In der Flut der täglichen Nachrichten, dem Wechsel der Hashtags und dem Crescendo schockierender Videos verlieren wir das Wesentliche oft aus dem Blick: Wie bringt uns das unserem strategischen Ziel näher?
Ich will im Folgenden drei politische Umbrüche aus dem Bereich der Parteipolitik, der Berichterstattung und der Straße einordnen und metapolitisch analysieren. Wir beginnen bei einem Vorfall, der dem Leser angesichts des Nachrichtenfeuerwerks noch am ehesten entgangen sein könnte. Er ist nichtsdestoweniger ein Schlüsselmoment:
Christine Prayon will nicht mehr. Viele kennen die Dame als „Birte Schneider“, die im „Satire-Format“ der heute-Show als Reporterin regelmäßig Regierungskritiker vorführte. Im Wechselspiel mit Oliver Welke betätigte sie sich als ausführendes Organ der linkselitären Häme “von oben“.
Gegen „Coronaschwurbler“, „Putinisten“ und immer wieder gegen „Rechte“: Stets stand die Schauspielerin parat und stellte ihr Talent in den Dienst der Propaganda. Nun reicht es ihr. Sie verläßt die staatsnahe „Satireshow“ und erklärte einem Interview ihre Beweggründe:
Wie wenig bedarf es mittlerweile, um als rechts gebrandmarkt zu werden? Wann bin ich rechts, wann bin ich eine Verschwörungstheoretikerin, eine Schwurblerin? […] Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt und gleichzeitig Stimmung gegen Andersdenkende gemacht.
Daß eine Framingspezialistin direkt aus dem Herzen der ideologischen Staatsapparate fahnenflüchtig wird, muß ein Schock für den Welke-Böhmermann-Komplex sein. Es ist das, was Antonio Gramsci in seinen metapolitischen Schriften beschrieben hat. Es ist ein untrügliches Symptom dafür, daß ein „historischer Block“ langsam erodiert und die herrschende Ideologie ihre kulturelle Hegemonie nicht mehr ausüben kann.
Mit Prayon beginnt möglicherweise das „Überlaufen der Intellektuellen“. Sie verlassen instinktiv ein sinkendes Schiff. Dabei bringen sie entlarvende Informationen aus dem Maschinenraum der kulturellen Macht mit, was den Trend weiter beschleunigt. Immer mehr “Kulturschaffende” und Intellektuelle entfremden sich auf diese Art. Sie flottieren eine Weile frei umher und sickern dann in die rechte Gegenöffentlichkeit, Gegenkultur und Theoriebildung ein.
Andere gründen eigene „Brückenprojekte”, wie „Achtung Reichelt“, das jede Woche AfD-freundlicher zu werden scheint. Mittelfristig dürfen wir wohl bald mit einer „alternativen Heute Show“ rechnen.
Dieses Ächzen im metapolitischen Gebälk begleitet einen politischen Wandel, der, wie auf diesem Blog lange vorhergesagt, im Osten anfängt. Ein Landrat und ein Bürgermeister, Sesselmann und Loth, das sind die ersten eroberten Posten politischer Gestaltungsmacht.
Der Symbolwert für die AfD übersteigt hier klar den realpolitischen Einfluß. Die Reaktion des Gegners hätte sich kein Rechter schöner wünschen können. Die kindische Wut des schlechten Verlierers war in jedem Artikel und jedem „Tweet“ überdeutlich. Nur noch absurd ist der nun nachgereichte „Demokratiecheck“. Früher nannte man diesen „Check“ Wahl, und er wurde durch eine Stimmenmehrheit bestanden.
Daß schon bei diesen kleinen ersten Erfolgen die größten Geschütze aufgefahren werden, ist großartig. Die Hysterie läuft sich tot und das „Empörium“ nutzt sich ab. Eine weitere verbale Eskalation ist kaum mehr möglich. Spätestens, wenn zum zwanzigsten Mal „NSDAP“ in den Twittertrends ist, weil irgendwo ein AfD-Bürgermeister gewählt wurde, wird das sogar die linken Digitalaktivisten selbst nur noch langweilen.
Indes verkündet der unterlegene Kandidat in Raguhn-Jeßnitz, Nils Naumann, über den AfD-Bürgermeister Hannes Loth: „Wir haben früher im selben Verein Volleyball gespielt“. Beide verstehen sich gut, grüßen sich und reden miteinander.
