Betitelt “Primavera” (Frühling), stellt sie eine milde abstrahierte nackte Frau dar, die wonnig ihren jugendlichen Leib streckt, die Arme über dem leicht emporgehobenen Kopf zusammengefaltet. Dadurch werden ihre recht kleinen Brüste gehoben und hervorgestreckt. Ihr schmaler Oberkörper kontrastiert mit ihren breiten Hüften.
Der Titel impliziert, daß es sich hier um eine Allegorie handelt. Landrat Björn Demmin (parteilos) erklärte: „Die ‚Primavera’ sollte vermutlich das wachsende Leben symbolisieren.“ BILD fährt nun fort:
Martina Spirgatis ist Gleichstellungsbeauftragte der Uni und sieht das offenbar anders. Sie verweist darauf, dass man einen „hohen Frauenanteil unter den Studierenden als auch den Lehrkräften“ habe – der sich zum Teil „unwohl“ bei dem Anblick fühle. Die Statue stehe für ein „überholtes Bild der Weiblichkeit und legt nahe, Weiblichkeit auf Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit zu reduzieren“.
Ein Foto zeigt Pressesprecherin Kathrin Fischer, eine maskulin wirkende, vermutlich postmenopausale Frau mit kurzen Haaren und kantigem Gesicht, wie sie, Hände in den Hosentaschen, triumphierend lächelnd vor dem Ersatz für die Statue posiert: Einem Fragezeichen in Regenbogenfarben.
Frau Spirgatis kann also stolz darauf zu sein, ihre verantwortungsvollen und bedeutsamen Aufgaben als “Hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte” im Arbeitsbereich “Chancengleichheit” so gewissenhaft erfüllt zu haben.
Sie ist dafür ja auch hochqualifiziert: Laut Lebenslauf sind ihre Schwerpunktthemen “Gender/Diversity, Gleichstellung, Inklusion” und, ähm, “Familienfreundlichkeit”. Ihre Karriere verlief vorrangig im Rahmen der “Gender Studies”. Von 1997–2000 war sie “wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung” an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, 2000–2006 “Planerin und Koordinatorin des hochschulübergreifenden Studienprogramms Gender und Queer Studies, Universität Hamburg”.
Zu ihren Publikationen gehören bahnbrechende Sammelbandbeiträge wie “Gender und Queer Studies in Hamburg” (2005), “Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies. Geschlechterstudien und Gleichstellungsstrategie” (2003), “Die Internationale Fachkonferenz ‘Gender November – Gender in Lehre und Didaktik” (2003), “Gender und Queer Studies in Hamburg” (2001), sowie Vorträge zu so vielfältigen und diversen Themen wie “Genderkompetenzen”, “Entwicklungen und Perspektiven der Hamburger Gender Studies” oder “Gender Studies Hamburg”.
Die Story aus Flensburg beantwortet wohl die Frage, wie jemand beschäftigt wird, der das Studium der “Gender Studies” absolviert hat, oder auch, was so eine “Gleichstellungsbeauftragte” an einer Universität den lieben langen Tag an schwerer Arbeit zu tun hat. Viel wird da wohl nicht mehr zum “Gleichstellen” übrig sein, wenn man sich über unschuldige siebzig Jahre alte Statuen hermachen muß.
Aber das liegt nun mal im Wesen einer ideologisierten Bürokratie: Daß sie unter einem ununterbrochenen Vollzugszwang steht, ständig “etwas tun”, “Probleme” finden und “lösen” muß, ein Muster, das man auch aus dem Hygiene-Regime oder dem antirassistischen Aktivismus kennt. Damit die Institution ihre Existenzberechtigung nicht verliert, muß man immer neue Gesundheitsbedrohungen oder Rassismen und Sexismen ausfindig machen und verfolgen.
Ähnliche Geschichten gab es schon des Öfteren: 2018 werteten “Studierende” ein müdes Gedicht von Eugen Gomringer an der Fassade einer Berliner Hochschule als “sexistisch”, weil darin “Blumen und Frauen” miteinander in Verbindung gebracht werden, und forderten erfolgreich seine Entfernung; im selben Jahr hängte die Manchester Art Gallery eines der schönsten Meisterwerke von John William Waterhouse aus ähnlichen Gründen ab.
