Notizen vom Vormarsch und aus der Etappe – ein Tagebuch

Nach der Lektüre etlicher Lageanalysen, nach Mail-Wechseln mit Autoren und nach Gesprächen mit Gefährten aus Vorfeld und Partei bin ich mir sicher: Nun lösen sich Dogmen auf, die als unauflöslich galten. Es wackeln Steine, die das Fundament der Beutegemeinschaft unseres Landes bilden. Räume öffnen sich, deren Türen vernagelt waren.

Wenn also je unser metapolitischer Weizen blühte und Begriffe entweder abgeräumt oder eingepflanzt werden konnten, dann jetzt.

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Ich kann dabei die Atmo­sphä­re nicht anders fas­sen als in krie­ge­ri­schen Begrif­fen. Das ist kein Getue und kei­ne Selbst­er­re­gung. Es ist viel­mehr das ange­mes­se­ne Voka­bu­lar. Wir müs­sen kein Wort dar­über ver­lie­ren, daß das, was wir tun, was unse­re Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums ein­for­dert und sich zu neh­men anschickt, bekämpft wird – und daß die Fein­de besiegt wer­den müs­sen, damit die Geg­ner sicht­bar werden.

Denn unser poli­ti­sches Sys­tem soll­te nur Geg­ner ken­nen, poli­ti­sche Geg­ner, denen es mit zwar unter­schied­li­chem Ansatz, aber doch immer ums Wohl des Vol­kes geht. Fein­de? Eigent­lich nur außer­halb, also dort, wo dem Vol­ke einer ans Leder will. Die­ses Innen und Außen ist ja bei­des im schlich­ten poli­ti­schen Sinn des pathe­ti­schen Spruchs von 1914 aus­ge­drückt, als der Kai­ser kei­ne Par­tei­en mehr sah und kann­te, son­dern nur noch Deutsche.

Ich schrei­be das ohne jede poli­ti­sche Roman­tik im Kop­fe. Die Lage, in der wir ste­cken, ist die über­rann­ter Mau­ern und geöff­ne­ter Tore, und die Fein­de sind unter uns, wes­we­gen wir abge­wan­delt sagen müs­sen: Ich ken­ne nicht nur Par­tei­en, ich ken­ne Volksverräter.

Neu­lich traf ich Kame­ra­den aus mei­ner alten Kom­pa­nie, und kei­ner, wirk­lich kei­ner hät­te vor drei­ßig Jah­ren auch nur eine Fla­sche Bier dar­auf gesetzt, daß jeder von uns die Armee ent­we­der ver­las­sen muß­te oder frei­wil­lig ging. Und mehr: daß unser Staat es schaf­fen wür­de, die­se zwar nur unter Frie­dens­be­din­gun­gen, aber den­noch eini­ger­ma­ßen aus­ge­här­te­ten Män­ner so voll­kom­men von sich zu entfremden.

Jeder – der eine jetzt Unter­neh­mer, der ande­re Poli­zist, einer Ange­stell­ter in einer Behör­de und einer im Hand­werk – berich­te­te von Ver­hee­run­gen in den Köp­fen, chao­ti­schen Abläu­fen, einem müh­sa­men Auf­recht­erhal­ten von Ord­nung und Stan­dard, einer absur­den Dis­kre­panz zwi­schen offi­zi­el­lem Bericht und All­tags­wahr­neh­mung und zuletzt davon, daß, egal wo, der “Volks­sturm” die Arbeit mache und hin­ter sich nicht mehr viel nach­kom­men sehe. (Das war nicht das übli­che Gemau­le der Älte­ren über die Jugend, son­dern bloß die lapi­da­re Beschrei­bung einer zah­len­mä­ßig schwa­chen, ins sinn­lo­se Stu­di­um gelock­ten, einer­seits uner­zo­ge­nen, ande­rer­seits ver­arsch­ten Generation.)

