Parteigründungen und Programmatik

von Felix Dirsch -- PDF der Druckfassung aus Sezession 112/ Februar 2023

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Schon bald nach der deut­schen Kapi­tu­la­ti­on 1945 zeig­te sich eine wie­der­be­leb­te poli­ti­sche Rech­te viel­ge­stal­tig. Die zah­len­mä­ßig über­schau­ba­ren Grup­pie­run­gen tra­ten schnell auf der poli­ti­schen Büh­ne auf und eben­so rasch wie­der ab.

Bald tauch­ten sie mit neu­em Namen und in fusio­nier­ter Form, bis­wei­len als Abspal­tung, wie­der auf. Der lan­ge Schat­ten des Natio­nal­so­zia­lis­mus beglei­tet Rech­te bis in die unmit­tel­ba­re Gegen­wart. Schwer­punk­te ihres Wir­kens lagen in Nie­der­sach­sen und Schles­wig-Hol­stein. Ein brei­ter Mit­tel­stand, der vor allem land­wirt­schaft­lich struk­tu­riert war, wie auch Tei­le des natio­nal­pro­tes­tan­ti­schen Bür­ger­tums bil­de­ten den sozio­kul­tu­rel­len Humus.

 

 

1945/46: Bereits 21 im wei­te­ren Sin­ne rech­te Ver­ei­ni­gun­gen wur­den von den Besat­zungs­mäch­ten, ins­be­son­de­re der bri­ti­schen, zuge­las­sen, dar­un­ter die Deut­sche Kon­ser­va­ti­ve Par­tei – Deut­sche Rechts­par­tei (DKP-DReP) und die Nie­der­säch­si­sche Lan­des­par­tei (NLP). Die Lei­tung in der frü­hen Zeit übten über­wie­gend akti­ve Deutsch­na­tio­na­le aus der Wei­ma­rer Repu­blik aus. Man arbei­te­te unter den Bedin­gun­gen gro­ßen mate­ri­el­len Man­gels und litt unter der Will­kür­herr­schaft der Besatzer.

Die Deut­sche Kon­ser­va­ti­ve Par­tei ver­öf­fent­lich­te Anfang 1947 ein Mani­fest, das ers­te pro­gram­ma­ti­sche Akzen­te setz­te. Der frü­he­re Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der Deutsch­na­tio­na­len Volks­par­tei (DNVP), Otto Schmidt-Han­no­ver, der »Mann, der Hit­ler NEIN sag­te«, wie ein US-Jour­na­list zu des­sen 75. Geburts­tag titel­te, wirk­te an der Abfas­sung mit. Dar­an betei­ligt war auch ein bekann­ter Publi­zist: Hans Zeh­rer, Tat-Her­aus­ge­ber und im Umfeld der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on vor 1933 aktiv. Er reüs­sier­te nach 1945 bei der Welt.

Die­ses Mani­fest spricht expli­zit von der »Hit­ler-Kata­stro­phe« und sieht ihre Wur­zeln in einer län­ger fort­dau­ern­den Kri­se des Abend­lan­des. Die­ser Topos war in den spä­ten 1940er und den 1950er Jah­ren ver­brei­tet und such­te die Ursa­chen der Kata­stro­phe vor allem in geis­ti­gen Fak­to­ren, pri­mär in der Abkehr vom christ­li­chen Ethos. So wird das Auf­kom­men von Klas­sen­kampf und Ras­sen­haß erklärt. Das Heil wird in einer Rück­kehr zum Chris­ten­tum gese­hen. Direkt poli­ti­sche Zie­le blei­ben nicht außer acht: etwa ein föde­ra­lis­ti­sches Fun­da­ment und die Stär­kung der Fami­lie. Ange­strebt wer­den dezen­tra­le Wirt­schafts­for­men jen­seits von Kapi­ta­lis­mus und Sozialismus.

