Diese Solidarisierung beschränkte sich nicht auf Äußerungen der Bestürzung über den brutalen Angriff der Hamas und die Tötung von Zivilisten, sondern erfolgte hastig und hat Folgen: Sie würgt den naheliegenden Gedanken ab, daß für Nichtbeteiligte in diesem Krieg jede Seite die falsche sein könnte.
Große Teile der AfD (und damit der parteipolitisch sichtbaren Rechten) haben sich an der uneingeschränkten Solidarisierung mit Israel beteiligt. Der Ehrenvorsitzende der AfD, Dr. Alexander Gauland, hat in seiner Rede vor dem Bundestag die Erklärung, die Verteidigung Israels sei deutsche Staatsräson als Lippenbekenntnis bezeichnet, wenn darauf keine Taten folgten. Er bekam dafür von seiner Fraktion Applaus, von sonst aber niemandem, und dies, obwohl er sich ebenso klar positionierte wie seine Vorredner Scholz und Merz. Gaulands Forderungen nach Aussetzung von Zahlungen an humanitäre Projekte im Gaza-Streifen reichten sogar weiter als die seiner politischen Gegner.
Die Frage nach einer Stellungnahme zu Gaulands Position ist auch die Infragestellung seiner Erklärung. Ist eine andere deutsche Position im Nahost-Konflikt möglich? Tino Chrupalla hat sie dadurch zugleich angerissen und umgangen, daß er zu Deeskalation und zu einer diplomatischen Lösung aufrief. Das ist ehrlicher als das meiste andere, das zu lesen und zu hören war.
Aber wenn wir nicht ausweichen, müssen wir die Frage stellen: Ist eine andere deutsche Position denkbar als die einer Bestandsgarantie Israels, die wir ehrlicherweise gar nicht geben können (und die Israel, an dessen Seite die stärkste Militärmacht der Welt steht, auch gar nicht braucht)? Wenn ja: Wie sähe sie aus?
Die folgenden Gedanken sind in fünf Abschnitte gegliedert und damit ausführlich. Der fünfte könnte, lapidar gehalten, ausreichen. Jedoch ist das Umkreisen und Herleiten wichtig. Es wird zunächst darum gehen, mit Phrasen und allem Wohlfeilen aufzuräumen. Erst danach können eine Skizzierung der Lage und eine deutsche Position von rechts formuliert werden – mit aller Vorsicht und Ambivalenz, die solche Überlegungen stets kennzeichnen sollten.
1. Phrase und Realität: Von den Bekenntnissen, die in Konfliktlagen und Kriegssituationen von deutscher Seite abgelegt werden, ist die beschämendste und wohlfeilste jedesmal die, man “stünde fest an der Seite von xy”. Auch im Falle des seit Jahrzehnten schwelenden, nun wieder heftig auflodernden Konflikts zwischen Israel und den Restgebieten eines vormals geplanten Palästinenserstaats ist es von deutscher Seite aus wieder zu diesem Bekenntnis gekommen.
Welche Konsequenzen sollte es haben, daß Deutschland fest an der Seite Israels stehe? Welche hatte es, seit Deutschland fest an der Seite des ukrainischen Volkes steht? Was folgt, wenn man sich verbal auf diese Weise hochgerissen hat? Es wird auch dieses Mal nicht zum Einsatz deutschen Soldatenlebens kommen, es kam in der Ukraine nicht dazu, und die “Kriegsmüdigkeit der Deutschen”, vor der die Außenministerin mit Blick auf die nachlassende Empathiedichte der Ukraine gegenüber warnte, ist eine Wendung, die dem Absurden und Peinlichen die Krone aufsetzte.
Wir dürfen uns mit Blick auf den israelischen Staat und die Verfaßtheit seines Volkes sicher sein, daß man die fest an der Seite herumstehenden Deutschen dort nicht braucht. Denn Israel ist ein starker Staat. Seine Gründung beruht auf einer selbstbewußten Landnahme – gepaart mit dem Willen, dieses Land nie wieder herzugeben oder zu teilen.
Die zur Gründung ihres Staates fest entschlossenen Juden setzten sich diplomatisch und gewaltsam gegen eine arabische Mehrheit und gegen die britische Mandatsmacht durch. Sie erzwangen eine Zweistaatenlösung, eroberten nach dem arabischen Angriff von 1947 das den Palästinensern zugesprochene Gebiet und ließen ihnen jene beiden Stücke, die nun als Gaza-Streifen und Westjordanland bekannt sind, aber kein “Palästina” bilden.
