Daubs Buch ist natürlich Seite für Seite ein Offenbarungseid. Es ist (auch durch seine aufgebläht-hohle „Akademikersprache”) ein formidables Musterbeispiel für das, was man „Geschwurbel“ nennen sollte.
Denn logisch wird hier und heute permanent gecancelt! Wieviele Konten des demokratiefreundlichen, gewaltlosen Martin Sellner wurden mittlerweile gekündigt? Paarundsiebzig, sämtlich begründungslos.
Der Punkt ist: die Cancelbesessenen schießen sich längst permanent ins eigene Bein! Überdeutlich wurde das vermutlich beim Kampf der „Queeren“ gegen die „nur“ Homosexuellen.
Jeder wird es mitbekommen haben: Wer als Lesbe/Schwuler nicht akzeptiert, daß eine sogenannte Transfrau (mit selbstgezeugten Kindern, mit Hoden, mit männlichem Namen im Personalausweis) eine „echte Frau“ sein soll , wird überaus rüde angegangen. Er oder sie erntet Shitstorms. Das ist für ein Individuum nicht nichts. Eine Frau wie Alice Schwarzer hält das natürlich locker aus. Die anderen (meist) linken Leute sind es aber nicht gewohnt, im Kreuzfeuer zu stehen.
Wir Rechten dürfen uns endlich mal entspannen und zuschauen! Wir kennen es aus dem effeff, daß man uns schmäht. Wir haben mittlerweile eine dicke Haut, was kann man uns schon anhaben? Im Gegenteil: Es nutzt uns ja nur. Wir mußten das Opfernarrativ nie bedienen, und doch wurde zigtausend Leuten klar, daß wir es sind, die den Kopf hinhalten.
Im innerlinken Diskurs ist es anders. Und das ist hochinteressant. Diese linken Leute haben so einen Schiß!
Zwei aktuelle Bücher bestätigen das: Einmal der Roman Zeiten der Langeweile einer Jennifer Becker, daneben der Essay Alles und nichts sagen der umstrittenen Vorzeigeintellektuellen Eva Menasse.
Beginnen wir mit Becker, wobei ich diesen „Roman“ aufgrund seiner ausgestellten „Sex-Positivity“ und seiner Porno-Sequenzen lieber nicht empfehlen möchte. Die „Wichs“-Szenen hier haben mich gelinde geekelt. Hier schreibt ein „Ich“, das einfach alles durchhat – alles, was an Konsum möglich ist.
Das Erzählerin-Ich, und das ist der Plan des Romans, möchte sich ganz und gar aus dem Netz löschen. Aus Angst vor Verfolgung. Dieses Vorhaben stellt sich als hochkompliziert heraus. Denn etliche Web-Administratoren reagieren einfach nicht auf ihre Löschungsbitten. Die Erzählerin wird panisch verfolgt von dem Gedanken, daß einer ihrer alten Texte, in dem sie asiatische Stereotype (der Normalleser denkt: völlig normal, sehr harmlos) bediente, weiterhin online (natürlich auf einem Forum namens Clitlit) abrufbar sei.
Was ich vor allem wollte: die fundamentale Angst loszuwerden, gecancelt zu werden. Für irgendwas, was ich einmal getan oder gesagt hatte, oder einmal tun oder sagen würde. Ich hatte das Gefühl, dass meine öffentliche Bloßstellung nur noch eine Frage der Zeit war. Ich war weder berühmt, noch hatte ich irgendeine andere gesellschaftliche Relevanz. Persönliche Momente des öffentlichen Ruhms bschränkten sich auf einen Instagram-Post von einer Studierenden, der viral geteilt wurde, weil ich Bücher von J.K. Rowling wegen ihrer TERF-Ideologie aus einem Seminar für fantastische Literatur verbannt hatte. (…)
Fakt war: niemand wusste, zu welchem Zeitpunkt verschiedene Daten und Infos von mir oder über mich zu einem Ball des öffentlichen Interesses zusammenschmelzen könnten und ich in einem digitalen Inferno gelyncht werden würde.
