Den Übermenschen überwinden – Stefan Magnets neues Buch

PDF der Druckfassung aus Sezession 113/ April 2023

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Ste­fan Magnet ist der Kopf des öster­rei­chi­schen Online-Sen­ders AUF1, der sich seit sei­ner Grün­dung im Jahr 2021 zu einem füh­ren­den Medi­um der dis­si­den­ten Sze­ne und ins­be­son­de­re der Coro­na-Pro­test­be­we­gung ent­wi­ckelt hat.

Wäh­rend das Staats­fern­se­hen ORF sei­ne eige­ne ideo­lo­gi­sche Vor­ein­ge­nom­men­heit und Ein­sei­tig­keit leug­net und sich Ser­vus-TV aus dem Hau­se ­Mate­schitz als sach­lich-objek­ti­ves Kor­rek­tiv ver­steht, macht der Mar­ke­ting-Meis­ter Magnet aus sei­ner Par­tei­lich­keit und Mis­si­on kei­nen Hehl: Nicht nur Auf­klä­rung, son­dern auch Kampf gegen die »glo­ba­le Agen­da« ist sein dekla­rier­tes Ziel. Dadurch hat er sich in eine Rol­le manö­vriert, die ihn dazu zwingt, zu jeder düs­te­ren War­nung, »Ent­hül­lung« oder Pro­gno­se, die bei­na­he täg­lich auf dem Tele­gram-Kanal von AUF1 (rund 242 000 Abon­nen­ten) erscheint, auch Hoff­nung und Mut­ma­chen­des mitzuliefern.

Schon sei­ne ers­te Stel­lung­nah­me zur »Plan­de­mie« aus dem Jahr 2020, das Buch Nach Coro­na, trug den Unter­ti­tel: »War­um die Glo­ba­lis­ten schei­tern wer­den und die Mensch­heit erwacht«. Den Kern der glo­ba­lis­ti­schen Agen­da sieht Magnet mitt­ler­wei­le im Pro­jekt des »Trans­hu­ma­nis­mus«. Das Bild, das er in sei­nem neu­en, gleich­na­mi­gen Buch zeich­net (Trans­hu­ma­nis­mus. Krieg gegen die Mensch­heit, Linz 2022, 443 S., 24,90 Euro), ist äußerst dra­ma­tisch. »Der Plan ist durch­schaut!« ver­kün­det er pau­ken­schlag­ar­tig: Seit »über hun­dert Jah­ren« sei ein »Krieg« im Gan­ge, der das Ziel ver­fol­ge, »den Groß­teil der Mensch­heit abzu­schaf­fen, den Rest zu unter­jo­chen und 0,001 Pro­zent der Bevöl­ke­rung für immer an die Spit­ze der Pyra­mi­de zu stellen.«

»Abschaf­fen« bedeu­tet hier drei­er­lei: zuerst die Ent­wur­ze­lung des Men­schen aus Zuge­hö­rig­kei­ten »zu einer Geschich­te, einem Raum, einer Kul­tur und einer Eth­nie«, sodann die Auf­he­bung des Mensch­seins an sich durch tech­no­lo­gisch-gene­ti­sche Ein­grif­fe und schließ­lich gar die phy­si­sche Reduk­ti­on der Welt­be­völ­ke­rung. Magnet ver­tritt jedoch nicht die weit­ver­brei­te­te Theo­rie, die glo­ba­len Covid-Impf­kam­pa­gnen ­hät­ten in Wahr­heit den Zweck ver­folgt, mög­lichst vie­le Men­schen zu töten oder unfrucht­bar zu machen, und er bemüht auch nicht die übli­chen Bill-Gates-Zita­te zu die­sem The­ma, die sich bei genaue­rer Betrach­tung um eine Reduk­ti­on des Bevöl­ke­rungs­wachs­tums drehen.

Einen Ein­fluß der Imp­fung auf Geburten­raten und Über­sterb­lich­keit hält er jedoch für mög­lich, wäh­rend er auf die seit Jahr­zehn­ten sin­ken­de Fer­ti­li­tät in der west­li­chen Welt hin­weist, wofür ihm als Kron­zeu­gin die ame­ri­ka­ni­sche Medi­zi­ne­rin Shan­na H. Swan dient, Autorin des Buches Count Down (2021). Nach Swan könn­te der rapi­de Schwund der Sper­mi­en­an­zahl und das Sin­ken des Tes­to­ste­ron­spie­gels seit den 1970er Jah­ren dazu füh­ren, daß bis 2045 kein Mann der wei­ßen Ras­se mehr zeu­gungs­fä­hig sein wird. Swan macht für die­se Ent­wick­lung Umwelt­gif­te, Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten, erhöh­ten Arzneimittel­konsum und Che­mi­ka­li­en verantwortlich.