Israel hat, was wir nicht haben und was von vielen Nationalkonservativen weltweit als identitäres Modell bestaunt wird: ein an Geburt und Religion geknüpftes Volk, eine Gründungserzählung, ein hochgerüstetes Militär, die Bereitschaft und das Selbstbewußtsein, seine Waffen einzusetzen. Israel unterscheidet im Ernstfall kompromißlos zwischen Freund und Feind – so auch jetzt.
Diese Unterscheidung von “Wir” und “Nicht-Wir”, die schlagartige, alles Phrasenhafte wegwischende Klärung der Lage, das Zusammenrücken der Nation, der hohe Mobilisierungsgrad, die Selbstverständlichkeit, mit der Israel zu den Waffen greift und die absurde Asymmetrie der militärischen Schlagkraft der Kriegsgegner: Man weiß wirklich nicht, an welchen Schalthebel dieser angesprungenen Maschinerie sich die Deutschen nun stellen wollen. So etwas können wir ja gar nicht mehr, schon allein mental nicht, und die bereits erwähnte US-amerikanische Präsenz ist eben etwas ganz anderes als das deutsche Lippenbekenntnis.
2. Das Ahistorische: Wenn es losgeht, schlägt man nach und frischt Begrifflichkeiten und Kartenbilder auf. Ich halte die hier verlinkte ARD-Dokumentation aufgrund ihrer Unaufgeregtheit und Sachlichkeit für lehrreich. An der deutschen offiziellen Position ist das Ahistorische auffällig. Man tut so (und tut dasselbe in Stellungnahmen über den Ukraine-Krieg bis heute), als sei der Angriff der Hamas aus heiterem Himmel erfolgt.
Jedoch: Seit jeher argumentieren beide Seiten historisch, leiten aus Angestammtem das Recht zu Bleiben oder zu Nehmen ab. Ohne die Geschichte der oben bereits erwähnten “selbstbewußten Landnahme”, auf der die Gründung Israels fußt und die nichts anderes als die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Siedlungsraum bedeutete, sind deren Haß und Unversöhnlichkeit nicht zu erklären.
Aber die zionistische Idee hatte sich durchgesetzt, wurde umgesetzt und nahm sich aus guten Gründen und existentiell verstärkt durch den Holocaust das Recht heraus, wenigstens einen Flecken Landes auf der Erde zu einem Raum zu machen, in den jeder Jude würde fliehen können und in dem man nicht mehr wehrlos wäre. In Israel gilt der Leitsatz: “Nie wieder Opfer sein”, und dieser Vorsatz ist Teil der Staatsidee des jüdischen Staates.
Die Dokumentation, die ich auswählte, verschweigt nichts von dem, was im Verlauf einer solchen Staatsgründung und im Rahmen eines solchen Durchsetzungsnationalismus geschehen kann, auch an Härte und Grausamkeit den anderen, den Verdrängten gegenüber:
Ein verstreutes Volk findet sich unter einer Zukunftsidee zusammen, versteht sich als Nation, will und erringt die politische Gestalt: den Staat. Dessen Aufgabe ist es seither, sich als Rahmen der Nation durchzuhalten, das Staatsvolk zu schützen und sein Wohl zu mehren. Das ist alles. Das geschieht dort.
3. Das Jemeinige: Um diesen seltsamen, aber so immens wichtigen und für die Fragestellung meines Beitrags fruchtbaren Begriff zu erläutern, greife ich auf das Kapitel “Jemeinigkeit” zurück, das sich in Caroline Sommerfelds Kaplaken-Essay Selbstrettung findet. Sie hat dieses Wort von Martin Heidegger übernommen. Es bezeichnet die Aufladung des Wahrgenommenen durch die Berührung mit dem Ich,
da nichts in der Welt für einen Menschen von Bedeutung sein kann, wenn es das nicht aus der je eigenen Perspektive, also je für mich ist: eben das Je-Meine.
