Ukraine? Waffenstillstand und Entspannungspolitik. Was denn sonst?

Wer in Deutschland gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, ist ein Verräter. Er verrät die westlichen Werte, das ukrainische Volk und die amerikanischen Verbündeten. Deutsche Interessen kann er nicht verraten, denn die gibt es nicht.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

In Öster­reich scheint die Stim­mung nicht ganz so auf­ge­heizt zu sein wie hier­zu­lan­de. Vie­le wer­den die Vide­os ken­nen, in denen Mar­kus Reis­ner das Kriegs­ge­sche­hen in der Ukrai­ne nüch­tern kom­men­tiert. Das Beson­de­re: Reis­ner ist nicht nur pro­mo­vier­ter His­to­ri­ker, son­dern auch akti­ver Oberst im öster­rei­chi­schen Bundesheer.

Nun liegt es nahe, daß ein Mili­tär mili­tä­ri­sche Ereig­nis­se nüch­tern ana­ly­siert, weil eine Beur­tei­lung der Lage sonst unmög­lich wäre. Das Beson­de­re: Reis­ner äußert sich im Inter­view mit dem Cice­ro (August 2023) auch zu den Mög­lich­kei­ten des Han­delns, die der Wes­ten hat, und ver­schweigt dabei nicht, für wie kon­tra­pro­duk­tiv er die Kriegs­rhe­to­rik des Wes­tens hält:

Das ken­nen wir auch aus der Ver­gan­gen­heit, wo der Geg­ner ent­mensch­licht wor­den ist: Mit denen kön­nen wir nicht reden, denn wir sind die Guten. Erst im Ver­lauf des Kon­flikts hat man dann gese­hen: So wird das nicht funk­tio­nie­ren, man muss also auf­ein­an­der zuge­hen. Und alle Krie­ge, trotz der Tat­sa­che von Kapi­tu­la­tio­nen, haben in letz­ter Kon­se­quenz am Ver­hand­lungs­tisch geen­det. […] Wir erle­ben eine Lager­bil­dung in Euro­pa. Wie gehen wir damit um? In man­chen Lagern ist es zu einer abso­lu­ten Ver­schär­fung in der Rhe­to­rik gekom­men, wo das Reden mit­ein­an­der aus­ge­schlos­sen wird. Und die Kriegs­par­tei­en leben das seit einem Jahr. Die Rus­sen nen­nen die Ukrai­ner „Faschis­ten“ und „Schwei­ne“, die Ukrai­ner die Rus­sen „Orks“. Es ist eine kom­plett ver­fah­re­ne Situation.

Ähn­li­ches gilt für die Sank­tio­nen, von denen sich mitt­ler­wei­le her­um­ge­spro­chen hat, daß sie nur wenig Ein­fluß auf die rus­si­sche Kriegs­fä­hig­keit haben, dafür aber ins­be­son­de­re Deutsch­land umso mehr schaden:

Es sind genug [Staa­ten, die die west­li­chen Sank­tio­nen nicht unter­stüt­zen] da, dass die Rus­sen ihre Wirt­schaft auf lan­ge Sicht noch am Leben hal­ten kön­nen. Und wenn nicht der berühm­te Schwar­ze Schwan auf­taucht, wird das so bleiben.

Mit letz­te­rem ist ein Ereig­nis gemeint, das die Situa­ti­on völ­lig ändert. Reis­ner bezieht sich hier auf den Ers­ten Welt­krieg und die bol­sche­wis­ti­sche Revo­lu­ti­on in Ruß­land. Auf west­li­cher Sei­te sieht Reis­ner daher nur einen Akteur, der eine Stra­te­gie hat:

Die Ame­ri­ka­ner han­deln als eine Hege­mo­ni­al­macht, die zuneh­mend unter Druck kommt. Das Vor­ge­hen der Rus­sen soll kei­ne Schu­le machen, wo jemand gegen jede Regel han­delt, gegen das Völ­ker­recht und UN-Sicher­heits­rat, weil er glaubt, das ste­he ihm zu. Jetzt kann man argu­men­tie­ren, die Ame­ri­ka­ner han­del­ten nicht anders. Was geschah im Koso­vo, in Liby­en, im Irak und in Afgha­ni­stan? Klar. Aber man darf eines nicht ver­ges­sen: Die Ame­ri­ka­ner sehen sich als die letz­te Super­macht, die nach dem Kal­ten Krieg übrig geblie­ben ist. Für sie gibt es nur ame­ri­ka­ni­sche Inter­es­sen in die­ser Welt. Das mag uns gefal­len oder nicht. Tat­sa­che ist aber auch: Die Euro­pä­er haben zuge­las­sen, dass es nur ame­ri­ka­ni­sche Inter­es­sen in Euro­pa gibt.

