Kositza und ich waren auf der Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung in Berlin Ende Februar. Deren Aufruf für eine deutsche Friedenspolitik war binnen weniger Tage über eine halbe Million Mal unterzeichnet worden. Der Appell mündete in den Aufruf zur großen Zusammenkunft.
Wir folgten ihm, fanden den Platz vor dem Brandenburger Tor überfüllt – das Geschiebe und Gedränge beklemmend, zumal, weil ein sehr lauter Antifa-Pulk gegen mögliche rechte Teilnehmer und deren Duldung demonstrierte und wir dicht daran entlang mußten. Aber dann hatten wir eine ruhige Ecke unter Bäumen erreicht und verfolgten als Zaungäste ein Spektakel mit, in dessen Verlauf unter anderem »Merkels General« Erich Vad ans Mikrophon trat und den Militarismus der deutschen Ukrainepolitik herausstellte.
Eine Verabredung mit Anselm Lenz, dem ehemals linken Dramaturgen und nun zwischen den Stühlen sitzenden Herausgeber der Zeitung Demokratischer Widerstand (DW), war mißglückt – man bekam keine Verbindung und hätte sich sowieso verfehlt. Lenz führte aber im Nachgang ein kurzes Interview mit mir (GK) für seine Zeitung. Drei Fragen und drei Antworten daraus zeigen: Er möchte eine Querfront, wir sehen sie nicht.
DW: Warum haben Sie sich am 25. Februar der Friedensdemonstration mit Wagenknecht und Schwarzer angeschlossen?
GK: Haben wir uns angeschlossen? Wir haben uns das still und vom Rande her angeschaut. Ich mißtraue dieser Form professionellen Widerstands. Mir war zuviel Distanzierung dabei. Zwar stehe, so die Redner, die Atomkrieg-Uhr anderthalb Minütchen vor zwölf – aber trotzdem wolle man nicht, daß sich die AfD, die Rechten, wir also, mit an den Zeiger hängten, um ihn aufzuhalten. Wir waren also dort, um zwischen den Zeilen mitgeteilt zu bekommen, daß »rechts« schlimmer sei als »Atomschlag«.
DW: Gibt es nur einen einzigen Protest- und Aufwachprozeß, der am Ende in der Mitte zusammenfinden kann? Falls ja, wo würde diese Mitte etwa liegen? In Kassel? Im Christentum? Gar in der AfD?
GK: Die Querdenker-Demos waren viel machtvoller, viel virulenter, viel unkontrollierbarer als das, was Wagenknecht aufführt, das wissen Sie selbst doch am besten. Da waren die Bedrohung durch den Maßnahmenstaat, seine Verlogenheit, seine Überheblichkeit, sein Durchgriffsrausch so offensichtlich, daß man im Kampf dagegen buchstäblich nicht mehr nach links und rechts schaute. Wagenknecht hingegen sortierte auf der Bühne fein säuberlich die immer schon um Menschlichkeit bemühte Linke und die schon immer in Panzerschlachten denkende Rechte auseinander – erzählte also zum einen Quatsch und sprach zum anderen als Parteipolitikerin, die jenes Wasser abzugraben beginnt, das derzeit auf die Mühlen der einzigen ernsthaften Opposition in Deutschland fließt: nach rechts.
Aber Ihre Frage ist damit noch nicht beantwortet, daher: Es gibt seit zehn Jahren Ansätze – aber es zeigt sich keine Mitte. Was sich zeigt, ist eine immer breiter aufgestellte Rechte, gegen die geriegelt, gekämpft, gelogen wird, kurz: gegen die »die Mitte« eine totale Mobilmachung ausgerufen hat. Mir ist diese Rechte mittlerweile übriges schon fast zu harmlos. Sie tut ja manchmal gerade so, als handele es sich bloß um einen Irrtum, daß man sie so bekämpfe.
DW: »Fast zu harmlos«? – Mit der Neuen Rechten wird es also kein Händchenhalten, keine Meditations-Workshops und keine Herzchenballons geben, indes ausgezeichnete Bücher. Sind Republik, Rechtsstaat und Demokratie mit Ihnen drin, Herr Kubitschek?
GK: Erinnern Sie sich an den AfD-Slogan »Deutschland. Aber normal«? – Natürlich erinnern Sie sich daran. Ich halte diese Normalisierung tatsächlich für das politische Maximum – mehr ist nicht drin. Und wenn Sie sich die drei großen Protestwellen anschauen, die in den vergangenen Jahren von rechts angeschoben oder aufgefüttert wurden, dann waren – und sind – das alles Empörungen über unstatthafte Veränderungen. Als Ziel wurde ausgegeben: zurück zur Normalität, zu dem, was nicht schlecht war, wenigstens nicht so schlecht wie das, was nun da ist. Schon diese Rückkehr wäre eine Revolte.