Was ist eigentlich los, wenn das Häßliche neuerdings für schön erklärt wird?

von Jörg Seidel -- Freilich, ich werde einigen Lesern weh tun müssen. Das ist nicht zu verhindern, wenn man noch dem alten Ideal der Wahrheit anhängt und sich nicht dem neuen der alles nivellierenden institutionalisierten und politisierten Gerechtigkeit unterworfen hat.

Wir wer­den nun seit eini­ger Zeit zuneh­mend und flä­chen­de­ckend mit Häß­li­chem kon­fron­tiert. Die Wer­bung ist immer ein gutes Meß­in­stru­ment, den Puls einer Zeit, einer Gesell­schaft zu nehmen.

Da sprin­gen schwer adi­pö­se Damen in engen Leg­gings tan­zend her­um, sie wer­den uns in Reiz­wä­sche präsentiert.

Hin­zu furcht­bar ent­stell­te Gestal­ten mit Tat­toos, Pier­cings, schreck­li­chen Make Ups – von denen man nicht sagen kann, ob sie Männ­lein oder Weib­lein sind – fah­ren jetzt die Autos, die bis­her der grau­me­lier­te Mann gefah­ren hat und der­glei­chen mehr … jeder kennt das.

Es soll uns sagen: auch häß­lich ist schön, alles ist schön. Die Sub­bot­schaft lau­tet aber: das Schö­ne ist häß­lich, eure gan­ze alte Wer­te­welt gehört zerstört!

Wenn wir von der Ästhe­tik des Häß­li­chen spre­chen, dann müs­sen wir Karl Rosen­kranz (1805–1879) erwäh­nen. Er war der ers­te, der in sei­nem gleich­na­mi­gen Werk den Ein­bruch des Häß­li­chen in die Ide­al­welt bemerk­te. Als Hegel­schü­ler und ‑adept konn­te er die Dia­lek­tik der bei­den kon­trä­ren Begrif­fe nicht mehr übersehen.

Sein Meis­ter – Hegel – hat­te selbst die Spur gelegt, als er in sei­ner gro­ßen „Ästhe­tik“ die Bedeu­tung des sub­jek­ti­ven Geschmacks am dras­ti­schen Bei­spiel erläuterte:

Denn unter den Men­schen z. B. ist es der Fall, daß, wenn auch nicht jeder Ehe­mann sei­ne Frau, doch wenigs­tens jeder Bräu­ti­gam sei­ne Braut – und zwar etwa sogar aus­schließ­lich — schön fin­det, und daß der sub­jek­ti­ve Geschmack für die­se Schön­heit kei­ne fes­te Regel hat, kann man ein Glück für bei­de Tei­le nen­nen. Bli­cken wir voll­ends wei­ter über die ein­zel­nen Indi­vi­du­en und ihren zufäl­li­gen Geschmack auf den Geschmack der Natio­nen, so ist auch die­ser von der höchs­ten Ver­schie­den­heit und Ent­ge­gen­set­zung. Wie oft hört man sagen, daß eine euro­päi­sche Schön­heit einem Chi­ne­sen oder gar einem Hot­ten­tot­ten miß­fal­len wür­de, inso­fern dem Chi­ne­sen ein ganz ande­rer Begriff von Schön­heit inne­woh­ne als dem Neger und die­sem wie­der ein ande­rer als dem Euro­pä­er usf. Ja, betrach­ten wir die Kunst­wer­ke jener außer­eu­ro­päi­schen Völ­ker, ihre Göt­ter­bil­der z. B., die als ver­eh­rungs­wür­dig und erha­ben aus ihrer Phan­ta­sie ent­sprun­gen sind, so kön­nen sie uns als die scheuß­lichs­ten Göt­zen­bil­der vor­kom­men und ihre Musik als die abscheu­lichs­te in die Ohren klin­gen, wäh­rend sie ihrer­seits unse­re Skulp­tu­ren, Male­rei­en, Musi­ken für unbe­deu­tend oder häß­lich hal­ten werden.

Was man begrei­fen muß: Die­se Sub­jek­ti­vi­tät ist objek­tiv! Man kann das Schön­heits­emp­fin­den nicht steu­ern, zumin­dest nicht kurz­fris­tig, ideo­lo­gisch, son­dern wenn über­haupt, dann nur durch kul­tu­rel­le Prä­gung, und die basiert auf einem jahr­hun­der­te­lan­gen Pro­zeß. Das heißt – wenn man die mensch­li­che Schön­heit als Bei­spiel nimmt –: Men­schen sehen das Schö­ne beson­ders unter ihres­glei­chen. Damit sind sie auf­ge­wach­sen, schon das ers­te wahr­ge­nom­me­ne Lächeln der eig­nen Mut­ter legt das fest. Inner­halb die­ses Berei­ches gibt es selbst­re­dend eben­falls die gan­ze Spannbreite.

Auf die Kunst bezo­gen gilt dies gleich­falls: Die Schön­heit ben­i­ni­scher Büs­ten oder japa­ni­scher Kal­li­gra­phien ist uns nicht unmit­tel­bar zugän­gig, weil uns die Codes feh­len; die Schön­heit einer Haydn-Sym­pho­nie, eines Raf­fa­el-Gemäl­des oder auch einer gelun­ge­nen Rock­oper hin­ge­gen schon.

Man kann sich das ästhe­ti­sche Emp­fin­den des Frem­den erar­bei­ten, aber es wird nur weni­gen und nur in lan­gen Pro­zes­sen gelin­gen. In der aprio­ri­schen Bewun­de­rung ben­i­ni­scher Büs­ten und Mas­ken etwa liegt selbst schon Ras­sis­mus, denn wir sehen sie als Leis­tung einer Kul­tur, die „das also auch schon konnte“.

Trotz aller Sub­jek­ti­vi­tät und Objek­ti­vi­tät der Sub­jek­ti­vi­tät – gibt es aber auch das Objek­ti­ve des Objek­ti­ven, das Objek­ti­ve an sich. Die Kri­te­ri­en fin­det man in der Natur, in der Gesund­heit, in der Funk­tio­na­li­tät, in der Voll­stän­dig­keit. Adi­po­si­tät etwa kann an sich nicht schön sein – aller Pro­pa­gan­da zum Trotz –, denn sie ist dys­funk­tio­nal, sie behin­dert das freie Leben, sie macht krank und wür­de in der Natur mit dem bal­di­gen Unter­gang bestraft werden.

Selbst die Venus von Wil­len­dorf – soll­te sie ein Schön­heits­ide­al dar­ge­stellt haben –, die uns heu­te ästhe­tisch wenig anspricht mit ihren aus­la­den­den weib­li­chen Attri­bu­ten, unter­lag die­ser Regel: Sie ver­kör­per­te in Zei­ten ewi­ger Karg­heit die frucht­ba­re, die gebär­fä­hi­ge Frau, die umso bes­ser in die­ser Funk­ti­on agie­ren konn­te, je üppi­ger sie ernährt war. In Zei­ten der dau­ern­den Knapp­heit kann Dick­sein ein Schön­heits­ziel werden.

Das Häß­li­che ist mit Rosen­kranz vom Schö­nen abhän­gig, das Schö­ne ist pri­mär, inso­fern es eine Form der Frei­heit dar­stellt. Rosen­kranz nun war der zuneh­men­de Ein­bruch des Häß­li­chen in den ästhe­ti­schen Bereich aufgefallen.

Er war ein frü­her Seis­mo­graph der künst­le­ri­schen Ent-Artung, Ent-Gren­zung, die sich im Lau­fe der Säku­la­ri­sie­rung, der Ent­de­ckung des Men­schen in Huma­nis­mus und Renais­sance, der Auf­klä­rung, der Indus­tria­li­sie­rung, der zuneh­men­den gesell­schaft­li­chen Bewußt­wer­dung, der Akze­le­ra­ti­on und ähn­li­chen Pro­zes­sen durch­zu­set­zen begann.

Ihm war auch der Bezug zur gesell­schaft­li­chen Deka­denz bewußt:

Daß das Häß­li­che sol­le ein Wohl­ge­fal­len erzeu­gen kön­nen, scheint eben­so wider­sin­nig, als daß das Kran­ke, oder Böse ein sol­ches hervorrufe.

Mög­lich sei es den­noch auf gesun­de und auf kran­ke Weise:

Auf krank­haf­te Wei­se, wenn ein Zeit­al­ter phy­sisch und mora­lisch ver­derbt ist, für die Erfas­sung des wahr­haf­ten, aber ein­fa­chen Schö­nen der Kraft ent­behrt und noch in der Kunst das Pikan­te der fri­vo­len Kor­rup­ti­on genie­ßen will. Ein sol­ches Zeit­al­ter liebt die gemisch­ten Emp­fin­dun­gen, die einen Wider­spruch zum Inhalt haben. Um die abge­stumpf­ten Ner­ven auf­zu­kit­zeln, wird das Uner­hör­tes­te, Dis­pa­ra­tes­te und Wid­rigs­te zusam­men­ge­bracht. Die Zer­ris­sen­heit der Geis­ter wei­det sich an dem Häß­li­chen, weil es für sie gleich­sam das Ide­al ihrer nega­ti­ven Zustän­de wird.