Und schließ­lich weist Reis­ner noch dar­auf hin, daß ein Waf­fen­still­stand für bei­de Sei­ten vie­le Vor­tei­le hät­te. Kei­ner müs­se zuge­ben, ver­lo­ren zu haben. Und der Krieg, der auf bei­den Sei­ten täg­lich Men­schen­le­ben kos­tet und jeder­zeit wei­ter eska­lie­ren kann, wäre zumin­dest für den Moment been­det. Den Grund, war­um nie­mand im Wes­ten die Initia­ti­ve ergreift, sieht Reis­ner in der feh­len­den Kriegs­er­fah­rung der jet­zi­gen Politikergeneration:

Wür­de die Erleb­nis­ge­ne­ra­ti­on des Zwei­ten Welt­kriegs noch leben, wäre der eine oder ande­re wegen die­ser Erfah­rung in ernst­haf­te Ver­hand­lung gegan­gen. […] Die hät­ten viel­leicht gesagt, wenn ein Poli­ti­ker nach Brüs­sel fährt: Du weißt, was ich erlebt habe. Das möch­te man nie mehr haben. Es ist egal, wie du zurück­kommst, aber wir brau­chen einen Kompromiss.

Auch in Deutsch­land gibt es genü­gend Stim­men, die sich ähn­lich äußern. Aller­dings müs­sen sie hier­zu­lan­de damit leben, als Ver­rä­ter und Rus­sen­knecht beschimpft zu wer­den. Die­se Bür­de neh­men nur weni­ge Leu­te auf sich, die noch etwas zu ver­lie­ren haben. Sie sind daher ent­we­der pen­sio­niert (wie die Ver­fas­ser des jüngs­ten Vor­schlags eines Ver­hand­lungs­frie­dens), unab­hän­gig oder poli­tisch für AfD oder Links­par­tei tätig. Die Main­stream­par­tei­en und Behör­den ste­hen geschlos­sen hin­ter der ame­ri­ka­ni­schen Agenda.

Es gibt aber auch immer wie­der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler, die sich nicht damit abfin­den kön­nen, daß ihr Fach zum Erfül­lungs­ge­hil­fen trans­at­lan­ti­scher Hyper­mo­ral degra­diert wird. Johan­nes Var­wick wäre hier zu nen­nen, aber auch die Her­aus­ge­ber des Sam­mel­ban­des Ukrai­ne­krieg. War­um Euro­pa eine neue Ent­span­nungs­po­li­tik braucht (Wes­tend­ver­lag 2023).

Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Ste­fan Luft, einer der Her­aus­ge­ber, ist eini­gen Leser evtl. noch als jemand in Erin­ne­rung, der bereits in den 2000er Jah­ren Bücher zu Migra­ti­ons­kri­se und Aus­län­der­fra­ge ver­öf­fent­licht hat. Er ist neu­rech­ter Posi­tio­nen unver­däch­tig, und ver­mut­lich ist es ihm des­halb gelun­gen, Klaus von Dohn­anyi für ein Inter­view zu gewin­nen, das eini­ge Posi­tio­nen, die in Dohn­any­is Buch Natio­na­le Inter­es­sen ent­hal­ten sind, zu erläu­tern und zu aktualisieren.

Im Zen­trum des Buches steht die For­de­rung nach einer neu­en Ent­span­nungs­po­li­tik. Die­se wird dem­zu­fol­ge nicht als Ursa­che des rus­si­schen Angriffs gese­hen, son­dern als ein Teil der Lösung des Kon­flikts. Das erschließt sich aus den Bei­trä­gen, die sich den Hin­ter­grün­den des gegen­wär­ti­gen Krie­ges widmen.

Das meis­te dürf­te dem auf­ge­klär­ten Zeit­ge­nos­sen bekannt und daher wenig über­ra­schend sein, daß es viel um den ame­ri­ka­ni­schen Anteil an dem Kon­flikt geht. Für rech­te Leser sind man­che For­mu­lie­run­gen sicher etwas gewöh­nungs­be­dürf­tig, z.B. wenn die „Neue Rech­te“ für den Ein­fluß des mili­tä­risch-indus­tri­el­len Kom­ple­xes auf die ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik ver­ant­wort­lich gemacht wird. Die Wort­wahl erklärt sich dar­aus, daß das Buch in einem dezi­diert lin­ken Ver­lag erschie­nen ist.