Aus der DKP-DReP ging die Deut­sche Rechts­par­tei / Kon­ser­va­ti­ve Ver­ei­ni­gung (DReP/KV) her­vor. Der Grün­dungs­auf­ruf hebt die fort­dau­ern­de Rele­vanz der Zehn Gebo­te her­vor. Das Tota­li­täts­den­ken von Faschis­mus, Natio­nal­so­zia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus wird strikt abge­lehnt. Im Kon­trast dazu pro­pa­giert die­ser Text Selbst­ver­wal­tung und Eigen­ver­ant­wor­tung. Es wer­den auch die poli­ti­schen Akzen­te (unge­ach­tet vie­ler Über­ein­stim­mun­gen) kla­rer gesetzt als beim Mani­fest von DKP-DReP. Als bevor­zug­te Staats­form wird die Mon­ar­chie herausgestellt.

 

1947: Die Deut­sche Par­tei (DP), aus der NLP her­vor­ge­gan­gen, zähl­te zu den Stüt­zen des sich nach 1949 bil­den­den Bür­ger­blocks, dem neben der CDU auch die bis Mit­te der 1960er dezi­diert natio­nal aus­ge­rich­te­te FDP ange­hör­te. Ursprüng­lich regio­nal aus­ge­rich­tet, woll­te die DP natio­na­le The­men nicht ver­nach­läs­si­gen. Um bünd­nis­fä­hig zu sein, beab­sich­tig­te die­se Kraft, den »wel­fi­schen« Cha­rak­ter schritt­wei­se abzu­sto­ßen, ohne die Wäh­ler in der Hei­mat­re­gi­on abzu­schre­cken. Es exis­tier­ten pro­gram­ma­ti­sche Über­ein­stim­mun­gen mit der CDU, ins­be­son­de­re auf den Fel­dern der Außen- und der Wirt­schafts­po­li­tik, aber auch in der Bekämp­fung der Sozialdemokratie.

Füh­ren­de Köp­fe der natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Kraft wie Hein­rich ­Peter Hell­we­ge, zeit­wei­se Minis­ter­prä­si­dent in Nie­der­sa­chen, und Hans-­Chris­toph See­bohm reprä­sen­tier­ten die Par­tei im Bun­des­ka­bi­nett. Diver­se Schwie­rig­kei­ten zeig­ten sich schon im Lau­fe der 1950er Jah­re: Einer­seits woll­te man zu inten­si­ve Kon­tak­te nach rechts, etwa zur Deut­schen Reichs­par­tei, ver­mei­den, muß­te sich aber eben­so gegen die CDU abgren­zen. Inso­fern ist es aus der Rück­schau nicht ver­wun­der­lich, daß ein Teil der DP-Mit­glie­der in der Pha­se des Nie­der­gangs zur CDU wechselte.

Als Bele­ge für die heu­te häu­fig behaup­te­te rechts­extre­mis­ti­sche Aus­rich­tung wer­den unter ande­rem ange­führt: die For­de­rung nach natio­na­ler Selbst­ach­tung, die Gleich­stel­lung von Sol­da­ten der Waf­fen-SS mit denen der Wehr­macht, der Erhalt des Deutsch­land­lie­des in drei Stro­phen und die schwarz­weiß­ro­te Fah­ne. Die­se For­de­run­gen wur­den sei­ner­zeit aber von allen bür­ger­li­chen Par­tei­en im gro­ßen und gan­zen unter­stützt. Hef­tig umstrit­ten ist fol­gen­de Aus­sa­ge des stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den Hans-­Chris­toph See­bohm auf dem Par­tei­tag 1951: »Wir nei­gen uns in Ehr­furcht vor jedem Sym­bol unse­res Vol­kes – ich sage aus­drück­lich vor jedem –, unter dem deut­sche Men­schen ihr Leben für ihr Vater­land geop­fert haben.«(1)

Zu den Grün­den für den lang­sa­men Nie­der­gang zähl­te die Unklar­heit über den künf­ti­gen Kurs. Die einen woll­ten eine stär­ke­re Anleh­nung an die CDU, ande­re bevor­zug­ten die klei­ne­ren Par­tei­en des Bür­ger­blocks. Immer mehr wur­de die Hete­ro­ge­ni­tät der Par­tei sicht­bar: Es kris­tal­li­sier­ten sich ein wel­fisch-tra­di­tio­na­lis­ti­scher Block, ein natio­na­ler Block und ein stär­ker libe­ra­ler Block her­aus, die immer weni­ger von der Par­tei­füh­rung zusam­men­ge­hal­ten wer­den konn­ten. Zum Abwärts­trend trug auch die zuneh­men­de Erfolg­lo­sig­keit bei Wah­len bei. Nach dem Aus­tritt der füh­ren­den Köp­fe spiel­te die DP nur noch auf regio­na­ler Ebe­ne eine Rolle.