Wer – wie Fried­rich Engels etwa – bewußt und mit offe­nen Augen durch Indus­trie­städ­te wie Elber­feld oder spä­ter Man­ches­ter ging, dem konn­te die Über­macht des Häß­li­chen nicht unbe­merkt blei­ben. Schon der Teen­ager hat­te in sei­nen Brie­fen aus dem Wup­per­tal (1839), noch anonym, die Häß­lich­keit sei­ner Hei­mat­stadt vor dem Hin­ter­grund schö­ner Natur beschrie­ben, den „Koh­len­dampf und Staub“, die Syphi­lis und „Brust­krank­hei­ten“, das gefärb­te und tote Was­ser der Wup­per, und einen unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit dem vor­herr­schen­den Pie­tis­mus her­ge­stellt. Die­sen Impuls hat­te er in sei­ner gro­ßen Stu­die Die Lage der arbei­ten­den Klas­se in Eng­land (1845) umfas­send ausgelebt.

Das Häß­li­che war also da, sei­ne Über­macht nicht mehr zu übersehen.

Es war nur kon­se­quent, daß sich die Kunst sei­ner annahm. Das Pro­blem beginnt dann, wenn das Häß­li­che zum Schö­nen erklärt und ver­kehrt wird.

Daß es das Häß­li­che an sich gibt, kann jeder in der Fra­ge der Natur­schön­heit an sich selbst erle­ben, selbst dann, wenn er der neu­en Ideo­lo­gie anhängt. Egal, wel­che Par­tei wir wäh­len oder auf wel­chem Kon­ti­nent wir gebo­ren wur­den, fin­den wir alle eine Natur­idyl­le schön und erha­ben, ein stil­les Berg­tal, eine kla­re Quel­le, die Wei­ten des Mee­res, ja selbst der Ark­tis oder der Wüs­te … wohin­ge­gen nie­mand behaup­ten wird, eine Müll­hal­de, eine zer­bomb­te Rui­ne oder Krach, Dreck und Hek­tik der Groß­stadt sei­en schön zu nen­nen. Wer in sich geht und dies zugibt, der kann nicht umhin, die Betrach­tung auch auf das Künst­le­ri­sche oder das Mensch­li­che auszudehnen.

Ril­ke beschrieb in sei­nem iko­ni­schen Gedicht Archaï­scher Tor­so Apol­los mus­ter­gül­tig die zwin­gen­de Macht der Schön­heit und hat­te aus der Betrach­tung der anti­ken Voll­kom­men­heit einen ethi­schen Schluß gezogen:

denn da ist kei­ne Stel­le, die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

Schön­heit und Voll­kom­men­heit haben einen Auf- und Anruf­cha­rak­ter! Sie rufen uns dazu auf, ihnen nach­zu­ei­fern, unser Leben zu ändern, täg­lich, unun­ter­bro­chen, und das kann nur hei­ßen, an unse­ren Häß­lich­kei­ten übend zu arbei­ten, uns im erwei­ter­ten Sin­ne voll­kom­me­ner, gesün­der, funk­tio­na­ler, mit einem Wort: schö­ner zu machen, soweit das eben geht. Daß die Hast dazu, daß die Instru­men­ta­li­sie­run­gen und Ver­ir­run­gen die­ser Tugen­den ins Gegen­teil des Häß­li­chen umschla­gen kön­nen, ver­steht sich unter Dia­lek­ti­kern von selbst.

Peter Slo­ter­di­jk wid­me­te den Zei­len Ril­kes ein 700-sei­ti­ges Buch. In ihm fin­den wir fol­gen­de Sätze:

Daher bie­tet sich der Ath­le­ten­kör­per, der Schön­heit und Dis­zi­plin zu einer in sich ruhen­den Sprung­be­reit­schaft ver­ei­nigt, als eine der ver­ständ­lichs­ten und über­zeu­gends­ten Erschei­nungs­for­men von Auto­ri­tät an.

Schön­heit ist Auto­ri­tät, sie strahlt etwas Her­ri­sches aus. Wenn Slo­ter­di­jk sie mit Dis­zi­plin und „ruhen­der Sprung­be­reit­schaft“ cha­rak­te­ri­siert, dann ver­weist er auf Gesund­heit, Funk­tio­na­li­tät und Übungsbereitschaft.

Vor die­sem Hin­ter­grund wird uns das Ver­lo­ge­ne der Ästhe­ti­sie­rung des Häß­li­chen, wie uns etwa in oben erwähn­ten Wer­be­fil­men ent­ge­gen­springt, deut­lich. Das Unför­mi­ge die­ser Men­schen ist in der Regel Resul­tat einer eige­nen Schwä­che, Undiszipliniertheit.

Es gehört nicht ver­herr­licht, son­dern kri­ti­siert. Nicht die Zur­schau­stel­lung und damit die Recht­fer­ti­gung die­ses Schei­terns soll­te Lebens­ziel sein, son­dern die Ver­bes­se­rung, das In-Form-Brin­gen. Schön ist das Ide­al; Ide­al ist es des­we­gen, weil es nicht erreicht wer­den kann. Den­noch ist und bleibt es das Erstrebenswerte.

Das Schei­tern am sich-Ver­voll­komm­nen, der „Sor­ge um sich“, der „Ästhe­tik der Exis­tenz“ (Fou­cault) in den öffent­li­chen Raum zu stel­len, birgt die Gefahr, Gene­ra­tio­nen her­an­zu­zie­hen, denen jeg­li­cher inne­rer Kern abhan­den­ge­kom­men ist. Es genügt ein Stra­ßen­ge­spräch, um zu begrei­fen, wie weit die­ser selbst­zer­stö­re­ri­sche Pro­zeß bereit fort­ge­schrit­ten ist.

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Kommentare (65)

quer

8. Juli 2023 10:36

Beim Beschreiben der unförmigen menschlichen Fleischklumpen in der Werbung fehlt noch der unvermeidbare Neger (m/w). Auch das sollen wir vor dem Hintergrund unserer Kultur als "schön" empfinden. Es gibt nur einen Schutz: Wegsehen, weghören und das Gegenteil dessen tun, was Werbung möchte/bezweckt.

Laurenz

8. Juli 2023 11:47

@JS .... Im Naturbezug liegen Sie schlicht falsch. Obwohl die Asiaten sich glücklicherweise vom Westen politisch emanzipiert haben, ist barocke - oder klassische -, wie auch Rockmusik, im Prinzip dasselbe, nachwievor in Ostasien top angesagt. Auch die historische Baukunst Europas ist bei asiatischen Touris heiß begehrt, wie auch der deutsche Altstadt-Kern von Xingdao die angesagte Heiratslokalität Chinas darstellt. Auch in der Natur liegen Sie falsch. In den Kälteregionen der Erde sind alle Säugetiere adipös. Anders kann man dort nicht überleben. Man muß auch zwischen sich veränderndem Geschmack & sich nicht verändernden Reizen, Karl Grammers Signale der Liebe, unterscheiden. Die einzig wirkliche, vertretbare Kritik in Ihrem Artikel wird durch den ideologischen Ansatz Ihrer angeprangerten, zeitgeistigen Häßlichkeit legitimiert. Für die Psyche der Frauen ist das jetzige Szenario wesentlich günstiger. Über Jahrzehnte litten Massen von Frauen an Eßstörungen, weil die Modelle auf dem Laufsteg runtergehungerte Skelette ohne Arsch & Titten waren.

RMH

8. Juli 2023 11:51

Wenn der Beitrag schon mit der Werbung als Indikator anfängt, dann drückt er sich um den - für eine rechte Seite - wesentlicheren Fakt, das mittlerweile in fast jeder Werbung mindestens eine Person "of color" eingebaut ist oder eine tragende Rolle spielt (wäre ich Asiat, würde ich mich darüber beschweren, dass in dieser schönen neuen Welt der Inklusion in der europäischer Werbung zu wenige Asiaten sind). Das mittlerweile viele Dicke (einschließlich adipösen Negern) vorkommen, ist vermutlich eher dem Umstand geschuldet, dass die Zielgruppe der Konsumenten selber immer fetter wird. Dick allein ist auch noch nicht sofort häßlich, unter ästhetischen Gesichtspunkt aber auffallend, da eben aus dem vormaligen Durchschnittsmaß fallen (wobei der Durschnitt eben immer mopsiger wird. Ändert sich damit die Ästhetik? Oder gibt es mehr oder weniger "ewige" Maßstäbe, wie dem "goldenen Schnitt" etc.?).
Frage: Wenn eine Werbung auf ältere Menschen, also bspw. den wohlhabenden silver surfer, "best ager" abzielt, findet man dann da auch people of color? Ich glaube, mir ist in diese Richtung noch nichts aufgefallen. Für Alte darf es also noch eine rassistische Zielgruppenansprache geben. 