Daran werden wohl auch Konzerte von „Feine Sahne Fischfilet“, Twitterfäden von Sawsan Chebli und „eindringliche Appelle“ der “AAS” (Amadeu Antonio Stiftung) nichts ändern. Die Hysterie prallt an der Normalität ab.
In ihr liegt aber auch eine Gefahr. Diese bringt uns zum Thema des Migrantenaufstands in Frankreich. Ein beliebter Irrtum im Denken des Parlamentspatriotismus lautet, daß die AfD und ihre Vertreter normalisiert werden müßten. Eigentlich geht es aber darum, die Ideen, Begriffe und Botschaften zu normalisieren.
Politiker und Parteien dienen dazu im besten Fall nur als Vehikel. Wer auf dem Weg in die Mitte „Ballast“ abwirft, sich von rechten Bewegungen distanziert, Begriffe wie “Bevölkerungsaustausch” und “Remigration” meidet, Politiker wie Höcke kritisiert, Kotau vor Transatlantikern (und anderen Transen) macht, der kommt vielleicht irgendwann in der „Mitte“ an. Er hat dabei aber unsere Ideen keinen Zentimeter weiter und das rechte Lager seinem Ziel nicht näher gebracht.
Der einzig meßbare „Erfolg“ dieser Strategie der Selbstverharmlosung und „neutralen Sacharbeit“ ist meist der Kontostand ihrer Vertreter.
Das zeigt sich in Österreich am Beispiel vieler Regierungsbeteiligungen der FPÖ (vor allem auf Landesebene). Der Tabubruch des Koaltionsverbots ist zwar ein notwendiger, aber kein hinreichender Schritt auf dem Weg zur echten Gestaltungsmacht.
Sollten die AfD Politiker in ihren neu gewonnen Machtpositionen dem Irrtum verfallen, „erstmal die Beine still zu halten“ und bloß „gute Lokalpolitik“ zu machen, um die AfD zu „normalisieren“, folgen sie einem schädlichen Fluchtinstinkt.
Durch metapolitische Konfliktvermeidung könnte politische Beteiligung sogar zum langfristigen Schaden für das rechte Lager werden. Die Entzauberung droht und mit ihr die Konkurrenz durch freie Wählerinitiativen.
Stattdessen muß für Freund und Feind vom ersten Tag der Amtsausübung an ein Wind der Veränderung spürbar werden. Tabus müssen gebrochen und die politische Bühne täglich zur Erweiterung des Diskursrahmen genutzt werden.
Wenn der Gegner hier mit unfairen Mitteln eingreift, umso besser! Damit entlarvt er das, was ich als deskriptiven Begriff für das Kartell der Altparteien, Systemmedien, ihrer Finanziers und linksterroristischen Vollstrecker vorschlage: die „Demokratiesimulation“.
Wir brauchen klare, einprägsame und gute Begriffe, um die ständigen Einzelfälle der antidemokratischen Repression, Dämonisierung, Exklusion, Angriffe etc. zu ikonischen geistigen Bildern zu schmieden.
In meinem neuen Buch stelle ich den Begriff der „Demokratiesimulation“ vor. (Er legt die Bezeichnung „Demokratiesimulanten“ für Ramelow, Maier und Faeser nahe.) Das Wort beschreibt die Überlagerung unserer dysfunktionalen Demokratie durch nicht gewählte, mediale und finanzielle Interessensgruppen. Gleichzeitig aber umfaßt es deren krampfhafte Bemühung, den Anschein von Demokratie aufrecht zu erhalten. Vor allem aber impliziert “Demokratiesimulation” eine Wiederherstellung und Restituierung der echten Demokratie als Ziel.
Schrittmacher dafür sind Ereignisse wie in Frankreich. Die schiere Wucht der Ausschreitungen und die Macht der Bilder lähmt die gegnerischen “Wahrheitssysteme” für kurze Zeit. Ähnliches erlebten wir nach der Kölner Silvesternacht. Diese Phase muß vom rechten Lager gezielt, massiv und fokussiert genutzt werden, damit der Rahmen des Diskurses verschoben werden kann.