Im Grunde rührt aus dieser Überzeugung die Pflicht, stets mit sich und bei sich selbst anzufangen, wenn es um Lösungen und Positionierungen geht. Auf dieser Ebene, die sehr erhellend ist, wenn sie glaubwürdig mitgeteilt wird, darf man ratlos bleiben. Auf politischer Ebene darf man es nicht und – das ist das Harte und Kalte am Leviathan, diesem notwendigen Untier – hat man andere, eben keinesfalls hypermoralische Maßstäbe anzulegen.
Ich empfehle unter dem Aspekt dieser “Jemeinigkeit” den Podcast zum Angriff der Hamas, den der Moderator Markus Lanz und der Kulturphilosoph Richard David Precht aufgenommen haben. Ich wähle erneut (oben war es eine Sendung der ARD) eine Produktion aus dem Mainstream, denn das Thema ist heikel. Hören Sie sich das Gespräch hier an.
Man geht ja, wenn man den Podcast zu hören beginnt, davon aus, daß sich beide sofort und mit einander überbietenden Worten auf die Seite Israels schlagen würden; aber vor allem Lanz wird von seiner Jemeinigkeit daran gehindert. Er ist in diesem Podcast von frappierender Deutlichkeit und politischer Ratlosigkeit. Beides rührt aus persönlichem Erleben, er war oft in Israel, aber auch im Gazastreifen.
Lanz beschreibt die alltägliche Demütigung, der die Palästinenser ausgesetzt sind, und zwar zunehmend dadurch, daß die Macht der orthodoxen Juden Jahr für Jahr zunimmt und mit ihnen eine Unversöhnlichkeit und Arroganz in die Gemengelage gekommen sei, die einen Ausgleich unmöglich mache. Er schildert das drastisch und stellt die Folgen ihrer Glaubensunerbittlichkeit auf dieselbe Stufe wie die radikaler Moslems: zwei Glaubensgehäuse, die einander gegenüberstehen, ohne daß die Aufklärung etwas infrage gestellt oder die Mystik etwas geöffnet, erweitert, ins Innere gewendet und besänftigt hätte.
Unversöhnlichkeit gibt es natürlich, das erwähnen die Gesprächspartner, auch und vor allem auf palästinensischer Seite. Wo es nicht religiöser Fanatismus sei, sei es die Familiengeschichte, die Erzählung der Großeltern vielleicht, die 1947 vertrieben worden seien und deren Kinder irgendwann zermürbt und ohne Perspektive nach Deutschland auswanderten oder seit Jahrzehnten im Gazastreifen wie in einem großen Gefängnis zusammengepfercht lebten.
Lanz und Precht nehmen die das Ich berührende Wahrnehmung ernst. Sie sind klug genug, diese sehr persönliche Herangehensweise und Stoffbewältigung nicht mit politischen Stellungnahmen und Leitlinien zu verwechseln. Der Aspekt der unerbittlich durchzusetzenden Staatsidee und Daseinsverteidigung kommt nicht vor.
Lanz und Precht unterscheiden zwischen dem Volk und seinen Drahtziehern. Sie beschreiben den Nährboden. Sie schlagen sich angesichts dessen, daß sie Leid auf beiden Seiten und den Gazastreifen als ein großes Gefängnis begreifen, auf keine Seite. Gerade diese Ratlosigkeit macht den Austausch zu einem interessanten, deutlichen, weit über aktuelle Reflexe hinausgehenden Gespräch.
4. Cui Bono?: Zum Ende ihres Podcasts hin sprechen Lanz und Precht auch über den Nutzen, den die eine und die andere Seite aus dem Terror und den schrecklichen Bildern ziehen könnten. Diese Schlüsse sind teils so schlicht, daß jeder sie ziehen kann, wenn er eine Karte aufschlägt, ein paar Minuten nachdenkt und sich nicht von der Deutung überwältigen läßt, die uns die Berichterstattung aufdrängt.
Die Hamas hat einen Krieg begonnen (oder wieder aufgenommen), in dem sie keine Chance auf einen Sieg hat. Was jedoch bedeutet “Sieg” in aussichtsloser Lage, was ein aussichtsreicher? Auch Israel kann diesen Krieg nicht ein für alle Mal beenden – wohin nämlich mit Millionen Palästinensern, die Ägypten nicht aufnehmen will und von denen im Libanon zigtausende seit Jahrzehnten in Flüchtlingslagern hausen, ohne daß Staatsbürgerschaft und Eingliederung in Aussicht stünden?
