Politik von rechts geht derzeit in die 4. Auflage, aber es wird nie ein massenwirksamer Aufschlag werden. Zwar hat ZDF-„frontal“ in einem sechsminütigen Film Kernaussagen aus Krahs Buch gepickt, um dem gebildeteren Publikum die ganze Schäbigkeit dieses alternativen Politikprogramms vorzustellen; aber obwohl damit unsere Strategie der Provokation wieder einmal aufgegangen ist, sprechen wir noch nicht von Masse und emotionalem Zugriff.
Für diesen suggestiven Teil des politischen Vortriebs ist das andere Format zuständig, mit dem Krah seit geraumer Zeit experimentiert: TikTok-Videos von maximal einer Minute Länge. Krahs Team arbeitet frappierend professionell, indem es die an junge Leute gerichteten Botschaften so aussehen läßt, als seien sie spontane, mal eben in eine Kamera erzählte Eingebungen.
Ein zuletzt extrem weit verbreitetes Filmchen beginnt mit dem Satz „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ und endet auch damit. Dazwischen ist von Stolz die Rede und vom Rat, sich mal mit Opa und Oma zu unterhalten. Implizit fordert Krah seine jungen Zuschauer dazu auf, sich nicht einreden zu lassen, man habe mit seinen Vorfahren nichts zu schaffen, sondern sei durch einen moralischen Abgrund von ihnen getrennt.
Über die Wirksamkeit solcher Videos kann man keine analytisch abgesicherte Aussage treffen. Klar ist: Sie werden Hunderttausende Mal geschaut, sind extrem einprägsam und polarisieren. Wo auf der einen Seite Empörung und Abwehr laut werden, ist auf der anderen Seite ein Aufatmen wahrnehmbar:
Das Leben bricht sich Bahn gegen jede Ideologie.
Krah selbst hat dieses Aufatmen als Folge eines Befreiungsschrittes beschrieben, der durch eine Tür mit der Aufschrift „Zur Normalität“ erfolge. Man spüre jäh, mit welch gewaltigem Aufwand die Gegner ihre geschichtspolitische Erzählung vom Tätervolk und vom neuen, besseren, aber leider immer noch anfälligen Deutschen plaziert hätten.
Man begreife, mit welchem Konstrukt der Gegner den Blick auf die Normalität verbaut habe.
Es ist nicht schwierig, an den Reaktionen der Meinungswächter abzulesen, daß Krah mit diesem Vorstoß seinen Fuß in einen der Taburäume dieser Republik gesetzt hat. Die Vergiftung der Vergangenheit durch moralisierende Geschichtserzählung gehört zu den Grundbausteinen unserer Republik. Das daraus abgeleitete „Wehret den Anfängen!“ war (und ist) eine der starken Waffen zur Beendigung von Diskussionen, die über Daseinsberechtigung, Souveränität und Interessen eines offensichtlich aus der Abstammung abgeleiteten deutschen Volkes geführt werden müßten.
Wir haben es bei dieser Vergiftung der Vergangenheit mit einer der wirkmächtigsten Propaganda-Erzählungen schlechthin zu tun. Die Begriffe „Deutsches Volk“-„rechts“- „Schuld“-„Holocaust“ sind auf emotionaler Ebene so hart miteinander verdrahtet, daß dies verstandesmäßig nicht mehr aufgelöst, also voneinander gelöst werden kann.
Dabei wäre nichts anderes als die Auflösung dieser toxischen Verdrahtung eine der Normalisierungen, die unser Land so dringen braucht.
Wie normal es sich anhört, wenn dem Bekenntniszwang nicht nachgegeben wird, hat neulich auch Alice Weidel gezeigt. Sie antwortete auf die Frage, warum sie am Tage der deutschen Kapitulation nicht auch zu den Feierlichkeiten in die russische Botschaft gegangen sei, mit folgendem Satz: „Also hier die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern mit einer ehemaligen Besatzungsmacht, das ist etwas, wo ich für mich persönlich entschieden habe – auch mit der Fluchtgeschichte meines Vaters –, daran nicht teilzunehmen.“
Die versammelte Presse schrieb daraufhin voneinander ab, es gebe allenthalben „Empörung“ über Weidels Einordnung, denn sie falle damit hinter das zurück, was Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 doch gültig festgestellt habe: daß der 8. Mai der Tag der Befreiung gewesen sei. Hat er das wirklich gültig festgestellt? Ist das nicht – wie fast alles – eine Frage der Betrachtungsebene?
Zur Durchsetzung oder Verhinderung neuer Betrachtungsebenen kommt es, wenn Propaganda-Schlachten gewonnen oder verloren worden sind. Wir, das heißt: wir Rechten, stürmen und überwinden Sprachbarrieren, Denkblockaden, suchen und finden dort Wege, wo es – alternativlos – nur einen Weg geben soll. Das Unsagbare wird sagbar, denn es war immer schon denkbar und sagbar und wurde nur aus Angst vor „Konsequenzen“ nicht bedacht und gesagt.
Wie simpel es ist, wenn es getan ist! Und wie wichtig es ist, nach den Propagandamitteln zu greifen und ihren Gebrauch einzuüben!
Denn der Gegner wehrt sich. Er grenzt aus, behindert, unterdrückt, er denunziert, setzt Machtmittel ein und kriminalisiert. Er nutzt seine Möglichkeiten und Waffen, und ich bin mir sicher, daß nicht jeder von uns anders wäre, hätten wir unsererseits die Machtmittel in der Hand.
Jedenfalls: Wir alle sind aus Sicht der Gegner Unfälle ihrer Umerziehungshoheit. Wir sind diejenigen, mit denen etwas schiefging.
Gegen uns scheint jedes Mittel recht zu sein. Machen wir es kurz: In Deutschland tobt ein geistiger Bürgerkrieg. Es geht um die Vorherrschaft auf medialem, sprach- und geschichtspolitischem Feld, um Deutungshoheit, um die Staatsidee einer großen Nation.
Die Heftigkeit der Abwehr gegen Neudeutungsvorstöße von rechts erlaubt die Bezeichnung „Krieg“. Das sieht unter anderem auch der Literaturwissenschaftler Günter Scholdt so, der in seinem klugen Essay Reden wir über Postdemokratie zu dem Schluß kommt: „Auch Kultur‑, Medien- oder Wirtschaftskriege sind Formen der Kriegsführung.“
So ist es. Also: Laßt uns Krieg führen.