Unsere Kinder sollten zu Lesern werden, weit vor aller Politik. Oder?

Aus all unseren Kindern sind „Leseratten“ (komischer Begriff eigentlich – wie kam das wohl? Ratten sind weithin übel beleumundet) geworden. Das ist natürlich kein Wunder.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wir, die Eltern, hat­ten uns vor fast drei­ßig Jah­ren ken­nen­ge­lernt über eine Serie in der Jun­gen Frei­heit: „JF-Autoren über ihre Lieb­lings­schrift­stel­ler.“ Kubit­schek war damals Redak­teur, ich war Bei­trä­ge­rin. Über Knut Ham­sun kamen wir in Kontakt.

Als Eltern war es uns wich­tig, den Kin­dern eine gewis­se Lie­be zum Buch mit­zu­ge­ben. Das bespricht/ beschließt man nicht, es ergibt sich ein­fach aus den eige­nen Vor­lie­ben und Lei­den­schaf­ten. Wir haben bei­de „Deutsch, Lehr­amt“ fer­tig­stu­diert. Sprich, wir waren per se „Lese­rat­ten“.

Wir haben den Kin­dern von klein auf vor­ge­le­sen oder, vor­her, Bil­der­bü­cher gezeigt. Nie war das ein „Vor­ha­ben“; es ergab sich natürlich.

Ich erin­ne­re mich an einen lan­gen, schlim­men Kran­ken­haus­auf­ent­halt mit einer Toch­ter, die damals knapp zwei Jah­re alt war und das Bett nicht ver­las­sen durf­te. Irgend­wann waren alle Lie­der gesun­gen, alle Fin­ger­spie­le gespielt. Ich habe nie über mobi­le Bild­schirm­ge­rä­te ver­fügt – Bil­der­bü­cher waren die Ret­tung. Es hat uns enorm zusam­men­ge­schweißt – das aus­führ­li­che Reden über das, was man sieht! Der gemein­sa­me Gang in ande­re Wel­ten! Das gemein­sa­me Als-ob-denken!

Rod Dre­her erzählt in sei­nem neu­en Buch Lebt nicht mit der Lüge! von einer berufs­tä­ti­gen, aka­de­mi­schen Dis­si­den­tin, die ihren Kin­dern Tag für Tag zwei bis drei Stun­den vor­ge­le­sen habe. Gewiß ein zu heh­res Ziel. Die ritu­el­le hal­be Stun­de all­abend­lich soll­te aber drin sein! Sich mit den Kin­dern in einen Text zu ver­sen­ken – das ist Bin­dung pur. Bin­dung wohl­ge­merkt vor Bil­dung! Wel­che Bücher sich klas­si­scher­wei­se – nach Alter sor­tiert – beson­ders zum Vor­le­sen eig­nen, habe ich hier zusam­men mit Caro­li­ne Som­mer­feld aufgeschrieben.

Erst spät habe ich Leu­te ken­nen­ge­lernt, die ihren Kin­dern absicht­lich nicht vor­le­sen. Sie hal­ten es für eine moder­ne und mit­hin schäd­li­che Art der Früh­in­tel­lek­tua­li­sie­rung.  Das ist durch­aus ein inter­es­san­ter Gesichts­punkt: Die Buch­sta­ben­welt ist nicht die rea­le Welt, sie ist ein Phan­tas­ti­kum.  Heu­te, da uns digi­ta­le Medi­en umge­ben, ist der Unter­schied zwi­schen „Real Life“ und „Per­for­med Life“ offen­sicht­lich, inso­fern zün­det die­ses buch­skep­ti­sche Argu­ment durch­aus. Also: Bücher adé?

Kommt gar nicht in Fra­ge! „Herz, Hirn, Hand“ – das scheint mir ein gül­ti­ger Erzie­hungs­maß­stab zu sein. Pes­ta­loz­zi, der groß­ar­ti­ge Erzie­her und Refor­mer des aus­ge­hen­den 18. Jahr­hun­derts, sag­te „Kopf“ statt „Hirn“; das ist zwar (schön) weni­ger bio­lo­gisch, aber letzt­lich zün­det die Alliteration.

1. Herz: Her­zens­bil­dung resul­tiert nor­ma­ler­wei­se aus dem Reli­giö­sen – oder, im agnos­ti­schen Fall, aus roman­ti­schem Über­schwang oder ver­nunft­mä­ßi­ger Abwä­gung.  Sie geht, so oder so, allem ande­ren vor­aus. Sie wird auch nicht ange­lernt, zumin­dest nicht in ers­ter Linie. Sie wird vor­ge­lebt, nämlich:

Wir stel­len uns vor die Schwä­che­ren, wenn kei­ner es tut; wir wider­spre­chen, wo Unrecht geschieht; wir hel­fen denen, die nir­gends Hil­fe erhal­ten; wir schrei­ten ein, wenn ande­re nur zuschau­en; wir sind die, die im Zwei­fels­fall hin­ge­hen.

Womög­lich (wer kann es schon wis­sen?) sind wir kei­ne beson­ders guten Eltern. Zuviel Streß, den Kin­dern zuviel sozia­le Aus­set­zung zuge­mu­tet. Her­zens­bil­dung jeden­falls war eine Haupt­sa­che. DAS wenigs­tens soll­ten die Kin­der mit­be­kom­men haben – daß wir nie aus Feig­heit oder nüch­ter­ner Abwä­gung danebenstehen.

Ich mei­ne: Unse­re Kin­der haben gelernt auf­zu­ste­hen, auch, wenn es kei­ner sonst tut. Um Sophie Scholl zu bemü­hen: Man soll­te ein wei­ches Herz und einen har­ten Ver­stand haben.

2. Hand: Es ist wich­tig, daß die Kin­der wirk­lich was kön­nen, was Hand­fes­tes. Das kann sein: ein Moped zu repa­rie­ren; eine kal­li­gra­phi­sche Schrift zu ver­fer­ti­gen; ein Kleid zu nähen; wis­sen, wie man melkt; einen Zaun zu bau­en; ein Buch zu bin­den; einen Rei­fen zu fli­cken; Brot zu backen; eine Lehm­wand zu ver­put­zen, Holz zu hacken, ein Pferd bändigen.

Wirk­sam­keit ler­nen unse­re Kin­der per Hand­ar­beit, das ist ganz sim­pel! Drei unse­rer Kin­der haben den­noch ein geis­tes­wis­sen­schaft­li­ches Stu­di­um abge­schlos­sen oder sind gera­de dabei. Man wird sehen, ob und wie es fruch­tet. Hand­fest sind sie jeden­falls alle.

3.Hirn: Logisch sol­len unse­re Kin­der lesen! Die jüngs­te Toch­ter befin­det sich gera­de an der Schwel­le zwi­schen Kin­der- und Jugend­li­te­ra­tur und erwach­se­ner Lek­tü­re. Das ist eine unge­mein span­nen­de Zeit, die ich natür­lich schon mehr­fach erlebt habe. Bis­lang habe ich, haben wir allen Kin­dern über die­se Schwel­le hel­fen kön­nen. Und: kei­ne Ahnung, ob sie es auch ohne unse­ren Zuspruch, ohne uns als „Weg­wei­ser“ geschafft hätten!

Unser Sohn über­schritt vor etwa vier Jah­ren die­se Schwel­le und liest nun wie ein Erwach­se­ner. Er kann bei­spiels­wei­se über sämt­li­che Roma­ne von T.C. Boyle Rap­port leis­ten, las aber auch Kracht und Kopetz­ky und Hesse.

