Der anhaltende Erfolg der AfD bei den Wählern sorgte nicht für eine Versachlichung der Debatte, sondern lediglich für einige taktische Winkelzüge bezüglich der Frage, ob man die AfD dämonisieren, entzaubern oder möglichst ignorieren solle, um sie wieder kleinzukriegen.
Wofür sich FAZ-Mann Patrick Bahners (Jg. 1967) entschieden hat, macht schon der beeindruckende Umfang seines Buches deutlich. Ignorieren ist für einen »der einflußreichsten Journalisten Deutschlands« (Klappentext) natürlich keine Option. Immerhin hat Bahners einen Ruf als Großdeuter gesellschaftlicher Prozesse in Deutschland zu verteidigen (Die Panikmacher, 2011). Das tut er mit einem ungebremsten Redeschwall, dem jegliche Argumentationsstruktur fehlt. Immerhin erreicht er damit, daß er den professionellen Leser zur Gesamtlektüre zwingt: Man hofft ja, daß sich irgendwo im Textwust noch eine Erkenntnis, eine Pointe und vielleicht auch nur ein Argument verbirgt. Aber, das kann ich versichern, dem ist nicht so. Das Buch ist eine Aneinanderreihung von überheblichen Wertungen, belanglosen Details und tiefsinnigem Nonsens, garniert mit einem klaren Bekenntnis zum parteipolitischen Journalismus, wenn man darunter das Anschreiben gegen eine Partei versteht.
Ein »Hauptziel dieses Buches«, so heißt es einleitend, sei es, »präzise zu bestimmen, worin die Gefährdung der Demokratie durch den neuerdings auch in Deutschland wieder parteiförmig organisierten Nationalismus eigentlich besteht«. Klar ist also, daß die AfD eine »für die Republik vielleicht sogar lebensgefährliche Konkurrenz« für die Altparteien sei, die aber nur gefährlich werden könne, »weil sie mit anderen Parteien um Wählerstimmen konkurriert und dabei einen gewissen Erfolg erzielt«. Die einzige Lösung sieht Bahners darin, der AfD Wähler abspenstig zu machen. Allerdings hat Bahners dafür kein Rezept, da er die mittlerweile von der CDU erprobte Strategie der Übernahme von Thesen und Themen der AfD, um diese überflüssig zu machen, für gefährlich hält, weil man damit auf einen üblen AfD-Trick hereinfalle. Der bestehe darin, etwas zur Realität zu erklären, was nur in den Köpfen der AfD-Ideologen vorkomme: den »großen Austausch« etwa.
Hier ist vermutlich auch der Grund zu suchen, warum sich Bahners vor allem an Gauland, Kemmerich, Wundrak und Maaßen abarbeitet. Im Schulterschluß dieser konservativen Ex- und Noch-Altparteiler und Beamten liegt seiner Meinung nach der reale Hintergrund für das Schreckensszenario der Machtergreifung des Nationalismus. Diese fixe Idee geht bei Bahners so weit, daß er seitenlang über ein Zitat von Hannah Arendt spekuliert, das Wundrak irgendwann einmal in einer Rede gebraucht hat (und das wohl nicht viel mehr als ein zufällig gefundenes Autoritätsargument darstellte). Unterhaltsam wird es bei Bahners nur an ein paar Stellen, die Hans-Georg Maaßen betreffen, der durch die wunderliche Mischung aus amtlichem AfD-Bekämpfer und zwangspensioniertem AfD-Versteher für Linksliberale ja tatsächlich so etwas wie ein böser Geist sein muß.
Lächerlich ist Bahners immer dann, wenn er originell zu sein versucht (wenn er beispielsweise Gauland, Höcke, Kalbitz und Kubitschek als »Anywheres« klassifiziert, weil diese im Westen groß geworden seien und nun in den östlichen Bundesländern lebten) oder wenn die Überheblichkeit mit ihm durchgeht (er also immer noch nicht kapiert hat, daß der Buchtitel von Sieferles Finis Germania nicht grammatikalisch falsch ist). Wes Geistes Kind Bahners ist, wird allerdings durch nichts so sehr deutlich, wie durch seine Pflege des Kalauers, jener »widerwärtigen Witzform der Operettenkomiker und Weinreisenden« (Egon Friedell). Da heißt es dann bei Bahners: »umgekehrt wird ein Knobelbecher draus«, »sich um Kopf, Kragen und Hundekrawatte reden« oder »verkaufte sich bei Amazon wie geschnitten Biobrot aus deutschem Schrot und Korn«. Selten so gelacht.
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Patrick Bahners: Die Wiederkehr. Die AfD und der neue deutsche Nationalismus, Stuttgart: Klett-Cotta 2023. 539 S., 28 €
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