Es war die Angst vor Kontrollverlust, die Angst vor dem Urteil der anderen. Die Angst verfolgte mich wie eine Drohne, faustgroß, mit feinhaarigen Antennen und synthetischen Tastorganen, egal wohin ich ging oder wo ich mich aufhielt.
Ha! Wir müssen dabei konstatieren, daß wir es hier mit einer linkslinken Autorin zu tun haben. Sie verhakt sich dabei in ihrer Wortwahl. Eine relativ unbekannte Autorin – wer kennt Jenifer Becker? – kann ja kaum „gecancelt“ werden, oder? Auch nicht ihr Alter Ego Mila Meyring im Roman. Gemeint ist wohl die Furcht, Opfer einer Internet-Kampagne zu werden.
Die Angst, in den Sozialen Medien oder auf Dating-Plattformen je möglicherweise etwas Inopportunes, nicht Mainstreamförmiges geäußert zu haben, wächst sich bei der Protagonistin zur hellen Panik aus. Sie zieht immer radikaler den Stecker, sie kündigt letztlich auch ihre vielen Streamingabos und schafft ihr Smartphone ab, sie flirtet gar mit Thesen eines Ted Kaczynski und begibt sich innerhalb ihres smarten, coolen, urbanen Freundeskreises in eine schmerzhafte Außenseiterposition.
Was fängt man überhaupt mit solchen surffreien Extrastunden an, die sich pro Woche rasch auf tausende Minuten summieren? Das ist für Mila noch das geringste Problem. (Natürlich beginnt sie, Vulven zu malen, was sonst?)
Ihr Horror ist, daß man sie outen könnte. Sie wird schier erwürgt von dem Gedanken, daß man ihr „etwas anhängen“ könnte. Irgendwer in den USA hat seinen Job verloren, weil der Cousin beim „Sturm auf das Kapitol“ zugegen war und weil sich der unbeteiligte Cousin nicht distanzierend dazu geäußert hatte. Milas soziophobischer kleiner Bruder ist Impfgegner – was, wenn das auf sie selbst zurückfiele?! Wäre es nicht der blanke Horror?
Blättern wir um zu Eva Menasse. Die (aufgrund ihrer Israelkritik) seit je umstrittene Denkerin hat mit Alles und nichts sagen einen wirklich fulminanten Essayband zur „Digitalmoderne“ vorgelegt. Ihre Kritik am „digitalen Urknallchaos“ fetzt ordentlich rein. Sie beschreibt die Lawinenhaftigkeit des digitalen Massenkonsums mustergültig. Wie enorme Emotionen seither viral um die Welt gehen, wie „das Internet“ zur bewußtseinsverändernden Droge wurde. Es dürfte schwer zu widerlegen sein, daß viele Menschen ihr Gerät länger anschauen als irgendeinen Artgenossen.
Wir haben ja alle vergessen, uns das bewußtzumachen. Menasse ruft es zurück ins Gedächtnis und schildert Gelegenheiten, wo sie selbst als „Userin“ Fakes auf den Leim ging. Sie wagt sich dabei sehr weit vor:
Um bloß nicht Antisemit genannt zu werden, würden die meisten Deutschen alles tun, also schweigen sie auch zu jedem Unsinn. Unbehaglich und unklar beschämt hören sie den Klagen der Antisemitismusbeauftragten und den anderen Lautsprechern im Warn- und Betroffenheitsbusiness zu, die permanent den Eindruck erwecken, der Judenhass stiege gerade in exorbitante Höhen an. Wer hier widerspricht und versucht, ein paar Dinge in den richtigen Maßstab zu rücken, wird mindestens auf die Seite der Antisemitismus-Verharmloser gerückt.
Und nun schlagen wir den Bogen zu Jenifer Becker: Wie Becker (anhand der Oma ihrer Protagonistin) beschreibt Menasse (anhand ihrer eigenen Mutter), daß gerade Ältere und Greise eine geradezu irrationale Angst gegenüber „Computern an sich“ hätten – und wie diese Leute 75plus andererseits den Fakes und Phishings besonders auf den Leim gingen.
