Zaungast

PDF der Druckausgabe aus Sezession 113/ April 2023

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Kositza und ich waren auf der Wagen­knecht-Schwar­zer-Kund­ge­bung in Ber­lin Ende Febru­ar. Deren Auf­ruf für eine deut­sche Frie­dens­po­li­tik war bin­nen weni­ger Tage über eine hal­be Mil­li­on Mal unter­zeich­net wor­den. Der Appell mün­de­te in den Auf­ruf zur gro­ßen Zusammenkunft.

Wir folg­ten ihm, fan­den den Platz vor dem Bran­den­bur­ger Tor über­füllt – das Geschie­be und Gedrän­ge beklem­mend, zumal, weil ein sehr lau­ter Anti­fa-Pulk gegen mög­li­che rech­te Teil­neh­mer und deren Dul­dung demons­trier­te und wir dicht dar­an ent­lang muß­ten. Aber dann hat­ten wir eine ruhi­ge Ecke unter Bäu­men erreicht und ver­folg­ten als Zaun­gäs­te ein Spek­ta­kel mit, in des­sen Ver­lauf unter ande­rem »Mer­kels Gene­ral« Erich Vad ans Mikro­phon trat und den Mili­ta­ris­mus der deut­schen Ukraine­politik herausstellte.

Eine Ver­ab­re­dung mit Anselm Lenz, dem ehe­mals lin­ken Dra­ma­tur­gen und nun zwi­schen den Stüh­len sit­zen­den Her­aus­ge­ber der Zei­tung Demo­kra­ti­scher Wider­stand (DW), war miß­glückt – man bekam kei­ne Ver­bin­dung und hät­te sich sowie­so ver­fehlt. Lenz führ­te aber im Nach­gang ein kur­zes Inter­view mit mir (GK) für sei­ne Zei­tung. Drei Fra­gen und drei Ant­wor­ten dar­aus zei­gen: Er möch­te eine Quer­front, wir sehen sie nicht.

DW: War­um haben Sie sich am 25. Febru­ar der Frie­dens­de­mons­tra­ti­on mit Wagen­knecht und Schwar­zer angeschlossen?

GK: Haben wir uns ange­schlos­sen? Wir haben uns das still und vom Ran­de her ange­schaut. Ich miß­traue die­ser Form pro­fes­sio­nel­len Wider­stands. Mir war zuviel Distan­zie­rung dabei. Zwar ste­he, so die Red­ner, die Atom­krieg-Uhr andert­halb Minüt­chen vor zwölf – aber trotz­dem wol­le man nicht, daß sich die AfD, die Rech­ten, wir also, mit an den Zei­ger häng­ten, um ihn auf­zu­hal­ten. Wir waren also dort, um zwi­schen den Zei­len mit­ge­teilt zu bekom­men, daß »rechts« schlim­mer sei als »Atom­schlag«.

DW: Gibt es nur einen ein­zi­gen Pro­test- und Auf­wach­pro­zeß, der am Ende in der Mit­te zusam­men­fin­den kann? Falls ja, wo wür­de die­se Mit­te etwa lie­gen? In Kas­sel? Im Chris­ten­tum? Gar in der AfD?

GK: Die Quer­den­ker-Demos waren viel macht­vol­ler, viel viru­len­ter, viel unkon­trol­lier­ba­rer als das, was Wagen­knecht auf­führt, das wis­sen Sie selbst doch am bes­ten. Da waren die Bedro­hung durch den Maß­nah­men­staat, sei­ne Ver­lo­gen­heit, sei­ne Über­heb­lich­keit, sein Durch­griffs­rausch so offen­sicht­lich, daß man im Kampf dage­gen buch­stäb­lich nicht mehr nach links und rechts schau­te. Wagen­knecht hin­ge­gen sor­tier­te auf der Büh­ne fein säu­ber­lich die immer schon um Mensch­lich­keit bemüh­te Lin­ke und die schon immer in Pan­zer­schlach­ten den­ken­de Rech­te aus­ein­an­der – erzähl­te also zum einen Quatsch und sprach zum ande­ren als Par­tei­po­li­ti­ke­rin, die jenes Was­ser abzu­gra­ben beginnt, das der­zeit auf die Müh­len der ein­zi­gen ernst­haf­ten Oppo­si­ti­on in Deutsch­land fließt: nach rechts.

Aber Ihre Fra­ge ist damit noch nicht beant­wor­tet, daher: Es gibt seit zehn Jah­ren Ansät­ze – aber es zeigt sich kei­ne Mit­te. Was sich zeigt, ist eine immer brei­ter auf­ge­stell­te Rech­te, gegen die gerie­gelt, gekämpft, gelo­gen wird, kurz: gegen die »die Mit­te« eine tota­le Mobil­ma­chung aus­ge­ru­fen hat. Mir ist die­se Rech­te mitt­ler­wei­le übri­ges schon fast zu harm­los. Sie tut ja manch­mal gera­de so, als han­de­le es sich bloß um einen Irr­tum, daß man sie so bekämpfe.

DW: »Fast zu harm­los«? – Mit der Neu­en Rech­ten wird es also kein Händ­chen­hal­ten, kei­ne Medi­ta­ti­ons-Work­shops und kei­ne Herz­chen­bal­lons geben, indes aus­ge­zeich­ne­te Bücher. Sind Repu­blik, Rechts­staat und Demo­kra­tie mit ­Ihnen drin, Herr Kubitschek?

GK: Erin­nern Sie sich an den AfD-Slo­gan »Deutsch­land. Aber nor­mal«? – Natür­lich erin­nern Sie sich dar­an. Ich hal­te die­se Nor­ma­li­sie­rung tat­säch­lich für das poli­ti­sche Maxi­mum – mehr ist nicht drin. Und wenn Sie sich die drei gro­ßen Pro­test­wel­len anschau­en, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren von rechts ange­scho­ben oder auf­ge­füt­tert wur­den, dann waren – und sind – das alles Empö­run­gen über unstatt­haf­te Ver­än­de­run­gen. Als Ziel wur­de aus­ge­ge­ben: zurück zur Nor­ma­li­tät, zu dem, was nicht schlecht war, wenigs­tens nicht so schlecht wie das, was nun da ist. Schon die­se Rück­kehr wäre eine Revolte.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)