Mir kam dann in den Sinn, daß das, was pro­to­kol­liert wer­den müs­se, nicht in Form der gro­ßen Bei­trä­ge fest­ge­hal­ten wer­den kön­ne, für die unser Netz-Tage­buch bekannt ist. Son­dern: Es soll­te tat­säch­lich ein Tage­buch sein, die Mög­lich­keit kur­zer Anmer­kun­gen und Hin­wei­se, denn es über­stürzt sich ja.

Unter dem Ein­druck des Gesprächs mit die­sen Kame­ra­den von frü­her woll­te ich das Tage­buch “Inmit­ten der Ver­hee­rung” nen­nen, aber die­sem Namen wür­de ganz das feh­len, was unse­re Arbeit prägt: die Gewiß­heit, daß wir auf dem Vor­marsch sind und die Fein­de (und die Geg­ner) auf dem Rückzug.

Wor­an denkt man, wenn man bei­spiels­wei­se die Wäh­ler­um­fra­ge von ges­tern sieht, die der AfD in Sach­sen-Anhalt 33 Pro­zent zumißt und sie erst­mals auch in die­sem Bun­des­land vor der CDU plat­ziert? In mei­nem Alter denkt man sofort an über­dehn­te Nach­schub­li­ni­en, an feh­len­des Per­so­nal und nicht­vor­han­de­ne Reser­ve, an den gigan­ti­schen Raum, der unor­ga­nisch rasch ein­ge­nom­men wer­den konn­te; außer­dem an die gewal­ti­ge Auf­ga­be der Reor­ga­ni­sa­ti­on gesun­der Grund­la­gen und an den Berg aus Hoff­nun­gen, der sich auf der Alter­na­ti­ve türmt.

Aber dies alles muß nun eben geleis­tet und erfüllt wer­den, und weil die Gele­gen­heit dazu (auf deren Ein­tre­ten wie­der­um kei­ner von uns eine Fla­sche Bier gewet­tet hät­te) nun in greif­ba­re Nähe rückt, kann der Blick gar nicht von den Ver­hee­run­gen und Pro­ble­men gebannt und getrübt blei­ben, son­dern muß zuver­sicht­lich und kühl auf Vor­marsch und Etap­pe liegen.

Und so kam am Ende auch der Name für die­ses Tage­buch (von dem ich noch nicht weiß, wie lan­ge ich es füh­ren wer­de) aus der Run­de der Kame­ra­den. Auf die Fra­ge, wo denn mein Platz sei, da ich ja zwar irgend­wie poli­tisch mit­misch­te, aber doch wie­der vor allem als Ver­le­ger arbei­te­te, sag­te ich, daß es wohl dort am bes­ten sei, wo wir Fern­spä­her ein­ge­setzt wor­den wären: hin­ter den Lini­en. (Ich kann’s nicht erklä­ren, aber es war schon damals und klingt jetzt wie­der nach einem dif­fu­sen Raum, durch den man stromert – beob­ach­tend und lauernd.)

Hin­ter den Lini­en also, auf­klä­rend, zurück­mel­dend, aus­ge­setzt, unor­tho­dox, ganz Auf­trags­tak­tik, ganz krea­tiv. (Jetzt müs­sen alle nach­schla­gen, die nicht mehr gedient haben, und das wer­den ja immer mehr.)

Zwei Punk­te noch:

1. Die­ser Auf­takt kann kom­men­tiert wer­den, er ist ja noch kein Tage­buch, son­dern bloß die Begrün­dung. Ab dann geht es nur noch per Zuschrift, also per mail. Die Adres­se gebe ich noch bekannt.

2. Ich habe die­ses neue For­mat unse­ren Stamm­au­toren vor­ge­schla­gen. Es mag also sein, daß ein zwei­ter und ein drit­ter unter ande­rem Titel eben­falls ein sol­ches Tage­buch zu füh­ren beginnen.

Kei­nes­falls aber wird eine die­ser Samm­lun­gen erset­zen kön­nen, was wir seit bald 15 Jah­ren tun: nicht rasch zu reagie­ren, son­dern abzu­war­ten und aus­führ­lich und in Ruhe auf­zu­schrei­ben, was geschieht, was nicht in Ver­ges­sen­heit gera­ten darf und was uns womög­lich bevorsteht.