Als um 1960 zuneh­mend auch im Par­tei­en­sys­tem eine »kul­tu­rel­le Kris­tal­li­sa­ti­on« (Arnold Geh­len) ein­setz­te, war eines abseh­bar: Die CDU nahm als stärks­te Kraft im Bür­ger­block »Staubsauger«-Funktionen wahr. Nach Jah­ren der exis­ten­ti­el­len Not spür­ten vie­le West­deut­sche die Ver­bes­se­rung ihrer Lage. Ade­nau­er und die CDU wuß­ten die güns­ti­ge Stim­mungs­la­ge im Wirt­schafts­wun­der­land für sich zu nut­zen. Eini­ge klei­ne Par­tei­en (DP, GB /BHE) konn­te sich hin­ge­gen nicht mehr behaupten.

 

1949: Aus einem Zer­würf­nis mit gemä­ßig­te­ren Kräf­ten der DReP ging die radi­ka­le­re Sozia­lis­ti­sche Reichs­par­tei (SRP) her­vor. Ihre Paro­le lau­te­te: »Samm­lung aller wahr­haf­ten Deut­schen durch kämp­fe­ri­sches Bekennt­nis und Ver­pflich­tung auf ein kla­res sozia­lis­ti­sches und natio­na­les Pro­gramm zur deut­schen Not«. (2) Zu den Prot­ago­nis­ten zähl­ten Fritz Dorls und Wolf Graf von Westarp.

In Auf­tre­ten und Rhe­to­rik des Spit­zen­per­so­nals hat man immer wie­der Über­ein­stim­mun­gen mit der NSDAP regis­triert. Füh­rungs­ka­der der SRP agier­ten oft hem­mungs­los. Dies hing mit dem Lebens­lauf der Gali­ons­fi­gur zusam­men: Gene­ral­ma­jor a. D. Ernst Otto Remer hat­te die geplan­te Macht­über­nah­me der Hit­ler-Atten­tä­ter in Ber­lin am 20. Juli 1944 nie­der­ge­schla­gen. Wie­der­holt atta­ckier­te er die hin­ge­rich­te­ten Offi­zie­re als Landesverräter.

Zu den pro­gram­ma­ti­schen Haupt­zie­len zähl­te die For­de­rung nach Wie­der­her­stel­lung des Deut­schen Rei­ches. Die Wil­lens­bil­dung ver­lief strikt von oben nach unten. Daß die SRP für die For­schung oft­mals inter­es­san­ter gewe­sen ist als kon­kur­rie­ren­de Rechts­par­tei­en, hängt vor allem mit der Ankla­ge der Par­tei vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt 1951 zusam­men. Die Grup­pie­rung wur­de schließ­lich ein Jahr spä­ter als Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on der NSDAP für ille­gal erklärt und auf­ge­löst. (3)

Im Umgang der Behör­den mit der SRP kann man eine Blau­pau­se erken­nen, die sich auch spä­ter immer wie­der zur Bekämp­fung der Oppo­si­ti­on eig­ne­te: die erfolg­ver­spre­chen­de Über­wa­chung durch Geheim­diens­te. Dorls, der Vor­sit­zen­de, war Mit­ar­bei­ter einer sol­chen Behör­de, der Rechts­bei­stand beim Pro­zeß der SRP vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Rudolf Aschen­au­er, ebenfalls.

Die Deut­sche Gemein­schaft wur­de gegrün­det. Sie wirk­te haupt­säch­lich in Süd­deutsch­land und hat­te sich dem »Neu­en Natio­na­lis­mus« ver­schrie­ben. Der Grün­der August Hauß­lei­ter war in der Wei­ma­rer Repu­blik im Umfeld der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on tätig gewe­sen, bezeich­ne­te sich als Natio­na­list und als NS-Geg­ner. Aus der CSU war er 1949 vor allem wegen ihres West­kur­ses aus­ge­tre­ten. Hauß­lei­ter war über­zeug­ter Nationalneutralist.