Die jüngs­te Toch­ter ist ein ech­tes Nest­häk­chen und Dorf­kind. Sie schläft von Früh­jahr bis Herbst drau­ßen und liest alles kurz & klein. Das regio­na­le Wochen­blatt, die Jun­ge Frei­heit, die Tages­post, Eigen­tüm­lich Frei. (Nein: Nicht die Sezes­si­on.) Alles natür­lich aus­zugs­wei­se. Alles wan­dert grob sor­tiert in ihren Kopf. Alles sorgt für Dis­kus­si­ons­be­darf, und dann wird palavert…

Gera­de ver­su­che ich sie für „ech­te Lite­ra­tur“ zu inter­es­sie­ren. Das ist nicht ganz ein­fach.  Es ist ja sehr bequem ???Kids zu kon­su­mie­ren oder Har­ry Pot­ter. Ihre zeit­ge­nös­si­sche Lieb­lings­au­torin heißt Mar­ti­na Wild­ner. Ich gou­tie­re die­se Aus­wahl. Über sämt­li­che Bän­de von Anne auf Green Gab­les haben wir dis­ku­tiert. Auch über „lin­ke“ Wer­ke wie die von Pau­se­wang, Nöst­lin­ger, Kurt Wild, Lisa Tetz­ner etc. Vie­les dar­an ist ja wirk­lich ganz gut.

Sie will nichts lesen, was sie depri­miert, sie weist es ent­schie­den zurück. Das ist ein schma­ler Grat, den man erkun­den muß. Pau­se­wangs teils echt apo­ka­lyp­ti­sche Bücher las sie näm­lich gern, auch (jetzt kom­men wir zur erwach­se­nen Lek­tü­re) Haupt­manns Bahn­wär­ter Thiel. Logisch auch Ebner-Eschen­bachs Kram­bam­bu­li und Die Spit­zin. Das sind ja so Stü­cke, die man den Kin­dern ein­fach vor­le­sen muß! Bei Micha­el Kohl­haas stieg sie nach einem Vier­tel aus – zu lan­ge Sät­ze, zu ver­trackt. Bal­la­den gehen hin­ge­gen fast immer.

Die Toch­ter ist nun zwölf und tut, was man in die­sem Alter eben so tut. Pfer­de, Jungs, Wider­spruch. Sie „will es wis­sen“, und das ist sehr gut so! Ich brin­ge ihr gera­de bei, daß es immer, in allen Fäl­len und auf allen Ebe­nen dar­um geht, Wider­stän­den klug zu begeg­nen. Kin­der müs­sen ihre Schmerz­punk­te erkun­den – und genau dort wei­ter­ma­chen. Dort, wo das eige­ne Den­ken beginnt.

Begab­te Jugend­li­che lan­den heu­te bei der “Letz­ten Gene­ra­ti­on“- weil sie zu früh auf den beque­men, öffent­lich gepam­per­ten Weg abge­bo­gen sind. Unse­re Kin­der aber müs­sen den dor­ni­ge­ren Weg lie­ben­ler­nen. Das ist sehr anstren­gend. Wir müs­sen sie unter­stüt­zen! Die gute Lek­tü­re ist ein emi­nent wich­ti­ger Baustein.

Wich­tig erscheint mir, daß unse­re Vor­le­se­stun­den blei­ben. Die­ser Kon­takt prägt über die aus­ge­wähl­te Lite­ra­tur das Gemein­sa­me. Und das ist es ja – was bleibt.

Das ist anstren­gend, ja. Ich habe mit den Gro­ßen auch The Cat­cher in the Rye, Lord of the Flies, The Third Man gemein­sam gele­sen. Aus die­sen for­dern­den Lek­tü­ren sind unglaub­lich vie­le “Insider”-Witze geblie­ben. Zuletzt nun, ähn­lich schwie­rig wie Fremd­spra­chi­ges: Hart­mann von Aue. Alles kein Zucker­schle­cken. Das klappt ver­mut­lich nur, wenn die­se Lese(halb)stunden von klein auf eta­bliert wer­den und die Kin­der längst gemerkt haben, daß am Ende etwas Tol­les resultiert.

Dies alles kos­tet Zeit. Eigent­lich hät­te man ja so viel (ande­res) zu tun im All­tag.  Es kos­tet Geduld. Lang­mut, die Zusam­men­hän­ge zu erklä­ren, Bockig­keit aus­zu­hal­ten. Mit eige­ner Begeis­te­rung zu ermun­tern, zu über­brü­cken, wenn es stockt. (Eine Toch­ter hat­te zu unse­rer Ver­blüf­fung das Lesen mal zwei, drei Jah­re fast ein­ge­stellt. Wir nah­men es halb­wegs hin, da sie künst­le­risch enorm krea­tiv war. Nun, ein Jahr­zehnt spä­ter, schließt sie gera­de ihr Stu­di­um ab: als Germanistin.)

Mit Poli­tik hat all dies gar nichts zu tun. Es ist ein Auf­bau von innen. Ich sage: Er lohnt sich.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (50)

Heinrich Loewe

19. September 2023 11:50

"...Widerständen klug zu begegnen." Was für ein wahres Wort und Maßgabe für jeden Menschen! Klugheit ist nicht umsonst die an erster Stelle stehende Kardinaltugend. Mein Wort ist stets: "Klug sein heißt nicht Recht behalten wollen (auch wenn man objektiv im Recht ist)."

Heinrich Loewe

19. September 2023 11:56

Was mich noch interessieren würde: Wie gehen Sie mit damit um, daß an sich gute Periodika immer wieder Beiträge bringen, die -aus eigener Sicht- völlig daneben sind. Beispiel: Trump-hitpieces bei der Tagespost, dezidiert pro-Ukraine bei Tumult usw. Bei Tichy habe ich nichts mehr auszusetzen (die brigne wegen dem Gegenwind des Kommentariats klugerweise (sic) nichts mehr zur Ukraine!
Muß man das aushalten? ich denke nein. Da reißt der innere Choleriker oft hin zur Abo-Kündigung.

Gotlandfahrer

19. September 2023 11:58

Mir wurden allenfalls Pixibücher vorgelesen, ich erinnere mich noch an "Werners roter Kipper". Aus mir ist zwar kein Vorzeigeintellektueller geworden, aber ich weiss wie herum ich die Dinger halten muss. Meiner Tochter habe ich intensiv und zu beiderseitiger Freude vorgelesen, als angehende Abiturientin scheut sie das Papier wie der Teufel das Weihwasser. Meinem Zehnjährigen lese ich ebenfalls noch allabendlich vor, mittlerweile erst nach Eigenleistung. Er immerhin liesst halbgern dann und wann. Will sagen: Vieles hängt wohl vom Kinde selbst ab, solange üherhaupt Bücher da sind macht jeder das draus, was ihm liegt.

RMH

19. September 2023 12:24

Ratten sind Allesfresser, fressen viel (manchmal auch an Büchern) und sind ständig auf der Suche nach neuer Nahrung. Ich finde, dass der Begriff Leseratten daher für die Vielleser doch im Großen und Ganzen ganz gut passt.
Thema Vorlesen: Leider nicht immer unmittelbar wirkungsvoll. Was haben wir unseren Kindern alles vorgelesen. Dank SiN auch viel von Fühmann, fast den kompletten Preußler und anderes. Leider blockten meine Kinder ab Beginn des Besuchs des Gymnasiums komplett ab (auch, was das Vorlesen angeht), sind von der Schullektüre genervt (wobei die in Bayern durchaus weitestgehend noch ok ist) und wollen wenig damit zu tun haben. Seltsamerweise hat der Älteste jetzt eigeninitiativ das Lesen wieder angefangen, aber wir mussten ihm dafür einen Kindle EBook-Reader kaufen. Papier will er nicht mehr anfassen. Aber immerhin. 

