Patrick Bahners: Die Wiederkehr

Seit ihrer Gründung ist die AfD für den etablierten Journalismus hierzulande ein Streßtest in Dauerschleife. Bereits die schiere Existenz der AfD sorgte in den großen Blättern für einen völlig enthemmten Meinungsterror zugunsten der Altparteien.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Der anhal­ten­de Erfolg der AfD bei den Wäh­lern sorg­te nicht für eine Ver­sach­li­chung der Debat­te, son­dern ledig­lich für eini­ge tak­ti­sche Win­kel­zü­ge bezüg­lich der Fra­ge, ob man die AfD dämo­ni­sie­ren, ent­zau­bern oder mög­lichst igno­rie­ren sol­le, um sie wie­der kleinzukriegen.

Wofür sich FAZ-Mann Patrick Bah­ners (Jg. 1967) ent­schie­den hat, macht schon der beein­dru­cken­de Umfang sei­nes Buches deut­lich. Igno­rie­ren ist für einen »der ein­fluß­reichs­ten Jour­na­lis­ten Deutsch­lands« (Klap­pen­text) natür­lich kei­ne Opti­on. Immer­hin hat Bah­ners einen Ruf als Groß­deu­ter gesell­schaft­li­cher Pro­zes­se in Deutsch­land zu ver­tei­di­gen (Die Panik­ma­cher, 2011). Das tut er mit einem unge­brems­ten Rede­schwall, dem jeg­li­che ­Argu­men­ta­ti­ons­struk­tur fehlt. Immer­hin erreicht er damit, daß er den pro­fes­sio­nel­len Leser zur Gesamt­lek­tü­re zwingt: Man hofft ja, daß sich irgend­wo im Text­wust noch eine Erkennt­nis, eine Poin­te und viel­leicht auch nur ein Argu­ment ver­birgt. Aber, das kann ich ver­si­chern, dem ist nicht so. Das Buch ist eine Anein­an­der­rei­hung von über­heb­li­chen Wer­tun­gen, belang­lo­sen Details und tief­sin­ni­gem Non­sens, gar­niert mit einem kla­ren Bekennt­nis zum par­tei­po­li­ti­schen Jour­na­lis­mus, wenn man dar­un­ter das Anschrei­ben gegen eine Par­tei versteht.

Ein »Haupt­ziel die­ses Buches«, so heißt es ein­lei­tend, sei es, »prä­zi­se zu bestim­men, wor­in die Gefähr­dung der Demo­kra­tie durch den neu­er­dings auch in Deutsch­land wie­der par­tei­för­mig orga­ni­sier­ten Natio­na­lis­mus eigent­lich besteht«. Klar ist also, daß die AfD eine »für die Repu­blik viel­leicht sogar lebens­ge­fähr­li­che Kon­kur­renz« für die Alt­par­tei­en sei, die aber nur gefähr­lich wer­den kön­ne, »weil sie mit ande­ren Par­tei­en um Wäh­ler­stim­men kon­kur­riert und dabei einen gewis­sen Erfolg erzielt«. Die ein­zi­ge Lösung sieht Bah­ners dar­in, der AfD Wäh­ler abspens­tig zu machen. Aller­dings hat Bah­ners dafür kein Rezept, da er die mitt­ler­wei­le von der CDU erprob­te Stra­te­gie der Über­nah­me von The­sen und The­men der AfD, um die­se über­flüs­sig zu machen, für gefähr­lich hält, weil man damit auf einen üblen AfD-Trick her­ein­fal­le. Der bestehe dar­in, etwas zur Rea­li­tät zu erklä­ren, was nur in den Köp­fen der AfD-Ideo­lo­gen vor­kom­me: den »gro­ßen Aus­tausch« etwa.

Hier ist ver­mut­lich auch der Grund zu suchen, war­um sich Bah­ners vor allem an Gau­land, Kem­me­rich, Wund­rak und Maa­ßen abar­bei­tet. Im Schul­ter­schluß die­ser kon­ser­va­ti­ven Ex- und Noch-Alt­par­tei­ler und Beam­ten liegt sei­ner Mei­nung nach der rea­le Hin­ter­grund für das Schre­ckens­sze­na­rio der Macht­er­grei­fung des Natio­na­lis­mus. Die­se fixe Idee geht bei Bah­ners so weit, daß er sei­ten­lang über ein Zitat von Han­nah Are­ndt spe­ku­liert, das Wund­rak irgend­wann ein­mal in einer Rede gebraucht hat (und das wohl nicht viel mehr als ein zufäl­lig gefun­de­nes Auto­ri­täts­ar­gu­ment dar­stell­te). Unter­halt­sam wird es bei Bah­ners nur an ein paar Stel­len, die Hans-Georg ­Maa­ßen betref­fen, der durch die wun­der­li­che Mischung aus amt­li­chem AfD-Bekämp­fer und zwangs­pen­sio­nier­tem AfD-Ver­ste­her für Links­li­be­ra­le ja tat­säch­lich so etwas wie ein böser Geist sein muß.

Lächer­lich ist Bah­ners immer dann, wenn er ori­gi­nell zu sein ver­sucht (wenn er bei­spiels­wei­se Gau­land, Höcke, Kal­bitz und Kubit­schek als »Any­whe­res« klas­si­fi­ziert, weil die­se im Wes­ten groß gewor­den sei­en und nun in den öst­li­chen Bun­des­län­dern leb­ten) oder wenn die Über­heb­lich­keit mit ihm durch­geht (er also immer noch nicht kapiert hat, daß der Buch­ti­tel von Sie­fer­les Finis Ger­ma­nia nicht gram­ma­ti­ka­lisch falsch ist). Wes Geis­tes Kind Bah­ners ist, wird aller­dings durch nichts so sehr deut­lich, wie durch sei­ne Pfle­ge des Kalau­ers, jener »wider­wär­ti­gen Witz­form der Ope­ret­ten­ko­mi­ker und Wein­rei­sen­den« (Egon Frie­dell). Da heißt es dann bei Bah­ners: »umge­kehrt wird ein Kno­bel­be­cher draus«, »sich um Kopf, Kra­gen und Hun­de­kra­wat­te reden« oder »ver­kauf­te sich bei Ama­zon wie geschnit­ten Bio­brot aus deut­schem Schrot und Korn«. Sel­ten so gelacht.

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Patrick Bah­ners: Die Wie­der­kehr. Die AfD und der neue deut­sche Natio­na­lis­mus, Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2023. 539 S., 28 €

 

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Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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