Ein Twitternutzer schrieb dazu anläßlich des Aufstands in Frankreich:
Die Lageverschärfung muss zu einer geistigen Verschärfung führen. Die rechte und nationale Debatte müssen sich irrversibel ändern. Das ist der einzige positive Fortschritt, der aus dem folgen kann.
https://twitter.com/MSLive_aut/status/1675024918507929602
Bloße „Empörung“ reicht nicht aus. Ein blumiger Strauß an Forderungen, Begriffsschöpfungen und kreativen Reaktionen bringt Reichweite, aber keine metapolitische Veränderung. Stattdessen muß das rechte Lager gezielt und methodisch diese und ähnliche Ereignisse ausnutzen, um ausgewählte Schlüsselbegriffe und Forderungen zu normalisieren. Der erwähnte Nutzer schlägt zu Frankreich folgende Punkte vor:
https://twitter.com/MSLive_aut/status/1675024914460311552
Die Interpretation der Ausschreitungen als militärischer Aufstand, liegt nahe und könnte auch auf Clankriege in Deutschland angewandt werden. Aussagen von Eric Zemmour gingen bereits in eine ähnliche Richtung. Von da ist es nur ein kleiner geistiger Schritt zum Staatsbürgerschaftsentzug und der sofortigen Abschiebung der Täter und ihres Umfelds.
Diese Forderung wirkt im Moment noch „zu radikal“. Wird sie jedoch nach jedem „pädgogischem Schock“ immer wieder beharrlich vom gesamten rechten Lager wiederholt, wandert sie im „Overtonfenster“ langsam in Richtung Zentrum.
Ist eine politischen Forderung diskursfähig und „populär“, wird die Frage der “rechtlichen Umsetzbarkeit” sekundär. Das lehrten uns Merkels Migrantenflut, Baerbocks Waffenlieferungen und Habecks Wärmepumpen. Neben dieser visionären Forderung müssen Vorfälle wie in Frankreich stets Anlaß sein, das Begriffspaar „Bevölkerungsaustausch (Problem) – Remigration (Lösung)“ zu wiederholen, zu stärken und zu normalisieren.
(Martin Lichtmesz widerspricht dem in seinem jüngsten Beitrag, den ich erst nach der Verfassung des Textes gelesen habe. Ich werde in einem weiteren Text auf seinen verlorenen Impetus und seine Resignation ob der Remigration eingehen.)
Viele im rechten Lager haben bereits erkannt, daß mit diesen Begriffen Deutschland und Europa stehen oder fallen wird. „#remigration“ trendet seit Tagen auf Twitter, obwohl hinter dem rechten Reaktionskaldeioskop noch keine Strategie steht. Mein neues Buch will vor allem dazu beitragen, daß die Chancen dieser „metapolitischen Zeitfenster“ erkannt werden.
Wenn das rechten Lager die immer häufigeren „pädagogischen Schocks“ in der Endphase des Bevölkerungsaustausch zur metapolitischen Pionierarbeit nützt, können wir die Demokratiesimulation überwinden. Das gelingt vor allem, weil wir nicht „instrumentalisieren“, sondern die Wahrheit auf unserer Seite haben. Wir machen den Horror des Bevölkerungsaustausch ungeschönt sichtbar. Zugleich bieten wir mit der Remigration eine realistische, legitime und politikfähige Lösung an.
Diese Ideen sind nicht „zu radikal“, sie sind nur „früh dran“. Machen wir sie gemeinsam mehrheitsfähig!
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Martin Sellner hat rund um sein Buch Regime Change von rechts eine eigene Internetseite aufgebaut. Auf ihr wird er die Diskussion über seinen strategischen Ansatz vorantreiben. Hier geht es zur Internetseite.
Le Chasseur
"Daß eine Framingspezialistin direkt aus dem Herzen der ideologischen Staatsapparate fahnenflüchtig wird, muß ein Schock für den Welke-Böhmermann Komplex sein. [...] Mit Prayon beginnt möglicherweise das „Überlaufen der Intellektuellen“. Sie verlassen instinktiv ein sinkendes Schiff."
Prayon ist keine Framingspezialistin (es sei denn, es ist damit gemeint, dass sie Spezialistin darin ist, Framing zu erkennen): https://www.youtube.com/watch?v=DNWmkAhUla4
https://www.youtube.com/watch?v=HdjLljeCMRY
Prayon ist auch kein Nagetier, das "instinktiv" ein "sinkendes Schiff" verlässt. Sie ist eine Linke im besten Sinne, die gerne in einer echten Demokratie leben würde (und nicht in einem Demokratietheater): https://www.youtube.com/watch?v=FgXTB_3KtRI
Es gibt bestimmt viele Themen, bei der ich anderer Meinung bin als Prayon. Aber ich respektiere sie.