Franz Bettinger

8. Juli 2023 11:56

Es gibt ein Wort, wenn gegen anthropologische Konstanten (zu denen das Schönheitsempfinden gehört) verstoßen wird. Man nennt es: Perversion. Der aktuelle Versuch der Clique, die Menschen auf nahezu allen Gebieten (eben auch geschmacklichen) zu verwirren, wird scheitern & mit diesem Scheitern die Clique hoffentlich zur Hölle fahren.  //  Auch die Ungleichheit ist eine (nicht nur anthropologische, sondern gar) Naturkonstante. Dem Menschen sind zu allen Zeiten die Gesunden, Schönen, Starken & Klugen lieber gewesen als ihr Gegenteil. Nur die Besseren bringen einer Spezies Gewinn, Fortschritt, Kultur... Zu allen Zeiten? Nun man sagt, in der Ära Ahrimans sei's nicht so. Unter Satanisten dominiert die Umkehrung aller Werte. Viele haben’s bereits kapiert. Nur instinktlosen Zeitgenossen entgeht die aktuelle Verdrehtheit. Gebt nur acht, die Bestialität der Zeit wird sich noch weit deutlicher offenbaren! 

Franz Bettinger

8. Juli 2023 12:06

Geschmack ist viel weniger Geschmacksache als man allgemein denkt. Die Geschmäcker sind das Resultat objektiver Notwendigkeiten, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden. Nur mal als Beispiel: Alle Babys lieben Zucker (Süße). Kein Baby mag Kaffee (Bitterstoffe). Und das gilt für alle Rassen. 

Kurativ

8. Juli 2023 12:24

Ich meine, dass es tief verankerte Symbole oder Zeichen gibt, welche Abneigung oder Sympathie erzeugen. Hinzu kommt dann die Erfahrung oder die Erziehung.
Ein Knochenschädel stößt auf spontane Furcht, denn wenn Menschen in archaischen Zeiten auf Knochengerüste seiner eigenen Art gestoßen sind, dürfte dies ein schlechtes Zeichen für ein weiteres Gedeihen an diesem Ort gewesen sein.
Die Farbe Rot dürfte eher auf ein Gemetzel hindeuten. Ob es um strittiges Fleisch oder eine Auseinandersetzung mit Artgenossen ging, es sollten auf Alarm und Kampfbereitschaft gesetzt werden.
Die Farbe Grün in der Ferne lässt auf Vegetation und Wasser schließen, welche die Überlebenswahrscheinlichkeit vergrößert. Hier kann man sich wohl fühlen.

Volksdeutscher

8. Juli 2023 12:34

"Daß das Häßliche solle ein Wohlgefallen erzeugen können, scheint ebenso widersinnig, als daß das Kranke, oder Böse ein solches hervorrufe."
Ich lese immer wieder von Neuem Rosenkrantz´ außergewöhnliches Werk. An dieser Stelle jedoch unterläuft ihm meines Erachtens ein logischer Fehler. Alle drei Erscheinungsformen des Häßlichen wirken auf drei verschiedene Weise. Offensichtlich ist häßlich nicht gleich häßlich.
1. Das bildhaft Häßliche ist zunächst einmal ein dreidimensionaler Gegenstand, ehe es zu einem visuellen Gegenstand in unserem Hirn transformiert wird. Zwischen ihm und dem Betrachter besteht eine räumliche und emotionale Entfernung. Die visuellen Reize werden durch Reflektion gefiltert, bis sie den urteilenden Verstand erreichen und können weiter reflektiert werden. Notfalls kann man wegschauen.
 

Volksdeutscher

8. Juli 2023 12:39

2. Das leibhaftig Kranke als Handlung berührt unsere Psyche in stärkerem Maße. Ein von Krätze Befallener, der sich ungeniert kratzt, erzeugt einen tieferen Ekel in einem, als wenn wir ihn auf einem Bild oder in einem Film sehen würden. Das ist diese Leibhaftigkeit des Häßlichen, zu deren Abwehr schon mehr bedarf, als nur wegzuschauen. Ein solcher Anblick kann Brechreiz verursachen. Wegschauen hilft oftmals nicht, man entfernt sich lieber gleich räumlich.
3. Das gewalttätig Böse betrifft einen durch seine Unmittelbarkeit am tiefsten. Der verursachte Schmerz ist nicht oder kaum ignorierbar und erfordert sofortige Abwehr unsererseits. Physische Gewalt steht in unmittelbarer Nachbarschaft zur Tötungsabsicht, die wir auch unterbewußt als solche wahrnehmen und auf sie dementsprechend reagieren, entweder durch Flucht oder Erwiederung der Gewalt.
Nach diesem kurzen und unvollständigen Diskurs wird es vielleicht leichter verständlich, warum das visuell Häßliche gesellschaftlich mehr toleriert wird, bzw. eine bei weitem größere Toleranz erfährt als die anderen Arten des Häßlichen. Eine Frage bleibt noch offen: Warum stehen Leute vor häßlichen kubistischen Bildern wie in Trance stundenlang stehen?

KlausD.

8. Juli 2023 12:52

"Die Subbotschaft lautet aber: das Schöne ist häßlich, eure ganze alte Wertewelt gehört zerstört!"
Die Frage ist, wie kommen wir aus dieser Sackgasse heraus? Die Antwort geben Sie selbst und verweisen auf Rilke, "die zwingende Macht der Schönheit" und die "antike Vollkommenheit" sowie auf Sloterdijk, "der Athletenkörper, der Schönheit und Disziplin zu einer in sich ruhenden Sprungbereitschaft vereinigt." Ja, "Schönheit ist Autorität, sie strahlt etwas Herrisches aus", d.h. Rückbesinnung auf die Klarheit antiker Vorbilder.
Noch ein weiterer Name kann hier als Wegweiser aufgeführt werden - Johann Joachim Winckelmann (1717–1768),  der geistige Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum, der der "Maßlosigkeit des Barock und Rokoko" die "edle Einfalt und stille Größe" der klassischen griechischen Kunst entgegenhielt. Ja, begeben wir uns auf die Spuren Winckelmann und ersetzen die "Ästhetik des Häßlichen" durch die "edle Einfalt und stille Größe" der klassischen griechischen Kunst.
Und wer sich in der Altmark aufhält sollte nicht versäumen, Stendal und dem Winckelmann Museum einen Besuch abzustatten.
https://www.winckelmann-gesellschaft.com/

Gracchus

8. Juli 2023 13:23

Da macht Herr Seidel aber ein Fass auf!
Einen Parforceritt durch die ästhetische Diskussionen seit - sagen wir - der Renaissance ist in einem Kommentar wohl nicht zu leisten.
Daher nur kurz:
Professionelle Bodybuilder-Körper finde ich in der Regel auch hässlich. Schockiert hat mich neulich ein Bild des faltenlosen Gesichts der 60-jährigen Madonna, der es offenbar versagt ist, in Würde zu altern. 
Die "Schönheit" in der Werbe- oder Hollywood-oder Netflix-Welt ist mir generell zu glattgebügelt, zu steril, zu plakativ. Ganz egal, was dargestellt wird, es ist das Wie. Ein etwas dickerer Körper kann durchaus eine größere Würde (und Schönheit) ausstrahlen als derjenige eines dünnen. 
Seidels Verdikt (letzter Absatz) könnte man auch für die Darstellung eines zerschundenen, ausgemergelten Körpers am Kreuz geltend machen. 
Die ästhetische Krankheit ließe sich also (wie alle modernen "Krankheiten") auf das Christentum zurückführen. 
 
 

Gracchus

8. Juli 2023 14:18

Zur "modernen" Ästhetik gehört wohl: das Hässliche (oder Unvollkommene) in das ästhetische Spiel miteinzubeziehen (statt es auszusieben) - was ebenfalls auf Vollkommenheit abzielt ("ironisch" sich darin äußert, absichtlich Makel in einem Kunstwerk unterzubringen) -,  das Schöne noch im Hässlichen aufscheinen zu lassen - wie die Gnade in einem sündigen Menschen. Der Begriff der "Gnade" hat auch einen ästhetischen Aspekt, woran Kaltenbrunner in seinem Dionysius-Buch erinnert. Es ist charis im Griechischen, Anmut, Grazie, Würde. 
Mir ist auch schon passiert, dass ich ein objektiv hässliches Gesicht sah, das plötzlich - durch einen anderen Lichteinfall - schön erschien. 
 
 
 

brueckenbauer

8. Juli 2023 15:03

Die Anmutung, wir "müssten" unser Leben ändern, kommt aber nie aus dem bloßen Anblick des "Schönen". Sie kommt aus der "Kultur" bzw. dem gesellschaftlich Unbewussten. Und als solche kann sie und sollte sie in Frage gestellt werden. Und kann insofern auch als Zumutung empfunden werden. Darauf muss man sich einlassen.