Als Fol­gen des Ukrai­ne­krie­ges sieht der fran­zö­si­sche Geo­wis­sen­schaft­ler David Teur­trie vier Einsichten:

  1. Die Ein­stim­mig­keit des Wes­tens ist eine Fol­ge der Kri­sen, denen er aus­ge­setzt ist, also folgt sie aus einer Schwä­che des Westens.
  2. Der Wes­ten ist iso­liert, der Rest der Welt bemüht sich um Neutralität.
  3. Euro­pa ist durch die Hörig­keit gegen­über den USA poli­tisch geschwächt.
  4. Die Spal­tun­gen in Euro­pa wer­den offensichtlich.

Es gäbe also allen Grund, nach einer Lösung des Kon­flikts zu suchen. Statt­des­sen wer­de er mit Waf­fen­lie­fe­run­gen und Sank­tio­nen wei­ter ange­heizt. Die Wirk­sam­keit von letz­ten unter­sucht der fran­zö­si­sche Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Jac­ques Sapir in sei­nem Bei­trag detail­liert und kommt zu dem Schluß, daß die­se ihr Ziel nicht errei­chen und das Poten­ti­al haben, zu einem zeit­lich ver­zö­ger­ten Bume­rang-Effekt zu füh­ren, der die EU am meis­ten tref­fen wird.

Inter­es­sant ist schließ­lich ein Bei­trag des Her­aus­ge­bers Luft, der sich der Trans­for­ma­ti­on der Grü­nen von der Pazi­fis­ten- zur Bel­li­zis­ten­par­tei wid­met. Die­ser Wan­del betrifft nicht nur die grü­nen Poli­ti­ker, son­dern auch deren Wäh­ler, die zu 72 Pro­zent der Erhö­hung des Wehr­etats zustim­men, ein Wert, der nur von FDP- und CDU-Wäh­lern über­trof­fen wird.

Die Ursa­chen für den Bel­li­zis­mus sieht Luft in der Wer­te­fi­xiert­heit der Grü­nen. Deren wer­te­ge­lei­te­te Poli­tik sei abso­lu­tis­tisch, uni­ver­sa­lis­tisch und inter­ven­tio­nis­tisch, mit ande­ren Wor­ten tota­li­tär. Ein dua­lis­ti­sches Welt­bild und mora­li­sche Dop­pel­stan­darts sei­en dabei kein Hin­der­nis, im Gegen­teil: „Wer­te­po­li­tik ist nicht ohne Wider­sprü­che zu haben.“

Daher sein Plä­doy­er für eine inter­es­sen­ge­lei­te­te Ent­span­nungs­po­li­tik, die nicht geschei­tert sei, weil sie nicht ver­sucht wurde:

Geschei­tert sind die Aus­gren­zung und Kon­fron­ta­ti­ons­po­li­tik der USA und der NATO seit den frü­hen 2000er-Jah­ren gegen­über Russ­land. Dies aus­ein­an­der­zu­hal­ten ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für Frie­dens­po­li­tik auf dem eura­si­schen Kon­ti­nent. Auf­rüs­tung und Iso­la­ti­on füh­ren noch tie­fer in die Sack­gas­se und ver­fes­ti­gen die Kon­fron­ta­ti­on. Wenn der Geg­ner zum Feind wird, sein „Ruin“ (Baer­bock) bezweckt wird, wer­den Hass und Aggres­si­on die inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen dau­er­haft prä­gen. Wei­te­re mili­tä­risch aus- getra­ge­ne Kon­flik­te sind die Folge.

– – –

San­dra Kost­ner / Ste­fan Luft: Ukrai­ne­krieg. War­um Euro­pa eine neue Ent­span­nungs­po­li­tik braucht, Wes­tend­ver­lag 2023, 348 Sei­ten, 24 Euro – hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (23)

ede

31. August 2023 22:40

Volle Zustimmung. 
Mehr habe ich nicht zu sagen. 

