:58

@Dietrich. Der Unsinn ist ganz bei Ihnen. Auch heute sind in den Gymnasien nicht arg viel mehr Mihigrus und auch damals gabs ne gute Menge Mitschüler:innen, deren Abi nicht ganz die Bildung bedeutete, die man ihm zumaß. Ob die Umstellung behördlicher Formulare auf mehr als 2 Anreden inkl Option auf "keine" mehr kostet als die baulichen Maßnahmen zur Integration von körperlich Benachteiligten, wage ich anzuzweifeln. Ich finde beides richtig. Wenn wir ein AGG ernst nehmen u d richtig finden, dann gilt das für jede persönliche Lebensäußerung in diesem Kontext. Die keinem von uns, der und die vllt das Glück, sich NICHT unentschieden zu müssen, egal sein kann. 

Laurenz

5. Juni 2023 17:07

@Franz Bettinger
Du warst vor 89 einfach zu sehr damit beschäftigt, Deine Karriere voranzutreiben & hast nix mitbekommen. Die Krise war schon mit dem lächerlichen Parlamentarischen Rat vorprogrammiert & nahm mit dem Türkei-Vertrag richtig Fahrt auf. Auch die Organisation der Sozialkassen war absehbar ein Krisenerzeuger.

MarkusMagnus

5. Juni 2023 17:49

Alle Deutschen wurden betrogen.
Kohl hat uns an die internationale Finanzmafia verkauft und hat von den Profiteuren seine "Auszeichnungen" bekommen.
Deswegen wurden Rohwedder und Herrhausen umgegelegt. 
Der beste Spruch aus diesem Forum:
"Die Befreiung liegt noch vor uns, nicht hinter uns".
Der ist richtig gut.

Umlautkombinat

5. Juni 2023 18:12

Man haette das "AAG" des Zwergs stehenlassen sollen, ich hatte naemlich keine Ahnung, was das bedeuten soll. Jede Abkuerzung, die sich fuer "jede persönliche Lebensäußerung" anmasst zustaendig zu sein ist mir allerdings so suspekt, wie Leute, die meinen ein "wir" erschwindeln zu muessen, um solchen Uebergriffen Berechtigung aufzubauen. 
Aber das ist ja nun geklaert, und ja, das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" ist genau die Sorte Ding, die ich erwartet hatte.
 

Gracchus

5. Juni 2023 18:33

Im Übrigen: "Nigger von der Narcissus" ist doch von Joseph Conrad.

Heino Bosselmann

5. Juni 2023 18:40

Ja, selbstverständlich. Ich bedanke mich und korrigiere das.

Dietrichs Bern

5. Juni 2023 18:56

@Gimli: Sie haben natürlich Recht, auf den Gymnasien und Privatschulen des Juste Millieu ist Mihigru eher selten, damit darf sich der Plebs vergnügen. Sie haben so etwas bemerkenswert Standesbewusstes, stammen Sie vielleicht aus Monaco? Und die Gästin-Inklusion umfasst weit mehr als Formulare, man braucht sich nur die ganzen Beauftragen anzusehen, mit denen die Grünen so vituos Versorgung ihrer Auxilien betreiben. Da sind wir dann wieder bei den Maßstäben, die Skrupellosigkeit, das Eigeninteresse im Formularwesen, weil man Probleme mit der Psyche hat, über die Barrierefreiheit für Rollifahrer zu stellen, ist schon bemerkenswert.

Hesperiolus

5. Juni 2023 19:10

War die alte BR nicht bereits gebürtig in „ideeller Krise“, von Anbeginn, legitimer (Krise) sowieso – potent dann zuletzt auch nicht mehr; ihre Leistungswucht im „rheinischen Kapitalismus“ aus vorsystemisch aufgepeitschter Volkskraft selbstzersetzend sich aus- und verwirkend? Eine verebbende Erdbebenwoge. Generational tragisch, „BRD noir“, deren Kolorit seltsam verdeckt. Die nun woke Berliner Republik ein Schlupfparasit aus ihren frühst-Bonner restaurativen Gerüsten; böse Häutung, Böckenförde-Nemesis. Reminiszieren sich da nicht dies- und jenseits zonaler Bifurkation Inter-Nostalgien um die längst hohlen Systemgewesenheiten? - Über die Brand und Schmidt-Zeit hinweg sehe ich intuitiv (kryptohistorisch) einen Bruch, aber das gehört nicht hierher. - Die „geistig-moralische Wende“ war weniger als eine sub-dugineske Parole. - Die Thersche Ko-Transformation wäre metahistorisch und volksgeschichtlich auszuführen. 
 
 

Gimli

5. Juni 2023 19:55

@Dietrich Ich dachte Standesbewusstsein is ne Attitude der Rechten? Ich habe eine  reinblütige SPD-Genealogie und habe es - auch dank eben der alten Tante- zum Arbeitgeber "gebracht", der genau diese Anpassungen im Arbeitsrecht und im Denken lebt. Teils auch muss, weil Umdenken Kraft kostet. Mache keinen Unterschied, ob jmd physisch oder seelisch Belastungen zu tragen hat und bitte  jetzt keine Extrema zum Maßstab und Gegenargument machen. Was in der Arbrit gilt, gilt auch im sozialen privaten Umfeld. Einer meiner Söhne ist behindert, mein bester Freund auch, meine Nichte ist lesbisch. Ich behandle alle  gleich. Und falls eines meiner anderen Kinder nun nicht mehr binär sein wollte, würde ich nach etwas innerem Ringen auch damit klar kommen. Wer bin ich, so etwas zu verurteilen, wo es mich doch nichts angeht noch iwie touchiert? 

dojon86

5. Juni 2023 20:00

@Gimli @Dietrichs Bern Also in meinem staatlichen Gymnasium im Wiener Altstadtbereich waren laut Angabe meiner alten Klassenlehrerin (beim letzten Treffen meines Abiturjahrganges 1975) im Jahre 2015 bereits die Hälfte des Abiturjahrganges mit Migrationshintergrund. Und das in einem Bezirk, der im Gegensatz zu meiner Zeit heute eigentlich gentrifiziert ist.

