Grüß dich, ich berichte kurz von Würzburg. Die Polizei war nicht willens, unser Recht auf Versammlung durchzusetzen. Unsere Veranstaltung wurde nun abgebrochen, nach Eierwürfen und Blockaden von Seiten der Gegner. Ich konnte meine Rede nicht halten. Ich hätte sie gern gehalten, sie war ja rund und auf den Punkt. So ist das dann eben, was soll ich sagen?
Jetzt fahre ich nach Sonneberg und hoffe, daß ich dort etwas Besseres erlebe. (Pause) Schon unfaßbar, das, also beides. (unverständich) … zwei Welten.
So ist es. Würzburg und Sonneberg – das sind aus unserer, also aus widerständiger, patriotischer, rechtskonservativer Sicht zwei Welten, die nicht viel miteinander zu tun haben. Als Höcke und ich gegen 20 Uhr noch einmal kurz telefonierten, klang er stolz und zuversichtlich, denn sein Landesverband stellt nun den bundesweit ersten AfD-Landrat: Der bisherige Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann, Volljurist, Familienvater, in Sonneberg geboren, hat gegen eine Front, die von CDU bis Linke reichte, in der Stichwahl mit 52,8 Prozent klar gegen seinen CDU-Konkurrenten gewonnen.
Der Sieg in Sonneberg ist auch für Höcke ganz persönlich eine Genugtuung. Aber auch auf der Rückfahrt von diesem großartigen Ereignis kam er noch einmal auf das zu sprechen, was er Stunden zuvor in Würzburg erleben und aushalten mußte. (“Einordnen” sagt er selbst immer zu solchen Vorgängen. Das ist ein zentraler Begriff seiner Arbeitsweise, er hat ihn in der Anfangszeit nicht verwendet. Einordnen bedeutet: sich emotional nicht mitreißen zu lassen, sondern mit der nötigen Distanz selbst auf Ungeheuerlichkeiten zu blicken und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.)
Höcke war nach Würzburg gefahren, um an einer Gedenkveranstaltung für die drei Frauen teilzunehmen, die am 23. Juni 2021 von einem Asylbewerber niedergestochen und getötet worden waren. Der AfD-Bezirksverband Unterfranken hatte zu dieser Veranstaltung aufgerufen und Höcke als Redner geladen.
Aber die Veranstaltung konnte nicht durchgeführt werden. Die Polizei setzte das Versammlungsrecht der AfD nicht durch und sah zu, wie Gegendemonstranten so dicht herankamen, daß sie Eier werfen und die Zugänge blockieren konnten. Wir alle kennen diese Methode, dieses Austrocknen und die Inszenierung einer Atmosphäre der Zumutung, der sich zuletzt nur Hartgesottene aussetzen möchten.
(Wer übrigens meint, die Polizei sei im Großen und Ganzen doch stets auf unserer Seite, weil sie “an der Front” die Folgen grün-roter Politik auszubaden habe, der irrt sich. Polizisten legen unter Spannung jenes Korsett aus Handlungsroutine und Befehlskette an, das selbst unübersichtliche Situationen kalkulierbar macht. Man kennt das vom Militär her: Der Sinn des Drills wird sichtbar.)
Höcke reiste ab, ohne seine Rede gehalten zu haben, und fuhr nach Sonneberg – tatsächlich also in eine andere Welt. Es ist, als läge der Osten jenseits eines Grabens. Zweitens dominiert in großen Städten wohl ein anderer Schlag. Wer einmal über einen Oldtimer- und Traktorentreff geschlendert ist (am Samstag hat man das auf dem Sportplatz in Schnellroda wieder machen können), der weiß: Diese Leute brauchen keine Theorien und hintergründigen Erklärungen, um zu verstehen und zu begrüßen, was nun endlich geschah.
Sonneberg: Es sind Höckes Leute, die wieder einmal zeigen, wie man es macht, und die vor allem widerlegen, daß man mit ihm und mit den Grundsätzlichen im Lande in eine Sackgasse fahre.
Weil ich hier ja nicht für die breite Öffentlichkeit schreibe, sondern für uns (die wir viele sind) und für diejenigen, die begreifen sollen, daß man weit ausholen sollte, bevor man wirft, schreibe ichs jetzt noch einmal auf: Jeder zweite Thüringer hat den Eindruck, er sei Höcke schon einmal begegnet und wisse mehr und anderes über diesen Mann als die versammelte Journaille und die politische Konkurrenz.
Und diese normalen Leute, die nicht zu den Mundwerksburschen gehören, irren sich nicht. Sie kennen Höcke tatsächlich: Höcke hat mittlerweile über 300 Bürgerabende absolviert, er war in jeder Stadt, in jedem zweiten Dorf, er bündelt die Hoffnung auf eine politische Wende zum Guten wie ein Brennglas.