Nun also ein weiterer “Fall” aus diesem traurigen Genre. Die Begründung, die Spirgatis gibt, ist ziemlich erbärmlich: Irgendwelche anonymen “Frauen” haben sich “unwohl gefühlt”. Bestätigt das nicht ein altes Klischee über Frauen? Die Fühlis zum Maßstab aller Dinge zu machen, Emotionen über den Verstand zu stellen, gilt als eine sehr weibliche Eigenschaft, und fatal wird diese Disposition, wenn sie akademische Standards erodiert, was in der westlichen akademischen Welt seit Jahren Trend ist und die Universitäten zerrüttet.
Und schließlich die Begründung, die Statue zeige ein „überholtes Bild der Weiblichkeit” und lege nahe, “Weiblichkeit auf Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit zu reduzieren“. Kann man denn von “Reduktion” sprechen, wenn ein Kunstwerk einem bestimmten konkreten Aspekt der Wirklichkeit Ausdruck verleiht? Beansprucht dieses konkrete Kunstwerk denn tatsächlich, die absolute und einzige Wahrheit über “Weiblichkeit” auszudrücken?
Psychologisch interessant und aufschlußreich ist die Tatsache, daß es offenbar gerade die breiten Hüften sind, die Frau Spirgatis so peinlich gepiekst haben. Hätte sie weniger Bauchschmerzen gehabt, wenn die Figur schmale Hüften gehabt und einem Sonnenanbeter von Fidus mit androgynen Zügen geähnelt hätte?
Antworten auf die Frage nach der handlungsleitenden persönlichen Motivation hinter dieser Aktion wider Fruchtbarkeit und Weiblichkeit liegen auf geradezu komische Weise zutage. Man muß sich Frau Spirgatis, die Robert Redford nach einer Geschlechtsumwandlung ähnelt, nur ansehen, um sie zu erahnen. Über ihre nicht schwer zu erratende “sexuelle Orientierung” will ich hier nicht spekulieren (nun habe ich es aber doch getan).
Bezeichnend ist auch, wie unfruchtbar dieser Akt der Dekonstruktion des Fruchtbaren ist. Eine konkrete, sinnliche Form, die offenbar jemandes Ressentiment und wunde Punkte gereizt hat, wurde durch eine reiz- und einfallslose, vor allem aber häßliche Abstraktion mit einer sehr plumpen “Botschaft” ersetzt. Propaganda tritt an die Stelle der Kunst. Etwas Erdachtes wird etwas Geformtem gegenübergestellt. Das Fragezeichen dient der Dekonstruktion, und steht dabei für nichts anderes als für die Dekonstruktion selber.
Über diese Sterilität täuscht auch seine “bunte” Bemalung mit “Pride”-Farbstreifen nicht hinweg, die nichts weiter als einen ideologischen Code bedeuten. Sie entspricht der Sterilität und Ödnis der “Gender Studies”, die gigantische Fluten aus unlesbaren, notorisch selbstreferentiellen und auf der Stelle tretenden Publikationen hervorgebracht haben.
Judith Sevinc Basad, die gerade einen sehr guten Film über den “Trans-Trend” herausgebracht hat, kommentierte den Vorfall auf Twitter so:
Besser könnte man den totalitären Kern der queeren Bewegung nicht darstellen: Kunst wird beseitigt, weil sie Weiblichkeit darstellt – und ersetzt durch ein ultrahässliches, mahnendes Fragezeichen in Regenbogenfarben.
Ob “totalitär” hier das richtige Vokabel ist, lasse ich mal dahingestellt. Unter den frischer Dazugestossenen sehe ich eine Tendenz, dem relativ jungen “Transgenderismus” allein die Schuld an den aktuellen anti-weiblichen oder anti-femininen Exzessen der “Woken” zuzuschreiben. Das ist jedoch zu kurz gegriffen.
Ein schrumpfender harter Kern der Feministinnen alter Schule widersetzt sich seit geraumer Zeit vehement dem Trans-Trend, der an einem Punkt angelangt ist, an dem gefordert wird, daß jeder Mensch als “echte” Frau akzeptiert werden muß, der behauptet eine zu sein, und der zum Frausein auch nicht mehr zu tun braucht, als das zu behaupten.