Gotlandfahrer

8. Juli 2023 15:29

Danke, ein wirklich schöner Grundsatztext! Eine Irritation darf ich anmerken: Unter der Überschrift "Was ist eigentlich los, wenn..." hatte ich erhofft, auch etwas zu den Gründen und Betreibern der Verkehrung betrachtet zu sehen. Wer will denn und warum unsere Wertewelt zerstört sehen? Hier wäre ich auf die Sicht des klugen Verfassers gespannt!

dojon86

8. Juli 2023 15:56

Jeder, der Strassenaufnahmen aus den frühen 60ger Jahren zu Gesicht bekommt, und die Kleidung der Passanten mit heutigen Verhältnissen vergleicht, wird zu ähnlichen Schlüssen wie der Autor kommen.

heinrichbrueck

8. Juli 2023 16:06

Die Botschaft lautet: Zuwanderer sind Deutsche. In der Realität passiert etwas ganz anderes. Deutsche Lebensräume wechseln den Besitzer, es entstehen neue Mulattenländer. Einen nicht vermeidbaren Spaziergang durch die Innenstadt, schon dreht sich einem der Magen um. Neu an der Geschichte ist, diese Kriegserklärung wird nicht mehr verstanden. Dann wurde der Mentalität, deren Anfälligkeit ausgenutzt werden konnte, die Selbstverteidigung aberzogen. 
Man schafft es nicht, den Asylparagraphen (Zwangsumvolkung) zu streichen, noch nicht einmal in diesem Kommentariat. Zuwanderung stoppen, Remigration, bedürfte es der souveränen Entscheidungsgewalt. Willensäußerungen wären frei, hätten die Macht zu gewähren. Die Weltgesellschaft kennt keine reale Einigkeit. Aber sie kennt eine farbige Einigkeit, einer nichtweißen Gruppe anzugehören. 

heinrichbrueck

8. Juli 2023 16:07

Kulturelle Prägung hängt an Genen und Wohlbefinden, soll heißen, unter seinesgleichen fühlt man sich besser. Orientalische Mentalität, Afrika, Asien, können durch deutsche Kultur nicht ihresgleichen genetisch entfremdet, gleichzeitig die Akzeptanz beanspruchen, Deutsche sein zu können. Gleichwohl kann der Deutsche ins andere Lager wechseln. Die Gleichung geht dann auf, wenn weniger weiße Kinder geboren werden. Kulturelle Entfaltung wird unmöglich gemacht, die Tiefe fehlt, Wert und Akzeptanz der eigenen Kultur, geopfert der diversen Nichtkultur. 
Du mußt die Naturgesetze ändern? Vorbilder sind nicht häßlich. Forderungen zu akzeptieren, das Eigene zerstören zu lassen, gewähren die Häßlichkeit. Unkultur als Kultur ausgeben, Kompromißbereitschaft und Heuchelei nicht ernstnehmen zu können, die Auswirkungen sind nicht zu verhehlen. 

Hesperiolus

8. Juli 2023 20:18

I. Einer gewissen Zielrichtung des Artikels ist beizustimmen, im Sinne auch Sieferles pointierter Äußerungen zur gesellschaftlichen Oben-Unten-Verkehrung der Maßstäbe und Vorbilder; zur (beschleunigten) Weltverhäßlichung durch die (beschleunigte) Moderne sowieso. Und hinsichtlich der Greuel dessen, was derzeit als diverse und transkulturelle Anti-Ästhetik an- und noch bevorsteht.- „...nicht unmittelbar zugängig ... die Schönheit einer Haydn-Symphonie … hingegen schon“ - Dagegen immerhin aber Spenglers wichtige Bemerkungen zu dem grade esoterischen Charakter der faustischen gegenüber etwa der apollinischen Kunst aufgerufen.

Hesperiolus

8. Juli 2023 20:19

II. 
„Natur, Gesundheit, Funktionalität“ kommen mir dann allerdings etwas allzu ungebrochen lebensreformerisch, „Wege zu Kraft und Schönheit „-mäßig daher. - Zu „finden wir alle eine Naturidylle schön und erhaben, ein stilles Bergtal, eine klare Quelle, die Weiten des Meeres, ja selbst der Arktis oder der Wüste“ sei u.a. auf die Seelsche „Ästhetik der Natur“ verwiesen“. Die Sloterdijk Stelle ist eine unter den vielen Peinlichkeiten des Batavischen Bockes (als welchen er sich irgendwo selber nennt). Die hinreissende Schönheit eines der stilisierten Frauenporträts von Utamaro spricht unmittelbar an, ohne „etwas Herrisches“ auszustrahlen. Nebenbei, als Druckleser der sezession schätze ich diesen Autor ansonsten. So richtig das „In-Form-Bringen“ formuliert, so mißverständlich steht es auch da. Hier richtig festgehalten, das Schöne hat einen imperativen sursum-Zug. Jedoch gibt es auch das „dämonisch Schöne“; darüber schreibt auch Theodor Häcker in einem ästhetischer Essay, den Interessierter lohnend herausfinden kann, darinnen auch wertvoller zur bei Hegel etwas süffisanten Brautstelle.
 
 
 

Laurenz

8. Juli 2023 20:34

(2) Aber Mode neigt immer zum Exzeß. Jetzt lassen sich manche Frauen den Hintern operieren, damit sie mit einem sogenannten Bubble-Butt rumlaufen können. Und natürlich findet momentan ein Kultur-Krieg statt. Die mit freiem Blick auf die Realität befinden sich in einer Abwehrschlacht gegen die geisteskranken woken Kultur-Marxisten. Das Netz ist voll von unzähligen Schlachtfeldern. Den größten Teil der Schuld tragen Frauen. Bei Frauen geht der Beute-Erfolg über jegliches Denken hinweg. Frauen, wie Merkel, werden von Frauen gewählt, weil sie als Frau keine Konkurrenz im Kampf um die Alpha-Männchen sind. Hier Bill Burr https://youtu.be/F03NgeTz7QY Ricky Gervais https://youtu.be/l4YZiKbklAE  Pearl https://youtu.be/2bm2aivr7uI https://youtu.be/CbKX51jXsi0 Jordan Peterson https://youtu.be/BobmeQ91vw4 Alle übertreiben etwas, was daran liegt, daß die Kultur-Marxisten so radikal sind & man gegenhalten muß. Dasselbe passiert bei Ganzjahres-Karnevalisten https://youtu.be/gXjSi-WBvAM  Matt Walsh https://youtu.be/VvQiMC0mvGg

Andreas Stullkowski

8. Juli 2023 20:36

Aber die Frage ist: warum verherrlicht die Werbung, und oft sogar die Werbung für Sportprodukte, das Häßliche? Werbung will doch gerade auf- und anrufen etwas zu tun, sein Leben zu ändern, so wie die Person auf dem Plakat zu sein.
Wie nützt es Nike wenn dem Publikum gessagt wird sie brauchen keinen Sport zu machen, sondern fett und unsportlich auf der Couch bleiben?

eike

9. Juli 2023 05:05

"Die Subbotschaft lautet aber: das Schöne ist häßlich, eure ganze alte Wertewelt gehört zerstört!"
Nein, das ist nicht Sub- sondern Hauptbotschaft, Herr Seidel.
Und die Antwort auf Ihre Frage haben Sie schon vor 90 Jahren bekommen, inklusive Hinweise auf die Verursacher, die "die alte Wertewelt zerstören".

Ein Fremder aus Elea

9. Juli 2023 08:02

Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, daß die Schönheit noch nicht einmal der kulturellen Prägung entspringt, sondern gänzlich objektiv ist.

Sehen Sie sich nur die Beliebtheit von Beethoven etc. in Japan an. Ich würde nicht sagen, daß es "nur wenigen" Japanern gelungen ist, sich seine Musik zu erarbeiten.

Oder meinetwegen auch die Beliebtheit von Glenn Miller in Deutschland. Welcher kulturellen Prägung entsprang sie etwa?

RWDS

9. Juli 2023 09:48

@Andreas Stullkowski
Die woke Ideologie hat nunmal sämtliche Lebensbereiche durchdrungen. Auch bei Nike sitzen die Wokisten in den Schlüsselpositionen und die drücken gnadenlos ihre Agenda durch. Verluste sind dabei egal, es geht schließlich um den Kulturkampf.
Zumal viele Marken wie Nike mittlerweile auch "larger than life" sind. Das sind Selbstläufer, die mit ihrer Gründungsgeschichte nicht mehr viel zu tun haben.
Wirklich massive Umsatzeinbrüche sieht man nur bei Marken wie Bud Light, die traditionell wirklich gar keine Berührungspunkte zum woken Milieu haben. Dort sind die Zahlen mittlerweile um 25% nach unten gegangen.