Volksdeutscher

19. September 2023 12:30

1. Nichts von alledem, was Frau Kositza hier über die Erziehung ihrer Kinder zum Lesen anspricht, trifft auf mich zu. Leider. Ich kam zum Lesen über das Visuelle, d.h. die schöne Aufmachung der Märchenbücher, die ich zum Geburtstag, Namenstag oder zu Weihnachten bekam. Aufregend fand ich das Erkunden der Geschichten hinter den aufregenden Bildern. Mir las niemand vor. Mich strengt es auch heute an, wenn ich dem Leseduktus eines anderen folgen muß, der Tempo und Intonation vorgibt.
2. In meinem Studium hatten linke Studenten das Ende des Buches und den ultimativen Siegeszug der E-Bücher prophezeit. Begründet hatten sie das mit Funktionalität und Praktikabilität und der naiven Überzeugung von Leuten mit dem Hang zur Prophetie. Wer weiß, vielleicht sind es im Endeffekt wirklich nur Visualität und Materialität des Buches, die es vor dem Untergang gerettet haben.

Boreas

19. September 2023 12:42

Volle Zustimmung! Den Kindern den Weg zu den Büchern über vorlesen und neugierig machen auf die eigene Leseerfahrung ins Herz zu pflanzen ist wichtig und erfüllt einen auch selbst. Wenig schönere Erinnerungen als die gemeinsam erlesenen „Gute Nacht“-Geschichten von Grimm und Hauff, Wolkows „Smaragdenstadt“-Reihe oder die alten Mosaik-Hefte, jetzt schon in der 4. Generation zerlesen. Die kleine Ernüchterung kommt, wenn dann bei „Harry Potter“ falsch abgebogen wird und der Jungmann hernach in der „Manga“-Sackgasse landet. Die viele Regalmeter füllende Sammlung könnte den bibliophilen Vater zumindest optisch versöhnen, inhaltlich bleibt der nach kurzem Blick in die Taschenbücher hilflos zurück. So richtet sich die Hoffnung nun auf die Enkel. Und Hoffnung, Hoffnung gibt es immer!

pasquill

19. September 2023 14:03

Ich habe mich bei meiner Tochter in Ihrem Sinne bemüht: Ab dem ersten Jahr Bilderbücher betrachten, dann Geschichten vorlesen, ungefähr bis zum zum Ende der ersten Klasse als sie selbst lesen konnte und nicht länger nur zuhören wollte. Noch über Jahre hinweg Lektüre guter Kinderliteratur. Von 15 bis zum Abitur ein kurzer Höhenflug mit Sachbüchern und philosophischer Lektüre - auch das ist wichtig, Kinder früh für Sachbücher zu begeistern, die der guter Belletristik ebenbürtig sind. Beides schult die Welt- und Selbstwahrnehmung, den sprachlichen Ausdruck, das Argumentieren. Entsprechend hatte sie Phasen, in denen sie "Schriftstellerin" war und sehr passable Texte schrieb, willig meine an Schneider und Reiners geschulten Stilratschläge annehmend. 
 

pasquill

19. September 2023 14:08

Dasselbe erlebe ich in meiner Arbeit an der Universität: Die Lesefähigkeit und -willigkeit junger Menschen liegt kläglich darnieder, auch in Ausbildungsgängen, wo es substantiell auf sie ankommt, in den Geisteswissenschaften. Zehn Seiten Kant von einer Woche auf die nächste zu lesen ist das Höchste, was ich von Bachelorstudenten verlangen kann, wenn ich in der nächsten Sitzung nicht Selbstgespräche führen will. Was mich jedoch am meisten schmerzt, sind nicht nur die fehlenden „skills“, sondern die fehlende Begeisterung für Bücher, Autoren, Texte. Eine Erziehung zum Lesen in der Kindheit kann erodieren, wenn sie nicht weiter genährt wird und die Universität ist allzuoft kein guter Nährboden mehr. Ich bin übrigens in einer bildungsfeindlichen Arbeiterfamilie aufgewachsen, Vorlesen Fehlanzeige, kein Buch, nirgends. Als Kind las ich meine zwei von der Tante geschenkten Märchenbücher und mein Grundschul-Lesebuch im „turn-around“ – wenn ich hinten fertig war, habe ich vorne wieder angefangen. Mit 17 hatte ich mit „Vom Winde verweht“, das mir zufällig in die Hände fiel, meinen Durchbruch als Leserin und las fortan alles "kurz-und-klein“, was mir zwischen die Finger kam. Auch so kann man zur „Leseratte“ werden.

Gimli

19. September 2023 15:24

Klingt nach Vorbild. Nicht nach Zwang. Somit mE beste Grundlage. Was die Kinder draus machen, hängt noch von ihrem sozialen Umfeld, von Schule, von Genen und auch vom realen Familienleben ab Konkurrenz unter den Kindern). Und vllt von noch mehr. Unsere Zwillingsjungs sind alliterat, trotz allerbester Kinderbücher und intensivstem Gemeinschaftslesen. Die flankierenden Schwestern sind Vielleserinnen, aber von andern Stoffen, als wir Eltern. Aber das darf. Und es kann sich noch viel entwickeln. Bin entspannt. Bislang haben alle nen guten Charakter. Das ist mir mehr wert als alte Philosophen. Und beide lieben Naturwissenschaften. Wahrend die Jungs nach pubertärer Unterbrechung den Fußballverein wiederentdeckt haben. Unerwartet. Daher: Bin entspannt. Nicht enttäuscht. 

Laurenz

19. September 2023 15:28

Der Artikel zeigt eigentlich nur, woher man kommt, wer man ist. Wer will hier schon werten können? Man kann Zu- oder Abneigung äußern. Bin kinderlos. Mein Vater war mit Sich & Seinem Beruf beschäftigt, las mir aber Deutsche Märchen vor, mein liebstes war Daumesdick. Er zeigte mir die Weltkarte, erzählte Familiengeschichten & politisierte. Meine Mutter sang für mich.... Guten Abend, gute Nacht... die Liebe meiner Mutter war nicht bedingungslos, die meines Vaters & der Mutter meiner Mutter schon. Letztere war gefährlich, ich bekam ein falsches Frauenbild mit. Ich hatte schon als Junge Bücher gefressen, vor allem Karl May. Ich kann die meisten Werke heute noch zumindest nacherzählen. Das vehemente Christentum Karl Mays, seine projizierten Religions-Debatten mit Halef, interessierten mich nie, sie langweilten, entscheidend waren nur die bildenden Zitate. Ich verzieh das religiöse Gehabe meinem Freund & Hochstapler Karl. Meine Kindheit & Jugend wechselte zwischen Frankfurt & ländlichem Unterfranken, wie Taunus. Insofern lernte ich unterschiedliche Welten einzuschätzen. Begabte Jugendliche (landen heute bei der “Letzten Generation“) existieren nicht, abseits jeglicher Fakten. Wir brauchen keine dämliche Ewige Verdammnis, egal unter welchem Namen sie verkauft wird.