Wie weit dieses kulturelle Delirium vor allem im Epizentrum USA fortgeschritten ist, hat Matt Walsh in seinem Film “Was ist eine Frau?” überzeugend dargestellt. Es ist eine Farce, gewiß – aber eine, über die keiner mehr lacht, und die sich zur “neuen Normalität” deklariert hat, inklusive Büttelandrohung via “Haßrede”-Gesetze.
Mit dieser Entwicklung steht der Feminismus kurz davor, ausgedient zu haben. Die Feministinnen, die nicht zum neuen Trend überlaufen wollen, spüren das sehr deutlich, nicht zuletzt durch die massiven Anfeindungen aus der “Trans”-Ecke. Sie sehen ihr “weibliches Privileg” bedroht, ihre Position als selbsternannte Advokaten quasi der Hälfte der Menschheit, die aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit als “unterdrückte” Klasse ausgegeben wurde, opponiert vom männlichen Geschlecht in seiner Gesamtheit in der Rolle des ewigen Unterdrückers.
Dieses Bild wird vom Transgenderismus zunehmend unterminiert: “Politisch korrekt” oder “woke” ist es nun, als “Fortschritt” zu akzeptieren, daß “biologische” Männer “echte” Frauen bei Sport- oder Schönheitswettbewerben schlagen oder, noch schlimmer, intime Bereiche wie Toiletten, Saunen und andere “safe spaces” betreten dürfen.
Der größte Horror ist für viele Feministinnen die Tatsache, daß heute tausende junge Mädchen, denen falsche Heilsversprechen gemacht werden, durch den Fleischwolf der Trans-Tech-Industrie gedreht und physisch verstümmelt und sterilisiert werden.
Aber da ich ein Zyniker bin, vermute ich, daß es in erster Linie der Verlust des Platzes in der linken Hierarchie ist, der so viele Feministinnen plötzlich ihre Liebe zur Biologie der Geschlechterunterschiede entdecken läßt.
Tatsache ist jedenfalls, daß der Haß auf klassische weibliche Archetypen (und nicht nur “Rollenbilder”) und insbesondere das Bild der Frau als Mutter ein ausgeprägter Zug des “second wave feminism” war, der in den siebziger Jahre seinen großen Aufstieg erlebte. Man kann in ihm zu einem großen Teil eine (männliche?) Revolte gegen die Natur sehen, gegen das Gefängnis und die Beschränkungen des weiblichen Körpers, und damit auch gegen die Mutterschaft oder gegen die sexuelle Angewiesenheit auf den Mann. Frau Spirgatis Attacke auf die Bronzestatuette folgt durchaus dieser älteren Tradition, die sich aber problemlos mit heute herrschenden “queeren” Trends kurzschließen läßt, da diese aus denselben ideologischen Quellen stammen.
Das Ideal dieser Generation von Feministinnen war der mehr oder weniger geschlechtsneutrale “Mensch”. Sie gaben vor, in erster Linie als “Menschen” und nicht als “Frauen” betrachtet werden zu wollen. “Gender Mainstreaming”, die schrittweise Nivellierung von Frauen und Männern zu “Menschen”, war feministisches Programm, bevor es dieses Wort gab.
Gleichzeitig stilisierten die Feministinnen die Frauen zu einer Art Juden unter den Geschlechtern, und sicherten sich dadurch einen Platz in der linken Opfer- und Diskriminierungshierarchie. So auch Alice Schwarzer, die auf dieser Grundlage in einer TV-Debatte im Jahr 1975 die Nazi-Keule gegen die Jüdin Esther Vilár schwang.
Schwarzer mag heute, als Achtzigjährige, vernünftiger oder gar “konservativer” erscheinen als andere Vertreterinnen ihres Spektrums, aber es bleibt die Tatsache bestehen, daß sie jahrzehntelang als Wühlmaus gearbeitet hat, um die Gesellschaft geschlechtlich zu neutralisieren, was allerdings unerwartete, auch aus feministischer Sicht unliebsame Folgen hatte.
