Der Film Real Life, der vom Leben und Sterben des (zuletzt freikirchlichen) Influencers Philipp Mickenbecker handelt, hat mich dennoch gefangengenommen. Es ist ein Low-Budget-Film, und er wird an den jeweiligen Spielorten oft nur wenige Tage gezeigt. Wer kann, sollte ihn anschauen; er ist mitreißend und kraß.
Philipp Mickenbecker und sein Zwillingsbruder Johannes sind enorm erfolgreich auf Youtube. Ihre Videos haben Millionen Aufrufe.
Die beiden, im Verein mit ihrer Schwester Elli, erfinden völlig verrückte Sachen. Sie bringen eine Badewanne zum Fliegen. Sie kreieren Schlittschuhe, die mit Kettensägenmotor laufen, sie entwickeln unerhörte Seilbahnen, sie basteln Achterbahnen. Schon dieser Anspruch der „Real Life Guys“, wie sich die Odenwälder Jungs nennen, ist beachtlich.
Motto: Leute, laßt den Bildschirmkonsum! Kommt ins Freie! Das ist Peter Lustig reloaded.
Das technische Geschick der Jungs kommt vom handwerklich begabten Vater, die Seelenruhe von der Mutter. Die ersten vier Schuljahre werden die drei Geschwister zu Hause beschult. Philipp ist sehr dankbar für diese Zeit – auch wenn er (wie auch seine Geschwister) mit dem Glaubenshintergrund der Eltern als Jugendlicher nichts anfangen kann.
Noch vor der Volljährigkeit wird Philipp von Krebs heimgesucht – er überwindet ihn rasch. Jahre später, da sind die drei Geschwister längst Youtube-Stars, bricht er erneut aus. Mit der drastischen Diagnose besinnt sich Philipp auf seine Wurzeln, auf den Glauben an Jesus Christus – sein Zwillingsbruder braucht dafür länger.
Und dann folgt ein unfaßbares Unglück: Elli, Elisabeth stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Bereits an dieser frühen Stelle (der Film dauert 120 Minuten) ist gut erkennbar, wie gut die Regisseure den schmalen Grat zwischen „genau hinschauen“ und „nicht voyeuristisch sein“ meistern.
Wir sehen Elli in den kleinen Privatflieger steigen. Die Kamera folgt ihrem neugierigen, ängstlichen, dann irritierten Blick – dann Schnitt. Keine Skandalaufnahmen.
Die tapfere Mutter kommt zu Wort: wie sie diese Todesnachricht empfangen hat. Sie sitzt heiligmäßig da mit ihrem frommen Kopftuch – ein weiblicher Hiob.
Als Philipp Mickenbecker Ende 2020 seine dritte Krebsdiagnose erhält, sind er und sein Bruder fest im christlichen Glauben verwurzelt. Die Ärzte geben Philipp eine Lebensspanne zwischen zwei Wochen und zwei Monaten. Längst ist der Tumor, der zwischen Philipps Lungenflügeln sitzt, nach außen gedrungen. Es sind schlimme Bilder. Sie werden nur behutsam angerissen. Es gibt keine starrende Kamera.
Die Lebensfreude und Heilsgewißheit, die der Todkranke ausstrahlt – es sind ungeheuerliche Zeugnisse eines unerschütterlichen Glaubens. Davon profitiert der ganze Film. Philipp Mickenbecker ist unglaublich.
Ich habe den Streifen mit meiner zwölfjährigen Tochter angeschaut, nachdem ich einige Skrupel hatte. Kann man einem Kind einen solchen Todeskampf zumuten? Sie hatte während der Vorführung einige Male weggeschaut und war letztlich extrem beeindruckt.
Wie sagt man? “Es gab Gesprächsbedarf”. Im Kinosaal waren auch ein, zwei deutlich jüngere Kinder – ich meine, das muß man individuell entscheiden.
Einmal entdeckt Philipp, daß durch seine Tumorwunde Maden/Würmer wandern. Es wird nicht gefilmt, allein die Botschaft muß ausgehalten werden. Beeindruckend dann die Nachricht, daß eine Freundin tapfer etliche Würmer per Pinzette entfernt. Der fromme, fröhliche Freundeskreis Mickenbeckers spielt hier eine tragende und berührende Rolle.
Dieser Film zeigt tatsächlich das Sterben des Philipp Mickenbecker. Letztlich verblutet er an seinem durchgebrochenen Tumor. Es ist eine große Kunst, daraus nichts Reißerisches zu machen.
Angeblich haben die Mickenbeckers mittlerweile für zahlreiche Konversionen gesorgt. Als Christ würde ich diesen Film unbedingt schauen. Als Nichtchrist sowieso. Weil er eine Herausforderung ist! Traurig der, der ohne Heilsgewißheit sterben muß – aber er mag diesen Film als Chance und Option ansehen!
Gotlandfahrer
Danke für den interessanten Tipp. Zunächst dachte ich, es sei eine fiktive Geschichte. Aber offenbar handelt es sich um eine Dokumentation, richtig?
Kositza: Ja!