Allein die demograpische Wucht, die den Druck Jahr für Jahr erhöht, ist für sich genommen schon ein Argument, das also, was Gunnar Heinsohn den youth bulge nannte und worüber zuletzt Martin Lichtmesz schrieb.
Die Hamas hat einen zweifachen Hebel angesetzt: Sie erinnert zum einen die islamische Welt an eine Front, eine offene Wunde, und zwingt sie zur Positionierung und damit zu einer Einigung in einer Phase, in der selbst Saudi-Arabien in Verhandlungen mit Israel steht.
Der zweite Hebel ist die begeisterte Solidarisierung islamischer Gruppen in Deutschland, England, Frankreich und andernorts nach der ebenso blutigen wie symbolischen Rückeroberung von Teilen Israels. Die harte israelische Antwort verstärkt diesen Effekt noch. Bezeichnend ist, wie wenig man als Beobachter aus der Ferne über die Authentizität von Berichten und Bildern sagen kann. Klar ist aber, daß jede Seite wahrnimmt, was sie wahrnehmen möchte, und jene Informationsquellen nutzt, die die eigene Haltung nicht untergraben, sondern stützen.
Jedenfalls hat die Hamas das Augenmerk der Welt sofort auf einen winzigen Küstenstreifen im östlichen Mittelmeer gelenkt und von der sehr viel blutigeren Front in der Ukraine abgezogen – so sehr, daß Präsident Selenskyj vorsorglich darauf hinwies, daß es ihn und sein Land auch noch gäbe.
Es gibt Spekulationen darüber, daß Israel den Angriff geschehen ließ und nur vom Ausmaß überrascht worden sei. Warum aber sollte man so etwas geschehen lassen? Um ein durch Justizreformvorhaben und den demographischen Machtzuwachs radikaler Orthodoxer gespaltenes Land zu einen? Um das eigene harte Vorgehen zu legitimieren?
Solche Spekulationen sind stets unappetitlich, und sie erhärten sich oder verflattern je nach Standpunkt und Wahrhabenwollen – wie so viele Spekulationen über Ausmaß und Urheberschaft von Gräueln, Kriegsbeginn, diplomatischem Scheitern und Auslösern in den vergangenen Jahrzehnten. (Auch das ist am Podcast von Lanz und Precht bemerkenswert: daß man sich dort völlig einig ist über die PR-Fakes, mit denen die USA die Angriffskriege gegen den Irak 2003 rechtfertigten.)
Wichtig ist das Vokabular, sind die Claims, die gesteckt werden: Wenn Israel von einem “9/11” spricht, der das eigene Land nun getroffen habe, dann ist das eine Anspielung auf das Recht, mit einem Freibrief in der Tasche ein Unternehmen zu beginnen, an dessen Ende das Übel Hamas mit der Wurzel ausgejätet sein sollte – und dies könnte nicht nur den Gazastreifen und das Westjordanland meinen.
Im Zusammenhang mit der Parole vom israelischen “11. September” wird nämlich laut die Frage nach den Unterstützern gestellt. Drei Länder sind in den Fokus gerückt: der Iran, die Türkei und Katar. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, sich die spieltheoretischen Überlegungen von Professor Christian Rieck anzuhören, der unter anderem über die Verlegung eines US-amerikanischen Flugzeugträgers in die Region spekuliert und das Problem der 5. Kolonne der Palästinenser in unseren Innenstädten einbezieht: Konflikte bleiben nicht dort, wo sie sind, wenn die Kriegsparteien ihre Leute in aller Herren Länder wissen.
5. Die deutsche Position
Ist solches Vorwissen (und die vier Punkte sind ja nur ein Aufriß) notwendig, um eine deutsche Position zu formulieren? Unbedingt: Es sollte uns verdeutlichen, daß wir es mit einem schwelenden Krieg zu tun haben, zu dessen Lösung wir nicht beitragen können, für dessen Ursprung wir nicht verantwortlich sind, dessen Folgen uns aber sehr wohl zur Formulierung eigener Interessen zwingen.
Der deutsche Staat ist, wenn auch auf andere Weise, ebenfalls in seiner Existenz bedroht und bereits jetzt in einem zerrütteten Zustand. Im Gegensatz zu Israel hat Deutschland den Volksbegriff kriminalisiert und die Fragmentierung und Multikulturalisierung seiner Bevölkerung betrieben. Wovor wir warnten, wird nun sichtbar, erneut: Es kommt zu Mobilisierungen auf deutschem Boden, zu Gewaltentladungen, einer Aushöhlung der inneren Sicherheit, und wir werden gezwungen, uns dazu zu verhalten.