2014 schrieb ich einen bissigen Artikel über Schwarzers Panik vor dem „Männlichkeitswahn“ des Islams, den sie zunehmend auch in Deutschland eindringen sah wie ein Krummschwert in die weiche Butter:
Man muß schon ein Herz aus Stein haben, um die Panik, die Gestalten wie Schwarzer nun befällt, nicht mit einer gewissen makabren Genugtuung zu sehen. Jahrzehntelang haben sie und ihresgleichen nichts anderes getan, als die Abwehrkräfte des Westens zu schwächen, und nun wundern sie sich, warum sich die islamische Infektion so ausbreiten kann.
Ja, Alice! Du und Deinesgleichen, ihr wart großartige Planierraupen für die „bärtigen Brüder“! Wer wird euch beschützen, wenn sie eines Tages tatsächlich vor eurer Tür stehen? Ob die „emanzipierten Männer“ dazu noch in der Lage sein werden, ist fraglich; ihr habt sie ja schon vorher „in die Knie gezwungen“. Und hey: dazu muß man kein Prophet sein, sondern die Sache nur nüchtern betrachten.
Heute ist Schwarzer besorgt über die Auswüchse des Transgenderismus, aber auch hier betriebsblind, inwiefern sie selbst das Feld planiert hat. Wo genau der Wurm drinnensteckt, kann man in ihrem Vorwort zu ihrem zusammen mit Chantal Louis herausgegebenen Buch Transsexualität (2022) nachlesen. Sie betont, daß Feministinnen “zu allen Zeiten” zwischen biologischem (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender) unterschieden und darauf “hingewiesen” haben, daß “das biologische Geschlecht nur ein Anlaß sei für die Zuweisung der sozialen Geschlechterrolle”. Wohlgemerkt: Ein “Anlaß”, nicht mehr.
In dieser Hinsicht hat sich Schwarzer in den siebziger und achtziger Jahren so radikal wie nur irgend möglich geäußert. Das berüchtigte Experiment von Dr. John Money (1921–2006) an den eineiigen kanadischen Zwillingen Bruce (später David) und Brian Reimer (geboren 1965) galt ihr als unumstößlicher wissenschaftlicher Beweis, daß Geschlechterrollen beliebig zuweisbar sind.
Ich rekapituliere die Geschichte für alle, die sie nicht kennen: Der Penis von Bruce wurde im Zuge einer Vorhautbeschneidung des Säuglings irreparabel verletzt und mußte amputiert werden. Money überredete die Eltern, das Kind zu kastrieren, den Hodensack zu falschen Schamlippen umzuformen, und es als Mädchen aufzuziehen. Mit Beginn der Pubertät mußten “Brenda”, wie das Kind nun genannt wurde, Östrogene verabreicht werden.
Moneys Ehrgeiz war, die Gendertheorie der freien Geschlechtszuweisung anhand von Zwillingen wissenschaftlich zu beweisen. Während das Experiment der Öffentlichkeit als Erfolg präsentiert wurde, sah die Wirklichkeit anders aus: Das Kind fühlte sich nicht als Mädchen, verhielt sich nicht wie ein Mädchen, und stürzte als Jugendlicher in tiefe Depressionen.
“Brenda” nahm schließlich den Namen “David” an, heiratete sogar und adoptierte drei Kinder. Als ihn seine Frau 2004 verließ, schoß er sich mit einer abgesägten Flinte in den Kopf. Sein Bruder Brian war bereits 2002 an einer Überdosis Drogen gestorben.
Im Jahr 2000 behauptete der Journalist John Colapinto in seiner Biographie David Reimers (As Nature Made Him: The Boy Who Was Raised as a Girl), daß Money die beiden Brüder auch insofern schwer traumatisiert hätte, indem er sie im Alter von sechs Jahren zu sexuellen Rollenspielen, etwa Simulierungen des Geschlechtsverkehrs, gezwungen hatte. Tatsache ist jedenfalls, daß das “Gender”-Experiment die Leben beider Jungen langfristig zerstörte, und daß Dr. Money über seinen Ausgang und seine Folgen gelogen hatte.
