Standbilderstürmer

von Simon Kießling -- PDF der Druckfassung aus Sezession 113/ April 2023

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I.

Als die Wel­le der Black-Lives-Mat­ter-Pro­tes­te 2020 vor allem durch die angel­säch­si­schen Län­der schwappt, ist ein Fak­tum eben­so erklä­rungs­be­dürf­tig wie erstaun­lich: denn nichts zieht den Eifer, die Wut, das gewalt­sa­me Ent­la­dung suchen­de Res­sen­ti­ment so auf sich wie die Stand­bil­der der gro­ßen Män­ner im öffent­li­chen Raum.

Am 7. Juni 2020 stürzt und ver­un­stal­tet eine auf­ge­brach­te Men­ge im eng­li­schen Bris­tol die Sta­tue des Skla­ven­händ­lers, Groß­kauf­manns und Phil­an­thro­pen Edward Col­s­ton, um sie anschlie­ßend durch die Stra­ßen zu schlei­fen und im Hafen­be­cken der Stadt zu ver­sen­ken. Am 9. Juni rei­ßen wüten­de Demons­tran­ten die Chris­toph-Kolum­bus-Sta­tue in Rich­mond (Vir­gi­nia) ab und hän­gen dem zer­stü­ckel­ten Tor­so ein Papp­schild mit der Auf­schrift »Völ­ker­mör­der« um. Am 23. Juni fällt das Stand­bild des US-Prä­si­den­ten Theo­do­re Roo­se­velt vor dem Ame­ri­can Muse­um of Natio­nal Histo­ry, und die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung von New York beschließt die Ent­fer­nung der Bron­ze­sta­tue des ­Tho­mas Jef­fer­son aus ihrem Sit­zungs­saal, da man nicht län­ger erdul­den kann, wie der US-Grün­der­va­ter herr­schaft­lich über den Abge­ord­ne­ten thront.

In Deutsch­land und Öster­reich ihrer­seits sind die Lis­ten jener Monu­men­te bereits erstellt, denen es bei nächs­ter Gele­gen­heit an den Kra­gen gehen dürf­te, dar­un­ter ins­be­son­de­re das Dr.-Karl-Lueger-Denkmal am Wie­ner Stu­ben­ring. Der aus einem Ideen­wett­be­werb sieg­reich her­vor­ge­gan­ge­ne Vor­schlag, das Stand­bild um 3,5 Grad »nach rechts« zu kip­pen und dadurch his­to­risch zu kon­tex­tua­li­sie­ren, harrt vor­erst der Durch­füh­rung, wäh­rend vor dem Ehren­mal bereits eine »Schand­wa­che« der lin­ken Stadt­ge­sell­schaft posiert. In Ham­burg ist es das 1906 errich­te­te Bis­marck-Monu­ment im ­Alten Elb­park, das den Zorn einer pro­gres­si­ven Bür­ger­schaft erregt.

Schon läßt sich Ulrich Hent­schel, »Stu­di­en­lei­ter ­Erin­ne­rungs­kul­tur« der Evan­ge­li­schen Aka­de­mie in Ham­burg und Pas­tor der St. Johannis­kirche in Alto­na, mit der Anre­gung ver­neh­men, die Sta­tue zu ent­haup­ten und den abge­trenn­ten Kopf neben den Denk­mals­rumpf zu pla­zie­ren, um die Monu­men­ta­li­tät des Stand­bil­des zu bre­chen. Für die Demons­tran­ten, die sich im Juli 2020 unter dem Mot­to »Otto must fall« im angren­zen­den Park­ge­län­de ver­sam­meln, stellt die Prä­senz eines »bewaff­ne­ten, krie­ge­ri­schen Hel­den« einen Domi­nanz aus­strö­men­den, ein­schüch­tern­den Popanz dar, der im bes­ten Fal­le ent­sorgt gehö­re oder jeden­falls »auf Nor­mal­maß geschrumpft« wer­den müs­se. (1)