Dietrichs Bern

5. Juni 2023 20:24

@dojon 86: Ich kenne das Wien der 80er nicht, noch was der Mihigru dort realiter bedeutet hat. Meine Kinder sind Minderheit zwischen Muslimen ohne jeden Bildungsanspruch, der von Gimli behauptete, vergleichbare Bildungsfand, heute und früher ist der Zynismus pur. 

Dietrichs Bern

5. Juni 2023 20:36

@Gimli: Die Geisteshaltung, sollen die doch mit der Migration klar kommen, ich kann meine Kinder ja dem entziehen, ist wohl ausschließlich linke Attitüde, sonst gibt es die nirgends. Meine SPD-Genealogie hat dazu geführt, dass ich vor allen Dingen eine Erwerbsbiografie habe und nicht vom Abschäumen lebe, etwas, was damals noch typisch sozialdemokratisch war. Schön, dass wir uns über den psychischen Geisteszustand der Anhänger von Dr. John Money einig sind. Dass man einem psychisch Kranken allerdings hilft, indem man ihm seinen Willen gibt, halte ich für bizarr. Ich hoffe sehr, es wird nicht schlimmer.

ede

5. Juni 2023 21:14

 "Wir Beitrittsgebietler hatten es im Zuge der Wiedervereinigung zunächst nicht bemerkt, daß uns ein wirtschaftlich zwar potentes, aber ideell kriselndes Land übernahm." 
 Schon richtig. Aber zum in Stein ritzen sehe ich keinen Anlass. Ging es denn, oder geht es denn, den Nicht-Beitrittsgebietlern anders? 
Ich kann mich auch nicht erinnern, dass der 2+4 Vertrag
(Lesedauer nur 5 min, sind nur 10 Artikel) irgendwie groß thematisiert wurde. Man war froh genug, daß unsere Freunde Frankreich und Großbritannien endlich ja gesagt haben, und glaubte nur halb an das Wunder des Russenabzugs. 
Wir waren also nunmehr vertragsgemäss "souverän", außer in einigen "Kleinigkeiten", wie zB. max. Truppenstärke und Stationierung von NATO Truppen. So schien es jedenfalls. Erstmal. 
Dann wurde Kohl (für mich der letzte patriotische Kanzler) durch Merkel (gewählt in Ost und West) abgelöst und die Wehrpflicht abgeschafft. 
War allen Deutschen klar, dass mit dem Wegfall der russischen Bedrohung auch die Bedeutung als Bündnispartner verblasste? 
Aber, hatte man anderes gewollt oder überhaupt gekonnt, als eine möglichst schnelle und unumkehrbare Wiedervereinigung? Klares Nein. 
 
 

dojon86

5. Juni 2023 21:17

@Dietrichs Bern Wo sprach ich vom Wien der 80ger ? Meine Information stammt von 2015. Im übrigen, wenn es schon in einem gentrifizierten Altstadtbereich 2015 in einem Gymnasium so aussah, dann wird das Gesamtbild in Wien wohl dem in ihrer Heimat gleichen.

Gimli

5. Juni 2023 21:58

@dietrich. Sie klingen ziemlich bitter und das lässt Sie leider unsachlich argumentieren. Schade. Meine Söhne haben größtenteils MihigruFreunde: Emilio Romano Luca Nico etc. Ganz Südosteuropa. Im Elternabend an der IGS der Zwillinge waren die türkischen Eltern gefühlt bemühter und sympathischer als die Deutschen. Kann aber idT eine Denk-Verzerrung sein, da ich mit "dem Deutschen" wirklich nicht so klar komme. Es gibt den guten Türken und den widerlichrn Deutschen. Und umgekehrt. Und ja: Ich lebe privilegiert. In unserem Anger ist der Vietnamese Gastronom und die türkische Familie besitzt eine Spedition. Ich glaube an Bildung und Bildungsgerechtigkeit, weiß aber auch nicht, wie man Kinder aus prekären und bildungsfernen Familien helfen kann. Unsere monatlichen Spenden an kirchliche Bildungsträger erscheinen mir zuweilen wie ein Ablass. Auch dass ein Migrant aus dem nahen Umfeld bei uns 1/Woche seine Wäsche wäscht. Ein mäandernder stream of consciousness, der das Gute will und das Böse schafft? ;-) Kann sein.

Laurenz

5. Juni 2023 22:55

@Ede
Kohl für mich der letzte patriotische Kanzler .... das meinen Sie nicht wirklich ernst, oder? Kohl machte den Kotau in Israel, Schmidt nicht. Kohl griff genauso, wie Brand & Schmidt, in die Sozialkassen, in diesem Fall für die Finanzierung des Aufbau Ost. Alle ABM-Maßnahmen wurden aus der Arbeitslosenkasse finanziert, was Schröder nach ihm dann veranlaßte, Hartz4 zu etablieren, weil pleite. Ich kann hier gar keine Beleidigung Kohls in der Deutschen Sprache finden, die in ihrer Intensität angemessen wäre. Kohl war ein Krimineller, der nach dem Verlust seiner Immunität in den Knast gemußt hätte. Aber kein Staatsanwalt erhob Anklage wegen der illegalen Spendenaffaire. Kohl vergab auch DDR-Unternehmen illegal an der Treuhand vorbei, wie zB das größte Anzeigenblatt der DDR.