Alice Schwarzer glaubte diese Lüge, und benutzte sie in ihrem Buch Der kleine Unterschied und seine großen Folgen (1975) als Beleg dafür, daß “die Gebärfähigkeit der einzige Unterschied ist, der zwischen Mann und Frau bleibt. Alles andere ist künstlich aufgesetzt.“
Und dieses Märchen glaubt sie im Wesentlichen bis heute noch, obwohl das ganze Grauen und die Skrupellosigkeit des Money-Experiments inzwischen weithin bekannt sind. In dem Vorwort zu Transsexualität zählt sie auf fast schon rührende Weise die Glaubenssätze des klassischen Feminismus auf, nach denen sie ihr Leben und Wirken ausgerichtet hat:
“Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten”, erklärte Olympe de Gouges (1748–1793) Ende des 18. Jahrhunderts. “Menschenrechte haben kein Geschlecht”, schrieb die deutsche Frauenrechtlerin Hedwig Dohm (1831–1919). “Man wird nicht als Frau geboren, man wird es” konstatierte Simone de Beauvoir (1908–1986) Mitte des 20. Jahrhunderts.
Und nun wird’s putzig:
Diese, wie ich, universalistischen Feministinnen hätten sich allerdings nicht träumen lassen, dass ihr Credo eines Tages in der fundamentalen Leugnung auch des biologischen Geschlechts münden würde.
“Putzig” deswegen, weil die Behauptung eines reinen Konstruktionscharakters der Geschlechterrollen die Ablösung von der Biologie bereits vollzieht, bzw. auf eine Leugnung zumindest einiger Aspekte des biologischen Geschlechts hinausläuft. Schwarzer hat sich indes schon sehr früh der “Leugnung des biologischen Geschlechts” angeschlossen, wie sie selbst berichtet:
Einige dieser neuen Frauen [Transsexuelle mit operativen und hormonellen “Angleichungen” in den sechziger und siebziger Jahren] waren Feministinnen und klopften nun an die Türen der Frauenzentren. Doch die waren in der Regel für sie verschlossen. Denn die Mehrheit der Feministinnen war der Auffassung, Transfrauen seien keine “richtigen” Frauen und hätten in Frauenräumen nichts zu suchen. Ich fand das “biologistisch” und solidarisierte mich mit Transfrauen, “meinen Schwestern”, wie ich 1984 schrieb.
Alice Schwarzer dachte also damals: “Transfrauen sind Frauen”, sofern sie den Schritt gemacht haben, “Körper und/oder Pass” geändert zu haben. “Oder” Pass!
In dem zitierten Vorwort fährt sie fort:
“Der Transsexualismus scheint mir der dramatischste Konflikt überhaupt, in den ein Mensch auf dem Wege zum ‘Mannsein’ bzw. ‘Frausein’ in einer sexistischen Welt geraten kann”, argumentierte ich. “In diesem Konflikt haben die Transsexuellen selbst keine Wahlmöglichkeit mehr: Ihr Hass auf den ‘falschen’ Körper ist weder durch Argumente noch durch Therapien zu lösen. Transsexuelle sind zwischen die Räder des Rollenzwangs geraten.”
Und dann fügte sie hinzu (immer noch in “Brief an meine Schwestern”, 1984):
“In einer vom Terror der Geschlechterrollen befreiten Gesellschaft wäre Transsexualität schlicht nicht denkbar.”
Sie dachte also, daß es der “Terror der Geschlechterrollen”, der “Sexismus” der Gesellschaft sei, der diese Menschen zu derart extremen Lösungen ihrer inneren Konflikte, zur, wie sie schrieb, “Verstümmelung ihres Körpers” triebe – Menschen, die offenbar ganz gegenteilig gewickelt waren als Brian/David Reimer, dem ein transsexueller Körper gegen seinen Willen aufgezwungen wurde.
Und das mußte sie auch so sehen, denn sie war ja (und ist offenbar immer noch) der Ansicht, daß “Weiblichkeit” und “Männlichkeit” nicht “angeboren”, sondern “anerzogen” sind, “nicht Produkt irgendwelcher Gene und Hormone, sondern das Resultat einer zutiefst unterschiedlichen Erziehung” (weitere Zitate aus ihrem “Brief an meine Schwestern”).
Wenn das wirklich so ist, wie kommt dann ein Phänomen wie Transsexualität zustande? Hier waren nun Männer, die als Männer erzogen wurden, aber sich trotzdem als Frauen “fühlten”, Frauen “sein” wollten (und nicht bloß “effeminisierte” Männer, die sich konträr zur erwarteten Rolle verhalten). Schwarzer beschrieb 1984 Transsexuelle als Menschen, die “nur eines” wollen: “endlich ihren Körper in Einklang bringen mit ihrer Seele.”
