Zunächst aber zu den traurigen Fakten:
25,8 Millionen Menschen, die in Deutschland leben (aktuell: 84,5 Millionen), kaufen und lesen Bücher. Kraß ist der Vergleich mit der nahen Vergangenheit: 2012 (in Deutschland Lebende damals: 80,4 Millionen) gab es noch 37 Millionen Buchleser- und ‑käufer.
Man kann diesen Auf- und Abschwung kultureller Blüte sehr gut mit den Theorien eines Oswald Spengler (Untergang des Abendlandes) oder eines Julius Evola (Menschen inmitten von Ruinen) abgleichen.
Nur: Sowohl Spengler als auch Evola gingen von viel weitergespannten Zeitläuften aus. In deren recht drastischen Theoremen über Geschichtszyklen machen elf Jahre als Betrachtungsraum wenig Unterschied. De facto: leider doch!
Laut aktueller Jim-Studie (die das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen untersucht) lasen 2011 noch 44% der 12–19jährigen „täglich“ oder „mehrfach wöchentlich“ Bücher. Derzeit sind es demgemäß nur noch 30%. Das ist kein sanfter Abstieg. Das ist vielsagend.
Wer öffentliche Verkehrsmittel nutzt, weiß es: Der Blick klebt am Handy und nie am Buch. Fast ist es schon soweit, daß wir den einzigen Buchleser unter 80 Mitinsassen spontan umarmen wollten – und wenn er nur Jürgen Habermas, Steffen Mau, die Helene-Fischer-Biographie oder Lucy – mein Weg, meine Gefühle liest .
„Das Internet“ gibt es nun schon so lange. Die ganztägige Smartphone-Sucht ist erst ein paar Jahre alt. Erwachsene „User“ mit ihrem Suchtverhalten sollten einem egal sein – aber die Kinder?
Meine eigene (jüngste) Tochter war in ihrer vierten Grundschulklasse die einzige ohne Smartphone. Sie besucht nun als Zwölfjährige die 8. Klasse, und bislang ist es bei der Smartphonelosigkeit geblieben. Sie wird beim Übertritt in die Neunte so ein Ding bekommen. All meine Kinder bekamen erst zu diesem Zeitpunkt dieses Zeug. (Eine verweigerte sich: bis heute. So wie ich mich verweigere. Ein Leben ohne Smartphone ist äußerst luxuriös.)
Hingegen sind all meine Kinder Vielleser. Ich glaube kaum, mir besondere erzieherische Verdienste zuschreiben zu können. Aber eines ist mir (besser: uns) dann doch gelungen: Die Liebe der Kinder zum Buch zu wecken.
Meine Kinder lesen, während sie sich die Schuhe schnüren. Sie lesen, wenn sie am Herd irgendwas rühren müssen. Sie lesen im Bus, vor dem Einschlafen, sie lesen immer und überall. Und stets gibt es Redebedarf.
Meiner Zwölfjährigen lese ich noch allabendlich vor. Zum Glück liebt sie es! Die Lektüreauswahl nehme ich so locker wie streng. Streng: Schlechte Literatur verdient es nicht, gelesen zu werden. Locker: Manchmal finde ich hervorragend erzählte Bücher. Darin gibt es oft einzelne Stellen, die mir zuwider sind: Beispielsweise wird gegendert. Oder es wird „politisch korrekt“ illustriert. Ich finde, man muß souverän genug sein, so etwas hinzunehmen. Aber auch: die Kinder darauf hinzuweisen. Ja, das ist „betreutes Lesen“, aber so sind halt heute die Bedingungen.
Gerade lasen wir Iwein Löwenritter von Felicitas Hoppe. Ich las es erstmals und war so begeistert, daß ich es gleich in unseren Antaios-Bücherschrank „Kinder- und Jugendbücher“ einstellte, damit es noch mehr Leser findet. (Leider ist unsere Prachtausgabe, die 2016 ein Weihnachtsgeschenk für eine älteres Schwester war, nicht mehr erhältlich, sondern nur ein Taschenbuch.)
Dabei fiel mir auf, daß diesem Bücherschrank eine Aktualisierung sehr guttäte. Das ist geschehen: Bitte schauen Sie sich gründlich um!
In den kommenden Wochen werde ich diese Kinder- und Jugendbuchbetrachtungen gelegentlich fortsetzen. Ob Lesen nicht überbewertet wird; was gut ist am aktuellen Buchmarkt, was bedenklich oder schlecht; welche Themen „boomen“ und welche unterbelichtet sind; was, wenn Kinder von Kitsch oder Schrott angezogen werden?
Um aber an dieser Stelle mit dem Iwein abzuschließen: Hoppes Nacherzählung des „Iwein“- Stoffes, dem mittelalterlichen Dichter Hartmann von Aue (um 1200) nachempfunden, ist große Klasse. Unter der Hand verbindet sie nämlich Mittelalter, Romantik und Neuzeit. Ich nenne es eine mustergültige Arbeit am Mythos.
Worum geht´s? Gawein und Iwein sind Ritter der Tafelrunde rund um König Artus. Worauf sind diese vortrefflichen Ritter aus? Natürliche um aventiure und ere, Abenteuer und Ehre. Sie sind die „besten der Besten“. Nur… gibt es neben der Hard power auch die Soft power, und die nennt sich auf alldeutsch Liebe.
Iwein, der Held, ist Laudine in Liebe verfallen, in heftiger, ernster, absoluter Liebe. Andererseits ist er auch ein Kämpfer, ein Krieger und Held. Er will sich messen. Das eine kollidiert mit dem anderen.
In seiner Brust schlägt seit der Vermählung Laudines Herz, und in Laudines Brust das von Iwein. Das ist unhintergehbar. Und dennoch darf Iwein nicht weich werden…
Ich denke, es gibt keinen besseren, romantischeren “Coming-of-age“-Roman als diese mittelalterliche Aufpolierung durch Felicitas Hoppe!
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Hier geht es zum Antaios-Bücherschrank “Kinder- und Jugendbücher”.
Laurenz
Hoppes Buch ist offensichtlich kein Buch für Mädchen, sondern eines für Jungs. Hier wird doch offensichtlich, was Frauen tun. Sie wollen ein Alpha-Tier, welches dann umerzogen zuhause bleibt. Zuwendung bekommt man(n) nur bei Wohlverhalten. Die schwerste Aufgabe ist es, die Zuwendung abzulehnen, sich selbst zu bewahren & wenn's denn sein muß, Zuwendung woanders zu holen. @EK zwischen einem Mobiltelefon & einem Buch bestehen natürlich Unterschiede, wie auch Geeinsamkeiten. Es entwickeln sich oft 2 Arten von Sucht. 1. Kommunikationssucht, was Aufmerksamkeit anderer bedeutet. Nicht mein erstes mobiles Telefon verführte mich zu Tipperei, sondern, wen wundert's, Frauen. Ein fataler Fehler. Man versteht sich so schon schlecht mit Frauen & dann auch noch per Textnachrichten. Das Mißverständnis ist vorprogrammiert, grauenhaft. Seit vielen Jahren nutze ich das Telefon nur noch als Kurz-Absprache-Modul & zum telefonieren. Das mußte ich aber erst lernen. 2. Info-Sucht. Selbst dann, wenn man ihr unterliegt, sind MobTels wenig komfortabel. Eine Tastatur & ein richtiger Bildschirm sind das einzig akzeptable. Der Nachteil von Videos im Verhältnis zu Büchern.... man lernt nicht, eigene Bilder zu kreieren. Man konsumiert die Bilder anderer.