Gotlandfahrer

1. September 2023 00:39

Die Analyse Reisners geht fehl. Sie setzt einen angeschlagenen, aber rational handelnden Spieler USA voraus: Klar, Machterhaltung will er, geht über Leichen, aber wenn’s sein müsste würde doch wohl Kompromisse machen (Waffenstillstand, Verhandlung, Unentschieden, nach Hause gehen). The Show must go on, Business as usual, it’s the economy, stupid!
Das ist aber nicht das, was passiert. Wenn es so wäre, schmisse der Ami zwar uns unter den Bus, aber nicht seine „eigenen“ Leute. Hier ist nicht nur eine „unerfahrene Politikergeneration“ am Werke. Es ist auch nicht eine Kultur, die spenglerhaft ans Ende kommt (wie auch ich vor Corona noch annahm, halt Dekadenz, weil’s uns zu gut geht). Nein!
Die „Erlebnisgeneration des Zweiten Weltkriegs“ (wie man eine Vergewaltigte heute „Erlebende“ nennt!) würde heute genauso in Verhandlung gehen können, wie sie es damals konnte: Gar nicht. Wie auch wir nicht. Der Gegner verhandelt nicht, denn er lebt davon, dass er sich unser durch arglistige Täuschung bedient. Was soll nach einer Verhandlung herauskommen? Oh, das Geldsystem, Dein Bewusstsein, alles in meiner Hand, aber gut, jetzt halt ein bisschen fairer? Es gibt für ihn nur weiter herrschen oder untergehen, to be or nato be. Wenn es vorbei ist: Verbrannte Erde hinterlassen. Gern per Krieg, aber auch mit hinterhältigen Giften, Psycho- und Politterror und Waffen aus dem Geo-Engineering Arsenal.
Es wird keine Entspannungspolitik geben, solange Politik nicht von denen gemacht werden kann, die sie betrifft.

Laurenz

1. September 2023 00:39

Reisner hat sich etwas gewandelt, im ersten halben Kriegsjahr waren seine Kriegs-Betrachtungen ukraine-freundlicher. Egal, von welcher Seite Videos kommen, sie zeigen alle dasselbe, Krieg in Europa. Der Konflikt weitet sich politisch nach Afrika aus, wobei hier die militärischen Maßstäbe minimalistisch sind. https://www.zerohedge.com/geopolitical/victoria-nuland-appeared-desperate-during-africa-tour-us-backed-leaders-overthrown & https://www.youtube.com/shorts/-yDFDoKY3Lo?feature=share & https://www.youtube.com/shorts/_pdL3AFP0Us?feature=share
Der von EL (zurecht) vertretene Waffenstillstand oder gar eine Friedenslösung wird schwierig. Der Westen hatte die Russen zu lange verarscht & müßte in eine gravierende Vorleistung treten. Daran besteht seitens der USA kein Interesse, außer DC würde bei der nächsten Wahl republikanisch. Der Krieg hat auch innenpolitische Konsequenzen in Europa, begründet mit den Aufstieg der AfD als Friedenspartei. So, wie es jetzt aussieht, wird der Stellungskrieg irgendwann ökonomisch entschieden. EU, NATO & die Ukraine werden verlieren, was eine Demilitarisierung der Ukraine zur Folge haben wird. Nach dem Krieg wird sich der Russische Druck auf ganz Europa erhöhen. Schluß mit lustig.

Siriusstar

1. September 2023 10:26

Deutschland braucht eine Pendelpolitik. 

RMH

1. September 2023 10:29

"Wer in Deutschland gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, ist ein Verräter. Er verrät die westlichen Werte, das ukrainische Volk und die amerikanischen Verbündeten."
1. Er ist kein Verräter, er steht nur lediglich auf einem Stand der Debatte, die man eigentlich VOR dem sich deutlich zeigenden Einmarsch Russlands in die Ukraine hätte führen müssen. Sie jetzt immer noch zu führen zeigt, dass man den Schuss im wahrsten Sinne des Wortes offenbar nicht gehöhrt zu haben scheint. Nach mehr als anderthalb Jahren Krieg ist die Debatte eine gänzlich andere. Und natürlich lässt man jetzt, mitten im Fluss, die Ukraine im Stich, wenn man meint, na gut, dann ziehen wir uns von heute auf morgen eben zurück und überlassen das Land seinem Schicksal. Das kann man vetreten, nur hat man eben genau darauf auch hinzuweisen, dass einem die Ukraine scheiß-egal ist und einem kurzfristig eine vermeintliche Ruhe lieber ist. Es ist nicht böse, so eine Haltung einzunehmen, es ist nur die Frage, ob damit wirklich Deutschen Interessen gedient ist (warum sollten dann bspw. die ukrainischen Flüchtlinge jemals wieder zurück kehren oder warum sollten dann sich nicht bspw. noch viel mehr Ukrainer auf den Weg zu uns machen? Und das ist nur 1 Punkt. Eine Befriedung des gasamte Intermarium-Raumes wird mit einem Sieg Russlands, und darauf läuft es hinaus, wenn man jetzt nichts mehr macht, nicht stattfinden. Dann gibt es eben die nächsten, Polen bereitet sich ja schon darauf vor und rüstet massiv auf).