Pro­gram­ma­tisch stell­te sich Hauß­lei­ter in die Tra­di­ti­ons­li­nie von Kon­ser­va­ti­ver Revo­lu­ti­on und »Neu­em Natio­na­lis­mus«. Die Grup­pie­rung grenz­te sich sowohl gegen bür­ger­li­che Kon­ser­va­ti­ve als auch gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus ab. Sie pro­pa­gier­te eine Wirt­schafts­ord­nung jen­seits von Zen­tral­ver­wal­tungs­wirt­schaft und Kapi­ta­lis­mus. Ziel war die Eta­blie­rung eines zeit­ge­mä­ßen Natio­na­lis­mus, wei­ter ein »Unab­hän­gi­ger Natio­nal­staat«. Hauß­lei­ter hielt sein Ideen­kon­zept des Natio­nal­neu­tra­lis­mus noch bis in die 1980er Jah­re auf­recht, woll­te es jedoch spä­ter mit der poli­ti­schen Lin­ken ver­wirk­li­chen. Aus die­sem Grund enga­gier­te er sich als eine der Leit­fi­gu­ren der öko­lo­gi­schen Bewe­gung und als Grün­dungs­mit­glied der Grünen.

 

1950: Tei­le der DReP fusio­nier­ten mit der Natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Par­tei (NDP), die vor allem in Hes­sen anzu­tref­fen war, zur Deut­schen Reichs­par­tei (DRP). Deren Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten, zu denen Hans Grimm, Hans-Ulrich Rudel und Adolf von Thad­den zähl­ten, nah­men Neu­ak­zen­tu­ie­run­gen vor. Sie wen­de­ten sich von den eher kon­ser­va­tiv-mon­ar­chi­schen und christ­li­chen Ele­men­ten ab. Eine zen­tra­le For­de­rung bestand in der Wie­der­her­stel­lung des Rei­ches, das mitt­ler­wei­le aus dem Staats­na­men Deutsch­lands ver­schwun­den war. Inzwi­schen war auch die Fes­ti­gung der Tei­lung des Lan­des deut­lich gewor­den. Des­halb hob man die Selbst­be­stim­mung des deut­schen Vol­kes her­vor. Man grenz­te sich gegen Kom­mu­nis­mus und West­in­te­gra­ti­on ab. Die regio­na­le Ver­wur­ze­lung in Nie­der­sach­sen spiel­te eine nicht uner­heb­li­che Rol­le. Zum Wäh­ler­re­ser­voir gehör­ten sozi­al Deklas­sier­te aus unter­schied­li­chen Grup­pen: Heim­keh­rer aus der Gefan­gen­schaft, Ent­na­zi­fi­zier­te, Ver­trie­be­ne, Ent­wur­zel­te aller Art und so fort. Man darf aber nicht ver­ges­sen, daß die­se rele­van­ten Bevöl­ke­rungs­grup­pen damals von allen Par­tei­en umwor­ben wur­den. Ziel der eta­blier­ten Kräf­te war eine umfas­sen­de Inte­gra­ti­on, um sozia­le Unru­he­her­de zu ver­mei­den. (4)

Anders als die SRP ver­blieb die DRP häu­fig im Bereich des Unver­bind­li­chen. Sie war natio­nal aus­ge­rich­tet, bezog sich aber bevor­zugt auf die deut­sche Geschich­te ins­ge­samt. Erst recht nach dem SRP-Ver­bot gaben sich die Funk­tio­nä­re in der Regel gemä­ßigt. Die heu­te übli­che Mei­nung zu die­sem Ver­hal­ten lau­tet fast uni­so­no: Sie taten dies aus tak­ti­schen Grün­den, um dem Schick­sal der SPR zu entgegen.

Vie­le For­de­run­gen der DRP gel­ten heu­te als rechts­ra­di­kal: Die »Wie­der­her­stel­lung der Ehre des deut­schen Sol­da­ten«, für die auch die dama­li­ge CDU stritt, fällt eben­so unter die­ses Ver­dikt wie die Kri­tik am »Bon­ner Sys­tem«. Ana­ly­siert man das Pro­gramm genau­er, so fal­len Affi­ni­tä­ten zu den preu­ßi­schen Kon­ser­va­ti­ven vor 1933 auf, im Hin­blick sowohl auf besitz­bür­ger­li­che als auch auto­ri­tär-kon­ser­va­ti­ve Gehal­te des Pro­gramms. Die Par­tei lös­te sich 1965 auf.