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (10)

Heinrich Loewe

25. Oktober 2023 23:12

Jeder von uns, der in seinem Fach was auf dem Kasten hat, der weiß das alle Menschen aus krummen Holz geschnitzt sind und der in der Lage ist, wie Cincinnatus seinen Pflug eine Zeit lang stehen zu lassen - muss sich JETZT bei der Alternative einbringen

fischer

26. Oktober 2023 00:23

Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen. Man darf gespannt sein.

Gotlandfahrer

26. Oktober 2023 01:06

Hauptgefreiter zur See, Eloka, melde mich zum Dienst!
Mich ergreift das Zittern des Moments und ich fühle, angesichts der Lagemeldungen, dass Bewegung einsetzt. Wie lang schon dürstet es uns nach Taten, doch Wahrschau: Wie steht es um die Bestände? Wo steht der Gegner? Zaudern ist immer falsch, unbedachtes Vorpreschen nicht weniger. 
Demut, Geduld und Selbstlosigkeit.
Gott mit uns!

Franz Bettinger

26. Oktober 2023 07:22

Ihre Zustandsbeschreibung & Zuversicht versüßt mir den Abend. Ich hoffe, das seit 15 Jahren existierende Netztagebuch, unter dem GsD kommentiert werden darf, besteht weiter. Das neue Tagebuch-Format soll nicht „Inmitten der Verheerung“ heißen, was ich für einen guten Titel halte, sondern, wenn ich es richtig verstehe: „Notizen vom Vormarsch“. Kühn. Ich finde den zuerst angedachten Namen „IdV" recht treffend, & er würde auch dann nicht peinlich, wenn man z.B. seine Notizen aus dem Gefängnis schreiben müsste. Nie vergessen: Der Feind könnte noch wild um sich schlagen. Letztlich ist es egal. Unsere Wunderwaffe ist schon am Wirken: Die Wahrheit. Sie sickert nun überall durch ins bisher unentschlossene, und dann ins feindliche Lager. Bin gespannt, wie die verdrehten Wendehälse bald reagieren werden, von denen ich in 5 Minuten einen besuchen werde. Viel Glück! 

Olmo

26. Oktober 2023 07:29

Bei aller Hoffnung sollte die Rechte bedenken, was Nikolai Alexander 2015 zur Flüchtlingskrise sagte. Es könnte sich um eine Falle gehandelt haben, die dazu diente, die Rechte an die Macht zu bringen, um den Sündenbock für den kommenden Zusammenbruch zu geben. Quatsch mit Soße? Vielleicht. Zumindest würde ich es auf dem Schirm haben.

Monika

26. Oktober 2023 09:57

In "Die deutsche Position im Nahostkonflikt" schreiben Sie ja, was ist und was sein könnte. Der deutsche Staat (das Volk) ist in seiner Existenz bedroht. Israel hat, was wir nicht haben: ein an Geburt und Religion geknüpftes Volk und die Bereitschaft, sich zu verteidigen. Das ist in  diesen Tagen zu beobachten.
Ich habe nicht gedient und kenne die militärische Sprache nicht. "Inmitten der Verheerung", das trifft schon den Zustand, aber beim Ausweg fehlt mir etwas die religiöse Komponente. Auf dem Vormarsch sein ist m.E. etwas zu eng und zu politisch gedacht. Es geht um  Stand finden inmitten der Verheerung, um standhalten zu können. Da braucht es eine Anbindung nach "oben". Die Idee eines Tagebuches mit kurzen Hinweisen und Anmerkungen finde ich gut. Das entspricht ja einem Brainstorming, "eine beliebte Gruppentechnik zur Ideenfindung, die auf spontane, ungefilterte Kreativität setzt." Da hat jeder an seinem Platz genug zu tun und das geht weit über enge poltische und metapolitische Felder hinaus. Es geht um das Wiederfinden der Seele.