Laurenz

19. September 2023 15:30

https://de.wikipedia.org/wiki/Leseratte

Schobbepetzer

19. September 2023 15:43

@KositzaSie haben vor einigen Wochen schon mal zu dem Thema geschrieben. Ich hatte da mein Leid geklagt, das meine Kinder das Lesen fast eingestellt haben, obwohl zu Anfangs eine sehr große Lesebegeisterung und auch von uns vorgelesen wurde.Darf ich Sie mal fragen, ob Ihre Kinder über elektronische Geräte, wie Handy, Laptop oder PS4 verfügen.  Wenn ja, wie schaffen Sie es, dass diese weniger interessant sind als das Buch.  Wenn nein, wie schaffen Sie es, dass Ihre Kinder nicht die Sonderlinge sind, die nichts davon haben und mit denen keiner was zu tun haben will.Ihre Bücherliste kenne ich, habe vieles davon selber als Kind gelesen, aber schon bei der Begeisterung von Tim im Kongo, ist bei meinen Jungs eher Gähnen angesagt.

Gotlandfahrer

19. September 2023 17:48

@ Schobbepetzer: Sie haben zwar nicht mich gefragt, aber vielleicht hilft Ihnen meine persönliche Erfahrung: Kein Entweder-Oder. D.h. es geht nicht darum, den Kindern KEIN Blinkkästchen zu erlauben, sondern den Einsatz so zu managen, dass genug Zeit für anderes bleibt. Ob dann gelesen wird, steht auf einem anderen Blatt. Bei uns half auch der Besuch einer Schule, die sich der Ethik Albert Schweitzers verbunden fühlt, da waren tragbare Fernsprechgeräte zumindest auf dem Gelände verboten und kein Kind hatte eines vor der 6. Klasse. Bei Apfelgeräten lässt sich die Nutzung anwendungsgenau beinhart einstellen, durch das folgende Stahlgewitter müssen dann beide Seiten durch...

Carsten Lucke

19. September 2023 18:16

Vorgelesen zu bekommen, so wurde mir berichtet, mochte ich schon als Kind nicht. Bis ich selber lesen konnte, genügten mir offenbar die Bilder in den Kinder- und Märchenbüchern (Lieblingsbuch, das ich heute noch besitze : "Hirsch Heinrich" mit den Illustrationen von Werner Klemke).
Bis heute sind mir alle Arten Lesungen zuwider, gerade die von Autoren. Das Beste (z.B. Arno Schmidt) wird mittelmäßig - das Schlechteste ebenso. Ich brauche nur das Buch, seinen Geruch, das Papier, den gedruckten Text. Und dann lese ich mir selbst vor.
Aber mein Großvater sang mir mal etwas an einem Spätsommertag wie heute , vor seinem kleinen Haus, mit leicht banger Stimme : "Kommt ein Vogel geflogen" - das vergißt man nie.
 

Sandstein

19. September 2023 19:07

Bin erstaunt wie viele Kommentatoren Ratschläge suchen, wie die Belger denn nun zum Papier zu bringen seien. Ist wohl nicht allzu weit her mit der Altdeutschen Erziehung?
Die Amis hatten mal einen Testlauf in Westpoint. 5 Züge eines Jahrgangs, 2 komplett mit Papier-Unterlagen belehrt, ein Zug gemischt, zwei weitere rein digital. Das Ergebnis war: die Offiziersschüler, die rein über Papier gelernt haben, hatten mit Abstand die besten Ergebnisse.
Weder Neurologen noch Pädagogen können das Phänomen bisher befriedigend erklären. Ich tippe mal auf eine Verknüpfung von Haptik, Wahrnehmung und kognitiven Fähigkeiten. Vielleicht ja ein Wink aus der Vergangenheit, als unsere Ur-Vorfahren nur durch tatsächliche Erlebnisse lernen konnten. PlayStation weg, Buch hin. Ich hatte bis zu meinem 16 Lebensjahr keinen Rechner und keine Konsole und bin zum daddeln einfach zu Freunden gefahren. Damit wird man sicherlich nicht zum Außenseiter. Und Stichwort Resilenz: was ist so verkehrt daran, junge Menschen auch mal Zwängen auszusetzen? Ich dachte immer genau das sei Erziehung. Natürlich gepaart mit Liebe und der Bereitschaft, auch ein Vorbild zu sein, indem man auch als erwachsener bestimmte Zwänge annimmt. Die Kommentare lassen mich etwas ratlos zurück.

RMH

19. September 2023 19:30

@Carsten Lucke und @Sandstein,
in jedem Pipifax-Didaktik Seminar für Nebenberufs-Dozenten und -Lehrer lernt man mit als erstes etwas über die unterschiedlichen Lerntypen, auch wenn selbstredend diese Theorien nicht unumstritten sind (vermutlich sind sie heutzutage schon "veraltet"). Es gibt Menschen, die bspw. mit Hörbüchern sehr viel anfangen können und andere sehr wenig. Solche Unterschiede sind da und man kann nicht alles über einen Kamm scheeren. Das man Kinder/Jugendliche ans Buch führt, bleibt dabei unbestritten. Mit Zwang lesen hat aber noch nie recht weit geführt - außer, man mag es, wenn Leute bspw. stupide etwas auswendig lernen. Ich habe bspw. eine zeitlang sehr gerne Hörbücher gehört (bspw. die Volltext-Lesungen von Werken Thomas Manns von Gert Westphal), bin aber mittlerweile wieder voll beim gedruckten Text. Mir wurde als Kind auch nicht großartig vorgelesen, aber ein Buch lag regelmäßig unter dem Weihnachtsbaum - zudem haben mir meine Eltern sehr früh ein Ausleiheft für die Stadtteilbibliothek besorgt und mir gezeigt, wo man da was findet und wie man es ausleiht (Bücher kosteten Geld - dementsprechend wurden nur wenige gekauft, aber es wurde viel ausgeliehen. Auch so etwas, was abstirbt).

Pferdefuss

19. September 2023 20:28

Erinnerliches starkes Leserrlebmis: 'Märchen aus Tausend und einer Nacht mit magischen Hochglanzabbildungen. Als ich es Jahrzente später von einem Buchbinder restaurieren ließ, hatte es seinen Zauber verloren. 
Nächste Lesertsppe:'Uff, uff, ein Schrei, das war Karl  May, alle Schinken mit klassischem Deckblatt. Wir verwandelten uns in diese Helden.
Nächste Haltestelle: 'Volksbücherei' Als Jugendliche durfte man nur drei Erwachsenenbücher mitnehmen. Ich begann schon unterwegs zu schmökern. Es geht gleich weiter!

Kositza: Tolle Geschichte mit der Restauration. Kommt mir bekannt vor....

Gotlandfahrer

19. September 2023 20:48

@ Sandstein: Interessanter Befund aus Westpoint. Das Untersuchungsdesign wäre noch zu betrachten, aber ich halte es für möglich, dass es so ist. Ein Buch zwingt zu Demut, weil man selbst höchstens zur nächsten Seite umblättern kann.  Aus der Demut folgt Bereitschaft zur Anhörung von Weisheit, während alles Digitale immerzu summt „klick, wohin Du willst, alles geht, Du bist Herr Deiner Sicht auf die Welt“. Papier zwischen Deckeln sagt uns, du bist Teil einer alten Kultur. Ein Touchscreen sagt uns, Du gehörst nur mit dem neuesten Update zu Crowd.
Entgegenzuhalten wäre, dass auch ein Meme mehr sagt als 1000 Worte. Wenn ich auf TG schaue, wieviel Passgenaues verständlich ausgedrückt wird, ohne dass ich den Erzeugern ein Philosophiestudium unterstelle, dann sehe ich darin auch Bildungspotenzial. Ich denke folgendes: Das Digitale ist, wie das Gedruckte, Ausdruck der Macht. Ist diese Macht schlecht für uns, sollte das Digitale eingeschränkt werden. Ist die Macht gut für uns, kann es als sinnvolle Ergänzung genutzt werden. Das war jetzt das Ergon-Argument, wenn ich aufgepasst habe.