Gracchus

5. Juni 2023 23:14

@Hesperiolus: "BRD noir" ist gut - womöglich rührt daher meine Vorliebe für den film noir. Eine biedermeierliche Abgründigkeit. Und natürlich gebürtig aus ideeller Krise. Arbeitswut und Wohlstand bildeten gewissermaßen den Kitt - was man auch gesoffen hat, jedenfalls die männlichen Herrschaften! Sogar noch im TV.

Maiordomus

6. Juni 2023 05:00

@Bosselmann. Wiedervereinigung noch im Frühjahr 1989 nicht absehbar? Hatte aus der Leserschaft von Paracelsus und Reinhold Schneider sehr gute Freunde aus dem Raum Dresden seit den Siebziger Jahren.  Selber schrieb ich im Frühjahr 1989 in einer rechtskonservativen Zeitschrift der Schweiz, dass die Frage der Wiedervereinigung nunmehr absehbar werde, bei Kontakten im Herbst 1988 war davon bereits die Rede, auch wenn man sich vorsichtig ausdrückte.. Dass es schon 1990 so weit sein werde, war freilich für alle überraschend.  Auch polnische Katholiken waren ab 1988 davon überzeugt, dass die Wiedervereinigung freilich nicht der Ostgebiete nur eine Frage der Zeit und auf Dauer unaufhaltsam sein würde. 

Dietrichs Bern

6. Juni 2023 08:42

@Gimli: Nun, ich finde Sie klingen so, wie Sie sich selbst schließend beschreiben: Voll des Dünkels und der Selbstgerechtigkeit. In meiner Wirklichkeit sind die Elternabende von den Bemühungen der türkischstämmigen  Lehrer geprägt, die Streitigkeiten zwischen Türken, Arabern und Marokkanern zu schlichten, deren Anlässe dem Einheimischen eher verschlossen bleiben, dafür sind meine Kinder bei ihnen sehr beliebt. Diese Probleme haben die ukrainischen Kinder nicht - sie werden in einer eigenen Klasse unterrichtet. Wenn Sie und Ihre modernen Genossen von Bildung sprechen, kommt mir das Frühstück hoch. 

RMH

6. Juni 2023 09:50

Und schon hat es der selbstgerechte Zwerg Gimli wie ein kleiner Troll einmal mehr geschaft, Teilnehmer zu triggern und die Diskussion zu "derailen".

anatol broder

6. Juni 2023 11:44

@ gimli 21:58
«auch dass ein migrant aus dem nahen umfeld bei uns 1/woche seine wäsche wäscht.»
ist das die erklärung der ehefrau für die regelmässigen besuche eines grunzenden nackten mannes?

das kapital

6. Juni 2023 11:50

@maiordomus und @BosselmannIm November 1989 war klar, es funktioniert.Aber Vorzeichen gab es schon auch.Die DDR, die Stasi, die NVA, die SED und die Blockparteien haben ihre Macht auf die UdSSR und auf die Rote Armee gestützt. Sobald sie sich auf diese Stützen nicht mehr verlassen konnten, begann es zu bröckeln.Gorbatschow hat denen ja erklärt "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."Das war der letzte Staatsfeiertag der DDR, der 07. Oktober 1989.Davor war eben schon 1988 im November das Sputnik Verbot. Eine themenoffenen sowjetische Zeitschrift wurde in der DDR verboten.Das konnte man schon als Vorzeichen sehen, dass Honecker und Co der Zeit hinterherhinkten.Dass Markus Wolf sich 1986 von der HVA zurückgezogen hat, während Mielke bliebt, ließe sich schon auch als Vorzeichen werten.Richtig ist allerdings, dass niemand in der westdeutschen Politik sich überhaupt geistig und organisatorisch auf eine Wiedervereinigung eingestellt hat. Die Köpfe, die Aktenordner und die Schränke waren leer. Null Vorausplanung.Dazu dann noch ein Oskar Lafontaine, der gegen ein einheitliches Deutschland war. Obwohl es immer Staatsdoktrin war, dass nur ein Deutschland existiert und nicht zwei. Deshalb gab es ja auch keine Botschaften, sondern nur "ständige Vertretungen". Die Wiedervereinigung war von Verfassungs wegen alle Zeit geboten.

Gimli

6. Juni 2023 12:40

@Dietrich was ist denn nun schon wieder -> Stichwort: Frühstück? Gehts jetzt um die Lehrpläne? 
An unsren IGSsen gibts wenig bis keine nicht-deutschen Lehrkräfte, SuS dagegen viele. An den Gymmis meiner Töchter auf beiden Ebenen wenig Mihigru. Bildung muss alle erreichen. Aber ich will jetzt kein Fass aufmachen pro contra Latein und Altgr oder frühe Sexualaufklärung oder Politik und Geschichte. Da wäre wohl wieder nur Pulver drin :-)
wir wollen eigentlich schon beide 
 

Artabanus

6. Juni 2023 13:09

Rückblickend ist zu konstatieren, dass das Bismarcksche Reich seit 1945 tot ist und die sog. Wiedervereinigung 1990 nur zur Erschaffung eines Zombie-Staates geführt hat. 