Magnet insi­nu­iert, daß es sich hier­bei nicht bloß um einen Kol­la­te­ral­scha­den west­li­cher Lebens­wei­se han­deln könn­te, son­dern womög­lich bereits um eine Fol­ge geziel­ter Ein­fluß­nah­men vor allem durch phar­ma­zeu­ti­sche Mit­tel, zuletzt durch den mas­sen­haf­ten Ein­satz der »Gen­sprit­ze«, die er als das Tro­ja­ni­sche Pferd schlecht­hin für die »Ein­füh­rung des Trans­hu­ma­nis­mus« betrach­tet: »Wir, oder bes­ser gesagt: die Mil­lio­nen Men­schen, die sich die mRNA-Injek­ti­on ver­pas­sen lie­ßen, wir haben erst­mals akzep­tiert, daß den Men­schen eine Imp­fung ver­ab­reicht wur­de, die den mensch­li­chen Bau­plan, die Gene, unmit­tel­bar und zeit­nah ver­än­dert.« Wenn aber die natür­li­che Zeu­gung nicht mehr funk­tio­nie­re, wer­de die Zeu­gung in der Retor­te inklu­si­ve neo-euge­ni­scher Pra­xis zum Stan­dard werden.

Als wich­tigs­te Kron­zeu­gen der trans­hu­ma­nis­ti­schen Revo­lu­ti­on die­nen Magnet der Eli­ten-Phi­lo­soph Yuval Noah Hara­ri und der KI-Pio­nier Ray Kurz­weil, der auch Lei­ter der tech­ni­schen Ent­wick­lung bei Goog­le ist. In der Tat ist ­Magnets Buch über wei­te Stre­cken ein kom­men­tier­tes Exzerpt aus Har­a­ris Wer­ken, gespickt mit zahl­rei­chen Ori­gi­nal­zi­ta­ten, die dem Leser in einem über­trie­ben empha­ti­schen Groß­druck vor die Augen gestellt werden.

Hara­ri, »Kult­au­tor« und Dau­er­gast des Welt­wirt­schafts­fo­rums, ver­kün­det den Trans­hu­ma­nis­mus, der von den ­Davos-Men­schen, Mega-Rei­chen, Kon­zern­chefs, Invest­ment­ban­kern und Big-Tech-Fürs­ten ­die­ser Welt begeis­tert geför­dert und finan­ziert wird, mit einer mes­sia­ni­schen Lei­den­schaft: Durch die Ver­schmel­zung von Mensch und Maschi­ne wür­den die Spit­zen des »Sapi­ens« eigen­mäch­tig einen Evo­lu­ti­ons­sprung her­bei­füh­ren, der von der »Mensch­heit« im bis­he­ri­gen Sin­ne nichts mehr übriglasse.

Grund­la­ge die­ser neu­en »Reli­gi­on« ist ein mate­ria­lis­ti­scher Nihi­lis­mus: Für die Trans­hu­ma­nis­ten sind Men­schen nichts ande­res als »hack­ba­re Tie­re«, see­len­lo­se, zufäl­lig ent­stan­de­ne Bio­roboter mit arbi­trä­ren Iden­ti­täts­pro­gram­men, die belie­big ver­än­dert wer­den kön­nen, wenn man ein­mal den »Code« geknackt hat. Es gibt nach Hara­ri kei­ne Mög­lich­keit, die­ser Ent­wick­lung zu ent­rin­nen; wer den Anschluß ver­paßt, wird unter­ge­hen wie die Neandertaler.

Die Trans­for­ma­ti­on in gott­glei­che, viel­leicht sogar unsterb­li­che Cyborg-Über­men­schen wird frei­lich nur einer klei­nen, mär­chen­haft rei­chen Kas­te vor­be­hal­ten blei­ben, wäh­rend der Rest einer tota­li­tä­ren Matrix ein­ge­fügt wird, in der sich Beglü­ckung und Ver­skla­vung nicht mehr von­ein­an­der unter­schei­den las­sen. Aus der Sicht der Mäch­ti­gen eröff­nen die Durch­di­gi­ta­li­sie­rung und die Algo­rith­mi­sie­rung der mensch­li­chen Exis­tenz unge­heu­re Mög­lich­kei­ten der dik­ta­to­ri­schen Kon­trol­le über die Kör­per und die Gehir­ne, die alles weit in den Schat­ten stel­len wür­de, was wir in den alp­traum­haf­ten Jah­ren des Coro­na-Spuks als nur klei­nen Vor­ge­schmack erlebt haben.