In Köln wie­der­um ist das Rei­ter­stand­bild Kai­ser Wil­helms II. auf der links­rhei­ni­schen Sei­te der Hohen­zol­lern­brü­cke ins Visier der Wohl­mei­nen­den gera­ten. »Über­all auf der Welt wer­den Denk­mä­ler von Ras­sis­ten gestürzt. Wil­helm II., unse­rem letz­ten Kai­ser, geht das am kup­fer­nen Pracht­arsch vor­bei«, schreibt der FAZ- und Spie­gel-Jour­na­list Klaus ­Unge­rer am 12. Juni 2020 im Huma­nis­ti­schen Pres­se­dienst, und wei­ter: »Über Jahr­zehn­te oder gar Jahr­hun­der­te ist es den Denk­mä­lern gelun­gen, die von ihnen behaup­te­te Unan­greif­bar­keit tat­säch­lich durch­zu­set­zen. […] Unhin­ter­fragt wir­ken sie in die Welt hin­aus, mit ihrer Pose und ihrem Prunk, mit ihrem Namen und, ja, grund­sätz­lich: mit der Über­ein­kunft, es gebe unfaß­bar groß­ar­ti­ge Men­schen, die über ihre Mit­men­schen wesen­haft hin­aus­rag­ten und die man daher als metal­le­nes Abbild auf einen Sockel stel­len soll­te. […] Denk­mä­ler sind immer lächer­lich, je grö­ßer und pom­pö­ser, des­to alber­ner. Sie wol­len uns zwin­gen, an die Idea­le der Erha­ben­heit zu glau­ben, und die­ser Gedan­ke ist für sich genom­men schon Aus­druck von Unrei­fe, ein vager Nach­hall von Reli­gi­on.« (2)

 

II.

Hier deu­tet sich bereits an, daß die Sta­tu­en und Stand­bil­der nicht nur Angriffs­zie­le wer­den, inso­fern sie feind­li­che Ideo­lo­gien, Staa­ten oder geschicht­li­che Erschei­nun­gen reprä­sen­tie­ren. Viel­mehr löst die öffent­lich-herr­schaft­li­che Dar­stel­lung der gro­ßen Men­schen inzwi­schen ein gene­rel­les Miß­be­ha­gen aus. In sei­ner Schrift über den Welt­staat schreibt Ernst ­Jün­ger: »Daß heu­te die Auf­stel­lung von Stand­bil­dern des Gro­ßen Men­schen an beherr­schen­den Orten zum Wag­nis gewor­den ist, hat man­nig­fa­che Grün­de, die sich jedoch in einer zen­tra­len Ursa­che tref­fen: dem Ermat­ten der geschichts­bil­den­den Kraft. Damit hängt eng zusam­men, daß his­to­ri­sche Grö­ße, per­so­nal ver­kör­pert, unglaub­wür­dig gewor­den ist.« (3)

S0 hat der Sturz der Sta­tu­en und Stand­bil­der zugleich eine meta­his­to­ri­sche Sei­te: Der Unwil­le, den die Prä­senz his­to­ri­scher Grö­ße im öffent­li­chen Raum inzwi­schen evo­ziert, signa­li­siert, daß jenes geschicht­li­che Zeit­al­ter sich dem Ende neigt, in dem der Mensch den Anspruch erhebt, sou­ve­rän die Sze­ne­rie zu beherr­schen. Nach Jün­ger ver­hält es sich nur vor­der­grün­dig betrach­tet so, daß der Mensch als gestal­ten­de Potenz der Erde zu Lei­be rückt, indem er Wis­sen­schaft und Tech­nik zu Las­ten der Natur mobi­li­siert. In Wirk­lich­keit han­delt der Mensch durch­aus nicht (mehr) hoheits­voll und souverän.

Viel­mehr ist es die Erde selbst, die den Men­schen für sich ein­spannt, um ein neu­es erd­ge­schicht­li­ches Zeit­al­ter (einen neu­en tel­luri­schen Groß­zy­klus) ein­zu­läu­ten: »Der Sinn der Erde beginnt sich zu ändern, und die­ser Ein­schnitt trifft in die Schicht, in der Men­schen auf der Erde leben, mit unge­heu­rer Wucht.« (4)

In einem Gebär­pro­zeß befind­lich, stellt die Erde den Men­schen in ihren Dienst: Sie teilt ihm die Auf­ga­be zu, als ihr Agent jene tita­ni­schen Kräf­te, die das neue Erd­zeit­al­ter her­auf­füh­ren, aus dem Urgrund der Erde zu ent­bin­den und aus kos­mi­schen Sphä­ren auf die Erde her­un­ter­zu­len­ken. Indem der Mensch die Welt mit einem »immer dich­te­ren Netz von Dräh­ten und Kabeln, einem Wald von Sen­dern, Emp­fän­gern […] und Anten­nen« über­spinnt, ver­hilft er der Erde dazu, sich ein neu­es Kleid anzu­le­gen. Die Erd­hül­le lädt sich ener­ge­tisch auf, umgibt sich mit einer unsicht­bar lumi­nes­zie­ren­den, imma­te­ri­ell-ver­geis­tig­ten Haut aus Wel­len und Fel­dern, Strah­len und Signa­len: »Man kann anneh­men, daß der Urgrund Ver­geis­ti­gung erstrebt, indem er sich des Men­schen als Medi­ums bedient. […] Die Tech­nik ist pro­ji­zier­ter Geist, wie das Stein­beil ver­län­ger­te Faust gewe­sen ist.« (5)