Uwe Lay

9. Juli 2023 11:46

Eine kleine Irritation
Das Schöne ist nur und ist nur erkennbar als Schönes durch das Nichtschöne,das Häßliche. Gäbe es nur Schönes, graduell verschieden schön könnte die Qualität des Schönen nicht sein und erkannt werden. So ist das Schöne um des Schönen willen, daß Häßliche, damit das Schöne schön ist und so erkennbar ist. Daraus könnte das Fehlurteil, daß das Häßliche selbst schön sei, erklärbar sein. 

quer

9. Juli 2023 12:10

Kurzformel: Mit IKEA fing alles an: Der Niedergang der Wohnkultur, der Verfall der Tisch- und Esskultur. Der Sieg des Billigen und "Praktischen" über Ästhetik und Schönheit der Form. Dies findet seit Jahren in den Modekathalogen seine Fotsetzung. Dank der dortigen Quoten-Neger weiß man aber immerhin, was ein Weißer nicht tragen kann, bzw. ihm garantiert nicht steht. Selbst so erfahren. Parallel dazu, ab den 60'er Jahren, begann die Beleidigung von Auge und Gemüt durch die "moderne Kunst". In wunderbarer Ergänzung (und damit Harmonie?) zur Ikea-"Kultur". Alle Protagonisten dieses kulturellen "Fortschritts" waren und sind bekennende Sozialisten.

quarz

9. Juli 2023 12:13

Schönheit und Funktion: drei Gedanken (1/2)
1.       Dass ein enger Zusammenhang zwischen Schönheit und Funktion bestehe, gehörte seit Anbeginn der abendländischen Reflexion zu den Überzeugungen maßgeblicher Denker. Seit Platon diesen Zusammenhang auf Ideenebene systematisch verortete, streift die Schönheit mal an der kürzeren, mal an der längeren Leine der Funktion durch die Geistesgeschichte – oder umgekehrt.
2.       Bezogen auf das Funktionieren einer Gesellschaft erkennt man diagnostische Fehlleistungen auch am Schönheitsideal der Diagnostiker. Und gemäß herrschendem Zeitgeist muss eine Gesellschaft in erster Linie „bunt“ bzw. „divers“ sein, um als schön zu gelten. Darin kommt ein Lobpreis des beziehungslosen, nicht funktionell abgestimmten Nebeneinanders von Individuen zum Ausdruck. Diese infantile Ästhetik blendet somit gerade die nach übereinstimmendem Urteil so ziemlich aller thematisch engagierten Denker von Aristoteles bis Leibniz für Schönheit konstitutive Qualität des harmonischen Zusammenwirkens der Komponenten aus. Und parallel zu dieser ästhetischen Verwahrlosung ist eine Vogel-Strauß-Politik gegenüber den zahlreichen sozialwissenschaftlichen Befunden zu beobachten, die die verheerenden Konsequenzen einer multiethnischen Gesellschaftsstruktur für das Funktionieren des Gemeinwesens eindrucksvoll belegen.

quarz

9. Juli 2023 12:16

Schönheit und Funktion: drei Gedanken  (2/2)
3.       Die Überzeugung, dass sich Schönheit aber in der Funktion allein nicht erschöpft, hat u.a. auch ein Mann zum Ausdruck gebracht, von dem man das eher nicht erwarten würde. Konrad Lorenz schrieb: „Ich glaube, dass es Wertempfindungen gibt, die im strengsten Sinne apriorisch sind – nicht wie die apriorischen Denk- und Anschauungsformen Immanuel Kants, von denen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen können, dass sie im Laufe der Stammesgeschichte und in Auseinandersetzung mit außersubjektiven Gegebenheiten evoluiert sind.“

Niekisch

9. Juli 2023 12:47

"Wer will denn und warum unsere Wertewelt zerstört sehen? Hier wäre ich auf die Sicht des klugen Verfassers gespannt!"
@ Gotlandfahrer 8.7. 15:29: Die Schleifer am rauhen Stein. 

Karl Otto

9. Juli 2023 14:12

Ich denke es barucht keine tiefsinnige philosophische Reflektion um zu verstehen, was da abläuft. "Schönheit" im Sinne erotischer Anziehungskraft (und darum geht es ja i.d.R.) beruht auf biologischen Fitnesssmerkmalen. Glatte Haut, ausgeprägte Figur (nicht zu schlank und nicht zu dick), große klare Augen signalisieren eine fruchtbare Frau, dieb gesunden Nachwuchs verspricht.
Die können noch so viele Spots mit pummligen Models bringen, sie werden das nicht ändern können.
Wobei sich natürlich die Frage ergibt, warum man das überhaupt macht, gegen die Natur?
 

Adler und Drache

9. Juli 2023 14:25

Die Schönheit hat durch ihre inhärente Tendenz, das Vollkommene abzubilden, durchaus etwas Langweiliges, das es im Bereich des Hässlichen so nicht gibt. In einer Welt makelloser Körper strahlt der makellose Körper keinen Reiz mehr aus. 
Schönheit war das Metier der herrschenden Schicht - Selbstgestaltung und Selbstdarstellung war notwendiger Teil der wichtigsten Aufgabe dieser Schicht, des Repräsentierens. Das Volk dagegen galt nie als "schön", sondern immer als "hässlich". Natürlich kam auch da die Schönheit vor, aber dann doch im Sinne einer göttlichen Gnadengabe, und nur für eine kurze Zeit. 
Das Schöne der Kunst, also das artifiziell Schöne, hat auch immer etwas Bemühtes. Die Hinwendung zum Hässlichen kann auch als Protest der Lebendigkeit gegen die kühlen, starren, makellosen Ideale verstanden werden.  
 

Ein gebuertiger Hesse

9. Juli 2023 14:39

Großer Aufsatz, sehr gute Diskussion. Danke dafür!
Doch wenn das Grundsätzliche bereits richtig und hinlänglich gesagt scheint, gibt es gerade bei fundamentalen Themen - und das hier ist eins - einen Puntk, wo es erst dann NOCH interessanter wird, wenn DAS PARTIKULARE IM DETAIL ins Spiel kommt. Und dafür muß es genannt werden und in der Nennung erschlossen.

hessimist

9. Juli 2023 16:20

„Rockoper“.
 
Da hörte ich bereits auf zu lesen. Was soll das? Der Text begann mit  körperlicher Schönheit, die nicht jedem gegeben ist, sondern eine Genlotterie darstellt. Schließlich hätte ich mir meinen häßlichen, buckligen Leib nicht ausgesucht, wäre ich gefragt worden. Muß man eben im Glauben leben, daß Gott, Christus, hart richten wird, sonst würde ich mich in den Benelux-Staaten umbringen laßen. Aber wie gesagt, man hört Klassik, denn „Musik Makes or Breaks Civilizations“, wie Eric Orwoll (aarvoll) richtig sagt:
https://youtube.com/watch/?v=59ev07x8R8A

Sandstein

9. Juli 2023 18:59

Schönes Thema (Witz komm raus du bist umzingelt).
Nein im Ernst, ich glaube der Frontalangriff auf die Ästhetik ist eine zwingende Begleiterscheinung der Verfotzung (Pirincci). Viele Frauen haben ein Problem damit Verantwortung zu übernehmen: bekommen sie den Job nicht sind Männerzirkel schuld, wird ihnen hinterhergepfiffen sind Neandertalergene am Werk, wird ihnen nicht hinterhergepfiffen sind Männer ignorant. Und ja, es gibt sie, die toughen, kritischen und im wahrsten Sinne starken Frauen. Aber ein Großteil hat schon früh bei Papi gelernt: bisschen Tränendrüse, bisschen wischiwaschi und schon ist wieder alles fein. Und es gibt nunmal für eine Frau wenig Schlimmeres als nicht attraktiv zu sein. Und wenn wir ehrlich sind, in der woken Bewegung sind wirklich auffällig viele hässliche Menschen. Da ist das naheliegenste die Schönheit direkt zum Übel zu erklären, als vllt den verfetteten Arsch ins Gym zu bewegen oder sich gesund zu ernähren. Oder beides. Und die Bergmannsche Regel @laurenz ist ja nun kein Argument für westlich-verfettete Konsumenten.
Und ich bezweifle, dass die versuchte Abschaffung von Ästhetik den Frauen insgesamt hilft, die Zahl der Depressiven steigt weiter und weiter. Weil die Schönheit, wie richtig bemerkt, eben eine Wahrheit ist. Und selbst wenn es Menschen gibt, die Wahrheiten verdrängen, sie ist da und nagt und bohrt und sie geht nicht weg und sie lässt sich auch nicht abtöten.
 

Nitschewo

9. Juli 2023 20:29

@stullkowski

Selbst Photoshop ist mittlerweile woke. Das neue hochgepriesene KI Tool „Generative Fill“ bietet z. B. bei der Frage: setze eine Frau mit Buch auf eine Bank, erstmal drei negroide, fettärschige Damen aufs Gebälk. Erst dann wird einem eine dürre Weisse vorgeschlagen. Und ähnlich wie Chat GTP, wird alles was Spaß macht mit der Botschaft versehen, dass „diese Dinge“ anstößig seien, und daher leider nicht bearbeitet werden können. Ein schleichendes Gift, das alles durchdringt.