Wie ande­re vor ihm, zeigt sich Magnet beson­ders scho­ckiert über Har­a­ris Fra­ge, was denn mit den Mas­sen von Men­schen gesche­hen sol­le, die durch den Fort­schritt von Auto­ma­ti­sie­rung und Robo­ti­sie­rung »nicht nur beschäf­ti­gungs­los, son­dern gar nicht mehr beschäf­tig­bar« sein wer­den. Die­se kom­men­de »rie­si­ge Unter­schicht nutz­lo­ser Homo sapi­ens« wer­de wohl mit Psy­cho­phar­ma­ka, Dro­gen, Com­pu­ter­spie­len und ande­ren Arten vir­tu­el­ler Rea­li­tät ruhig­ge­stellt wer­den müs­sen. Nutz­lo­se Heer­scha­ren an Abge­häng­ten, die »ihre öko­no­mi­sche Bedeu­tung und ihre poli­ti­sche Macht ver­lie­ren«, wer­den jedoch auf Dau­er unin­ter­es­sant für den Staat. Im »Fal­le einer Kri­se – etwa einer Kli­ma­ka­ta­stro­phe«, so ora­kelt Hara­ri omi­nös – wäre es für ihn »ziem­lich ver­füh­re­risch und nicht beson­ders schwer, die über­flüs­si­gen Men­schen über Bord zu werfen.«

Man kann nun die­se Aus­sa­gen mora­lisch ver­ur­tei­len und aus ihnen eine beson­ders aus­ge­präg­te Men­schen­ver­ach­tung her­aus­le­sen – das ändert nichts an der Tat­sa­che, daß Hara­ri schlicht und ein­fach recht hat. Auto­ma­ti­sie­rung und künst­li­che Intel­li­genz wer­den rie­si­gen Mas­sen von Men­schen die Mög­lich­keit des eigen­stän­di­gen Brot­er­werbs, des gesell­schaft­li­chen Auf­stiegs und der Selbst­be­stä­ti­gung neh­men, und es trifft zu, daß der Groß­teil von ihnen außer­stan­de ist, sei­ne Frei­zeit sinn­voll zu nut­zen oder sei­nem Leben aus sich selbst her­aus einen Sinn zu geben.

All dies läßt sich nicht aus­schließ­lich durch Kom­plot­te »gie­ri­ger« oder grö­ßen­wahn­sin­ni­ger Eli­ten erklä­ren, und auch Magnet ver­sucht dies nur ansatz­wei­se. Wir erle­ben viel­mehr die Eska­la­ti­on von Übeln, die im Wesen der tech­no­lo­gisch-indus­tri­el­len Gesell­schaft und im Fort­schritts­pro­jekt der Moder­ne schlecht­hin begrün­det liegen.

Am Ende sei­nes Buches ver­rät Magnet »die Ant­wort auf den Angriff des Trans­hu­ma­nis­mus auf die Mensch­heit«. Er schreibt: »Der mensch­li­che Geist ist die Lösung! Unse­re Krea­ti­vi­tät, unse­re seit Jahr­mil­lio­nen wei­ter­ent­wi­ckel­te Lösungs­kom­pe­tenz, die uns die ers­ten Stein­werk­zeu­ge erfin­den ließ, uns die moder­ne Tech­nik bescher­te und nun gar gegen unse­re eige­ne Exis­tenz gerich­tet wer­den könn­te.« Nun, der »Geist«, den Magnet mit »faus­ti­schem« Pathos zur Ret­tung anruft, ist exakt der­sel­be, der in die von ihm beschrie­be­ne Mise­re geführt hat, wäh­rend die krea­tivs­ten und klügs­ten Köp­fe der Welt mit der Per­fek­tio­nie­rung des tech­no­kra­ti­schen Levia­thans beschäf­tigt sind.

Und so ist der »erbau­li­che« Teil sei­nes Buches, in dem er zu skiz­zie­ren ver­sucht, wie »wir das Ende der Mensch­heit abwen­den und uns dem töd­lich-gif­ti­gen Ein­fluß ent­zie­hen kön­nen«, der schwächs­te: vol­ler kon­ser­va­ti­ver Bin­sen­weis­hei­ten, Beschwö­run­gen von »Huma­nis­mus«, Natur­ver­bun­den­heit, Glau­be, Ver­wur­ze­lung, Hero­is­mus, Tra­di­ti­on, gesun­der Lebens­wei­se mit viel Bewe­gung und wenig Plas­tik, »ganz­heit­li­cher« Medi­zin und »ewi­ger Kraft und Ener­gie unse­rer Vorfahren«.

Nichts davon ist ganz ver­kehrt, aber nichts mas­sen­taug­lich genug, um allen Erns­tes ein glo­ba­les »gro­ßes Erwa­chen« her­bei­zu­füh­ren. »Die Mensch­heit« wird zum größ­ten Teil den Weg des gerings­ten Wider­stan­des gehen und der »Agen­da« nichts ent­ge­gen­zu­set­zen haben, sie womög­lich auch noch attrak­tiv fin­den. Mit zuneh­men­dem Druck der Ver­fol­gung wer­den die Wider­sas­sen immer weni­ger wer­den und kön­nen allen­falls dar­auf set­zen, kat­echon­ti­scher Sand im Getrie­be der Maschi­ne zu sein, hof­fend, daß eines Tages ein Blitz von oben den fre­vel­haf­ten Turm­bau been­den wird.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)