RMH

1. September 2023 10:38

2. Stand heute zeigt sich zudem das, was sich mit dem Überschreiten des Rubikon schon gezeigt hat, dass es überhaupt nicht darauf ankommt, ob in den USA oder dem Rest der Nato jemand verhandeln will. Der Artikel unterstellt irgendwie, dass nur USA/Nato Verhandlungsbereitschaft signalisieren müssten und schon fände eine Konferenz statt, bei der dann die Ukraine schön aufgeteilt wird und alle leben friedlich bis an ihr Lebensende weiter ... dem ist nicht so. Warum sollte Russland nach dem Einsatz, den es gebracht hat, überhaupt verhandeln wollen? Zum Verhandeln gehören immer 2. Der Hauptgrund, warum Russland den Krieg angefangen hat war doch, dass es mit Verhandlungen aus seiner Sicht nicht zu den Ergebnissen gekommen ist, die es wollte. Also dachte man in R., man haut mit der Eisenhand einmal ordentlich auf den Tisch in der Hoffnung, dass dann die Spielfiguren in der Ukraine umkippen und man sie neu aufstellen kann, Das hat nicht geklappt und ganz am Anfang gab es dann ein kurzes Zeitfenster für Verhandlungen, die bekanntermaßen gescheitert sind.

Maiordomus

1. September 2023 10:40

Ich möchte Ihnen, Herr Dr. Lehnert, für ihre regelmässig besonnenen und analytisch wegweisenden Kommentare meine Hochachtung aussprechen. Sie rechtfertigen für diese Art Beiträge ihr Engament mit dem Namen "Staatspolitik". 

RMH

1. September 2023 10:45

3.  Wenn man heute Stimmen aus R., wie bspw. die von Medwedew, ernst nimmt, dann gibt es keine Verhandlungen sondern es findet das statt, worauf Orban vor kurzem im Interview mit T. Carlson hingewiesen hat. "Was am Ende zählen wird, sind Stiefel auf dem Boden, und die R. sind viel stärker und zahlreicher als die Ukr." Also, warum sollte R. verhandeln? Und im Ergebnis, ganz nüchtern: Warum sollten die USA/Nato dann verhandeln, wenn auf dem Verhandlungstisch nichts zu erreichen ist und wenn es jeden Tag weniger russische Stiefel gibt? Die USA verhandeln erst dann, wenn R. so schwach zu werden droht, dass es gegen China nicht mehr in Stellung gebracht werden kann, denn die USA haben - entgegen allen Unkenrufen im politisch alternativen Raum - gerade kein Interesse an einem Zefall Russlands. Solange R. mit China arbeitet und sich noch ukr. Stiefel finden, die kämpfen wollen, wird es daher keine Verhandlung geben - außer Trump kann den deus ex machina spielen. Nächstes Jahr wird also spannend. Es ist mithin vollkommen egal, ob man als Deutscher für oder gegen Waffenlieferungen war oder ist, denn diese Debatte hätte vor dem Krieg geführt und gewonnen werden müssen. Heute sind die Interessen Ds durch die in anderthalb Jahren geschaffenen Fakten so, dass mehr für Waffenlieferungen spricht, als dagegen.

Karl Otto

1. September 2023 11:40

Ich bin kürzlich im Zug neben einem Ehepaar aus Litauen zu sitzen gekommen. Habe mich dann mit denen länger unterhalten, auf Englisch. Natürlich auch über den Krieg, und für die ist es vollkommen klar, dass Russland der Feind ist, und sonst nichts. Der Mann sagte, seinen Vater hätten die Russen nach Sibirien verschleppt und er selber durfte als junger Mann nicht den Beruf erlernen, den er gerne wollte, die Russen schrieben ihm vor was zu tun war. Er sagte, wenn dass Sytsem Putin nicht zumindest deutlich geschwächt aus dem Krieg hervorgeht, gibt es keinen Frieden in Europa, er wird immer weiter machen. Die Mafia macht keinen Frieden, sie muss ja weiter stehlen wenn sie leben will.
Sehe ich ähnlich.

Artabanus

1. September 2023 11:53

Das Problem der UKR Regierung ist, dass das beste Verhandlungsergebnis für sie, dass sie im Moment herausholen könnte in jedem Falle viel schlechter sein wird als das ursprüngliche Minsker Abkommen. Die hunderttausenden Toten und Verwundeten also völlig sinnlos geopfert worden sind. Gleichzeitig arbeitet die Zeit im Moment für Putin. 
Die extremistische Bandera-Ideologie ist krachend gescheitert. Der Westen und insbesondere die EU kann sich den Krieg wirtschaftlich nicht mehr lange leisten. Falls Putin nicht völlig degeneriert ist wird er nur einem Waffenstillstand a la November 1918 zustimmen, d.h. de facto Kapitulation der UKR Regierung.

