Schenkt Bücher! Unsere Weihnachtsempfehlungen 2023

Wenn es auf Weihnachten zugeht, veröffentlichen wir hier traditionell Tips unserer Redaktionsmitglieder für Buchgeschenke. Was könnte man auch Besseres herschenken, wo eigentlich alle alles haben?

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Dies­mal sind wir von unse­rer anti­ken Kate­go­ri­sie­rung “Gutes- Wah­res-Schö­nes” abge­wi­chen. Unse­re Autoren emp­feh­len hier in loser Rei­hen­fol­ge aller­bes­te und geprüf­te Lese­emp­feh­lun­gen unter den Über­schrif­ten “Ler­nen- Lesen-Schau­en”. Ich mache den Anfang.

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Ler­nen

Eva Men­as­se ist so dazwi­schen. Eigent­lich Öster­rei­che­rin, aber seit lan­gem in Ber­lin lebend. Eigent­lich „Halb­jü­din“ (ihr jüdi­scher Vater war Fuß­bal­ler der öster­rei­chi­schen Natio­nal­mann­schaft), und doch hart ange­grif­fen dafür, daß sie das jüdi­sche Estab­lish­ment bis­wei­len harsch kri­ti­siert. Links, aber mit bedeut­sa­men Abstri­chen. Eva Men­as­se ist eine unbe­strit­ten groß­ar­ti­ge Romanautorin.

Was sie hier in ihrem Essay über die Smart­phone- und Inter­net­seu­che schreibt, sucht sei­nes­glei­chen. Sie ist so hell­wach, sie hat es drauf, die­se zeit­ge­nös­si­schen Phä­no­me­ne mit Wor­ten zu beschrei­ben, die alles ande­re als abge­grif­fen sind. (Einen Boo­mer-Begriff wie „Smart­phone­seu­che“ wür­de sie bei­spiels­wei­se vermeiden.)

Men­as­se hat genau ver­stan­den, was die­se per­fi­de Kom­bi­na­ti­on aus „zeit­lich nah“, aber „räum­lich distant“ mit uns macht, eine eigent­lich absur­de Grenz­spren­gung! Was einen Brief von einem „Post“ unter­schei­det. War­um unse­re „Posts“ so einer­seits flüch­tig, ande­rer­seits ewig sind. Wie die „Sozia­len Medi­en“ geschickt unse­re Eitel­keit bewirtschaften.

Nie­mand kann sich heu­te der digi­ta­len Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on ent­zie­hen, selbst die weni­gen Aske­ten, die sich Smart­phone und Social media ver­wei­gern, nicht.

Haha, zeich­net Men­as­se nach, stan­den damals bei Kul­tur­pes­si­mis­ten nicht auch die Eisen­bahn und die Pho­to­gra­phie unter mas­si­vem Ver­dacht? Die schnel­le Fahrt soll­te die Orga­ne schä­di­gen, das Licht­bild die See­le rau­ben. Ist „das Inter­net“ also in Wahr­heit nur ein simp­les Werkzeug?

Eva Men­as­se wider­legt es. Sie schaut ganz genau hin, sie regis­triert die Empö­rungs­kur­ven „im Netz“ und ord­net sie ein. Das ist über­aus lesens­wert, sie eröff­net völ­lig unbe­dach­te Sichtweiten.

Nur: Sie wäre gewiß kei­ne „öffent­li­che Intel­lek­tu­el­le“ mit Renom­mee, wenn sie nicht ihre blin­den Fle­cken hät­te. Lei­der ist sie blind­wü­ti­ge Ver­tei­di­ge­rin des Coro­na-Nar­ra­tivs.  Man kann es lesend kaum glau­ben, weil sie hier völ­lig aus der Rol­le der kri­ti­schen, hoch­auf­merk­sa­men Beob­ach­te­rin fällt. Häu­fig zitiert sie Slo­ter­di­jk. Der ist nun auch ein frag­los klu­ger Den­ker – aber „Coro­na“ hat dem Guten offen­kun­dig selt­sam den Kopf gewaschen.

Wir müs­sen ler­nen, tole­ran­te Leser zu sein. Hef­tig – beden­kens­wert! – äußert Men­as­se sich auch zum Nah­ost-Kon­flikt – wobei das Buch natür­lich bereits vor dem 7. Okto­ber 2023 in den Druck ging. Wir soll­ten zufrie­den sein, wenn eine zu 90% den Punkt trifft. das tut sie. Der Rest geht ins Gebet!