Laurenz

19. September 2023 20:50

@Sandstein .... Ja, Studien. Zocker haben, zusammen mit Physikern, die schnellste Reaktionszeit, auch um Entscheidungen zu treffen. 

Gracchus

19. September 2023 21:04

Sehr schöner Artikel! 
Gestern Abend dachte ich plötzlich, als Leser bist du doch aus der Zeit gefallen. Vielleicht lag es auch an der Lektüre, darin wurde eine bäuerliche Welt im slowenischen Kärnten sinnlich sehr konkret beschrieben, so bestimmt nicht mehr existent. Eine gewisse Form des Lesens oder der (geduldigen, langsam entstehenden) Imagination durch Lesen hat aufgehört. Weitergabe, wie fiktionalisiert auch immer, individueller und auch irgendwie exemplarischer Erfahrung. 
Als Lyrikleser gehöre ich zudem einer doppelten Minderheit an. Die Mehrheit kann mit einem Gedicht überhaupt nichts anfangen. Wann stand je oder zuletzt ein Lyrikband auf der Bestsellerliste? 

Ellen Kositza

19. September 2023 21:06

@Schobbepetzer

Sie: "Darf ich Sie fragen, ob Ihre Kinder über elektronische Geräte, wie Handy, Laptop oder PS4 verfügen.  Wenn ja, wie schaffen Sie es, dass diese weniger interessant sind als das Buch.  Wenn nein, wie schaffen Sie es, dass Ihre Kinder nicht die Sonderlinge sind, mit denen keiner was zu tun haben will."

Ich: TV oder PS gab es hier im Haushalt nie - die Kinder hätten sich wohl eher die Zunge abgebissen, als so einen Wunsch zu äußern. Mit 14 bekommen die Kinder ein Handy, heute Smartphone (Zweitälteste hat wie ich weder noch).

In den Nullerjahren war "mit 14" spät, heute ist es seehr spät. Daß unsereins nicht in den Whatsapp-Gruppen (Klasse, Sportverein, Orchester etc) ist: gewiß ein Nachteil, den man aber verkraften kann. 

Als "Sonderling" zu gelten, ja, das ist hart. Wir haben es unseren Kindern dennoch zugemutet - im Wissen, daß es nicht darauf ankommt, allen zu gefallen. Es sortiert sich dann halt anders. Wenn sie (die Kinder) dennoch gut drauf sind, paßt das schon. Sie leben halt mit einem merkwürdigen Nimbus - und sind auf andere Art anziehend. Nicht stromlinienförmig zu sein, kann grad in jungen Jahren ätzend sein, stimmt. Aber man kann dran wachsen.

Gracchus

19. September 2023 21:08

Leseratte klingt tatsächlich etwas negativ. Von Handke stammt der Ausdruck "Lesefutterknechte". 
Man sollte dran denken, dass zwei Klassiker vor dem schädlichen Einfluss der Bücher "warnen", nämlich der Don Quijote und Madame Bovary. 
 

Gracchus

19. September 2023 21:10

@Carsten Lucke
Wundert mich fast ein bisschen, dass Sie Arno Schmidt schätzen. 

Carsten Lucke

19. September 2023 21:29

@  Die Chefin
Sie leben halt mit einem merkwürdigen Nimbus - und sind auf andere Art anziehend.
Genau !!!

Adler und Drache

19. September 2023 21:38

Lesen ist nicht Lesen. Es gibt Lesen als Arbeit, es gibt Schmökern und eine Art von gula, die alles in sich hineinfrisst. Wie eben eine Ratte. Und wahrscheinlich noch andere Arten.
Ich war 30-35 Jahre lang auch so eine Ratte. Konnte nicht genug kriegen. Es eröffnet innere Alternativwelten, die einen aus dem Eingebettetsein in die Welt herausreißen. Das ist nicht gut. Mittlerweile halte ich das Lesen für eine überschätzte Sache. Für die Bildung natürlich essentiell. Für Entspannung, negotium, amusement: why not? Ansonsten würde ich der Sache nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Ich halte in pädagogischer Hinsicht das Fern- und Filmesehen auch für viel unproblematischer. So ein Film zieht vorüber und vorbei. Lesen gibts dagegen nicht ohne Mitmachen. Man wird hineingezogen, muss Bilder ergänzen, Figuren eine Stimme geben usw. Es ist immer eine Verschwörung zwischen Autor und Leser, wobei der Autor den Leser in die Verschwörung (in die Alternativwelt) hineinzieht. 
Ich habe mir selbst strenge Enthaltsamkeit auferlegt. Ich gehöre ins richtige Leben. 
 

Umlautkombinat

19. September 2023 22:01

@Sandstein
 
Meine persoenliche Vermutung ist die Kargheit des linearen Flusses eines autarken Gebildes als zumindest einer Teilursache. Man muss sich Dinge merken.
 
Hypertext in Browsern kam auf, als ich an einer Doktorarbeit schrieb. Sehr verlockend - aber ebenso sehr demenzfoerdernd und ablenkend (bis zur unerfuellbaren Sucht des vermeintlichen Ausschoepfenkoennens), wenn alle Dinge einen Klick weit weg sind. Noch in meinem Studium gab es nur Papier als Quelle, als Buch oder, ja - paper. Einen Querverweis aus beiden Dingen zu beschaffen, konnte aufwaendig sein. Lang verzoegerte Fernleihe oder physisches Beschaffen an anderen Orten, z.B..  Und ein Verweis innerhalb eines Buches - dazu musste halt Inhalt und Stelle im Kopf bleiben, um den Tanz des Leseflusses aufrechtzuerhalten, der wiederum Art und Tiefe des Gedaechtnisses bestimmt.
 
Eine zweite Form der Autarkie ist die inhaltliche Abgeschlossenheit selbst, die ein unveraenderlicher Druck natuerlicherweise enthaelt. Koppelt auch heute - bei mir zumindest - ganz anders und auf viel mehr Ebenen an andere Dinge im Kopf an. Dann entsteht eine auf der einen Seite stabilere, auf der anderen Seite in mehr Kontexten anwendbare Internalisierung. 

Florian Sander

19. September 2023 22:21

"Sie will nichts lesen, was sie deprimiert, sie weist es entschieden zurück."
Das finde ich außerordentlich erfrischend. Gut zu wissen, dass es noch Kinder und Jugendliche mit Liebe zum Leben gibt, die sich nicht darüber definieren, wie viele seelische Probleme und Ritz-Narben sie heute wieder auf Insta und Tiktok gepostet haben. :)

Blue Angel

20. September 2023 01:46

Daß Ihre Tochter nichts lesen will, das sie deprimiert, halte ich für einen gesunden Reflex: Jugendliche, die einen Hang zum "Verlorenen" haben, sind oftmals gefährdet.
Mein Mann und ich waren als Kinder und Jugendliche beide Vielleser. Meine geheime Lieblingslektüre war die der, hinter einem Sessel verborgen inhalierten, elterlichen "Bibliothek", von Bertelsmann-Romanen bis zum ärztlichen Ratgeber für junge Eheleute. Gedrucktes jeder Art gehörte auch bei unseren Kindern immer selbstverständlich zum Alltag. Abendliches Vorlesen war Vatersache, am beliebtesten bei allen dabei Bücher von Pratchett. 
Spätestens mit 10, 12 Jahren war unser Lektüre-Einfluß aber verloren, die jungen Herren und Damen hatten dann ihre eigenen Vorlieben, die nicht immer unseren entsprachen. Insofern sind Ihnen meine Bewunderung und mein Neid gewiß. - Immerhin lesen alle vier auch heute noch gerne, wenn auch - leider - nicht in jedem Fall noch Gedrucktes. Falls Energie rationiert wird und Dissidenten womöglich ganz verweigert, wird aber auch der eine oder andere "Streamer" bei Kerzenschein zur Magie des Buches zurückfinden. Es hat eben alles auch gute Seiten.
 