Le Chasseur

1. September 2023 12:09

@RMH
"Der Artikel unterstellt irgendwie, dass nur USA/Nato Verhandlungsbereitschaft signalisieren müssten und schon fände eine Konferenz statt, bei der dann die Ukraine schön aufgeteilt wird und alle leben friedlich bis an ihr Lebensende weiter"
Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Lösung geben könnte, in der die Ukraine nicht aufgeteilt wird. Diese Lösung wird aber nicht an Russland, sondern an den Amerikanern scheitern, weil diese Lösung eine Neutralität der Ukraine beinhalten müsste.
"Zum Verhandeln gehören immer 2. Der Hauptgrund, warum Russland den Krieg angefangen hat war doch, dass es mit Verhandlungen aus seiner Sicht nicht zu den Ergebnissen gekommen ist, die es wollte."
Es gab Minsk I und II, beide Abkommen wurden von der Ukraine gebrochen. Heute wissen wir anhand von Aussagen diverser Akteure (Merkel, Hollande, Selenskyj, Poroshenko...) dass die ukrainische Führung nie die Absicht hatte, die Abkommen einzuhalten. Es ging lediglich darum, Zeit zur Aufrüstung zu gewinnen. Und das ist eben das Problem: Es besteht keinerlei Vertrauensbasis mehr. Soll Russland tausende seiner Soldaten opfern, um dann am Ende mit einem Minsk III dazustehen, dass dann früher oder später auch wieder gebrochen wird?

Laurenz

1. September 2023 12:47

@RMH .... Wenn ich Ihren Beitrag lese, kann ich auch die Tagesschau konsumieren, die ihre Skripte direkt aus der US-Botschaft bekommt. 1. Seit 2014 tobt im Osten der Ukraine ein Bürgerkrieg, Selenskyj versprach diesen friedlich zu beenden & die Minderheiten-Rechte im Osten, wie im Westen zu schützen. Selenskyj tat das genaue Gegenteil, er führte den Bürgerkrieg weiter & schränkte die Minderheiten-Rechte weiter ein. 2. Es gab ein Abkommen, Minsk II. Merkel hatte aber gar nicht die Absicht, dieses einzuhalten, sondern der Ukraine nur Zeit für die Aufrüstung zu verschaffen. https://www.n-tv.de/politik/Merkels-Saetze-und-Putins-Luegen-article23819323.html Ihnen, RMH, sind halt die Minderheiten, die lokale Mehrheiten darstellen, scheißegal. 3. Man kann nicht an einer Weltmacht vorbei debattieren oder agieren, weder an Rußland, noch den USA. Schauen Sie Sich in dieser ZDF-Laberschau https://youtu.be/VjjCoCDwvtg die Position Gaulands an & die Positionen Seiner Kontrahenten, die komplett die militärische Geschichte des Westens nach dem II. Weltkrieg, speziell nach 1990 bewußt ignorieren. Das machen Sie genauso. 4. Die NATO hat überhaupt keine nennenswerten Stiefel auf dem Boden, schon gar keine, die für den Klima-, Gender- & Wertestaat fallen wollen. Ich habe Olaf Fritsche oben ja nicht des Spaßes willen zitiert.

Laurenz

1. September 2023 12:53

@RMH (2) Was machen Sie denn, wenn an allen nennenswerten deutschen Flughäfen, Häfen, relevanten Bahnhöfen, dem Regierungsviertel & Fliegerhorsten die Raketen einschlagen? Genau, Sie hängen ein weißes Bettlaken aus dem Fenster. Weder Sie, RMH noch all die ganzen Polithanswurste sind bereit, über den jetzigen Krieg hinaus zu denken. Der Westen, im speziellen die G7-Staaten sind alleine mit ihrer Haltung. Der Rest des Planeten nutzt den teuren Krieg, um sich endlich vom Westen & seiner Dominanz loszueisen.

FraAimerich

1. September 2023 16:05

“It is not against the West as such we are fighting. We are fighting against the pretension of the West to be universal, to be the measure of things, we are fighting against the refusal of the West to consider that Russian culture, Russian political system, Russian society can be built on totally different principles.
So the West doesn't accept any alternative to its principles. And when the West still follows this line of kind of behavior, we have no chance to stop the war,” Alexander Dugin told Sputnik.