Eva Men­as­se: Alles und nichts sagen. Vom Zustand der Debat­te in der Digi­tal­mo­der­ne. Kie­pen­heu­er & Witsch 2023, 188 S., 22 € – hier bestel­len.

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Schau­en

Als Kind hat­te ich eine umfäng­li­che Reit- und Pfer­de­bi­blio­thek – hät­te es ein sol­ches Buch wie das von Sibyl­le Lui­se Bin­der gege­ben, ich hät­te es ver­schlun­gen! Alles dar­an ist groß­ar­tig. Die Bil­der, das Fach­wis­sen, der Stil – für Lai­en eine Fund­gru­be, aber auch wasch­ech­te Pfer­de­men­schen (ich bin ja Schüt­ze, also Zen­taur…) ler­nen dazu.

Bin­der – die u.a. ein Buch über die legen­dä­re wie dra­ma­ti­sche Flucht der Tra­keh­ner unter Füh­rung des Hengs­tes Jul­mond 1944 aus Ost­preu­ßen geschrie­ben hat – war (sie ist 2020 ver­stor­ben, das Buch erscheint nun in drit­ter Auf­la­ge) eine exzel­len­te Ken­ne­rin des welt­wei­ten Zuchtbetriebs.

Zucht heißt ver­bes­sern, nicht nur ver­meh­ren, und: Zucht bedeu­tet, in Gene­ra­tio­nen zu den­ken. Anhand die­ser Leit­sät­ze wird hier unter ande­rem die Geschich­te der deut­schen Pfer­de­zucht, auch in den ver­schie­de­nen Regio­nen und Lan­des­ge­stü­ten nach­ge­zeich­net – nicht zu ver­ges­sen die spe­zi­el­len Züch­tersto­ries aus der DDR, wo das Pferd ein erst­klas­si­ger Export­schla­ger war.  Die preu­ßi­sche Kaval­le­rie benö­tig­te einen ande­ren Typus Pferd als die Rit­ter des hohen Mit­tel­al­ters oder die Sol­da­ten der Welt­krie­ge, und ein voll­blü­ti­ger Ara­ber erfor­dert eine ande­re Art Rei­ter als der öster­rei­chi­sche Nori­ker, des­sen Zucht durch EU-Sub­ven­tio­nen lei­der der­art auf den Hund gekom­men ist, daß die Foh­len oft zum Pfer­de­metz­ger wandern.

Ins Buch ein­ge­streut fin­den sich Por­träts exzel­len­ter „Star­ver­er­ber“ und „Top-Beschä­ler“ (also Deck­hengs­te), wie das Eng­li­sche Voll­blut „Heral­dik“ aus Tsche­chi­en, das Baye­ri­sche Warm­blut „Dena­rio“ und den West­fa­len „Rubin­stein“, die ihr aus­ge­zeich­ne­tes Blut an hun­der­te Nach­kom­men wei­ter­ver­erbt haben. Nur Voll­blü­ter decken heu­te übri­gens noch vor­ge­schrie­ben per Natur­sprung – bei ande­ren Ras­sen wird meist künst­lich besamt.

Abso­lut bom­bi­ge Lektüre!

Sibyl­le Lui­se Bin­der: Pfer­de­ras­sen, Her­kunft & Eig­nung, Tem­pe­ra­ment & Wesen, Kos­mos 2023, 264 Sei­ten, 34 € – hier bestel­len.

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Lesen

Was war für mich nun der Roman des Jah­res 2023? Blue Ski­es von T.C. Boyle? Oder Schön­wald von Phil­ipp Oehm­ke? Bei­de waren und sind geni­al und ein Lese­genuß; sie sind ein­an­der auch sehr ver­wandt. In bei­den Roma­nen geht es (grosso modo) um zeit­ge­nös­si­sche Fami­li­en­kon­struk­tio­nen, inner­halb derer die eine Frak­ti­on nur „woke“, die ande­re aber „radi­kal woke“ ist – ganz ver­kürzt gesagt.