Wer nach einem Erfolg wie dem in Sonneberg noch immer meint, Luckes und Petrys und Meuthens Abgänge hätten verheerende und entscheidend schwächende Aderlasse zur Folge gehabt, der hat nicht verstanden, wie schlimm die Lage ist. Vielleicht besinnt sich sogar die Junge Freiheit nun – ihr Kommentar zum Sieg in Sonneberg war jedenfalls frei von den üblichen Bedenkenträgerphrasen, man müsse nun besonnen sein, undsoweiter. Besonnen sind wir doch sowieso alle.
Maximilian Krah hat in unserem letzten Podcast ausgeführt, daß die AfD die derzeit interessanteste Partei von rechts in Europa sei, weil sie beweise, daß man grundsätzlich bleiben könne und sich nicht anbiedern müsse und gerade deshalb aufsteige.
(Wer hat übrigens mitbekommen, wie zuletzt noch zwei ehemalige AfD-Spitzenpolitiker, auf die “man” einst setzte, vor der AfD in ihrem jetzigen Zustand warnten, um in Sonneberg Schlimmeres zu verhindern? Jörg Meuthen, als Politiker vorgestellt, der “jetzt Zentrumspartei” sei, gab der BILD am Sonntag ein Interview und sprach seinen ehemaligen Weggefährten jede Tauglichkeit ab.
Und Marcus Pretzell, eigentlich nur als Ehemann Petrys bekannt, mühte sich in der für ihn typischen Mischung aus Eitelkeit und Selbsteinwechselung auf Twitter ab und gab zu Protokoll, die AfD habe einfach zu viele Spitzenpolitiker verloren – womit er vor allem sich selbst meinte.)
Sonneberg: Sich gegen die Stimmhäufung aller anderen Parteien deutlich durchzusetzen – worauf anderes verweist dies als auf die Überzeugung, daß keine der Altparteien Wesentliches zur Verbesserung beizutragen habe?
Schon gar nicht die CDU, mit oder ohne Werteunionsfortsatz: Man kann nicht auf der einen Seite Opposition gegen Grün-Grün zu spielen versuchen und stets dort, wo es konkret wird, in Treue fest mit Ramelow alles für besser und anständiger erklären als einen bodenständigen, gut ausgebildeten, als moderat und kommunikativ bekannten, ortsbürtigen AfD-Mann.
Der Druck auf diesen Mann wird ungeheuerlich sein. Intern muß man ihn von ihm nehmen, indem man ihm immer wieder signalisiert, daß man seinen Handlungsspielraum kennt: Er ist als Landrat an die Entscheidungen des Kreistags gebunden, muß umsetzen, was beschlossen wird, kann sich ab und an verweigern und wird entscheiden können, wo er ein Grußwort hält und wo nicht.
Landrat zu sein ist ein bürgerliches, ein repräsentatives Amt: Sesselmann wird zwischen den richtigen und den falschen Worten wählen können, darauf ist Gewicht zu legen. Man sollte außerdem über ein Maximum an Transparenz nachdenken: Man kann den Bürgern erklären, daß man Zwängen unterworfen sei und daß jede Neuordnung der Verhältnisse aus Zwischenschritten bestehe. Mit der Neuwahl des Kreistags in absehbarer Zeit wird sich dann vieles zum Besseren wenden.
Lesen Sie mal quer, wie das Establishment schäumt. Verbale Enthemmung, durchgeknallte historische Vergleiche, Wählerbeleidigung, Rufe nach Eingriff, Neuwahl, Amtsenthebung. Das wird sich so rasch nicht beruhigen.
Durchhalten: Das ist alles. Und eines herausstreichen: Ahnt man von Links bis Werteunion, was im kommenden Jahr in Thüringen, Sachsen und Brandenburg passieren kann, wenn die Wähler entscheiden dürfen, ob Robert Sesselmann aus Sonneberg zu Recht als Nazi beschimpft und zur Sau gemacht worden ist.
Ich glaube nicht, daß man in Berlin weiß, wie entschlossen und gut gelaunt Leute zur Wahl gehen, die sich nicht mehr einschüchtern lassen.
RMH
Würzburg. Nur fürs Protokoll, auf einer kleinen Stele, direkt neben einer niedrigeren (und einer noch kleineren), die gerne zum Hinsetzen und dem Verdrücken der Leberkässemmel, die man in der in 5 Meter Entfernung befindlichen Metzgerei gekauft hat, steht in Erinnerung an denn Terroranschlag auf einer besonders gut zu übersehenden, bronzefarbenen Plakette (immerhin auch in Braille-Schrift) folgendes:
"Hier wurden am 25. Juni 2021 drei Menschen ermordet und mehrere schwer verletzt und traumatisiert. Wir erinnern und Gedenken."
Tja, dass in dieser Stadt ein B. Höcke nicht zum reden kommt, dürfte keine Überraschung mehr sein. Dafür konnte dort am Freitag der CSD mit einem Empfang im Rathaus eröffnet werden und am Sonntag, dem zweiten Jahrestags des Anschlags, gabs dann nen "QueerGottesdienst". Jeder hat eben seine Präferenzen. Über gute Ergebnisse der AfD braucht sich aber keiner mehr beschweren.