Eo

9. Juli 2023 21:02

 
.Schönheit wirkt ... anziehend. Denn Schönheit ist kurz und knapp der Widerschein oder der Abglanz des Gelungenen..
https://neue-spryche.blogspot.com/2010/12/schonheit-wirkt.html
 

links ist wo der daumen rechts ist

9. Juli 2023 23:38

Ein paar Kapriolen weisen Ihre Überlegungen doch auf, werter Jörg Seidel.
Wenn Sie als objektives Kriterium etwa die Sphäre der Vertrautheit, in der der Sinn für das Schöne sich entwickeln könne (der Blick auf die – ach so anbetungswürdige – Mutter), anführen, dann läßt sich das sehr leicht umkehren (meinetwegen mit dem vorlaut-kindlichen Humor eines Tim Kellner): bei manch einem Gesicht kann man sich vorstellen, daß das nur die eigene Mutter „schön“ findet… Der Vertikalblick ist dabei zweitrangig.
Aber der Grundtenor Ihrer Überlegungen ist schon falsch.
Es geht doch nicht um die Aufwertung des Häßlichen (die etwas pummeligen Damen in der Dove-Werbung vor geschätzten 15 Jahren empfand ich z.B. als ausgleichende Gerechtigkeit), sondern darum, den Unterschied zwischen schön und häßlich zu verwischen.
In Analogie dazu hat die Karl Kraus’sche Medienschelte den Verlust an Einbildungskraft bzw. Urteilsfähigkeit beklagt. Wir sollen nicht mehr in der Lage sein zu unterscheiden.
Dritter Einwand: Ihre Lesart Sloterdijks ist sehr verkürzt.
Einerseits geht es ihm – im Extremfall – um einen „Krüppelexistentialismus“ (das Beispiel des armlos geborenen Carl Hermann Unthan), andererseits berührt seine Parallelführung von Wittgensteins „Kultur ist eine Ordensregel“ und den Exerzitien des späten Foucault eben auch gerade die Bruchlinien einer Biographie.
Es geht also nicht um „das Schöne“ in seiner Vollendung.

MarkusMagnus

10. Juli 2023 00:48

Man kann es an Vielem erkennen. Der Mode, der Architektur, den Verpackungen von Alltagsgütern. Die Autos wurden ab den 90ern immer hässlicher. Auch die einfache Coka-Cola Flasche hatte mal ein eleganteres Aussehen.
Das ist gewollt. Das ist so ähnlich wie "Moderne Kunst". 
Meiner Meinung nach gehört es auch zum Krieg gegen die europäische Zivilisation.
Wir, und nur wir Europäer haben sowas wie Notre Dame, Frauenkirche, Neuschwanstein, die Malerien von Michelangelo und Werke von Mozart und Beethoven erschaffen.
Diese Benin Bronzen finde ich z.B. ausgesprochen hässlich⁹, während ich japanischen oder sogar auch arabischen Kalligraphien durchaus etwas abgewinnen kann. Von daher geht uns da nichts verloren und die Rückgabe war richtig. Was damit wird sollte uns egal sein. 
Wir sollten das Eigene mehr wertschätzen und verteidigen.
Aber dazu ist der Staat BRD nicht mehr willens und fähig. Siehe Grünes Gewölbe.
 
 
 
 

MarkusMagnus

10. Juli 2023 00:58

"Bei Frauen geht der Beute-Erfolg über jegliches Denken hinweg. Frauen, wie Merkel, werden von Frauen gewählt, weil sie als Frau keine Konkurrenz im Kampf um die Alpha-Männchen sind"
@Laurenz
Ich weiss nicht ob das so ist. Aber wenn, dann wäre Frau Weidel als Kanzlerkanidatin genau die richtige Wahl. 
Und die Männer können eine gutaussehende, lesbische Blondine wählen. Besser geht's doch gar nicht ;)
Man sollte diese(n) Vorteil(e) nicht unterschätzen.
 

zeitschnur

10. Juli 2023 00:58

Schönheit strahlt "Autorität" aus? Meinetwegen. Aber ist sie sprungbereit herrisch? Auch die Pietà von Michelangelo?
Das klingt alles etwas nach der klobig-manierierten Ästhetik einer gewissen Zeit im 20. Jh, die alles Abstrakte, Überstrahlende und Liebende ausschloss. 
Alle Darstellungen berühmter holländischer, italienischer, deutscher Maler von Blinden, Siechen, Besoffenen, in der Hölle Schmorenden sind dann also hässlich?
Man merkt schon, dass das zu oberflächlich ist.
Eine künstlerische Darstellung lebt von ihrer Intention und der Methode, sie zu manifestieren. 
Das Problem heutiger Ästhetik ist die Intention, die nicht zuletzt Märkte bedienen will: An wen soll man denn die Zaunlattenmode heute noch verkaufen, wo fast die komplette Jugend fettleibig ist und teighäutig?!
Oder wenn Sara Bareilles im Video zu in ihrem Song "Brave" lauter unförmige arme Schlucker tanzen lässt, um auch sie in dieser pathologischen Scheinrealität zu würdigen, dann geht es doch um etwas anderes, als wenn ein geschmackloser Architekt wieder mal ein ach so originell asymmetrisches Monstrum auf eine Verkehrsinsel setzt. Da hätte ich mir doch eine weniger snobistische und mehr differenzierte Betrachtung gewünscht.

zeitschnur

10. Juli 2023 01:06

@ Gracchus
Ghirlandaios Bild von dem Großvater mit dem Kind: der Alte hat ein objektiv hässliches, pockennarbiges Gesicht, aber was drückt es aus? Weiheit, Liebe, Gelassenheit ... eines der anrührendsten Bilder Europas!
Letztendlich muss der liebende Blick alles auf dieser Welt gewissermaßen "substitutieren". Nicht als 100%-Ideal, sondern als Heilung.
Das wäre das Christliche.
Alles andere ist Realitätsverweigerung, leeres Ideal, Martialität.
Der Künstler ist in erster Linie ein solcher Liebender, d.h. als es noch schöne Kunst gab, war er das.
Heute haben Künstler diese Intention nicht mehr. Sie sind teleologisch hassgetrieben. Die meisten klagen an, dekonstruieren oder wackeln per Pinsel mit dem moralischen Zeigefinger. Manche arbeiten auch ihre Traumata ab ohne jede Hoffnung auf eine Auferstehung und Heilung. Los ging es mit der Säkularisierung.
Und das, ja: das ist die Ästhetik des Hässlichen. Und deswegen ist die athletische Leergestalt auch so unfassbar "herrisch", also auch von demselben Hass angestachelt geschaffen wie die kurz danach erfolgende Dekonstruktion der Schönheit.

Oberlausitz

10. Juli 2023 01:15

@FranzBettinger "Unkehrung aller Werte"
In Leusden (NL) ist am Wochenende eine Transfrau zur "Miss Nederland 23" gekürt worden. Die Presse verneigt sich.

AndreasausE

10. Juli 2023 08:44

Eine liebe Bekannte - leider nicht meine Frau - ist vermutlich ansehnlichste Dame der Welt, klassische Schönheit, stets perfekt gekleidet, vertritt politisch gesunde Ansichten, reich ist sie auch, und sitzt bei Geselligkeiten gern auf meinem Schoß, was mir stets haßerfüllte Neidblicke meiner Geschlechtsgenossen einbringt.
Leider wurde nie mehr was draus, aber sie hat eine Freundin. Arsch wie ein Nilpferd, meist viel zu enge Kleidung, etwas "gewöhnlich", zum Glück nicht übermäßig tätowiert, aber stets fröhlich und bettsportlich betrachtet Spitzenathletin.
Schönheit ist mithin sehr relativ zu betrachten.

Laurenz

10. Juli 2023 10:24

@Oberlausitz .... Hier Dave Chappelle zum Thema https://youtu.be/tZJBM0pNjCs & https://youtu.be/siQtMOsyhQk
@Zeitschnur @Gracchus ... Los ging es mit der Säkularisierung .... Der dorische Kunststil der Hellenen war idealisierend, also ein bißchen schwul, der der Römer realitätsnah, der der frühen Christen ab Konstantin primitivierend, das Schöne vernichtend, was erst mit der Renaissance (des Heidentums) wiedererweckt wurde. Der Louvre, welcher sich mehrheitlich den Schönen Künsten widmete, wurde 1793 eröffnet. Das Häßliche, die Ausgeburten der Hölle, entstand(en) in den Köpfen der Profi-Christen. Vor den Christen gab es keine Hölle, es ist ihre Erfindung, selbst die Juden kennen keine.
@MarkusMagnus @L. ... ich beziehe mich auf einen bestimmten Vortrag über Frauensport von Bill Burr, den ich schon mal gepostet habe. Das mit den Fetten sagt Er am Ende. https://youtu.be/I745Ajeq_B8
Die Influencerin Pearl spricht davon, den Frauen das Wahlrecht abzuerkennen, solange sie keine infrastruktuellen Jobs machen & Scheidungen zu verbieten. & Sie verkauft das extrem gut. Hier ein Video-Beispiel Pearls https://youtu.be/ti4l5OZjAbo

FraAimerich

10. Juli 2023 10:34

@zeitschnur
 
Danke, daß Sie hier wieder einmal etwas gerade gerückt haben, was "traditionell" außerhalb der üblichen rechten Brennweite zu liegen scheint.

dojon86

10. Juli 2023 10:42

@Oberlausitz 10.07.2023 01:15 Die Barbaren werden dieses Narrenhaus hinwegfegen. Ein in der Geschichte Europas nicht unbekannter Vorgang.