links ist wo der daumen rechts ist

20. September 2023 08:19

Was uns prägt 1
Das Vorlesesalter ist vielleicht die schönste Zeit in der Eltern-Kind-Beziehung, aber doch nur der mögliche Anfang von vielem. Die Frage ist doch, wie und auf wie vielfältigem Weg diese Anregung der Phantasie später ins Leben zurückwirkt.
Es mag sein, daß eine Kindheit in den 70ern das Paradies war. Der Zeitgeist war links, aber nicht doktrinär. Verzopft waren – auf dem Land – die katholischen Bauernkinder, die in die Sonntagsmesse geprügelt wurden (in späteren politischen Karrieren waren sie dann - ohne jedes Feingefühl – die Ortsbild- und Landschaftszerstörer).
Nach den Vorlesebüchern (bevorzugt vom Vater gelesen, v.a. seine Kinderbücher wie „Dr. Dolittle“ oder Siebes „Kasperle“-Bücher), folgten viele sog. Kinderbuchklassiker, oft wurden die elterlichen Bestände „geplündert“, manches habe ich leider erst als Erwachsener kennengelernt (wie die herrlichen „Mumins“), Mickymaus-Hefte durften neben den alten „Wunderwelt“-Heften nicht fehlen (auch hier wurden Vaters rare Hefte der 50er geplündert).
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille.
Was meist in der Nachbetrachtung unter den Tisch fällt, sind die herrlichen Buchillustrationen, ich denke nur an Janusz Grabianski.

links ist wo der daumen rechts ist

20. September 2023 08:32

Was uns prägt 2
Als Drittes kamen hinzu (Privileg der 70er) die Kinder-Langspielplatten. Diese Stimmen (Hans Clarin, Hans Paetsch u.a.m.)! Und die Musik (unvergessen die ersten Sätze aus Liszts „Preludes“ zu „Hänsel und Gretel“).
Perfekt ergänzt wurde das alles durch die liebevoll-dilettantischen Zeichentrickfilme aus japan. Studios: „Wickie“, „Biene Maja“, „Kimba“ usw. Das war so einfach gestrickt, daß Platz für die eigene Phantasie blieb. Sonst spielte Fernsehen als vorgefertigte Bilderproduktion keine große Rolle.
Und all das vor der musikalischen Klangtapete (im positiven Sinne) der 70er.
Was die Phantasie zusätzlich enorm angeregt hat, war das, was den Kindern vorenthalten wurde, wie z.B. Kinofilme. Umso spannender die kurzen Nacherzählungen der Eltern (besonders der Mutter); bis heute finde ich die Schilderung meiner Mutter der Szene aus dem „Weißen Hai“ mit der leeren Luftmatratze und dem verzweifelten Rufen nach dem Kind eindringlicher als jeden Katastrophen-Blockbuster.
Es war also tatsächlich eine Welt der Synästhesie, einer Anregung aller Sinne, ohne daß die eigene Phantasie gegängelt oder eingeschränkt wurde.
Später, nach der Zweiteilung der Familie, konnten wir auf väterlicher Seite dieses „Roadmovie“ im kleinsten Kreis fortsetzen.
Aus dieser Welt aber sind heute tatsächlich nur mehr die Bücher übriggeblieben; und meine Kinderbuchsammlung wird immer umfangreicher…

Dieter Rose

20. September 2023 08:51

@Adler und Drache
"Ein Film zieht vorüber, und vorbei" - dem würde ich nicht zustimmen: Die "vorbeiziehenden Bilder" wühlen doch mehr auf (je nach Genre), als die Bilder, die man sich selber macht beim Lesen, und vor allem, ist es nicht gut und schön, sich durch eigene Phantasie und Erfahrung (Reiseeindrücke) Bilder selbst zu schaffen? Da kann ich mch doch besser vom Alltag entfernen z.B., als auf Wege, in Situationen und Aktionen gedrängt zu werden, mit denen ich nichts zu tun haben will
 

Gimli

20. September 2023 11:23

Man muss "lesen" nun aber auch nicht überhöhen. Es kann auch Menschen mit reichem (sehr subjektiv!) Innenleben geben, ohne je Schiller oder Mann gelesen zu haben. Ich zB leide unter Kabale und Liebe und diesen "Sachen". Finde auch aktuell das autorengelesene Tonio Kröger echt schlimm. T C Boyle oder John Irving kann ich wegfuttern, ohne dass viel nachklingt. Faust bechäftigt mich bis heute und Hesse hatte seine Zeit in meinem Innenleben, nun nicht mehr. Daher just aussortiert. Alles von ihm. Oppenheimer - der Film: sehr nachdrücklich. Meine Tochter liest gerade "Das Parfum" und spricht auch nach 80 Seiten schon von Unvergesslichem. Und ist stürze mich in die aktuelle Edelausgabe von Krabat. Einfach und gut. Mit Bildern von Mehrdad Zaeri toll bebildert (wie er sagt: digital via ipad erstellt). Will sagen: Ich sehe keine Linie, es ist nicht vorhersehbar was gefällt und es gibt bestimmt für alle ein passendes Medium (Film, Buch, Hörbuch oder wenns sein muss: Musik ;) Aber ohne Fiktion wäre selbst einem Materialisten, der ich anscheinend bin, das Leben fad.  

Carsten Lucke

20. September 2023 11:32

@ Gracchus
Ist Ihre Frage bös- oder gutgemeint ? Raus mit der Sprache !
Für eine "ländliche Geschichte" von Schmidt gäbe ich einen Haufen.
Nichts zum Vorlesen freilich - um beim Thema zu bleiben.

brueckenbauer

20. September 2023 16:11

Ich las einfach gerne. Manche Uralt-Bücher fand im Lehrerzimmer der Zwergschule meines Vaters. Und dann waren da die geerbten Bücher vom Großonkel meines Vaters. Tieck-Schlegel-Übersetzungen der Shakespearedramen mit wildbewegten Holzschnitten. "Die Juden von Barnow" des Büchner-Schwagers und -Herausgebers. Nach einer Weile konnte ich perfekt Fraktur lesen. Ob es wohl heute noch Stellen gibt, wo man als Kind so gut an ganz alte Bücher rankommt?