Indem der Urgrund sich auf­wölbt, geht das Zeit­al­ter der vom Sinn des Men­schen bestimm­ten Welt­ge­schich­te zu Ende, und ein neu­es, von tel­lurisch-kos­mi­schen Kräf­ten beherrsch­tes Zeit­al­ter beginnt. Die Schick­sals­kräf­te wach­sen und neh­men dem Men­schen das Zep­ter der Sou­ve­rä­ni­tät aus der Hand. Längst spürt der Mensch, daß er nicht mehr sta­bil im Zen­trum des Gesche­hens steht und die Sze­ne­rie über­blickt, son­dern von einer unauf­halt­sa­men wis­sen­schaft­lich-tech­ni­schen Bewe­gung fort- und ent­lang­ge­ris­sen wird: daß es unmög­lich gewor­den ist, jenen los­ge­las­se­nen ele­men­ta­ren Kräf­ten wirk­sam und dau­er­haft Ein­halt zu gebie­ten, die längst ihr Eigen­le­ben ent­wi­ckelt haben und der mensch­li­chen Ver­fü­gungs­ge­walt ent­wach­sen sind: »Jede Ent­schei­dung, jede Wahl und jede Dia­lek­tik kann nur das Ja bestä­ti­gen, die Grund­rich­tung fort­set­zen.« (6)

Die tita­ni­schen Kräf­te jener »pro­teus­haf­ten Macht«, die der Mensch ent­fes­selt und deren Schick­sals­haf­tig­keit er sich unter­stellt hat, drin­gen schließ­lich in ihn sel­ber ein: Das Wesen des Men­schen ändert sich, indem Gen­tech­nik, Trans­hu­ma­nis­mus und Künst­li­che Intel­li­genz sei­ne Sub­stanz erfas­sen und ihn in den Wir­bel der gro­ßen Erd­be­we­gung, der kos­mi­schen Umwäl­zung rei­ßen: »Zugleich geschieht etwas mehr, inso­fern als jeder Erobe­rer auch selbst erobert wird.« (7)

So stellt sich die Fra­ge, ob es den tel­lurisch-kos­mi­schen Ener­gien zuletzt gelin­gen wird, den Men­schen aus sei­ner bio­lo­gi­schen Ver­fas­sung her­aus­zu­pres­sen. Daß der Mensch des 21. Jahr­hun­derts die Sta­tu­en und Stand­bil­der nur mehr schwer ertra­gen kann, hängt folg­lich damit zusam­men, daß er sei­nen Rang als sou­ve­rä­nen, unum­schränk­ten Gestal­ter ver­lo­ren hat. Ihre gebie­te­ri­sche, selbst­herr­li­che Hal­tung, die die Welt ihrem Werk und Wil­len unter­wirft, wirkt im Ange­sicht der Ermü­dung der geschichts­mäch­ti­gen Kraft des Men­schen fehl am Platz.

Das stein­ge­wor­de­ne Selbst­be­wußt­sein, das den Men­schen in den Mit­tel­punkt stellt und über die gro­ßen Ent­schei­dun­gen ver­fü­gen läßt, paßt nicht mehr zu jener Hal­tung des gesenk­ten Haup­tes, die einer buß­fer­ti­gen Selbst­wahr­neh­mung ent­spricht. Nicht der ein­zel­ne Han­deln­de steht nun­mehr im Fokus, son­dern anony­me, namen­lo­se, Per­so­na­li­tät zurück­drän­gen­de und Indi­vi­dua­li­tät abschlei­fen­de Kräf­te über­neh­men das Ruder. Der Mensch ist nicht mehr der strah­len­de, unan­greif­ba­re Held der Welt, als den ihn die Sta­tu­en und Stand­bil­der sit­zend, ste­hend oder thro­nend dar­stel­len; er ist viel­mehr angreif­bar, frag­wür­dig gewor­den, emp­fin­det sich selbst als schuld­haft ver­strickt, unzu­läng­lich, ver­bes­se­rungs- und opti­mie­rungs­be­dürf­tig. Schon steht die Muta­ti­on der leib­see­li­schen Exis­tenz des Men­schen als Natur­we­sen zu einer neu­ar­ti­gen, ent­kör­per­lich­ten, bewußt­seins­mo­na­di­schen, suprain­tel­li­gen­ten, sili­zi­um­ba­sier­ten Spe­zi­es als Fanal am Horizont.