Eo

6. Juni 2023 13:56

 
@Maiordomus    6. Juni 2023 05:00
@Bosselmann. Wiedervereinigung noch im Frühjahr 1989 nicht absehbar?
Wie die Stimmung Ende Februar 89unter sattsam saturierten West- u Ost-Linken in Sachen DDR und horribile dictu Wiedervereinigung war, kann man sehr gut in dieser Fernsehkritik zu eim Auftritt von Martin Walser in der NDR-Torkshow nachlesen.
Bezeichnend allein schon der schnöselige Titel -- 'Erschreckende Schwadroneursfigur'. (Den Artikel hatte ich mir mal als FUNDSACHE in der EnnAll-8 von Okt. 2019 gebracht.).

Sandstein

6. Juni 2023 14:45

Danke an HB für diesen neuen Text!
 
"Gimli6. Juni 2023 12:40@Dietrich was ist denn nun schon wieder -> Stichwort: Frühstück? Gehts jetzt um die Lehrpläne? An unsren IGSsen gibts wenig bis keine nicht-deutschen Lehrkräfte, SuS dagegen viele. An den Gymmis meiner Töchter auf beiden Ebenen wenig Mihigru. Bildung muss alle erreichen. Aber ich will jetzt kein Fass aufmachen pro contra Latein und Altgr oder frühe Sexualaufklärung oder Politik und Geschichte. Da wäre wohl wieder nur Pulver drin :-)wir wollen eigentlich schon beide"
..kann man sich nicht ausdenken - muss man erlebt haben! Gimli, Sie sind ein erwachsener Mensch und Familievater? Abgesehen davon, dass der Inhalt vorne und hinten nicht stimmt, fällt Ihnen eigentlich auf, wie hässlich Sie schreiben? Gehts noch stil- und würdeloser? 

das kapital

6. Juni 2023 17:00

Martin Walser, dem neuerdings „mein simples Gefühl sagt“, die deutsche Teilung müsse überwunden werden, der „Strafe“ sei es nun genug. (taz vom 27.02.1989)Eine treffliche Fundsache. Februar 89 wollten die Linken einfach nichts von Wiedervereinigung hören. Sie lag aber schon in der Luft. Was im Februar 1989 noch "Schwurbelei" war, wurde am 09. November 1989, also nur 9 Monate später Wirklichkeit. Lest mehr Walser und vertraut nicht auf die linken Falschmelder und Tröten.@Artobanus "Deutschland nur ein Zombie-Staat." Da möchte ich nicht dran glauben. Allerdings gab es die Wiedervereinigung nur, weil der tiefe Staat, die USA und die NATO die Schwäche Gorbatschows ausnutzen und die Osterweiterung voranbringen wollten. Deutschland ist nicht wiedervereinigt worden, weil die Deutschen das wollten. Sondern weil die Amerikaner die innereuropäische Osterweiterung der NATO und die Schwächung Russlands wollten. Dazu diente die deutsche Wiedervereinigung. Sie hat Russland geschwächt, und die Expansion der NATO nach Osten möglich gemacht.

Hesperiolus

6. Juni 2023 17:47

Heimkehr“ aber geht nach Innen und „Außen“ nur, wie etwa G. Nebel es versteht (mit Brandner Kasper gesprochen, wo: „i' bleib' da und will nix mehr wiss'n vo' der Welt d'runt'“), nicht nach Zurück - „Drüben“. - Das Bosselmannsche Niveau sticht hervorragend ab gegenüber dem jämmerlichen Verriß Jüglers jener genannten Hoyer in der FAZ heute.   

Dietrichs Bern

6. Juni 2023 19:30

@RMH "schon hat es der selbstgerechte Zwerg Gimli wie ein kleiner Troll einmal mehr geschafft, Teilnehmer zu triggern und die Diskussion zu "derailen"  - Nun, ich finde es schon bemerkenswert zu sehen, wie Leute, die zumindest behaupten, aus einem SPD-Milieu zu stammen, gerade einfachen Arbeitern und Angestellten sämtliche Folgen der Migration aufhalsen, während sie selbst im deutschen Vorläufer der gated Community leben. Aber auch deren Kinder gehen später in rheinischen Waffenverbotszonen aus. Wie kann einem das so egal sein? Das habe ich noch nicht herausgefunden.

Niekisch

6. Juni 2023 19:42

"Wir waren zwar keine Sowjetrepublik, aber Hunderttausende Sowjetsoldaten im Land, allgegenwärtig,"
Ist man, lieber Herr Bosselmann, bei einer solchen Präsenz an Besatzungsmacht nicht automatisch Teil eines fremden Landes ebenso wie die Freimaurerbundesrepublik es bis heute ist?

Artabanus

6. Juni 2023 20:58

@das Kapital
Ich würde Deutschland weder mit Bismarcks Reich noch mit der jetzigen Groß-BRD gleichsetzen. Deutschland existierte bereits vor Bismarck und es würde auch nach einer Auflösung der BRD weiter existieren. Mein Punkt ist, dass Bismarcks Reich krachend gescheitert ist nach 2 verlorenen Weltkriegen. Und nun ist die Groß-BRD auf dem besten Wege ebenso zu scheitern. Die Zeit von 1949 bis 1989 dagegen war relativ stabil und die Rumpfstaaten klein-BRD und DDR (und Österreich) waren jeder für sich genommen grundsätzlich überlebensfähig. Die sog. Wiedervereinigung war im Grunde eine Wiederholung des Bismarckschen Experimentes, nur unter sehr viel schlechteren Bedingungen. Der sich abzeichnende Untergang der Groß-BRD, die ich deshalb als Zombie-Staat bezeichne, scheint daher nur folgerichtig. Ich hoffe natürlich mich zu irren.