Sandstein

1. September 2023 17:53

Guter EL, kann man so stehen lassen. 
"Es ist mithin vollkommen egal, ob man als Deutscher für oder gegen Waffenlieferungen war oder ist, denn diese Debatte hätte vor dem Krieg geführt und gewonnen werden müssen. Heute sind die Interessen Ds durch die in anderthalb Jahren geschaffenen Fakten so, dass mehr für Waffenlieferungen spricht, als dagegen." 
Das hingegen ist ausgemachter Quatsch. Also ein Besucher (USA) zündet im Nachbargarten (Ukraine) paar Dynamitstangen, und weil das so ist, soll man jetzt mit weiteren Dynamitstangen nachlegen. Dass die USA eine raumfremde Macht sind, die mit ihrem perfiden Farbenrevolutionen nur Unheil anrichten, unterschlagen Sie gekonnt. Den Wirtschaftskrieg hat Deutschland (und damit Europa) bereits verloren. Insofern haben Sie auf eine zynische Art und Weise Recht mit der Aussage, dass es jetzt zu spät ist. Aber jedes weitere Kriegsjahr macht die Folgen für Deutschland und Europa noch heftiger. Ich sehe nicht, wie ein ukrainischer Sieg zustande kommen sollte. Ihnen fehlt hier evtl. auch eine militärische Perspektive. Aber sei's drum, so transatlantisches Geschwätz ist man von Westdeutschen (Stockholm-Syndrom in Reinform) gewohnt.

Le Chasseur

1. September 2023 20:33

Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel hat ein ausführliches Interview mit General a.D. Harald Kujat zum Thema Ukraine-Krieg geführt: "Krieg ist für Selenskyj ungewinnbar"
https://www.youtube.com/watch?v=gdRLAGORQaQ
 

RMH

1. September 2023 20:43

@Laurenz,
immer wieder schön zu sehen, wie sie über die Beiträge anderer hinwegfegen, statt sie zu lesen. Stattdessen spulen sie dann eben ihre Standards ab.
@Le Chasseur, "Es gab Minsk I und II, beide Abkommen wurden von der Ukraine gebrochen." Das spricht nicht gegen meine These, dass die Russen gerade weil die Verhandlungen nicht zu den von ihnen gewünschten Ergebnissen tragfähig geführt haben, dann eben zu anderen Mitteln griffen.
@Sandstein,
wenn Ihnen außer "von Westdeutschen" nichts großartig Neues einfällt, dann liege ich sicher nicht ganz verkehrt. Die Diskussion ist heute eine andere, als vor dem Krieg und man kann mit Fug und Recht den Administrationen seit Ende Kohl vorwerfen, keine echte eigenen Interessen - über billiges Gas hinaus - entwickelt zu haben und gedacht zu haben, man kann irgendwie sich gewinnbringend mit beiden Seiten arrangieren (was eigentlich ja nachvollziehbar ist, aber eben kurzsichtig). Im Übrigen bin ich kein Westdeutscher, ich bin ca. 80km südlich von Meiningen geboren, was Geister ihres Kalibers ja zum Osten zählen (ich zähle das zur Mitte).

Laurenz

1. September 2023 21:24

@Karl Ottowenn dass Sytsem Putin nicht zumindest deutlich geschwächt aus dem Krieg hervorgeht, gibt es keinen Frieden in Europa, er wird immer weiter machen.... Was hat denn Putin gemacht? Er hat sich Ossetien einverleibt, als Georgien in die NATO eintreten wollte. Er hat den Aufstand in Tschtschenien niedergeschlagen, Belarus & Kasachstan nach westlichen Geheimdienstoperationen stabilisiert & 300 Mann nach Venezuela geschickt. Er ist 2015 nach Syrien, als Syrien, wie Libyen aufgrund westlicher Aggression zu kollabieren drohte. Im Vergleich dazu, schauen Sie hier https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Milit%C3%A4roperationen_der_Vereinigten_Staaten 
Die Baltischen Deppen sind selbst schuld, wenn sie in 10 Jahren wieder komplett unter Russischer Kontrolle stehen. Man hätte einfach nicht in die NATO gedurft. Die NATO bietet keinerlei Sicherheit, von daher eh sinnlos. Als Alternative hätte man ein osteuropäisches Verteidigungsbündnis abschließen können. Die USA würden sofort Kuba angreifen, Mexiko oder Kanada, wenn dort chinesische Truppen stationiert würden. https://de.wikipedia.org/wiki/Monroe-Doktrin

Umlautkombinat

1. September 2023 22:06

> was Geister ihres Kalibers
 
Muss das sein? Die gekraenkten Eitelkeiten hier sind mitunter anstrengend. In den meisten Faellen duerfte das Gegenueber aber nur ein Datenpunkt im Internet sein. Sein realer Geist ist sicher fuer diese Diskussionen so hinreichend wie Ihrer.  

