Auch wenn es sich nur um den Posten eines Landrats handelte, waren die reflexhaften Vergleiche der Gegenwart mit der Endphase der Weimarer Republik schnell bei der Hand: Wir sind schon wieder soweit!
Die Motivation der Aufschreienden ist dabei einigermaßen durchsichtig. Professionelle Antifa-Pädagogen wollen damit auf die Förderwürdigkeit ihrer Arbeit hinweisen, Lobbygruppen wie der Zentralrat der Juden ihre Bedeutung herausstellen und die Altparteien den Wählern ihre Urteilsfähigkeit absprechen.
Denn all diese Gruppen haben in ihrer Selbstbeschreibung das „Nie wieder!“ zu stehen, und hoffen inständig, der Souverän möge bald wieder in die Spur finden.
Angesichts dieser Hysterie ist es zunächst wohltuend, wenn die Historikerin Hedwig Richter in der FAZ (21. Juni 2023) vor diesem „falschen Weimar-Reflex“ warnt:
Der Weimar-Vergleich ist in jeder Hinsicht irreführend und dysfunktional. Er blockiert eine angemessene Zukunftspolitik, nicht zuletzt, weil er die Ausgangslage falsch darstellt.
Sie nennt drei Unterschiede zwischen Weimar und Berlin: Erstens bestünde heute eine Mehrheit aus überzeugten Demokraten. Zweitens sei Deutschland eines der sichersten Länder der Welt. Und drittens gebe es in der Gegenwart keine vergleichbare Verarmung.
Diese Aufzählung ließe sich noch durch positive Merkmale von Weimar ergänzen, wie den nationalen Selbstbehauptungswillen, den damals fast alle Parteien vertraten und der heute kaum noch zu finden ist.
Wer Richter kennt, ahnt schon, daß sie es mit ihrer Beschwichtigung nicht ernst meint. Denn die Katastrophen der Vergangenheit seien zwar vorbei, jedoch drohe uns eine noch viel größere – die Klimakatastrophe:
Wenn es keine Klimapolitik gibt und die Bevölkerung nicht auf die Transformationen vorbereitet wird, dann bekommen die Feinde der Demokratie das ersehnte Chaos, Heerscharen an Geflüchteten, Hitzetote, Überforderung auf allen Ebenen. Und wie der IPCC-Bericht gezeigt hat, geraten durch das Nichtstun die somatischen Grundlagen unserer Demokratie in Gefahr: ausreichend Nahrung und Wasser und die Möglichkeit eines gesunden Lebens – für alle. Demokratischen Werten wäre der Boden entzogen.
Das ist insofern ein interessanter Spin, weil Richter hier gegen die Grundnorm deutscher Geschichtspolitik verstößt: Du sollst nicht relativieren! Sie betont zwar eingangs:
Die Beschäftigung mit den Verbrechen der Vergangenheit ist unverzichtbar, Deutschland wird immer die Verantwortung dafür tragen und muss das Gedächtnis daran wachhalten.
Aber das wirkt doch eher wie das Marx-Engels-Zitat am Anfang jeder Dissertationsschrift zu DDR-Zeiten. Das Wort „Klimaleugner“ bekommt hier, auch wenn Richter es nicht verwendet, den Ritterschlag der Geschichtswissenschaft.
Kein Wunder, daß sich kurz darauf ein Kollege von ihr in der FAZ (24. Juni 2023) mit einer Erwiderung zu Wort meldet. Der windelweiche Beitrag von Alexander Gallus ( “Weimar war gestern und ist heute”) zeigt, auf welch niedrigem Niveau intellektuelle Debatten mittlerweile möglich sind. Denn anstatt eine strukturelle Gemeinsamkeit zwischen dem religiösen Wahn der Klimaideologie und dem politischen Messianismus der Nationalsozialisten aufzuzeigen, und so dafür zu plädieren, die Kirche bezüglich der AfD im Dorf zu lassen, windet er sich wie ein Aal.
Sein Widerspruch beschränkt sich auf Zweifel daran, ob der Weimar-Reflex wirklich so verbreitet ist, wie Richter behauptet, und ob das Bild von Weimar nicht mittlerweile ein ganz anderes sei:
Schon seit vielen Jahren wird mittlerweile Weimars Eigenentwicklung Aufmerksamkeit geschenkt und diese Krisenphase der klassischen Moderne als eine höchst ambivalente Epoche voller Risiken, aber auch Chancen wiederentdeckt, die demokratiegeschichtliches Innovationspotenzial bereithielt und sich als lernfähiger und resilienter erwies als lange geglaubt.
Das klingt derart betulich und verschwiemelt, daß es schon fast als Erbauungsliteratur durchgehen könnte: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Daß wir derzeit mitten in einem Kulturkampf stecken, kann Gallus natürlich nicht auffallen.
Da ist die Endzeitideologin Richter wesentlich wacher. Sie sieht den Kulturkampf völlig zu Recht als Grund für den Erfolg der AfD. Allerdings spricht sie von einem „Kulturkampf gegen die Phänomene“, weil für sie die Klimakatastrophe keine Hypothese, sondern Wirklichkeit ist.
Die AfD ist in ihren Augen so etwas wie das große Versprechen an die Bürger, daß alles wieder so werden könnte, wie es war. Da die Altparteien die Klimakatastrophe abwenden wollten und dem Bürger dabei einiges zumuten müßten, habe die AfD leichtes Spiel.
Hier kommt bei Richter die gute alte Jakobinerlogik (Carl Schmitt) zum Tragen, nach der der Wille der Minderheit dem Volkswillen entsprechen kann, vielmehr entsprechen sollte.
Die Macht der gegenwärtig herrschenden Minderheit stößt an ihre Grenzen: nicht, weil sich die Mehrheit in Realitätsverweigerung ergeht und deshalb AfD wählt, sondern weil die Minderheit in einer irrationalen Hybris der Realität den Krieg erklärt hat.
Ob Masseneinwanderung, Corona, Gender oder Klima, der Kampf gegen die Realität wird auf dem Rücken der Mehrheit ausgetragen, die zunehmend die negativen Folgen dieses Kampfes zu spüren bekommt. Ob das genügt, um in Deutschland die Weichen für eine andere Politik zu stellen, ist offen.
Der Vergleich mit Weimar, wie der mit jeder kritischen Phase der Geschichte, macht aber eines deutlich: Geschichte ist offen, die Herrschaft der Jakobiner ist kein Naturgesetz. Aus dieser Einsicht kann man Mut schöpfen, resignieren oder zum Jakobiner werden.
RMH
... und schon will sich einer seine juristischen Planspiele zur rechtlichen Beurteilung einer vermeintlichen "Machtergreifung" der AfD durch "Crowdfunding" durchfinanzieren lassen. Als Spin-Off werden dabei dann vermutlich auch Argumente für ein Verbotsverfahren willfährig vorproduziert. Es finden sich heute immer so viele Freiwillige im Krampf gegen Rechts (aber ohne Moos ist dann doch nichts los).
https://verfassungsblog.de/
https://www.betterplace.org/de/projects/122637-das-thueringen-projekt?mtm_campaign=Banner
"Das Thüringen Projekt" - LOL - evtl. bohrt auch mal wieder jemand im Jonastal oder gräbt bei Crawinkel und Ohrdruf nach der New York Rakete, in der Hpffnung, einen AfD-Aufkleber daran zu finden ... (ganz sicher radioaktiv verstrahlt!)
Wenn es nicht ernst wäre, könnte man nur noch lachen.