Maiordomus

10. Juli 2023 10:46

PS. Nachtrag. Im Zusammenhang des Hässlichen, wofür heute Propaganda gemacht wird, muss klar sein, dass für das von Platon für den Eros Charakteristische "Zeugen im Schönen" eine sublimierte Erotik mit Perspektive der geistigen Freundschaft gemeint ist, was indes die homophile bzw. sogar pädophile Erotik nicht ausschliesst, jedoch gerade nicht so, wie oben als unappetitlich beschrieben, analog dem Hexenhammer und der mittelalterlichen Darstellung des Satanischen. Dies zu konkretisieren geht nun mal nicht ohne Ausführungen, die von einem Teil der Leserschaft hier, nicht zuletzt auch Leserinnen, als widerwärtig empfunden wird.  Wenn es schon debattiert wird, muss es konkret ausgeführt werden, wobei ja gerade auch Künstler früherer Zeiten durchaus eine Phantasie hatten, bei welcher dem Satanisch-Hässlichen sein Platz zugewiesen wurde. 

Volksdeutscher

10. Juli 2023 11:10

@Oberlausitz - Übernehmen wir nicht die falschen und destruktiven Kampfbegriffe der Kulturmarxisten, die von ihnen einzig alleine aus dem einen Grund erfunden wurden, um ahnungslosen Leuten die Existenz von Dingen einzutrichtern, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, die außerdem die Funktion haben, die richtigen Begriffe und Inhalte im Gehirn zu löschen und sie durch die falschen Begriffe und Inhalte zu ersetzen, sprich: "Auch Männer können Frauen und auch Frauen können Männer sein." Es gibt keine "Transfrauen" und keine "Transmänner". Es gibt Männer und es gibt Frauen. Der Rest ist eine schreckliche Laune der Natur und/oder ein Fall für die Psychiatrie. Und so müßte man von ihnen reden, anstatt die kulturmarxistischen Kampfbegriffe zu übernehmen und zu verbreiten.

Sandstein

10. Juli 2023 12:30

@zeitschnur
..es liegt natürlich im Auge des Betrachters, aber Sie liegen glaube ich falsch. Das Bild auf das Sie sich beziehen erhält seine Kraft und Tiefe aus dem Widerspruch alt-jung, hässlich-schön und der innigen Verbindung dieser Gegensätze, symbolisiert durch die Familienbande. Und wenn Sie sich den Blick des Knaben genauer anschauen, werden Sie dort das typische kindlich-reine Unverständnis finden: "Großvater, warum hast du so eine komische Nase". Und ja, da liegt auch Mitleid mit im Blick. Wiegesagt, ich halte Ihre Interpretation für weitestgehend falsch. 

zeitschnur

10. Juli 2023 13:31

@ MarkusMagnus
"Die Autos wurden ab den 90ern immer hässlicher."
Man mag das so sehen, aber warum wurden sie hässlicher? Weil es funktionaler war ("Windschlüpfrigkeit"). Mit dem Niedergang des Geistes zugunsten reiner Materie und ihrer Funktionalität, die man als eine Geist-Simulation werten kann,  landeten wir in der Monstrosität. Und hier kommen wir wieder an das, was der Autor oben überhaupt nicht erkennt: Funktionalität, technische Auffassung der Dinge, die Eliminierung des lebendigen Geistes zugunsten der reinen aus der Form geborenen Form (rein materielle Form ist unfruchtbar!), hinter der keinerlei Ideal mehr steht: das macht hässlich, auch wenn es formschön und funktional IST.
Der athletische Körper ist so monströs wie ein solches windschlüpfiges Auto. Der Geist aber versieht alles mit einem Glanz der Schönheit. Der auferstandene Christus ist schön, und doch werden seine Wundmale nicht einfach wegretouchiert.

Oberlausitz

10. Juli 2023 14:04

Zum Thema "Umkehrung aller Werte" gilt es, auch untergründige Strömungen zu beachten. Vor Derrida gab es Aleister Crowley ("Tue, was du willst, sei das ganze Gesetz"), der in der frühen Pop- und Subkultur einen großen Einfluß hatte. Man kann weiter zurückgehen bis zu Jakob Frank und den Jüngern von Sabbatai Zvi, für welche die Verkehrung der Werte eschatologische Bedeutung hatte. Auch heutzutage gibt es aus dieser Richtung noch beachtenswerte Aussagen. ("Erst wenn Edom fällt,..." Gemeint ist Europa.) Zu den Frankisten und Sabbataianer lese man G. Scholem oder auch den empfehlenswerten Roman von Olga Tokarzcuk "Die Jakobbücher".
 

anatol broder

10. Juli 2023 15:25

«es soll uns sagen: auch hässlich ist schön, alles ist schön.» (jörg seidel)
nein, hier missversteht der autor das motiv der woken. diese menschen sind optimisten. der optimist drückt sich nicht im bereich schön-oder-hässlich aus, sondern setzt auf den gegensatz neu-besser-als-alt. eine von ihm erstellte werbung soll uns sagen, dass das niedagewesene jetzt da ist, nicht mehr und nicht weniger. da die pessimistischen werber alles schöne bereits dargestellt haben, bleibt dem optimisten für die absolut neuen kundenangebote nur das hässliche.

anatol broder

10. Juli 2023 15:50

halleluja ist übrigens eine erinnerung, dem aufruf der vollkommenheit zu folgen.

Gracchus

10. Juli 2023 16:07

Um meinen Einwand genauer zu formulieren, ausgehend von der zentralen These: "Die Subbotschaft lautet ..." Diese impliziert, dass die Werbewelt "unsere" "Wertewelt" bis dato - bis zum Zeigen schwabbeliger Modells - gestützt oder gespiegelt hätte. Diese Annahme mutet kurios an. Ästhetisch ist Werbung, indem sie ein bestimmtes Begehren zum Kaufen, Konsumieren stimuliert, mit Pornographie vergleichbar, also wertlos. Ihre Botschaft war schon immer: Illusion, Lüge. Um wie viel schöner und wahrer wäre die Welt ohne Werbung!
 

Gracchus

10. Juli 2023 16:15

@Zeitschnur : Zustimmung! 
 

Gracchus

10. Juli 2023 22:38

@Sandstein:
Da gibt es ja kein falsch und richtig. Nach meinem Empfinden zeigt das Gemälde die innige Beziehung zwischen dem Alten und Kind. Der Blick des Alten, etwas erschöpft wirkend, drückt Güte gegenüber dem Kind aus; in dessen Blick sehe ich kein Mitleid, eher Neugier und Ehrfurcht. 

Der Gehenkte

10. Juli 2023 23:15

Funktionalität meint im Textkontext doch offensichtlich das Funktionieren, wie sich überhaupt einige der im Strang vorgetragenen Einwände durch sauberes Lesen vermeiden ließen. Ein (menschlicher) Körper, der sich durch seine Unförmigkeit seiner körperlichen Funktionen beraubt (Beweglichkeit, Reaktionsfähigkeit, Resilienz etc.) hat es schwerer, als schön aufgefaßt zu werden, als ein Körper in gutem Zustand. 
Ein modernes Auto als häßlicher zu bezeichnen, weil es etwa windschnittiger ist, führt schnell in Aporien. Man müßte dann auch ein Schrottauto - sofern es nicht modern ist - als schöner bezeichnen. Wenn die jüngsten Generationen an Autos tatsächlich als "häßlich" zu bezeichnen sein sollten - es ist wohl sehr subjektiv -, dann wegen ihrer technischen Entmündigung, die dem Fahrer zwar Freiheitsgewinn suggeriert, diesen aber tatsächlich abhängiger macht. Die Schönheit der alten Modelle mag man in der Einfachheit sehen, in der Reparierbarkeit, der Begreifbarkeit etc.
Gerade die Form und Ästhetik des Autos, ist - wie Hermann Lübbe verschiedentlich aufzeigte - nur historisch zu erklären, weil sie viele Dinge mitschleppt, die ihren funktionalen Sinn, nicht aber ihre Präsenz verloren haben, weil "eine begründete Rationalitätserwartung enttäuscht wird und ein funktional der erwarteten Rationalität sich nicht fügendes Element einzig gene­tisch, durch Rekurs auf die Geschichte des gegebenen Zusammenhangs sich plausibel machen lässt".

