Auch bundesweit hat sie den Trend längst umgedreht: Nach knapp vier Jahren leichter Abstiegs- und Stagnationsphasen ist der Partei nun erstmals gleich bei mehreren Umfrageinstituten der Durchbruch durch die 20%-Schallmauer gelungen – eine wichtige strategische Etappe, die den Stimmungstest unter Realbedingungen sogleich auch auf kommunaler Ebene bestehen konnte.
Die AfD stellt im Osten inzwischen einen Landrat im Landkreis Sonneberg (Thüringen) und ihren ersten hauptamtlichen Bürgermeister in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt). Das snd zwei Regionen, die in ihrer demographischen und soziokulturellen Zusammensetzung als klassische AfD-Hochburgen gelten und auch bei vergangenen Wahlen zwischen 25–30% erreichten.
Daß der Erfolg der Partei aber nicht nur auf ihren stärksten Hochburgen basiert, beweist zumindest das Beispiel der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommern Schwerin, wo der AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik-Holm vor wenigen Wochen in einer traditionellen SPD-Hochburg mit urbanem Bürgertum und hohem Beamtenanteil immerhin ein Drittel der Stimmen auf sich versammeln konnte und es somit in die Stichwahl schaffte.
Wir können an diesen kommunalen Wahlen auch teilweise neue Muster in der AfD-Wählermobilisierung ablesen. Trotz bereits starker Ergebnisse in den ersten Wahlgängen schafften es die Kandidaten in den darauffolgenden Stichwahlen, weitere Stimmen hinzuzugewinnen, und dies bei steigender Wahlbeteiligung, die in Allparteienallianzen zumeist nicht der AfD zugutekommen.
Die Konstellation „Alle gegen Einen“ wirkt als zusätzlicher Mobilisierungsverstärker. In allen diesen drei Kommunalwahlen konnte die AfD nicht nur prozentual zulegen, sondern im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen auch bei den absoluten Stimmen ihren Anteil um bis zu 60% erhöhen.
Eine aktuelle Studie des SINUS-Instituts zeigt auf, daß die AfD neben ihren sozioökonomischen Kernmilieus nun auch noch stärker in die bürgerliche Mitte ausgreift. Insbesondere im adaptiv-pragmatischen Milieu was als Brückenkopf zwischen den modernen Aufsteigermilieus und dem traditionell-konservativen Bürgertum fungiert, zeigt sich innerhalb von zwei Jahren ein Anstieg um 7%.
Es stellt sich natürlich nun die Frage, wie nachhaltig und robust sich diese Umfragewerte in den kommenden Wahlen in Stimmen umwandeln lassen werden. Haben wir es nur mit einem temporären Erregungsmomentum zu tun, das sich überwiegend aus der massiven Regierungsunzufriedenheit speist? Oder erleben wir gerade die langfristige Expansion eines rechten politischen Koordinatenraumes in der Wählerschaft und die Herausbildung eines eigenständigen Milieus?
Der politische Betrieb ist angesichts der AfD-Umfragewerte in heller Aufregung und sucht verzweifelt nach Isolations- und Eindämmungsstrategien. Einerseits warnen die Beobachter vor einer Normalisierung der AfD, um aber gleichermaßen auch eingestehen zu müssen, daß sich in diesen 20% Umfrageanteil womöglich nur die Normalität eines latenten rechten Einstellungspotentials widerspiegelt, das bereits seit den frühen 90er Jahren in der BRD existierte.
Mit der AfD ist heute der entscheidende potente Akteur auf die Bühne getreten, der dieses Potential erstmals umfassend mobilisieren und vielleicht auch erweitern konnte. Die Partei füllt das Mitte-Rechts Vakuum aus und baut jene entscheidende Konfliktlinie auf, woraus sich bereits ein exklusives Protest- und Widerstandsmilieu herausgebildet hat.
Die Hoffnungen der etablierten Parteipolitiker liegen vor allem in der zeitlichen Begrenzung dieses Protestphänomens. Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei demnach lediglich ein vorübergehendes Problem. Man müsse die aktuelle Transformationsagenda der Ampel-Politik lediglich „besser kommunizieren“ und mehr Zukunftsoptimismus stiften. Diese Haltung verkennt, daß die Probleme und Sorgen der Menschen real sind und im Alltag beim Wocheneinkauf, der Energierechnung oder der neuen Nachbarschaft einer Container-Siedlung deutlich spürbar werden.