1950 ent­stand zudem der Gesamt­deut­sche Block / Bund der Hei­mat­ver­trie­be­nen und Ent­rech­te­ten (GB/BHE). Er sah sich als Orga­ni­sa­ti­on, die sich beson­ders für die Rech­te der Hei­mat­ver­trie­be­nen enga­gier­te, hat­te dabei aber kein Alleinstellungsmerkmal.

 

1964: Aus der Kon­kurs­mas­se der DRP und aus Tei­len der nord­deut­schen DP ging die Natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (NPD) her­vor, die sich dar­über hin­aus wei­te­re Split­ter­ver­bän­de ein­ver­lei­ben konn­te. Der Grün­dungs­par­tei­tag fand in Han­no­ver statt. Regio­na­le und sozio­kul­tu­rel­le Kon­ti­nui­tä­ten sind unschwer zu erken­nen. Ein wich­ti­ges Mot­to lau­te­te: »Das gan­ze Deutsch­land soll es sein.« Das Ziel, an der deut­schen Ein­heit fest­zu­hal­ten, rück­te immer mehr in den Mit­tel­punkt der ver­blie­be­nen Rechts­par­tei­en. Der weit­rei­chen­de Kon­sens, der noch in den 1950er Jah­ren exis­tiert hat­te, brö­ckel­te nach dem Bau der Mau­er zunehmend.

Die Prot­ago­nis­ten der frü­hen Stun­de, Fritz Thie­len und Adolf von Thad­den, hat­ten in ihrer Bio­gra­phie eher natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Hin­ter­grün­de. Ande­re Funk­tio­nä­re, wie der His­to­ri­ker und Grün­dungs­di­rek­tor der Darm­städ­ter Wis­sen­schaft­li­chen Buch­ge­sell­schaft, Ernst Anrich, hat­ten hin­ge­gen bereits im Drit­ten Reich Lei­tungs­auf­ga­ben übernommen.

In ihrem ers­ten Pro­gramm bekennt sich die NPD »zur frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung, weil sie ein Höchst­maß per­sön­li­cher Frei­heit gewährt und so viel Ord­nung setzt, wie not­wen­dig ist. Der frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Staat muß ein Recht­staat sein.« Zu den Zie­len, die früh arti­ku­liert wur­den, zähl­ten unter ande­rem die Ein­füh­rung von Volks­ent­schei­den, die Abschaf­fung der Fünf­pro­zent­klau­sel, die Auf­he­bung des kon­struk­ti­ven Miß­trau­ens­vo­tums, die Wahl des Bun­des­prä­si­den­ten durch das Volk und die Stär­kung sei­ner Stel­lung. Staats­or­ga­ni­sche Vor­stel­lun­gen und Volks­tum, die für die Wah­rung des Gan­zen sor­gen soll­ten, wur­den hervorgehoben.

Man­che sahen in sol­chen Pos­tu­la­ten einen Anti-Par­tei­en-Affekt. Der ver­brei­te­te Mate­ria­lis­mus soll­te über­wun­den wer­den. Scharf wur­de die The­se von der Allein- und Kol­lek­tiv­schuld Deutsch­lands abge­lehnt. Ein Satz gibt in beson­de­rer Wei­se Anlaß zum Nach­den­ken: »Wir Deut­schen sind ein belehr­tes Volk, das die Gren­zen sei­ner Macht erkannt hat.« In Baden-Würt­tem­berg bekann­te sich die (Landes-)Partei in einem Wahl­auf­ruf 1968 »zur christ­lich-abend­län­di­schen Kul­tur- und Sittenordnung«.

1966 erreg­te ein Vor­trag des erwähn­ten »Ideo­lo­gen« Anrich Auf­se­hen. Er leg­te dar­in einen so star­ken Nach­druck auf Volk, Nati­on und Ras­se, daß er damit auch inner­par­tei­lich auf Ableh­nung stieß (unab­hän­gig von der all­ge­mei­nen media­len Empö­rung!). Spä­ter räum­te er miß­ver­ständ­li­che For­mu­lie­run­gen ein.