RMH

26. Oktober 2023 10:00

Es ist immer wieder interessant, wie der Wehrdienst/ das Militär die Menschen prägt, obwohl er in den allermeisten Fällen nur eine wirklich sehr kurze Zeit des Lebens und Arbeitens ausmacht (insbesondere bei Wehrdienstleistenden).  Interessant wäre, wie jemand die Lage formulieren würde, welche Begriffe, Sprache er/sie verwenden würde, der/die nicht diesen Erfahrungskern hat. Sei´s drum. Das Thema des Personals und der Leute, die sich einbringen sollten, ist in großem Maße eine Frage der Organisationskraft- und Fähigkeit. Für die Positionen an den Fleischtöpfen in den Parlamenten finden sich mehr als genug, wie bspw. das Gerangel um die Liste zur Europawahl zeigte. Das ging soweit, dass manche/r sogar C.V.-Bärbocking betrieb. Das man jetzt das Mäntelchen des Schweigens darüber ausbreitet, ist auch fehlender Organisationskraft geschuldet. Gut, ich will das Faß an dieser Stelle nicht aufmachen, es dient nur als Beispiel. Personalprobleme hat die AfD vor allem in der Fläche, für Stadt- und Gemeinderäte etc. Auch hier muss die Partei einfach offener und professioneller werden und auf Menschen zugehen. Die AfD ist eben nicht die Partei der echten Manager, sondern der Eigenbrötler, Exzentriker, Kleinunternehmer/Selbständigen, die größere Maßstäbe nicht gewöhnt sind.  Wurde alles schon tausendmal diskutiert, muss nur umgesetzt werden.

MARCEL

26. Oktober 2023 10:06

Tja, gedient...als W12er in den 90igern wurde man schon von den Ausbildern (ehrlicherweise) nicht ganz ernst genommen. Es war eher symbolisch, denn realitätsnah. Damals war man froh drum, heute wird es einem zuweilen mulmig.
Jedoch: Man bekam den Eindruck, dass Leben auch mal richtig ernst werden könnte. Man lernte, sich mit Kameraden zusammenzufinden, denen man sonst aus dem Weg gegangen wäre. Eine Gemeinschaft wurde möglich, die nicht auf reiner Sympathie aufgebaut war. Aus-dem-Weg-gehen ging gerade nicht und das hat dann doch für's Leben geprägt (weder Schule, Uni, Verein etc. leisten das in dieser Konsequenz). Die Erfahrung der Selbstüberwindung tat im Nachhinein gut.
Kurzum: Militärisch vielleicht wenig brauchbar, charakterlich jedoch formend.
P.S.: Seit der Grundausbildung habe ich nie vergessen, wie lang eine Minute sein kann und was man in ihr alles machen kann!
 

Leander

26. Oktober 2023 10:50

Kritische Fragestellungen: Hat es ein konsistentes eigenes Fundament? Welche Felder sind zu beackern? Ist es nicht immer noch die Fahrt auf dem Trittbrett der "Migrationskrise", nachdem der Coronazug endlich am Prellbock steht? In Bezug auf Putin (vielleicht nicht Russland allgemein) und Israel hält die Mehrheit die AfD immer noch für den Geisterzug. 

Olmo

26. Oktober 2023 13:27

"Das war Vermessenheit, war Torheit, war Ungeduld! Nun gehe ich den umgekehrten Weg, ganz von unten auf, ganz gründlich, ganz allmählich! Nun sammle ich die entferntesten Glieder meines Hauses, die verschuldeten Erben und Träger des Namens Brandenburg und Hohenzollern im Reiche; sie, die ihr Amt verkannten und ihre Zeit vertaten! Nun will ich die ausgerissenen, absterbenden, geknickten Zweige meines Stammes auflesen, verbinden, von neuem einpflanzen, hegen, stärken und veredeln von der Kraft der Wurzel her. Lange hat die Hand des Gärtners gefehlt." Jochen Klepper, Der Vater
Meine liebsten Zeilen.

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