Es hat über die Jahre in dieser Sache schon so viele, teils fürs Leben gehandicapte Opfer gegeben, daß man einfach nicht schweigen kann. Gestern ereilte mich wieder so ein panischer Hilferuf, aber ich kann ja gar nichts machen. Man steht völlig sprachlos vor der Impotenz unserer Staatsorgane!
Darum geht es: Anno 2017 hatten wir ein Pferdchen gekauft, Irisches Reitpferd, Stockmaß so zwischen Pony und Pferd, sechs Jahre, Wallach. Es sollte so ein Tier sein, auf dem sowohl ich als erfahrene Reiterin als auch meine Töchter, weniger geschult, durch die Gegend stromern könnten. Ein artiges Freizeitpferd eben.
Man mag mich nun schelten, daß ich überhaupt auf eine Internet-Annonce reingefallen bin. Ja, man kauft Pferde nicht per Internet, schon klar, heute.
Jedenfalls ritt ich das Tier Probe in Thüringen, und es war sehr in Ordnung. Es war so, wie ich´s mir vorgestellt hatte. Lieb und gehorsam. Etwas schüchtern. Ja, ich sah, daß die Verkäufer Zigeuner waren. Das machte mir, Gutmensch, nichts aus. Aus meiner Pferdejugend wußte ich, daß Zigeuner sehr gut mit Pferden umgehen können.
Diese (wie ich heute weiß: berüchtigte) Zigeunerfamilie Weiß mußte Wallach „Italia“ (wir benannten ihn gleich um in „Attila“) leider und schweren Herzens verkaufen, weil die Reiterin schwanger geworden sei und sich nun ums Kind kümmern müßte. Angeblich!
Ja, die junge, offensichtlich leicht heruntergekommene Frau, stand dabei, als ich proberitt. Ich dachte damals ernsthaft, sie gucke so mißmutig, weil das Pferd ihr Schatz gewesen sei. Ich hatte ihr noch Trostworte zugesprochen – und daß das Tier wirklich in gute Hände käme!
Wir zahlten einen kleinen Beitrag an. Das Pferd sollte uns am kommenden Tag angeliefert werden.
Auf der Rückfahrt vom Zigeunerstall sahen wir einen Hinweis auf eine „katholische Privatkapelle“. Wir waren neugierig und bogen ab. Katholische Privatkapellen sind in Mitteldeutschland eine Rarität! Wir lernten nette Leute mit zahlreichen Kindern kennen, natürlich zugezogen aus Westdeutschland. Als sie von unserem Pferdekauf hörten, warnten sie uns: Diese Pferdehändler führten nichts Gutes im Schilde, wir sollten dringend Abstand nehmen! Das seien Kriminelle! Eine vielfach vorbestrafte Gang!
Wir waren also alarmiert und beauftragten für den nächsten Tag einen Nachbarn mit einem Chip-Lesegerät (der Alter und Herkunft des Tieres bestätigen sollte – und dies übrigens einwandfrei konnte) und weiterhin einen passablen Hufschmied, der den Allgemeinzustand beurteilen sollte (und zu einem akzeptablen Ergebnis kam). Zusätzlich telefonierten wir mit dem zuständigen Tierarzt in Kölleda, um uns zu erkundigen. (Erst später erfuhren wir, daß er großzügig Beruhigungsmittel für Pferde an die Zigeunerfamilie ausgibt. Natürlich hat er uns das verschwiegen.)
Attila wurde also angeliefert. Man bat jammernd um zusätzliches Geld für den Transport …
Attila kam gut rüber, in den wenigen Tagen, die wir ihn hatten. Ein liebes Tier. Er gab Huf, er war freundlich. Kein Beißen, kein Treten. Er konnte nur eines nicht leiden: gesattelt zu werden. Da ich mir dieses Tier nicht zum Knuddeln angeschafft hatte, machte ich am dritten Tag des Kennenlernens Ernst: Sattel auf’s Pferd!
Attila flippte aus! Ich sah es überhaupt nicht ein, klein beizugeben. Ich hielt mich fest an seinem Hals, um das Pferd zu beruhigen. Als ich erneut ansetzte, reagierte es panisch. Es schleifte mich, die ich zu hartnäckig war und nicht losließ, durchs Gelände. Es ging unter anderem über die Kante einer Betonschwelle. Als ich endlich losließ, war meine Reithose schon blutig durchgesuppt bis zu den Knöcheln. Aber Adrenalin ist ja ein Zaubertrunk – insofern hielt ich durch, bis wir das arme Pferd nach anderthalb Stunden eingefangen hatten.