Doch auch unabhängig der politischen und gesellschaftlichen Gegenwartslage, die immer wieder kurzfristige Unzufriedenheitsperioden erzeugt, hat das AfD-Momentum einen tieferen strukturellen Kern. Schon die internationale Rechtspopulismus-Forschung konnte zeigen, daß sich rechte und konservative Einstellungsmuster nicht nur allein durch eine willkürliche Politik- und Systemverdrossenheit vermitteln, sondern weitere hinreichende Kriterien hinzutreten müssen, die sich als ganz konkrete ideologische Einstellungsmuster widerspiegeln.
Wie auch aus vergangenen Erfolgsperioden rechter Parteien bekannt ist, so ist auch die aktuell entscheidende Mobilisierungsbatterie einmal mehr die Migrationskritik und daran anknüpfende identitätspolitische Felder. Migrationskritische Einstellungen erhöhen die Wahlwahrscheinlichkeit für die AfD mit einer lediglich populistisch eingestellten Vergleichsgruppe um das doppelte.
Die aktuellen Gesellschaftskonflikte haben keine Moderationsbasis mehr, die vom Establishment angeführt werden könnte. Sie stehen sich als grundsätzlich verschiedene Lebensentwürfe und ideologische Überzeugungen gegenüber: Stadt vs. Land – Kosmopolitismus vs. exklusive nationale Identität – Multioptionalität der Lebensmodelle vs. Stabilität und Sicherheit – ökologische Transformation vs. Freiheitserhalt.
Der Rechtspopulismus bietet hier eine Antwort an, die auf einer tiefergehenden weltanschaulichen Ebene genau diese Konfliktstrukturen zum Vorschein bringt
Obwohl die meisten AfD-Wähler in den Nachwahlbefragungen „Enttäuschung über die Politik“ angeben, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß in zahlreichen Studien die Wähler keiner anderen Partei derart geschlossen und loyal zu ihrer Wahlentscheidung stehen. Die grundsätzliche Parteiwechselbereitschaft der AfD-Wähler ist äußerst niedrig ausgeprägt.
Schon 2016 konnten Wissenschaftler mit dem sogenannten „avalibility index“ (Verfügbarkeitsindex) nachweisen, daß die AfD-Anhänger auf dem allgemeinen Wählermarkt für andere Parteien kaum zu erreichen sind. In einigen Studien der Konrad Adenauer Stiftung konnte gezeigt werden, daß AfD-Anhänger bei den alternativen Wahlpräferenzen überdurchschnittlich häufig „keine Partei“ oder „Nichtwahl“ angaben.
Zumindest aus der vergangenen Studienlage können wir ablesen, daß die AfD-Wählerschaft sich im Regelfall den Wechseldynamiken des Wählermarktes entziehen kann. Auch der Vergleich von Zu- und Abwanderungen in der Wählerschaft zeigt die Volatilität zuvorderst innerhalb des Nichtwählerspektrums.
INSA konnte schließlich auch in einer ihrer letzten Befragungen aufzeigen, daß der Zuwachs der AfD primär auf einer vormaligen Nichtwählerbasis aufbaut. Der Wählerraum sortiert sich gerade nicht nur in einer anderen Verteilungsstruktur, sondern mit der AfD entsteht womöglich ein völlig neues Spektrum.
Das erweiterte Wählerpotential der AfD liegt laut INSA inzwischen bei bis zu 30%. Parallel dazu ist die Fundamentalablehnung inzwischen auf unter 60% gesunken.
Für die Ostwahlen 2024 wird die AfD voraussichtlich nun in allen drei Bundesländern in das Rennen um Platz 1 gehen. Dies unterstreicht nochmals den außerordentlich wichtigen Symbolwert des Ostens für die Partei. Alle großen Anschlussfähigkeitsstrategien hängen für die Partei am Ende nur von der Maximierung des Mobilisierungsgrades ab.
Die Brücken zur Normalisierung der AfD werden eindeutig im Osten gebaut. Der Baustoff wird dabei einzig und allein die eigene Stärke sein.
MarkusMagnus
Laut Umfragen liegt die AFD in Thüringen bei ca. 34 %. Läuft...
Und natürlich muss die AFD einen Kanzlerkanidaten stellen.
Ich wäre für Alice Weidel. In einem TV-Duell würde sie Olaf Scholz und Konsorten ziemlich rund machen.