links ist wo der daumen rechts ist

11. Juli 2023 06:34

Kühlung
 
Aha, die Säkularisierung ist schuld am Bösen und Häßlichen.
Es gehört zwar zu einer der beständigsten rechten Lebenslügen, daß Zerstörung immer nur von außen, also invasiv, gedacht werden kann, aber seien Sie beruhigt: das Christentum hat sich selber zerstört (und tut es weiter - Stichwörter Corona, Migration und Regenbogenfahne). Lassen wir es also dort, wo es hingehört: bei den Sektenbeauftragten.
Kirchen dienen im Sommer v.a. der Kühlung.
Wenn Transzendenz den Terror der Immanenz durchbricht und damit das Schöne buchstäblich aufleuchten läßt, ist das Christentum nicht die unabdingbare Voraussetzung dafür, sondern ein eher armseliger Platzhalter. Sedlmayrs „Verlust der Mitte“ war der weinerliche Abgesang.
Daher verstehe ich auch den von Kommentatoren geäußerten „abendländischen“ Schönheitsbegriff nicht; natürlich bin ich als „Caucasian“ für nichteuropäische Schönheiten empfänglich.
Wäre ich polemisch, würde ich Riefenstahls Nuba-Begeisterung anführen.
Und abgesehen davon gab es im Verlauf der Kunstgeschichte neben formbewahrender immer auch formauflösende, „expressionistische“ Kunst (die ganze Manierismus-Debatte hängt z.B. daran).

links ist wo der daumen rechts ist

11. Juli 2023 06:36

Funktion
 
Daß sich der Funktionalismus („Ornament und Verbrechen“) verselbständigt hat und in sein Gegenteil umgeschlagen ist, steht außer Frage. Nichts verdeutlicht das mehr als das Design bei Autos oder E-Loks; hatten sie – frei nach Rudolf Steiner – früher „Gesichter“ bzw. verkörperten und konterkarierten zugleich nationale Eigenheiten („rassig“, „bieder“), so herrscht heute ein einziger Widersinn.
In meiner Kindheit gab es im Autoquartett drei Kategorien: Limousinen (also Familienkutschen), Sportwagen und Geländewagen bzw. Freizeitvehikel. Heute möchten Autos alles zugleich sein, sehen auch alle gleich aus (und gleichen doch nur Sargkarossen) und kein Techniker oder Technikdesigner kann mir erklären, welchem Zweck z.B. eine überlange A-Säule dient (außer einem beim Abbiegen die Sicht zu nehmen). „Windschlüpfrigkeit“ schön und gut, aber bei einem 2,5t-SUV?
Autos wirken heute so, als hätte der ältere Bruder dem jüngeren die trittsicheren Spielzeugautos weggenommen und 1:1 umgesetzt. Spielzeug mit aggressiven Fressen.
„Hier hat Messerschmitt ganze Arbeit geleistet“, heißt es in dem Roman „Die Nachhut“ von Hans Waal, als 60 Jahre nach Kriegsende drei Waffen-SSler ihren Bunker verlassen und das erste Mal einen VW T5 sehen. Na also.

links ist wo der daumen rechts ist

11. Juli 2023 06:37

Liebender Blick 1: Handke
Recht hat die Mitkommentatorin, wenn sie vom liebenden Blick als der Voraussetzung alles Schönen spricht.
Handke ist für mich das Musterbeispiel eines liebenden Phänomenologen, ob als Spaziergänger oder Reisender. Und dort, wo ihm dieser Blick scheinbar verwehrt wird, wird er – folgerichtig – zum Berserker, der sich dann wieder zurücknehmen will (klassisch der Serbien-Konflikt oder – etwas vergessen – der Gewaltexzess im „Chinesen des Schmerzes“).
Prägend dabei war für mich u.a. die Lektüre von „Nachmittag eines Schriftstellers“ und der darin beschriebenen Umwanderung Salzburgs. Auch ein schönes Beispiel dafür, wie das Naturschöne neben dem Kunstschönen gleichrangig bestehen kann.
Daß Martin Walser mit seinem „Vormittag eines Schriftstellers“ auf Handkes scheinbaren Eskapismus glaubte reagieren zu müssen (und darin, wenn ich mich richtig erinnere, vom Nationalen bei Hölderlin sprach), sehe ich nur als schöne Ergänzung.

links ist wo der daumen rechts ist

11. Juli 2023 06:43

Liebender Blick 2: Loreley
 
Ein Beispiel nun, wo einige Stränge, die ich versucht habe zu beschreiben, zusammenfließen:
Niklas Schillings Film „Rheingold“ aus dem Jahr 1978. Die Krimi-Handlung ist zu vernachlässigen, es geht um die Bilder.
https://www.youtube.com/watch?v=_J4fzarL08Q
Ab 15:40 ein herrlicher Blick auf typische Eisenbahn-Ruderalflächen, die der elegante Zug durchfährt.
Ab 36:00 dann die Kernszene.
Ein Großvater erzählt im fahrenden TEE „Rheingold“ seiner Enkelin (einem Mädchen mit blonden Zöpfen! – „Das geht nun mal gar nich“ würde Tim Kellner sagen: „Abholen, diese Ewiggestrigen“) mit Blick auf die Rheinlandschaft die Geschichte von der Loreley.
Dazwischengeschnitten eine Wettfahrt des von der bärenstarken E-Lok 103 gezogenen „Rheingold“ mit einem 450 SEL, dem damals tatsächlich besten Auto der Welt.
Das wußte nebenbei auch ein Claude Lelouch:
https://www.youtube.com/watch?v=ilR93GwSYEA
Zurück zu „Rheingold“:
Nationales Selbstbewußtsein, weltbürgerliche Stärke, Offenheit und Bescheidenheit.
Mythen und Geschichtssinnigkeit im Märchenton erzählt - neben zeitlos-zeitgenössischem Design.
Das Kunstschöne neben dem Naturschönen.
Dieses Deutschland habe ich bewundert, wenn nicht geliebt.
Das war einmal.

Sandstein

11. Juli 2023 10:05

"@Sandstein:Da gibt es ja kein falsch und richtig. Nach meinem Empfinden zeigt das Gemälde die innige Beziehung zwischen dem Alten und Kind. Der Blick des Alten, etwas erschöpft wirkend, drückt Güte gegenüber dem Kind aus; in dessen Blick sehe ich kein Mitleid, eher Neugier und Ehrfurcht."
@Gracchus
Finde ich sehr spannend - Ehrfurcht sehe ich da überhaupt nicht, das widerspräche auch dem gesamten Bildaufbau. Aber ja, kann man so stehen lassen was Sie schreiben..hier gibt es wohl kein falsch oder richtig wie Sie sagen. 

Gracchus

11. Juli 2023 11:42

@links
Na, mal halblang. Natürlich ist das Christentum nicht Voraussetzung für Transzendenz, aber - ein armseliger Platzhalter!? Die These kann ich ehrlich gesagt nicht ernst nehmen - angesichts dessen, dass die europäische Kunst  ein Jahrtausend mit dem Christentum verknüpft war. Was ist an dessen Stelle getreten? In dem Sloterdijk-Buch sind mit die besten Passagen, in denen er sich über die Selbstreferentialität des modernen Kunstbetriebs auslässt.
Auch der von Ihnen erwähnte Handke bezieht sich auf mittelalterliche Epen, romanische Kirchen und christliche (und islamische) Mystik.
 
 
 

zeitschnur

11. Juli 2023 11:51

@ Gehenkter
Natürlich habe ich keine Kausalregel aufstellen wollen, sondern Antwort auf eine subjektive Kundgabe eines Mitdiskutanten gegeben: Der Eindruck, die Autos würden "hässlicher" hängt ohne jeden Zweifel damit zusammen, man sie möglichst funktional gestaltet.
"Hässlicher" hängt hier auch mit einer Angleichung zusammen. Alle Autotypen sehen heute nahezu gleich aus. Als wir Kinder waren, sah ein Mercedes wirklich - WIRKLICH - völlig anders aus als ein VW-Käfer oder eine "Ente".
Die Funktionalität schafft Gleichmacherei. 
Andererseits sagte einmal eine Freundin: Obwohl die Leute früher auf Fotos mehr oeder weniger gleich angezogen sind, sehen sie viel individueller aus als die Heutigen. Das konnte ich gut nachvollziehen, was sie da sagte.
Warum klingt eine Geige, die aus einer Hand ist, immer - immer - besser , als eine "Fabrikgeige"?
Es liegt schon ein Geheimnis darin, wenn eine "liebende" Hand etwas erschafft, ein liebender Blick es sieht und das, was da erblickt wird, "zurückblickt" und den Schöpfer inspiriert ... 
Mittels maschineller, serieller Produktion lässt sich das nun mal nicht simulieren.

anatol broder

11. Juli 2023 13:06

@ zeitschnur
gründet deine ablehnung des athletischen körpers auf gefühlen oder gedanken?

zeitschnur

12. Juli 2023 10:15

@ broder
Wie sagte man früher gelegentlich: haben wir eigentlich schon mal Schweine zusammen gehütet?!
Der athletische Körper fasziniert mE auf eine narzisstische Weise und forciert eine narzisstische Gesellschaft. Das liebende Anblicken und Angeblickwerden fällt vollkommen aus, statt dessen haben wir eine "herrische" Pose und reine Selbstreferenzialität.
Man soll es nicht verkennen: Diese fetten, tätowierten und teigigen Leiber stehen dem athletischen Körper aufgrund der Lieb- und Geistlosigkeit näher als manchem lieb ist. Es ist die Rückseite des Körperkultes.
Um das zu sehen bedarf es der Vernunft und eines gereiften Gefühls im Zusammenspiel.

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