Gimli

6. Juni 2023 21:10

@Sandstein: harter Tobak.  Wie passenn hässlich, stil- und würdelos zusammen? Und worauf beziehen Sie's genau? Mir scheint, dass andere Meinung oder Gesinnung hier nicht gerade willkommen ist und mit Unterstellungen oder simplen Angriffen gekontert wird. Sachlich und emotional gebalanced antwortet mir keiner. Oder ist "Frühstück" ein Argument? 

RMH

6. Juni 2023 22:11

@Dietrichs Bern,
die reichsten Menschen, mit denen ich in meinem Leben bislang zu tun hatte, waren Menschen mit SPD-Parteibuch (mindestens einer davon, wenn man seine stillen Reserven marktgerecht beurteilt, Milliardär) - seitdem braucht mir keiner mehr etwas über Doppelmoral von Linken erzählen. Kann leider in einem öffentlichem Forum nicht ins Detail gehen. Insofern wundert mich gar nichts mehr, wenn jemand fast schon stolz erzählt, er stamme aus einem "bürgerlichen" SPD-Milieu.
PS: Das soll jetzt nicht heißen, dass Leute anderer Parteien hier besser oder schlechter sind. Mein berufliches Schicksal hat mir in der Vergangenheit eben in der Mehrzahl Sozen-Bonzen beschert, so dass ich da die meisten Erfahrungen sammeln durfte. Die anderen sind sicher nicht viel anders. Aktuell muss ich glücklicherweise nicht mehr dieses Klientel betreuen.

ede

6. Juni 2023 23:51

Na sagen Sie mal Laurenz, 
auf den Kohl gehen Sie ja ab wie Schmidts Katze. 
Ich halte ihn für den letzten patriotischen Kanzler, hab ich geschrieben.
Was darunter zu verstehen ist, bedarf eigentlich keiner Erläuterung. Nach meiner Überzeugung hat er die Interessen des ganzen deutschen Volkes bestmöglich vertreten und damit Deutschlands.
Irgendwelche Regel- und Rechtsverstösse sind dagegen in jeder Hinsicht nachrangig. Auf seinen Aufruf hin hab ich ihm sogar privat eine Spende überwiesen, damit er die Strafzahlungen auf Grund seiner Spendensache begleichen konnte. 
Schade, dass wir wohl nie erfahren werden, was er und Gorbatschow in ihren Strickjacken tatsächlich besprochen haben. 

MarkusMagnus

7. Juni 2023 00:56

"Mein Punkt ist, dass Bismarcks Reich krachend gescheitert ist nach 2 verlorenen Weltkriegen."
@Artabanus
Das stimmt. Aber wieso gab es diese zwei Weltkriege überhaupt? Das Märchen vom bösen Deutschen nehmen wir hier zumindest nicht für voll. 
Alleine die öffentliche Erwähnung dieser Frage ist natürlich politisch nicht korrekt,  aber wir kommen nicht drum herum.
Wir wissen das die Geschichtsbücher gerade in Deutschland voller Auslassungen sind. Und das um  Deutschland in den Kriegszeiten in ein möglichst negatives Licht zu stellen.
Von Merz und Konsorten ist dahingehend nichts zu erwarten. Das hat die Hohmann-Affäre gezeigt. Mr. Blackrock halt :)
Wir brauchen auf Fakten basierten Geschichtsrevisionismus. Ich mag besonders den General Schultze-Rohnhof und seine Bemühungen um die geschichtliche Wahrheit.
Die Wahrheit wird uns frei machen. Steht schon in der Bibel. 
 
 

Laurenz

7. Juni 2023 02:44

Ede & Das Kapital
Sie argumentieren beide zu ungenau. Wie schon gesagt, politische Sachverhalte sind nicht schwarz-weiß. Oskar Lafontaine war nicht gegen die Wiedervereinigung, sondern mahnte zur Vorsicht, deswegen verlor er die Wahl gegen Kohl. Willy Brandt weinte quasi vor dem Schöneberger Rathaus, zumindest war er tief bewegt. Das darf man ihm durchaus abnehmen.  https://youtu.be/5S43UG3QNCI Die Frage stellt sich also, welche Linken meint @Das Kapital? Jelzin bot Kohl den Kauf von Russisch-Ostpreußen an. Kohl hatte aber nicht den Schneid zuzusagen, weil er mutmaßlich die daraus resultierende Debatte um die Rückgabe aller Ostgebiete fürchtete, ein grandioser Patriot, Ede. Wenn also die Amis Kohl zu Wiedervereinigung aus strategischen Gründen gezwungen hätten, wäre es auch zum Zwangskauf Ostpreußens gekommen. Bush senior war zu dieser Zeit Präsident. Erst unter den Clintons hielten die Amis sich nicht mehr an die Abmachungen mit den Russen. Kohl kostete sein Zagen das Staatsbegräbnis, weil die NATO Kohl für die ausgelassene Chance haßt. Heute ist Russisch-Ostpreußen eine Festung mit Kriegshafen & Fliegerhorst.

das kapital

7. Juni 2023 05:22

Die christliche Wahrheit wird uns frei machen, wenn sie nicht Panzer segnet, sondern Menschen. 
EKD Präsidentin Kurzschluss allerdings hält ja nun Waffenlieferungen an die Ukraine, Masken, Impfungen und Lockdowns für Akte christlicher Nächstenliebe und verfehlt so das ethische Minimum.
Ob Geschichtsrevision oder gar ("extremistischer"?) Geschichtsrevisionismus zu viel Sinnvollem führt, ist für mich mehr als fraglich.
"Wir" sind aber überhaupt nicht schuld am 1. Weltkrieg. Und am 2. auch nicht.
Na und? Was soll es? Die deutschen Sauereien von 1933 bis 1945 bleiben trotzdem. Und der Schaden auch für das eigene Land . Das Werk von mehr als 30 Generationen bei der Ostkolonisation ist unwiederbringlich zerstört worden.
Die Frage ist, wie ein zukunftsfähiges Deutschland in einem zukunftsfähigen Europa entstehen und gestaltet werden kann.