Pit

20. September 2023 17:26

Thomas Mann Der Zauberberg S. 656:
 
Naphta lächelte. Analphabetentum! Da glaube man nun ein wahres Entsetzenswort ausgesprochen, das Haupt der Gorgo vorgezeigt zu haben, überzeugt, daß jedermann pflichtschuldig davor erblassen werde. Er, Naphta, bedauere, seinem Gesprächspartner die Enttäuschung bereiten zu müssen, daß die Humanistenfurcht vor dem Begriff des Analphabetentums ihn einfach erheitere. Man müsse ein Renaissanceliterat, ein Prezioser, ein Secentist, ein Marinist, ein Hanswurst des estilo culto sein, um den Disziplinen des Lesens und Schreibens eine so übertriebene erzieherische Vordringlichkeit beizumessen, daß man sich einbilde, Geistesnacht müsse walten, wo ihre Kenntnis fehle. Ob Herr Settembrini sich erinnere, daß der größte Dichter des Mittelalters, Wolfram von Eschenbach, Analphabet gewesen sei?
Damals habe es in Deutschland für schimpflich gegolten, einen  Knaben, der nicht gerade Geistlicher habe werden wollen, zur Schule zu schicken, und diese adlig-volkstümliche Verachtung  der literarischen Künste sei immer das Merkmal vornehmer  Wesentlichkeit geblieben, - während der Literat, dieser rechte Sohn des Humanismus und der Bürgerlichkeit, allerdings lesen und schreiben könne, was der Adlige, der Krieger und das Volk nicht könnten oder nur schlecht könnten, - aber weiter könne und verstehe er in aller Welt auch gar nichts, sondern sei noch immer ein latinistischer Windbeutel, der die Rede verwalte und den rechtschaffenen Leuten das Leben überlasse, - weshalb er denn auch aus der Politik einen Beutel voll Wind mache, nämlich voll Rhetorik und schöner Literatur, was in der Parteisprache Radikalismus und Demokratie heiße...

Sandstein

20. September 2023 18:41

@Gotlandfahrer 
"Aus der Demut folgt Bereitschaft zur Anhörung von Weisheit, während alles Digitale immerzu summt „klick, wohin Du willst, alles geht, Du bist Herr Deiner Sicht auf die Welt“."
..schön geschrieben. Das lass ich einfach mal so stehen. Was die Macht der Memes angeht: Klar, da ist was dran. Mehr oder weniger subtil verpackte Wahrheiten. Es sind ja aber doch nur zeitgemäße Karikaturen, also Bildersprache. Das hat mit Büchern nicht viel zu tun - außer dass beide, Buch wie Meme, etwas in uns Menschen berühren. 
Mir fällt dazu nur ein Zitat von Stephen King ein (den ich als Autor gar nicht besonders schätze): "Bücher sind eine einzigartige tragbare Magie."
@Umlaufkombinat
"Eine zweite Form der Autarkie ist die inhaltliche Abgeschlossenheit selbst, die ein unveraenderlicher Druck natuerlicherweise enthaelt. Koppelt auch heute - bei mir zumindest - ganz anders und auf viel mehr Ebenen an andere Dinge im Kopf an."
Genau so geht es mir nämlich auch und ich denke hierin liegt die King'sche Magie. Bücher geben einen Rahmen vor, und manchmal ist viel wichtiger, was eben nicht geschrieben steht. Das muss unser Gehirn dann selbstständig hinzufügen. Ich glaube, genau das ist es, was Menschen durch lesen klug macht. Wieso das mit digitalen Quellen nicht halbsogut klappt ist verblüffend.

Sandstein

20. September 2023 18:42

@Laurenz
Wenn die Amis Studien an ihren Militärs durchführen, sollte man sich die Zeit nehmen und hinschauen. Die wissen (leider) meistens, was sie tun. Zocker sind übrigens ganz passable Dronenpiloten. Nicht umsonst wirbt die Air Force mittlerweile Zocker an. Aber auch bei denen lässt die Reaktionszeit ab Ende 20 Anfang 30 rapide nach.

Laurenz

20. September 2023 18:55

In meinem Lieblingsfilm "Blackrobe" https://de.wikipedia.org/wiki/Black_Robe_%E2%80%93_Am_Flu%C3%9F_der_Irokesen, der für die Jesuiten & die von ihnen christianisierten Huronen nicht gut ausgeht, kann man das Schreiben & Lesen als üble Verführung unbedarfter Menschen interpretieren https://youtu.be/7cj_bSkuKVA (leider schlechte Bildqualität, macht aber nix, 00:01:55). Es ist vor allem der militärische Fortschritt, der beim Schreiben & Lesen nicht aufzuhalten war. Insofern muß ich, als Befürworter elektrisch übermittelter Informationen zugeben, daß hier die Abhängigkeit von der Stromerzeugung/-versorgung enorm ist & eben auch wieder aus militärischen Gründen die Kunst des Lesens & Schreibens auf Papier existenziell bleibt. Wer will, daß seine Kinder eine Eigenschaft mehr erhalten, um zu überleben, bringt ihnen das Lesen & Schreiben von Handschrift bei.

Pit

20. September 2023 19:03

Ich erinnere auch an das Steiner- / Waldorf´sche "Namen tanzen": der Sinn ist ja ganz ausdrücklich, WEG von der Abstrahierung zu kommen, welche ausdrücklich in BUCHSTABEN liegt, und wieder hin zur unmittelbaren SINNLICHEN Wahrnehmung zu kommen.
Immerhin weist Kostiza ja selber auf diesen Aspekt hin: "Die Buchstabenwelt ist nicht die reale Welt, sie ist ein Phantastikum" wie auch Kommentator Gracchus 19. September 2023 21:08  "dass zwei Klassiker vor dem schädlichen Einfluss der Bücher "warnen", nämlich der Don Quijote und Madame Bovary".
Selbstkritisch zu bemerken ist natürlich auch, daß Thomas Mann, s. meinen vorigeh Kommentar, diese skeptischen Bemerkungen bez. des Literarischen wo macht: in einem Buch  :-D .
Dennoch ein paar weitere lustige Stellen aus dem Teil des Buches:"grammatisch-formalen Spleen""wie weidlich das Volk sich über unsere Doktortitel und unser ganzes Bildungsmandarinentum lustig mache""daß unser Schultypus überhaupt [...] einen lächerlichen Zopf und Anachronismus darstelle, [...] daß ein freier, offener Unterricht durch öffentliche Vorträge, Ausstellungen, Kinos und so fort jedem Schulunterricht weit überlegen sei""ins Chinesische [...] wo die skurrilste Vergötterung des Abc herrsche, die je erreicht worden sei, und wo man Generalfeldmarschall werde, wenn man alle vierzigtausend Wortzeichen tuschen könne, was recht nach dem Herzen eines Humanisten sein müsse"

Pferdefuss

20. September 2023 19:35

Weiter geht die Lesereise, die eine Lebensreise ist. Ich überspringe Etappen, die nur zu allgemeingültig sind: Lesen ist in unseren Breitengraden seit Generationen Kulturgut. Basta.
Um der Bücherflut Herr zu werden, habe ich sie wie Persönlichkeiten behandelt: Verwandte, Bekannte, z. B. Reisebekanntschaften, Freunde, dicke Freunde und gab damit allen allen einen Platzvim Bücherregal, sah dann allerdings für Interessierte konfus aus. 
Lesenmit den Kindern. Ein Sohn wollte immer nur eines von höchstens vier Grimm-Märchen vor dem Gute-Nacht-Gebet  hören. Und zwar im immer gleichen Wortlaut. Ich verstand, das ist Treue, das ist Vertrauen, das ist das Lieblingsbuch, das Lieblingsessen, die Lieblingspuppe, der beste Freund. 

Gracchus

20. September 2023 21:37

@Carsten Lucke
Frage rein aus Neugier. Ich bin bei Arno Schmidt zwiegespalten. Hatte mal eine kurze Arno Schmidt-Phase. Wirklich gepackt hat er mich nie, und mich hat immer gewundert, dass mit Lob eher sparende Autoren wie Kempowski oder Hacks ihn derart gepriesen haben. Als ich neulich "Seelandschaft ..." wiederlesen habe, kam ich nicht rein. Habe die Vorstellung, dass Hesse- und Schmidt-Leser sich beissen. 
Arno Schmidts Atheismus könnte unserem Freund @Laurenz gefallen. Auch war wie @Laurenz von Karl May angetan und vertrat  die These, Winnetou und Old Shatterhand wären schwul.