Deutsches Interesse muß es sein, jeden weiteren Flüchtlingsstrom zu verhindern, die Frage nach der Loyalität der bereits Eingewanderten zu stellen und das Konfliktpotential stetig und konsequent zu verringern.
In diesem Zusammenhang muß auf ein Problem hingewiesen werden: Es sind starke jüdische Lobbyorganisationen hierzulande, die die Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland durch Masseneinwanderung unterstützt haben, und zwar mittels moralpolitischer Intervention – geschichtspolitisch aufgeladen und auf eine Weise, die notwendige Diskussionen im Keim erstickte.
Im allgemeinen sind Juden in Israel mehrheitlich nationalistisch, in der Diaspora mehrheitlich “multikulturell”. Aber auch dann, wenn sie eher Positionen wie die unseren vertreten, ist Pro-Israel immer im Paket dabei – prominente Beispiele aus Frankreich sind Alain Finkielkraut und Éric Zemmour.
Es ist in unserem Interesse, auch hier die Frage nach der Loyalität zu stellen. Deutsche Interessenspolitik könnte mit Blick auf den Nahen Osten auf doppelte Standards und auf das selbstverständliche Recht jeder souveränen Nation hinweisen, der Herr im Eigenen zu bleiben und sich das eigene stabile Haus nicht unterminieren zu lassen. Unter dem Eindruck der ebenso verfahrenen wie brutalen Lage in Israel und der Hilflosigkeit der Diplomatie sollten wir die Frage stellen dürfen, warum wir ohne Not aus unserem Land Aufmarschgebiete für Konflikte machten, die unsere nicht sind.
Das ist mit der Erkenntnis gemeint, daß jede Seite die falsche sei. Sie ist es emotional und aufgrund jemeiniger Lage nicht. Sie ist es aber auf Staatsebene, wenn unfreie Solidarisierung uns dazu zwingen wird, mit Folgen zu leben, die sich gegen unser Interesse richten. Wenn wir aus dem uns sehr viel näherliegenden Ukraine-Krieg eines gelernt haben, dann doch dies: Wir gehen aus diesem Krieg mit einem zerrütteten Verhältnis zu Rußland, einer absurden Versorgungslast von Millionen Ukrainern (von denen die meisten dieser Versorgung nicht bedürfen) und zerstörter Infrastruktur heraus – und mit der Erkenntnis, daß wir noch nicht einmal nach den Verursachern dieser Zerstörung suchen durften.
kikl
"Ohne die Geschichte der oben bereits erwähnten “selbstbewußten Landnahme”, auf der die Gründung Israels fußt und die nichts anderes als die Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Siedlungsraum bedeutete, sind deren Haß und Unversöhnlichkeit nicht zu erklären."
Die Geschichte selbstbewusster Landnahme und die Vertreibung von Bevölkerungen ist so alt wie die Menschenheit. Das Sassanidenreich der Spätantike war berühmt dafür und auch in der Neuzeit kennen wir diese Geschichte, nämlich die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Osteuropa. Was allerdings äußerst ungewöhnlich ist im historischem Rückblick, ist der permanente Guerillakrieg der vertriebenen Bevölkerung ohne Rücksicht auf eigene Verluste und ohne realistische Aussicht auf Erfolg. Im Regelfall wollen die Menschen ihr normales Leben führen und betrachten sich selbst in der zwei oder dritten Generation nicht als Vertriebene; sie integrieren sich. In der Regel führen Völker nur dann Kriege, wenn sie mit einem Sieg rechnen. In der Regel beschützen Völker ihre Frauen und Kinder und benutzen sie nicht als Schutzschilde im Krieg.
Dieser Konflikt ist kein normaler Krieg und keine normale Reaktion auf das Schicksal der Vertreibung. Deshalb ist das Schicksal der Vertreibung keine hinreichende Erklärung für den dauernd schwelenden Konflikt. Verstehen kann man den Krieg nur, wenn man ihn in erster Linie als Religionskrieg begreift, in dem auch die islamischen Nachbarstaaten die "Palästinenser" als Waffe missbrauchen.