RMH

7. Juni 2023 07:13

"Wir brauchen auf Fakten basierten Geschichtsrevisionismus. ... seine Bemühungen um die geschichtliche Wahrheit. Die Wahrheit wird uns frei machen."
@MarkusMagnus,
und damit wollen Sie dann auch wieder eine zielgeleitete Geschichtsschreibung. Vom Schuldspruch soll jetzt alles Richtung Freispruch geschrieben werden, damit man "frei" werde. Damit unterscheiden Sie sich nicht von der aktuellen und seit der Wiedervereinigung immer schriller werdenden Geschichtsdarstellung (das ist übrigens auch ein Teil des Prozesses nach der Wiedervereinigung - die steigende Verengung der Wissenschaften von der noch nie komplett, aber immerhin in Grundzügen vorhandenen, "Freiheit" hin zur Fördermittelwissenschaft, die das liefert, was bestellt wird. Das gibt es global seit Ende (davor auch, aber nicht so ausgeprägt) des kalten Krieges überall. In Deutschland aber wird es eben in spezifischen Bereichen immer radikaler, apodiktischer, zugeschnürter).
Echte historische Wissenschaft wird uns eine Vielfällitgkeit liefern, auch mit weiterhin belastenden Fakten. Das muss man wollen und damit muss man leben können. Wenn man Geschichtsschreibung aber zum"frei werden braucht", dann wird man nie frei bzw. hat schon verloren.

das kapital

7. Juni 2023 08:11

@RMH 
Alle Daumen gehen hoch.

Dietrichs Bern

7. Juni 2023 08:30

@RMH: Ich bin nur wenigen wirklich reichen Menschen begegnet, die eher nicht der Sozialdemokratie entstammten. Bemerkenswert finde ich, dass diese den gleichen Gutsherrenblick auf die einfache Bevölkerung hatten, wie Gimli und Seelenverwandte. Unterschied: Die haben auch nie behauptet, sozialdemokratisch zu denken.

das kapital

7. Juni 2023 08:55

>2@Laurenz
Wieweit eine Rückgabe von Teilen Ostpreußens jemals möglich war, ist für mich nicht ohne weiteres erkennbar. Irgendein General wird das wohl völkerrechts-verbindlich nicht anbieten können. Auch wenn ich als Kantfan bedauere, dass ich nicht durch ein deutsches Königsberg stapfen kann, ich erkenne nicht, dass es an Kohl läge, dass es so (nicht) ist. Vielleicht haben Sie aber eine verlässliche Fundstelle für Yelzins Angebot ? Gibt es da was Schriftliches in den Archiven aus Yelzins Regierungszeit ?
///Ich behaupte nicht, dass die Amis Kohl gezwungen hätten, den anderen verbliebenen Teil Deutschlands zu übernehmen. Die Deutschen wollten das mehrheitlich schon auch selbst. Bei Franzosen und Briten allerdings mussten die Amis starke Überzeugungsarbeit leisten, damit das was wird.

Artabanus

7. Juni 2023 09:42

@MarkusMagnus
Die Frage nach der "Schuld" am Ausbruch der Kriege ist ziemlich gleichgültig. Die viel spannendere und lehrreichere Frage ist die, warum die Kriege verloren gingen. Und da müssen sich die Deutschen zu 100% an die eigene Nase fassen. 
Die Berliner Zentralregierungen haben bisher jedesmal bewiesen, dass sie mit ihrer enormen Macht nur Blödsinn anstellen.
 

RMH

7. Juni 2023 09:49

"Bemerkenswert finde ich, dass diese den gleichen Gutsherrenblick auf die einfache Bevölkerung hatten,"
@Dietrichs Bern,
und daran erkennen sie sich auch untereinander - nennt sich dann gutsherrengemäß "Stallgeruch".
Klar, man gibt sich gerne auch mal jovial, nahbar oder "bürgernah" (so wie Schröder auch mal mit der Flasche Bier in der Hand), aber am Ende ist da einfach etwas, was ich nicht beschreiben kann, allenfalls umschreiben. Klassenbewußtsein, obwohl man das nie zugeben würde?

Laurenz

7. Juni 2023 10:19

@RMH & Das Kapital
Es geht hier nicht um Geschichtsrevisionismus, sondern um unser Territorium, mir ist ganz egal, ob da heute Polen leben oder nicht. Die können nach einer Rückgabe unserer Ostgebiete gerne bleiben & Deutsch lernen. Da unser Westen völlig übervölkert ist, würde das auch unsere Siedlungsdichte entspannen. Die sogenannten Palestinenser & ihre woken Freude debattieren neben Israel ja auch nicht deutsche Ostgebiete, Tibet, Nordirland oder Spanisch-Sahara. Warum nicht? Es ist ganz einfach gesagt, Schlesien ist unser. Wenn Sie Kohl & Ostpreußen eingeben, kommen zig Artikel, die u.a. besagen, daß auch schon Gorbatschow Ostpreußen anbot. Ich habe Jelzin in Erinnerung, was sicher auch stimmen wird, den Jelzin brauchte dringend Geld. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wiedervereinigung-moskau-bot-verhandlungen-ueber-ostpreussen-an-a-695928.html Was Oskar angeht, so meinen Sie sicher das hier https://www.deutschlandfunk.de/oskar-lafontaine-blickt-zurueck-auf-1989-damals-wurde-ich-102.html Mir liegt Berlin zwar näher als Paris, aber inhaltlich hat Oskar die Situation kompetent & korrekt eingeschätzt.
 