Auffällig sind aber die großen Ängste der Generation nach meiner, Jahrgänge also ab 1980. Sie sind von Anfang an viel klimabesorgter, sie trennen sorgfältiger den Müll, sie nehmen selbstverständlich Rücksicht auf sämtliche Minderheiten, sind sich ihrer Privilegien bewußt und integrieren fließend alle neuen Sprachregelungen.“
Aber:
Sie sind enormen Ängsten vor Shitstorms und digitaler Diffamierung ausgesetzt. Ihre Ängste, sagen sie selbst, seien nicht irrational, sondern speisten sich aus Erfahrung: ‘Wenn zehn Leute twittern, dass die NGO Soundso transphob/antisemitisch/ rassistisch ist, dann haben wir wirklich ein Problem’ – solche Sätze sagen sie, und manchmal auch: ‘Die können uns fertigmachen.´ Wenn man dann antwortet: Àber die NGO Soundso ist doch nachweislich nicht transphob/antisemitisch/rassistisch!’, dann schauen sie sehr bekümmert und sagen leise ‘Darum geht es nicht’.
Menasse sagt, sie sei bestürzt von der Eingeschüchtertheit und Devotheit dieser Leute. Tja. Leute wie Menasse sind bestürzt, und Leute wie Jenifer Beckers Protagonisten haben schlichtweg Angst. Angst, auch nur ein falsches Wort zu sagen, Angst davor, gegen alle Wahrscheinlichkeit falsch eingeordnet zu werden. Obwohl man doch das Gute will!
Noch ein Einschub aus dem aktuellen Essay des (Wagenknecht-)Linken Bernd Stegemann sei erlaubt. Mit seinem Büchlein Identitätspolitik hat er einen Einwurf gewagt, der sich von vorne bis hinten gewaschen hat!
Ziel der Cancel Culture ist es, das Klima der Kommunikation zu verändern. Die freie Rede soll durch politisch-moralische Regeln gesäubert werden. Im universitären Betrieb sind die Folgen der Cancel Culture alltäglich spürbar. Nur eine woke Stimme kann die Kommunikation so einengen, dass allgemeine Beklommenheit herrscht. Die Angst, an den Pranger der neuen Moral gestellt zu werden und ein stigmatisierendes Etikett (Rassist, Alter weißer Mann, Klimaleugner, Coronaleugner, Russlandversteher etc.) umgehängt zu bekommen, lässt viele verstummen.
Die Macht der Cancel Culture zeigt sich weniger in der öffentlichen Vielfalt als in den eingehegten Räumen von Universitäten, Redaktionen und kulturellen Milieus. Dass oft schon eine empörte Stimme ausreicht, um eine Gruppe zum Verstummen zu bringen, ist inzwischen ein häufiges Phänomen. Plötzlich sitzen Menschen, die gerade noch frei und konzentriert gesprochen haben, eingeschüchtert da, als wären sie Angeklagte, denen jedes Wort zum Verhängnis werden kann.
Was soll man sagen? Es sind keine ganz schlechten Voraussetzungen für uns. Die linke Cancel-Kultur erdrosselt sich selbst. Es war vorauszusehen. Und das ist doch mal eine gute Nachricht.
kikl
Das haben Sie sehr schön geschrieben. Mich erinnert das an den alten Spruch: "die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder"
Die Feinde der Meinungsfreiheit fürchten jetzt, ihre Meinung zu sagen. So lange es nur die "Rechten" betraf, war "Cancel Culture" ihnen gerade recht. Ich kann da kein Mitleid empfinden, denn es geschieht diesen Linken gerade recht. Bemerkenswert ist diese Aussage: "Um bloß nicht Antisemit genannt zu werden, würden die meisten Deutschen alles tun, also schweigen sie auch zu jedem Unsinn." Wir alle wissen, dass es stimmt. Das Tabu ist so groß, dass es selbt ein Tabu ist, zu sagen, dass es ein Tabu ist. Wenn ein "Rechter" wie Martin Sellner es sagte, dann stünde der Verfassungsschutz wegen "Antisemitismus" vor der Tür.