Im Kon­text der vor allem durch die APO her­vor­ge­ru­fe­nen Pola­ri­sie­rung schei­ter­te die NPD nach dem Ein­zug in eini­ge Lan­des­par­la­men­te, unter ande­rem in Bay­ern, bei der Bun­des­tags­wahl 1969 knapp an der Fünf­pro­zent­hür­de. Die­se Nie­der­la­ge ver­grö­ßer­te inner­par­tei­li­che Ris­se. Eini­ge radi­ka­le­re Tei­le spal­te­ten sich ab, etwa in Form der »Akti­on Wider­stand«, die teil­wei­se sogar durch gewalt­tä­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se auf­fiel. Sie wand­te sich vor allem gegen die Ost­po­li­tik der sozi­al­li­be­ra­len Koalition.

Nach dem Rück­tritt Adolf von Thad­dens von der Spit­ze der Par­tei 1971 wur­de sie rund zwan­zig Jah­re von dem Rechts­an­walt Mar­tin Muß­gnug eher »ver­wal­tet als geführt«, wie inner­par­tei­li­che Geg­ner des Vor­sit­zen­den beklag­ten. Ins­ge­samt ist aber eine Radi­ka­li­sie­rung nicht zu über­se­hen, beson­ders sei­tens der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on. Die öffent­li­che Stig­ma­ti­sie­rung trug nicht wenig zu For­men des extre­men Aktio­nis­mus bei, der Gemä­ßig­te häu­fig irritierte.

Die deut­sche Ein­heit bedeu­te­te auch für die NPD eine Zäsur. Die Brand­mau­er zu neo­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Krei­sen, etwa zu den Frei­en Kame­rad­schaf­ten, fiel in den 1990er Jah­ren mehr und mehr. Der Nach­fol­ger Muß­gnugs, Gün­ter Deckert, ver­schrieb sich stark der Holo­caust-Pro­ble­ma­tik, was auch inner­par­tei­lich Wider­spruch her­vor­rief. Nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung erziel­te die NPD eini­ge Erfol­ge in den neu­en Bun­des­län­dern. Stets exis­tier­ten im Wind­schat­ten der Par­tei neo­na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Split­ter­ver­bän­de, etwa die Volks­so­zia­lis­ti­sche Bewe­gung Deutsch­lands / Par­tei der Arbeit und die Akti­ons­front Natio­na­ler Sozia­lis­ten / Natio­na­le Akti­vis­ten. Etli­che ent­gin­gen dem Ver­bot nicht.

Der Nach­fol­ger Deckerts, Udo Voigt, setz­te neue pro­gram­ma­ti­sche Akzen­te, behielt aber die sys­tem­op­po­si­tio­nel­le Aus­rich­tung bei. Die Unver­ein­bar­keits­be­schlüs­se gab man nun auch offi­zi­ell auf. In den 2010er Jah­ren kam es (nach eini­gen Erfol­gen in den neu­en Bun­des­län­dern) erneut zum Rück­gang von Stim­men und Mitgliederzahlen.

 

1971: Grün­dung der Deut­schen Volks­uni­on (DVU), zuerst als Ver­ein, spä­ter als Par­tei. Der ver­mö­gen­de Münch­ner Ver­le­ger Ger­hard Frey betrach­te­te sie als eine Art Auf­fang­ge­sell­schaft für abtrün­ni­ge NPD-Mit­glie­der. Stets hat man die feh­len­de per­so­nel­le Basis der Grup­pie­rung moniert, die haupt­säch­lich durch das Medi­en­im­pe­ri­um des Pres­se­za­ren ihre Strahl­kraft erhielt.