Maiordomus

7. Juni 2023 10:32

Der Begriff "Revisionismus" ist in der Tat unbrauchbar. Es genügen ein unbefangener Blick und die Beseitigung von Frageverboten sowie von vorgeschriebenen sog. "Narrativen". 

Gracchus

7. Juni 2023 10:47

Wenn die Diskussion in Richtung "Geschichtsrevionismus" einbiegt, ist erfahrungsgemäß bald Badeschluss - also bitte!
@Artabanus: Stimme Ihren Beiträgen zu. 
Ebenfalls @Maiordomus, @RMH und @das kapital. 
 

FraAimerich

7. Juni 2023 11:33

Also, ich werde mir an dieser Stelle in jedem Fall ein Päuschen gönnen. Mir schwindelt. Wie schnell sich doch manch braver Anhänger der Marktwirtschaft im Handumdrehen in einen Kryptobolschewiken zu verwandeln scheint, sobald der Bonze als Sozialdemokrat auftritt...
Apropos - es wurde verschiedentlich schon darauf hingewiesen, aber ein lehrreiches Beispiel für Linkspopulismus bietet Bablers Bewerbungsrede zum SPÖ-Parteichef. Dagegen kommt so schnell kein zivilreligiöser Nihilismus an, fürchte ich.

Valjean72

7. Juni 2023 12:42

@MarkusMagnus:
"Das Märchen vom bösen Deutschen nehmen wir hier zumindest nicht für voll ..."
---
 
Wie Sie auch den nachfolgenden Leserkommentaren entnehmen können, irren Sie mE leider.
 
Die bundesdeutschen Konservativen, die Liberalen ohnehin, haben sich längst mit dem offiziellen Geschichtsbild des historischn bösen, oder zumindest fehlgeleiteten Deutschen (der von den westlichen Demokratien von sich - seinem wilden, unzivilisierten, vor-demokratischen - selbst befreit wurde und endlich vollumfänglich Teil des moralisch erhabenen, da demokratischen (!) Westens sein darf und kann) arrangiert.
 
Mehr noch, sie haben die ihnen, von frühestener Kindheit an, antrainierten und eingeimpften Glaubenssätze verinnerlicht und spulen diese bei jeder passenden Gelegenheit ab. Brave Bundesbürger eben.

RMH

7. Juni 2023 14:05

@FraAimerich,
Sie haben das PS bei meinem Beitrag vergessen. Ich mache das nicht an der SPD fest, habe hier aber die meisten Erfahrungen sammeln können. "Klassenbewußtsein" - alleine schon durch Herkunft - schließt eine gewisse Liberalität nicht aus. Jeder hat seine Herkunftslinien. 

anatol broder

7. Juni 2023 14:29

«aber am ende ist da einfach etwas, was ich nicht beschreiben kann.» (rmh 9:49)
es ist nicht etwas da, sondern etwas nicht da, denn es handelt sich dabei ums hohle. ein kernloser mensch erscheint oberflächlich, egal wieviel er absondert. seine haltung gegenüber weniger üblichen oberflächen ist hochmut. ausser an sozis beobachtet man das verhalten auch an tussis, wobei letztere ihre lippenbekenntnisse (ich liebe euch alle) manchmal sogar mit einer dauerschnute festhalten. durch den gleichschritt kann der eindruck von eingeschworenen truppen entstehen, doch das ist nur die folge der beschränktheit, auch bekannt als schubfachprinzip. tatsächlich sind sozis und tussis jeweils untereinander zerstritten, weil sie den neid nicht im griff haben.

Niekisch

7. Juni 2023 16:56

"ein kernloser mensch erscheint oberflächlich, egal wieviel er absondert."
@ anatol broder 7.6. 14:29: 
Ist nicht, wer in der Lüge redet,
entkernt und ohne festes Lot?
Ist nicht, wer an ein Falsch fest glaubt,
in fremdgepflanzter Seelennot? 
Haut nicht, wenn Lügenschlangen zischen,
des Baldung Schwert dennoch dazwischen? 
 
 
 
 

Pferdefuss

7. Juni 2023 17:32

@ RMH
Eigener 'Stallgeruch': Sich wohlfühlen, zu Hause fühlen: Rindviecher, Schwalben, Fliegen, Mäuse, Spinnen, ab und zu  Besitzer, die ausmisten.  

Gracchus

7. Juni 2023 17:40

@Valjean72: Das, was Sie da einigen Foristen unterstellen, hat niemand gesagt und denkt wohl auch niemand.
Die Frage ist ganz aktuell: Wie fehlgeleitet sind die Ampelregierung und die heutigen Deutschen? 
Es hängt wohl auch gar nicht davon ab, ob man einen BRD- oder DDR-Hintergrund hat, um sich mit der Berliner Republik nicht zu identifizieren. Einige sprechen ja auch von der DDR 2.0 oder so ähnlich. 