 

 

III.

In der Spra­che der Astro­lo­gie, derer sich Jün­ger bis­wei­len beflei­ßigt, bezieht die Erde ein neu­es Haus: Auf das Zeit­al­ter der Fische (der vom Men­schen aktiv gestal­te­ten und ver­ant­wor­te­ten Welt­ge­schich­te, deren mor­pho­lo­gi­sche Zyklen Speng­ler beschreibt) folgt das Zeit­al­ter des Was­ser­manns. Dabei stellt sich die Fra­ge, ob der mensch­li­che Geist die tita­nisch-erd­re­vo­lu­tio­nä­ren Ener­gien so zu hegen ver­mag, daß er imstan­de sein wird, das neue Haus mit zu bezie­hen, wel­ches die Erde betritt.

Oder bleibt im Über­gang in einen neu­en, erd­ver­geis­tig­ten Zeit­groß­raum sei­ne leib­lich-see­li­sche Sub­stanz auf der Stre­cke? Nimmt sich der Mensch, ver­mit­tels der von ihm erson­ne­nen Appa­ra­tu­ren und in Bewe­gung gesetz­ten Kräf­te, am Ende sel­ber aus dem Spiel, um den Weg in das Zeit­al­ter der Tita­nen zu bah­nen? »Es wäre denk­bar«, schreibt Jün­ger, »daß der Zug ohne den Men­schen wei­ter­fährt, der über sei­nen Geschäf­ten die Abfahrt ver­säumt. Es wäre auch denk­bar, daß der Mensch auf ein Neben­ge­leis gescho­ben wird. Das wäre eine Bewe­gung, wie sie im Lauf der Erd­ge­schich­te schon oft­mals statt­ge­fun­den hat.«(8)

Wenn die Per­fek­ti­on der Tech­nik erreicht ist und eine ver­ein­heit­lich­te, künst­lich-auto­ma­ti­sier­te Orga­ni­sa­ti­on an die Stel­le des Orga­nis­mus tritt, könn­te die Frei­heit des Men­schen ent­behr­lich, sei­ne Irr­tums­an­fäl­lig­keit zum Stör­fak­tor wer­den: »Die ratio­na­le Ord­nung gewinnt die Schär­fe des Instinkts. Auf sol­che Ver­ein­fa­chung strebt offen­sicht­lich eine der gro­ßen Ten­den­zen des Welt­plans zu.« (9) Gleich­wohl spielt in Jün­gers Spe­ku­la­tio­nen stets die Hoff­nung eine Rol­le, daß die mensch­li­chen Geis­tes­kräf­te »die gewal­ti­ge Bewe­gung zügeln und sich ihrer wohl­tä­tig bemäch­ti­gen« kön­nen. (10)

Der Mensch bleibt prin­zi­pi­ell auf­ge­ru­fen und befä­higt, nicht nur aus­füh­ren­des Organ der Schick­sals­kräf­te (Agent des erd­geis­ti­gen Trans­for­ma­ti­ons­schu­bes) zu sein, son­dern sich zugleich als akti­ves, bewuß­tes, ver­ant­wor­tungs­be­rei­tes Sub­jekt zu erwei­sen. Wo der Mensch als zur Frei­heit begab­tes Wesen in den Gang der Ereig­nis­se, ja in sei­ne eige­ne Evo­lu­ti­on inter­ve­niert, »kann ein Gesche­hen daher nicht völ­lig deter­mi­niert ablau­fen, weder im mecha­ni­schen noch im zoo­lo­gi­schen noch im astro­lo­gi­schen Sinn«. (11) Frei­heit und Bestim­mung kreu­zen sich und gehen inein­an­der über: »Der mensch­li­che Plan wirkt in den Schöp­fungs­plan hin­ein.« (12)