An Frey fällt der besitz­bür­ger­li­che wie pro­non­ciert lega­lis­ti­sche Habi­tus auf, der ihn eher als Erben deutsch­na­tio­na­ler Tra­di­tio­nen her­vor­ste­chen ließ, allen mar­ki­gen Sprü­chen der Deut­schen Natio­nal-Zei­tung zum Trotz. Zu eini­gen Kon­ser­va­ti­ven aus dem bür­ger­li­chen Lager (wie den CSU-Poli­ti­kern Theo­dor Maunz und Alfred Seidl) pfleg­te er enge­re Kon­tak­te. Glei­ches gilt für jüdi­sche Reprä­sen­tan­ten wie Mos­he Menu­hin und des­sen Enkel Gerald, der etli­che Kolum­nen für die Natio­nal-Zei­tung ver­faß­te. Die Rest­be­stän­de der DVU unter ihrem letz­ten Vor­sit­zen­den Mat­thi­as Faust fusio­nier­ten 2011 mit der NPD.

 

1983: Die letz­te par­la­men­ta­risch rele­van­te Grup­pie­rung im rech­ten Lager vor Ent­ste­hung der AfD, die »Repu­bli­ka­ner«, kam in Form einer Los­lö­sung von der CSU zustan­de. Deren Abge­ord­ne­te Franz Hand­los und ­Ekke­hard Voigt ver­lie­ßen die Par­tei, nach­dem Franz Josef Strauß einen Mil­li­ar­den­kre­dit für die DDR ein­ge­fä­delt hat­te. Von Anfang an enga­gier­te sich der Jour­na­list Franz Schön­hu­ber, des­sen Auto­bio­gra­phie Ich war dabei in der öffent­li­chen Debat­te weit­hin auf Ableh­nung stieß, in der Füh­rungs­eta­ge der neu­en Kraft. Bald kam es zu Kon­flik­ten inner­halb des Tri­os. Hand­los und Voigt schie­den dar­auf­hin aus und grün­de­ten nach juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen neue Ver­ei­ni­gun­gen, die bald wie­der sang- und klang­los aus der Öffent­lich­keit verschwanden.

Schön­hu­ber führ­te als allei­ni­ger Vor­sit­zen­der die Repu­bli­ka­ner zu eini­gen Ach­tungs­er­fol­gen. So erziel­ten sie bei der baye­ri­schen Land­tags­wahl 1986 drei Pro­zent der Stim­men. Jah­re spä­ter trug der Zwist um erhöh­te Migran­ten­zah­len dazu bei, daß die Par­tei in den Land­tag von Baden-­Würt­tem­berg (1992) ein­zie­hen konn­te. Bald kam es zu den übli­chen Mit­teln gegen rech­te Sys­tem­kri­ti­ker: Der Ver­fas­sungs­schutz wur­de mobi­li­siert, die Medi­en nah­men sich der angeb­li­chen Gefahr an. Hin­zu tra­ten inner­par­tei­li­che Kon­flik­te um die Aus­rich­tung der Par­tei. Auch Schön­hu­bers Nach­fol­ger, der Rechts­an­walt Rolf Schlie­rer, konn­te den Abwärts­trend nicht stoppen.

 

2013: Mit der Grün­dung der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) begann ein neu­es Zeit­al­ter für die­ses poli­ti­sche Spek­trum. Die AfD schaff­te es als ein­zi­ge Kraft der poli­ti­schen Rech­ten sowohl in den Bun­des­tag als auch in alle Landesparlamente.

– – –

 

(1) – Zit. nach Hans W. Schmol­lin­ger: »Die Deut­sche Par­tei«, in: Richard Stöss: Par­tei­en-Hand­buch. Die Par­tei­en in der Bun­des­re­pu­blik 19451980, Opla­den 1983, S. 1025 – 1111.

(2) – Zit. nach Hen­ning ­Han­sen: Die Sozia­lis­ti­sche Reichs­par­tei. Auf­stieg und Schei­tern einer rechts­extre­men Par­tei, Düs­sel­dorf 2007, S. 41.

(3) – Vgl. aus der neue­ren Lite­ra­tur: Mar­tin Will: Ephora­le Ver­fas­sung. Das Par­tei­ver­bot der rechts­extre­men SRP von 1952, Tho­mas Deh­lers Rosen­burg und die Kon­sti­tu­ie­rung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Tübin­gen 2017.

(4) – Vgl. zu die­sen Bemü­hun­gen Nor­bert Frei: Ver­gan­gen­heits­po­li­tik. Die Anfän­ge der Bun­des­re­pu­blik und die NS-Ver­gan­gen­heit, Mün­chen 2012.

 

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