FraAimerich

8. Juni 2023 14:04

@RMH
Im Nachbarstrang zu Grönemeyer deuteten Sie nun sogar "taktische" Gründe ("links überholen") für Bonzenkritik an "Linken" an. Das mag rechtspopulistisch gesehen in Ordnung erscheinen und insbesondere für einen Kryptobolschewiken als dialektisch-taktische Meisterleistung. Aber hat für mich als alten Freund der Marktwirtschaft auch irgendwie "ein Gschmäckle"... 

links ist wo der daumen rechts ist

8. Juni 2023 22:13

Ausgerechnet Bananen 1
 
Das Hauptproblem war, daß auf einer Lüge ein Irrtum (gilt auch vice versa) aufgebaut wurde: die „Wiedervereinigung“ von 1990 war – ohne ein Drittel des früheren Staatsgebietes - keine, deshalb konnte darauf auch keine „selbstbewußte Nation“ folgen.
Kapriolen der Geschichte.
Die DDR hatte ihren östlichen (= antiwestlichen und damit auch nationalen) Charakter - wie auch die anderen Ostblockstaaten - gerade durch die kommunistische Staatsüberformung bewahren, i.e. konservieren können.
Die aber, die 1989ff einen eigenen mitteldeutschen Staat forderten (wie z. B. Günter GraSS – „ein Schnäppchen namens DDR“), galten rechterseits als Vaterlandsverräter.
Der „konservative“ Kohl hingegen konnte die DDR nicht schnell genug unter westlichen, i.e. globalistischen Einfluß bringen, nachdem der Preis für diese Rumpf-Wiedervereinigung, den früheren Kriegsgegnern ohnehin mühsam abgerungen, die in Aussicht gestellte Abschaffung der DM war. Lafontaine wäre damals vermutlich die bessere Wahl gewesen.
 

links ist wo der daumen rechts ist

8. Juni 2023 22:21

Ausgerechnet Bananen 2
 
Es hätte aber mindestens eines Bismarck bedurft (mit einem Moltke d.Ä. im Hintergrund), der hier über die Bande gespielt hätte:
Gegenüber den Alliierten eine Maximalforderung, damit Scheitern der Verhandlungen, Gründung eines eigenen mitteldeutschen Staates, vor dem die Nachbarn keine „Angst“ gehabt hätten (zugleich aber engste wirtschaftliche Verflechtungen wie zwischen BRD und AUT), behutsame Anerkennung der Vertreibungsverbrechen durch eine alte Solidarität der eh. Ostblockstaaten gegenüber „dem Westen“, nachträgliche Südtirol- oder Kärnten-Slowenen-Lösungen usw.
Schade.
Im Übrigen bin ich der Meinung, daß die "Ideen von 1914" (und damit auch Spenglers "Preußentum und Sozialismus") ohnehin die Patentlösung gewesen wäre, aber sage das jemand dem Käsesorten-Klonovsky...

das kapital

9. Juni 2023 11:11

@Links ist ...Die "Wiedervereinigung" ist nur ein Teillösung.Alles andere ist aber abgrundtief illusorisch.Der zweite Weltkrieg wird nicht rückabgewickelt werdenund Flucht und Vertreibung auch nicht.Polen wird sobald nicht sagen "gute Idee, wir geben Danzig zurück und unseren Teil Ostpreußens und Pommern mit Stettin, und Schlesien mit Breslau und Ostbrandenburg mit Königsberg in der Neumark." Das wird niemals geschehen. Weder friedlich noch mit Gewalt.Damit aber sind die für die Verluste des Krieges abgefunden. Die brauchen dann keine weiteren Forderungen ernsthaft in den Raum stellen.Das Erbe des "echten" Ostdeutschland ist kein materielles, sondern ein kulturelles. Und das ist mir und vielen anderen Kindern und Enkeln von Vertriebenen kostbar.Meine Patentante (Jahrgang 1911) erinnere ich noch mit den Worten "Ich könnte zwar jetzt nach Danzig reisen, aber ich möchte nicht. Ich möchte mein Danzig so in Erinnerung behalten, wie es war."Bitte pflegt die Erinnerung an die Kultur und Lebensweise von 30 Generationen im "echten" Ostdeutschland. Aber glaubt nicht daran, dass sie jemals wieder physische Realität werden könnte.

Laurenz

10. Juni 2023 02:40

@Links ist, wo der Daumen rechts ist  .... Es gab bis zur Wahl Clintons keinen externen Druck, wie ich weiter oben erläutert hatte. Und selbst die Clintons kamen zu diesem Zeitpunkt, nie auf die Idee, Kohl zum Kauf Russisch-Ostpreußens zu zwingen. Das wurde erst allen bewußt, als Putin 2007 seine berühmte Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz gehalten hatte. Man hätte das Territoroum der ehemaligen DDR auch vertraglich aus der NATO raushalten können.
@Das Kapital @Links ist, wo der Daumen rechts ist  ... Spekulationen sind erlaubt. Ihre Plausibilität läßt aber zu wünschen übrig. An den grundsätzlichen geo-politischen - & geo-strategischen Interessenlagen hat sich in über 100 Jahren nichts geändert. Die Lager haben sich nur verschoben. Vor allem die politischen Abischten Polens haben sich um keine Haaresbreite seit 1917 verändert. Die Polen glauben tatsächlich daran, diesen Krieg mit us amerikanischer Unterstützung zu gewinnen. Und wie geht dieser Krieg gegen Rußland dann aus. Können Sie uns das erläutern? Ich nicht. Eins kann ich Ihnen versichern. Die jetzigen Grenzen werden nicht bleiben, wie sie sind.

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