Dann klappte ich zusammen, und es folgte eine nicht besonders einfache Operation mit mehrtägigem Krankenhausaufenthalt. Ich habe heute ein Frankenstein-Knie.
Den Nachgang mag ich nur kurz schildern. Unsere Gemeinde Steigra ist voller Züchter und Reiter. Natürlich hatten wir diese Fachleute an den guten Attila rangelassen. Keine Chance, völlig unreitbar! Natürlich hatten wir uns vertraglich ein 14-tägiges Rückgaberecht zusichern lassen. Aber setz das mal gegen eine solche Sippe durch …
Kubitschek wurde nach blöden Telefonaten persönlich vorstellig im thüringischen Zigeunerstall. Es hatte überhaupt keinen Sinn. Er wurde davongejagt, und zwei Bauarbeiter, die in der Nähe tätig waren, fragten ihn, ob er lebensmüde sei? Ein Bandenmitglied der Sippe säße im Knast, weil er eine Frau im Streit mit dem Messer übel verletzt habe, ein anderer wegen schwerer Körperverletzung mittels Eisenstange.
Wie ging es weiter? Wir erstatteten Anzeige, die wie alle Anzeigen gegen diese Sippe im Sande verlief. Dabei hatte uns die Kripo in Sömmerda sogar von sich aus um ausführliche Stellungnahme gebeten. Ich sollte alles GANZ GENAU beschreiben. Ein Witz!
Irgendwann kam RTL auf uns zu. Wir seien doch auch involviert in diese Roßtäuscher-Geschichte?
Sie hätten ein gutes Dutzend Betroffene kontaktiert, aber alle hätten Schiß, vor der Kamera zu sprechen. Die Sippe gelte nämlich als äußerst brutal.
Ich hatte keine Angst, wies die RTL-Leute aber darauf hin, daß wir einen gewissen politischen Ruf hätten. Es wurde dann nichts draus.
Und Attila? Wir gaben ihn an einen benachbarten Reithof ab, ein paar Dörfer weiter. Das hatte man uns geraten. Wir haben ihn also verschenkt. Wochen später erfuhren wir, daß diese Familie ebenfalls versippt mit den Zigeunern ist. Als ich nach Monaten nachfragte, wo Attila nun sei, war die Antwort ein Kauderwelsch: Vielleicht ist er zu Wurst verarbeitet, vielleicht ist er wieder unter Tränen angeboten worden, wegen Schwangerschaft der lieben Besitzerin.
Fakt ist, daß ich aufgrund meiner Bewertung dieser Sippe auf pferde.de regelmäßig Hilferufe erhalte. Es sind Leute, die guten Gewissens ein Pferd erworben haben, das ihnen als brav vorgestellt wurde, aber in Wahrheit schwer traumatisiert war. Ich höre Geschichten von Leuten, die aufgrund schlimmer Unfälle monatelang arbeitsunfähig waren und nie wieder auf ein Pferd steigen werden. Von Leuten, die sich, wie ich, einen Lebenstraum erfüllen wollten und ihr Geld und ihren Traum abschreiben mußten. Von Leuten, die 10.000 € in “formidable” Kutschpferde investiert hatten – für einen Schaden, der den Kaufpreis der sedierten Tiere nochmal überstieg.
Nun gestern eben wieder: Frau kaufte einen superbraven Gaul – und flog am dritten Tag aus dem Sattel, weil das Tier durchdrehte. Seither keine Chance mehr, das Tier zu satteln. Von Seiten der Zigeuner: nur Gelächter und Drohungen. Also recherchierte sie im Internet und stieß auf meinen Fall.
Die Polizei kennt die Täter, die ganze Sippe, kennt die Geschichten, hat die Anzeigen vorliegen, aber es passiert nichts. Null. Das ist Deutschland. Gelähmt und wehrlos, im Kleinen wie im Großen.
MARCEL
Ist es unpassend? Verzeihung, falls ja. Aber mir kam sogleich die Stelle in Theodor Storms "Schimmelreiter" in den Sinn, in welcher Hauke Haien von einem Zigeuner den Schimmel erwirbt und damit einen Pakt mit dem Teufel eingeht.
Ist unser Leben nicht voller verborgener Mythen? Diese Episode mit Attila nebst Kapelle und warnenden Stimmen hätte übrigens auch von Bernanos stammen können.