Laurenz

21. September 2023 11:56

@Gracchus @L.  ... Schmidt von Karl May angetan, vertrat  die These, Winnetou & Old Shatterhand wären schwul. ... Das wird auch Karl May & Sascha Schneider nachgesagt. https://karl-may-wiki.de/index.php/Sascha_Schneider Karl May ist aber ganz normal einem traditionellen weiblichen Rollenverhalten verhaftet & hing, wie ich auch, an Seiner Großmutter. Frauen sind auch in den Phantasie-Welten Mays etwas schützenswertes. Das hat sich verändert. Frauen, wie Schwarzer & die sexuelle Revolution haben dafür gesorgt, daß Frauen das nicht mehr sind, Vergewaltigungen durch Musels sind ein Kavaliers-Delikt. May war in der Lage, herzensbewegend zu schreiben. Und seine Werke im Hausschatz wurden weitestgehend von der unteren Mittelschicht & Unterschicht gelesen. May war Volksdichter. Mays Spätwerk & Schneiders vielleicht homoerotische Einbände waren beim Leser nicht wirklich beliebt, wie man oben nachlesen kann. Über Homosexualität kann ich nichts schreiben. Atheist bin ich auch keiner, wobei ich https://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Hitchens überragend finde. Dagegen bleibt Dawkins eine religiöse Atheisten-Lusche, weil er den politischen Aspekt & den in meinen Augen geisteskranken Wertekontext von Religionen beibehält.

Laurenz

21. September 2023 12:05

@Sandstein @L. ... Wenn die Amis Studien an ihren Militärs durchführen, sollte man sich die Zeit nehmen & hinschauen. Die wissen (leider) meistens, was sie tun.
Ja, aber der Durchschnitts-IQ der US Army ist in etwa 80. Stöbern Sie im Netz. Das ist das Problem aller Freiwilligen-Armeen.
Aber auch bei Zockern lässt die Reaktionszeit ab Ende 20 Anfang 30 rapide nach. ... Normal. Vor allem ab 80 wirds oft schwierig so im Sarg.

Carsten Lucke

21. September 2023 13:04

@ Gracchus
Nach dem erschütternden Text von Götz Kubitschek nur kurz : Hesse und Schmidt waren sich wohl nicht sonderlich "grün" (Eitelkeiten) - ich liebe sie beide.

Sandstein

21. September 2023 16:32

@Laurenz
"Normal. Vor allem ab 80 wirds oft schwierig so im Sarg."
Fragen Sie doch mal bei Bidens Stab nach wie es so läuft. Der hat ganz sicher seinen eigenen Dr. Morell ;>

Sandstein

21. September 2023 16:34

Bitte noch in den Kommentar einfügen:
Ich sprach übrigens vom Offizierkorps, das hat mit dem Durchschnitts-IQ der Army wenig zu tun. Wie schon oft erwähnt, Sie schaden Ihren sonst guten Argumenten, wenn Sie Nebelkerzen zünden und verschleiern. Gruß 

Isarpreiss

21. September 2023 17:02

Diese Homestory-artigen Beiträge sind immer faszinierend und für Eltern deprimierend. Könnten Sie nicht mal über all das schreiben, was schief geht? Wo sich Vater und Mutter uneins sind? Wo die Erziehung überhaupt nicht fruchtet? Oder zumindest wo Sie Zweifel haben, ob Ihr Weg der richtige ist?
Auf meine Nachfrage auf Twitter, ob Sie eigentlich nie jammerten, antworteten Sie "nur im Geheimen". Vielleicht gibt's das ja für Eltern, die es nicht so dermaßen idealrechts hinkriegen, auch mal öffentlich?

Kositza: Oh, das ist mir unangenehm und danke dass Sie mich drauf aufmerksam machen, daß es so fugenlos "idealrechts" klingt... Wer mich persönlich (und selbst sporadisch) kennt, weiß, daß ich wenig Wert auf "heile Fassade" lege und quasi mein Herz auf der Zunge trage, auch was "Trouble" mit den Kindern angeht. Logisch gibt es den!Gelegentlich heftig!(Lesefreude betreffend tatsächlich nicht.) Nur sind wir politisch viel zu angreifbar, als daß ich sowas öffentlich besprechen würde.
Tatsächlich hab ich nie bezweifelt, ob "unser Weg" "der richtige" ist. Daß wir den Kindern damit ordentlich & ungefragt was aufgebürdet hat, ist eine andere Frage.

Laurenz

21. September 2023 21:29

@Sandstein @L. ... Dr. Morell ... wäre heute in der Pharma-Industrie hoch dotiert & geachtet. Wie kann man sonst Milliarden von schädlichen Medikamenten verkaufen, die keine sind... Man könnte sagen, auch die  https://de.wikipedia.org/wiki/Opioidkrise_in_den_Vereinigten_Staaten macht der historischen Medizin alle Ehre.Offizierkorps, das hat mit dem Durchschnitts-IQ der Army wenig zu tun. ... Da täuschen Sie Sich gewaltig. ... Natürlich braucht die US Armee ( & Marine) Leute, die einen Flugzeugträger etc. bedienen können. Die sind da schon eingerechnet. Was leicht zugänglich ist, sind Interviews mit den Apollo-Astronauten, alles (mittlerweile tote) Kampfflieger. Sie werden feststallen, das sind ausnahmslos einfache Gemüter. Die intelligenteren US-Bürger wird man eher in den 18 Geheimdiensten der USA finden oder in der freien Wirtschaft.  https://de.wikipedia.org/wiki/United_States_Intelligence_Community  US amerikanische Militär-Operationen der letzten 70 Jahre erinnern mich fatal an die SKL der Deutschen Kriegsmarine, die nicht mal in der Lage war, den Brennstoff-Bedarf bei Operationen einigermaßen genau zu berechnen. Krieg ist deswegen immer Improvisation.

Adler und Drache

21. September 2023 21:37

@Laurenz:
Schneiders vielleicht homoerotische Einbände
Für diese Zeit schon recht deutlich, oder? Was hält die Figur auf der Titel-Illustration zum "Schut" in ihrer Linken? 
Der Engel auf dem Cover von "Friede auf Erden" war ursprünglich identifizierbar männlichen Geschlechts. Fehsenfeld verwahrte sich. May schrieb an Schneider: "Wir wissen: Dem Reinen ist alles rein!"
Ich weiß nicht, ob Arno Schmidt richtig lag. Möglich wär's schon, wenn auch seine Begründungen teilweise an den Haaren herbeigezogen sind. Fakt ist, dass die Beziehung von OS zu Winnetou emotionaler geschildert wird als zu Nscho-tschi - aber das heißt halt auch noch nichts.  

Laurenz

21. September 2023 22:53

@Adler & Drache @L. ... Beim Schut kommen noch die Köpfe Erschlagener hinzu, die fatal an hellenistische Kultur, eskaliert in der "Heiligen Schar" Thebens, wie den Film 300 erinnert... am Ende der Szene https://youtu.be/PyVV4sxV5-M  Auch die gemalten Frauen Michelangelos, gerade in kirchlichen Einrichtungen, haben alle einen recht maskulinen Körper. Karl May war 1x geschieden, 2x verheiratet, kinderlos. Schwer zu sagen, wie solche Verhältnisse aussehen. Bei Gustav Gründgens & Marianne Hoppe ist Beider Geschichte klar ersichtlich, wobei Marianne Hoppe immerhin einen Sohn hat.

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