Laurenz

1. September 2023 22:57

@RMH ... warum lesen Sie Ihre Eigenen Beiträge nicht? Hier, schon öfter gepostet. 2 Jahre alt. ARTE-Die Rückkehr des Russischen Bären..... https://youtu.be/lwjzF_EO-i0 Damit ist die Debatte über die Kuhtreiber & ihre Absichten bezüglich Rußlands hoffentlich beendet, auch wenn Amann, Kiesewetter & Co. davon angeblich noch nie was gehört haben. Alles vaterlandslose Gesellen.

Franz Bettinger

2. September 2023 03:17

Ich bin skeptisch. Was soll bei einem solchen inside-the box-Vortrag neu für uns herauskommen, was wir nicht längst von anderen (wie General Kujat, Oberst Reisner...) erfahren haben? Und auch die zwei liegen wahrscheinlich falsch. Sie können nicht out-of-the-box denken. Was diese alt-modischen Kriegs-Leute alle nicht auf dem Schirm haben, ist die Möglichkeit, dass der Ukrainekonflik ein ganz anderes Kriegsziel hat, nämlich Deutschland zu zerstören & Europa. Und das scheint zu gelingen. Wir haben sozusagen bereits unsere ganze Armee (angeblich zugunsten der Ukraine) zerschlissen, wir haben viele Mrd. Euro im Orkus, d.h. bei den US-Waffenhändlern versenkt, und wir werden für den Wiederaufbau der korrupten Ukraine noch viel blechen müssen. Dieser Krieg ist nichts als eine Schlacht unter vielen im Gleichschritt der Globalisten (Corona-Maßnahmen, lockdowns, Maskenzwang, Impfzwang, Verbrenner- & Heizungs-Gesetz, Energiewende ins Nichts... und gerade frisch aus dem Ofen das EU-Zensur-Gesetz). Ich glaube: Putin ist einer vom WEF.

das kapital

2. September 2023 09:03

Danke Herr Lehnert für diesen wirklich wohltuenden Artikel. Europa zum Kriegs-schauplatz zu machen widerspricht europäischen Interessen ganz und gar. Zwei schreckliche Weltkriege haben wir hinter uns, einen dritten können wir nicht brauchen. Nicht mal, wenn er von den transatlantischen Freunde angefacht wird, die nur sich kennen, egal wieviel Tote und wieviel Zerstörung es gibt. Sind ja nur Europäer, die sich da gegenseitig niedermetzeln. Sind ja nur 2 christlich geprägte Nationen. Tut den Amerikanern ja nicht weh, also was soll es. Schweinische Geopolitik auf Kosten der Europäer. Und die Schweine stehen als Edelleute da, die das absolut Böse bekämpfen. Während tatsächlich ein Stellvertreterkrieg der transatlantischen Oligarchen stattfindet, welche die russischen Oligarchen aus dem Geschäft drängen wollen. Und die Europäer - insbesondere die Deutschen - so nebenbei mit vernichten. Da liegt kein Segen drauf. Der ukrainische Markt für Landmaschinen und für Getreide scheint schon in wesentlichen Teilen in amerikanischer Hand zu liegen. Die Völker werden verheizt, die Industrie flieht aus Europa, weil es kein sicherer Ort mehr ist. Das hier in den Regierungen Europas und in der EU alle nur Helfershelfer der Zertrümmerung sind, zeigt, wer hier wirklich herrsch. Die europäischen Völker sind es nicht. Europa wird von Amerika durchregiert, wie eine hilflose geschlagene Frau von ihrem Vergewaltiger.

Laurenz

2. September 2023 09:09

@Franz Bettinger ... Putin ist einer vom WEF.... Ist das irgendwie zu belegen? Oder ist das nur Deiner Sucht nach Verschwörung, dem Auffinden des Teufels geschuldet? Rußland hat keine Staatsschulden. Ist also schwer, finanziell in Abhängigkeiten zu bringen. Ehrlich gesagt, würde ich als Staatschef oder Chefdiplomat auch bei den WEF-Treffen teilnehmen. Man kann nur Einfluß nehmen oder Infos abgreifen, wenn man dabei ist. Dein Verständnis von Politik, ist, wie bei vielen Rechten, ein irreales. Im Grunde sind viele Rechte mit einem Grünen Verständnis von Politik geschlagen, was im Grunde völlige Ahnungslosigkeit beweist.

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