Gut, ich ent­schei­de mich schmerz­haft für Oehm­kes Schön­wald:  Wir haben hier ein Eltern­paar jen­seits der sieb­zig, ori­gi­när kon­ser­va­tiv „mit Brü­chen“. Die Frau hat­te „damals“ so ihre Aus­bruchs­plä­ne. Ruth Schön­wald ist eine klas­sisch-kon­ser­va­ti­ve Eman­ze. Wun­der­bar gezeichnet!

Drei Kin­der haben die­se Leu­te. Der Ältes­te ist renom­mier­ter Lite­ra­tur­pro­fes­sor in den USA, drif­tet aber ins­ge­heim nach rechts. Und wie! Höllisch!

Der Jüngs­te ist hoch­be­gabt, steht aber unter der Fuch­tel sei­ner neu­ro­ti­schen Frau. Jede/r kennt die­sen Typus: Ich – wir – die Kin­der; es zählt allein mei­ne Vor­stel­lung von „Fami­lie“; der Rest muß drau­ßen bleiben.

Die Mitt­le­re, die Toch­ter nun ist in furcht­ba­ren „Gen­dertrou­bles“ befan­gen, sie ist eine Möch­te­gern-Les­bie­rin, die – das ist die Aus­gangs­si­tua­ti­on – nun im hip­pen Ber­li­ner Kiez eine „que­e­re“ Buch­hand­lung namens „they/them“ grün­den will. Alles dar­an ist komisch, alles dar­an ist treffend!

Phil­ipp Oehm­ke: Schön­wald. Piper, 544 Sei­ten, 26 € – hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (2)

RMH

22. November 2023 07:23

zu.1: Zum Thema "Netz" ist seit vielen Jahren alles gesagt, zu Ende gedacht, es tun sich nur noch laufend weitere Abgründe totaler Überwachung durch Verfeinerung der Auswertungsmöglichkeiten und KI auf. Das liest sich jetzt technikfeindlicher, als ich es eigentlich bin. Nur sollte man sich eben von Anfang an im digitalen Raum so verhalten, wie in einer Öffentlichkeit, bei der dutzende von Augen auf einen gerichtet sind. Ted Kazynski hat grundsätzlich alles damals gesehen. Lutz Dammbeck hat das Thema 2004 bereits mustergültig in einem Dokumentarfilm bearbeitet. Jeder kann also seit fast 20 Jahren von den Möglichkeiten wissen, doch Zensur verfeinerte nicht den Stil beim Verhalten im Netz - nein, es wird immer derber. Sieht man auch in den Debatten hier im Kommentarbereich auf SiN.
zu 2: Pferde --- ok, Punkt 3, hält dann doch noch etwas bereit, was mich mehr interssiert.
zu 3: T.C. Boyle lese ich nicht, da irgendwie den Stallgeruch des widerlichen John Irving auströmend (bei der Masse an Literatur lässt sich so ein selektives Verhalten rechtfertigen). Dann eben Schönwald. Vermutlich haben da aber auch alle Protagonisten tausende an herrlichen Problemen, aber nicht, wie sie sich durch den Druck der Job-Einöde quälen müssen "to make ends meet" ("I got bills"). Gut, so viel Alltag will man meist in der Literatur dann doch nicht lesen.

Maxx

22. November 2023 16:42

Ich ertappe mich nun leider oft dabei, dass ich Menschen des Zeitgeschehens und Bekannte danach beurteile, wie sie sich zu bestimmten Themen in der Corona-Zeit geäußert und verhalten haben. Darunter fallen auch die beiden hier genannten Autoren. Es ist doch so, dass erlebter Hass bzw. erfahrene Hetze gegen Ungeimpfte auf Seiten der glühenden Verfechtern des C-Narrativs auf bedenkliche Charakterzüge und arge Persönlichkeitsdefizite verweist, die untrennnbarer Teil einer Persönlichkeit, d.h. vom Wesen eines Menschen nicht mehr zu trennen sind. Daher gibt es, was mich anbelangt, kein Vergeben, kein Vergessen, keine Versöhnung. Keine Toleranz als Leser, denn mögen sie jetzt auch zu 90 % richtig liegen, so würden doch die übrigen 10% ausreichen, um Existenzen zu vernichten. Möge die Republik bis zu ihrem Ableben mit dem Finger auf sie zeigen. Sloterdijk, Menasse et. al. - demaskiert, entzaubert, entlarvt.