Wie schon mehr­fach in der Erd­ge­schich­te gesche­hen, bringt die Erde eine neue geo­lo­gisch-ter­res­tri­sche Gestalt her­vor, doch bedient sie sich dazu erst­mals des Men­schen als »ihres klügs­ten Soh­nes« und damit einer mit Bewußt­heit aus­ge­stat­te­ten Potenz. Indem »ein selbst­be­wuß­tes Wesen an der Schicht­bil­dung arbei­tet, tritt Frei­heit, aber auch Ver­ant­wor­tung in die Ent­wick­lung ein. Der Pro­zeß ver­liert sei­nen unmit­tel­ba­ren, schuld­lo­sen Cha­rak­ter, wenigs­tens in gewis­sem Umfang.« (13)

Dem mensch­li­chen Geist, der die schma­le Kup­pe eines rie­si­gen, schick­sal­haft in Bewe­gung gera­te­nen Ber­ges bil­det, kommt die Auf­ga­be zu, »die­ser emi­nen­ten und not­wen­di­gen Bewe­gung einen Sinn zu geben, der sie über die blo­ße Tat­sa­che der zoo­lo­gi­schen, tech­ni­schen und dämo­ni­schen Ver­än­de­rung erhöht«. (14) Obwohl die Ein­wir­kungs­mög­lich­kei­ten des Men­schen nicht zu über­schät­zen sind, bleibt abzu­war­ten, was Wil­lens­frei­heit inner­halb der gro­ßen Erd­be­we­gung aus­rich­ten, ob sie die kos­mi­sche Umwäl­zung sub­stan­ti­ell über­ste­hen kann: »Eine ande­re Fra­ge ist die, was mit­ge­nom­men wer­den kann […] ob Haupt­merk­ma­le der Men­schen­art, vor allem die Wil­lens­frei­heit, in das neue Haus mit­ge­nom­men, ob sie als Erbe ein­ge­bracht oder ob sie dort rudi­men­tär wer­den.« (15)

So könn­te sich der Umgang mit Sta­tu­en und Stand­bil­dern durch­aus als Indi­ka­tor erwei­sen, inwie­fern es gelingt, den Kern­be­stand des Mensch­li­chen auch im Ange­sicht des Tita­ni­schen zu bewah­ren. Solan­ge der Mensch ihren Anblick noch ertra­gen und ihrer Prä­senz noch stand­hal­ten kann, bleibt das Mensch­li­che (sei­ne leib­see­li­sche Exis­tenz eben­so wie sein aus Frei­heit erwach­sen­der Mit­ge­stal­tungs­an­spruch) dem Grun­de nach intakt.

Erst wenn es der­einst dahin käme, daß die letz­ten Stand­bil­der auf­ge­spürt, demo­liert und aus dem Bereich ihrer öffent­li­chen Sicht­bar­keit ent­fernt wer­den, wäre die Zeit des Mensch­li­chen end­gül­tig abge­lau­fen. Die­je­ni­gen, die sich schüt­zend vor Bis­marck, Wil­helm oder Lue­ger stel­len, ver­tei­di­gen mit­hin womög­lich mehr als nur eine natio­nal­ge­schicht­li­che Tra­di­ti­on oder Iden­ti­tät. Es zeich­net sich ab, daß in ihren Bemü­hun­gen das Huma­n­um über­haupt im Feu­er und auf dem Spiel steht.

– – –

 

(1) – Axel Schrö­der: »Streit um Ham­bur­ger Denk­mal: Bis­marck schrump­fen«, deutschlandfunkkultur.de vom 2. Dezem­ber 2020.

(2) – Klaus Unge­rer: »Lang lebe der Völ­ker­mör­der!«, in: Huma­nis­ti­scher Pres­se­dient vom 12. Juni 2020.

(3) – Ernst Jün­ger: »Der Welt­staat. Orga­nis­mus und Orga­ni­sa­ti­on«, in: ders.: Schrif­ten. Eine Aus­wahl, Stutt­gart / Zürich / Salz­burg 1966, S. 335 – 372, hier S. 339.

(4) – Ernst Jün­ger: An der Zeit­mau­er, Stutt­gart 1959, S. 212.

(5) – Ebd., S. 137 und 210.

(6) – Ebd., S. 254.

(7) – Ebd., S. 228.

(8) – Ebd., S. 269 f.

(9) – Jün­ger: Welt­staat, S. 361.

(10) – Jün­ger: Zeit­mau­er, S. 312.

(11) – Ebd., S. 276 f.

(12) – Ebd., S. 200.

(13) – Ebd., S. 246.

(14) – Ebd., S. 263.

(15) – Jün­ger: Welt­staat, S. 362.

 

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