Wenn aber der biologische Körper nichts mit dem künstlichen “Gender” zu tun hat, wozu ihn dann verändern, noch dazu auf so drastische Weise? Warum wäre dann eine operierte “Transfrau” echter als eine, die nur einen Fummel übergezogen hat? Wenn Hormone keine biologischen Merkmale von Weiblichkeit und Männlichkeit produzieren können, warum sie dann einnehmen, und warum zeitigt diese Einnahme meß- und wahrnehmbare Ergebnisse? Diesem logischen Widerspruch der (Trans-)Gendertheorie begegnen wir noch heute auf Schritt und Tritt.
Nun könnte man freilich antworten, na schön, da ging es aber nur um eine kleine Minderheit, die aus weitgehend unerklärlichen Gründen so dachte und fühlte. Heute aber haben wir es mit einem Massenphänomen zu tun, das vor allem in “unangepaßten jungen Mädchen” (Schwarzer) die Wahnidee erzeugt, “im falschen Körper zu stecken”, bestärkt durch neue medizinische, psychologische und ideologische Paradigmen, die sich immer mehr durchsetzen. Was ist nun hierfür die Ursache? Der “Terror von Geschlechterrrollen”, die so flexibel und durchlässig sind, wie nie zuvor, kann es wohl nicht sein.
Der Kampf gegen diesen vermeintlichen “Terror” und den “Sexismus” ist indes der Hauptgrund, warum Schwarzer damals in Transsexuellen Verbündete, ja “Schwestern” sah. Die verhaßte “Heteronormativität” (oder wahlweise: “das Patriarchat”) war und ist das gemeinsame Feindbild der Feministinnen, der LGBTQ-“Community”, der Genderisten und Transgenderisten. Sie führen dieselbe Attacke, mobilisieren dasselbe Ressentiment aus verschiedenen Richtungen.
Wenn nun Feministinnen wie Schwarzer von den letzteren, die heute das progressive Nonplusultra stellen, gefressen und verdrängt werden, dann auf der Grundlage derselben fatalen, falschen, irreführenden Ideen, die sie selbst entwickelt und verbreitet haben.
Und zu denen Schwarzer heute noch steht:
Die Idee der Dekonstruktion der Geschlechterrolle kommt doch von uns radikalen, also universalistisch Feministinnen! Aber deswegen leugnen wir noch lange nicht die wissenschaftlichen und sozialen Fakten. Wir ziehen nur andere Schlüsse daraus.
Da kann man nur sagen: Selbstverständlich habt ihr “wissenschaftliche und soziale Fakten” nach Kräften geleugnet, auch wenn ihr davon heute nichts wissen und der nächsten “dekonstruktiven” Welle einen Riegel vorschieben wollt, weil nun auch ihr “dekonstruiert” werdet, und fürchtet, davongespült zu werden, was mit Sicherheit passieren wird.
Und das habt ihr redlich verdient.
Gracchus
Also:
1. Die Figur finde ich nicht unschön. Das Waterhouse-Gemälde ist natürlich wunderbar. (Ich würde auch sagen, dass sich darin kein männlich-sexistischer Blick manifestiert. Mögen sich die weiblichen Foristen melden!) Das Schöne wirkt - so würde ich es beschreiben - über die Sinne und lässt ein Gefühl entstehen. Man spricht ja von Schönheitsempfinden. Deshalb finde ich MLs Unterscheidung von Gefühl (weiblich) und Verstand (männlich) nicht so recht am Platz. Was die Beauftragte von sich gibt, erscheint mir sehr konstruiert.
ML: Sie gibt doch selber als Begründung, "Frauen" hätten sich "unwohl gefühlt".
Das ist auch weitaus schlimmer an den "Dekonstrukteuren", was sie stattdessen konstruieren. Und zwar gerade ohne Gefühl. Gefühl meine ich in dem Zusammenhang als sachliches Verhältnis, so wie man sagt, er spielt ein Instrument mit viel Gefühl, er fährt ohne Gefühl Auto etc.