Konrad P. Liessmann: Lauter Lügen

-- von Felix Dirsch

Der pensionierte österreichische Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann hat in den letzten Jahren wiederholt mit publizistischen Zwischenrufen auf sich aufmerksam gemacht.

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Stell­ver­tre­tend für ande­re sind sein Lob der Gren­ze, sei­ne Phi­lo­so­phie der moder­nen Kunst, beson­ders aber sei­ne Äuße­run­gen zur Bil­dungs­po­li­tik anzu­füh­ren. Das Echo war meist beträcht­lich. Mit Recht gilt er als einer der füh­ren­den Intel­lek­tu­el­len sei­nes Lan­des. Einer der Grün­de für sei­ne lang­jäh­ri­ge Prä­senz in der öffent­li­chen Mei­nung ist sei­ne Gewohn­heit, sich von kei­ner Sei­te ver­ein­nah­men zu lassen.

Um sich brei­te­res Gehör zu ver­schaf­fen, publi­zier­te der Gelehr­te auch Essays, Kolum­nen und Glos­sen in Zeit­schrif­ten, Maga­zi­nen und Sam­mel­bän­den. Eine Rei­he die­ser bereits ver­öf­fent­lich­ten Tex­te hat er in dem Band Lau­ter Lügen zusam­men­ge­stellt. Als Schwer­punk­te kris­tal­li­sie­ren sich die Berei­che Ver­schwö­rungs­my­tho­lo­gien, Kul­tur und poli­ti­sche Moral, sozia­le Bezie­hun­gen, Bil­dungs­theo­rie, Erör­te­run­gen zwi­schen Pan­de­mie und Kli­ma­wan­del sowie Anmer­kun­gen zum Dis­kurs über Wer­te heraus.

Ange­sichts der Viel­zahl der The­men, die ange­schnit­ten wer­den, über­rascht es nicht, daß ein roter Faden schwer aus­zu­ma­chen ist. Die mäan­dern­de Ten­denz ist nicht zufällig.

So ver­weist der Autor auf die Viel­ge­stal­tig­keit eines The­mas wie der Lüge, die nicht pau­schal nega­tiv ein­zu­schät­zen sei. Für die Dich­ter ist sie seit alters her ein wich­ti­ger Teil ihres Geschäfts­mo­dells. Pla­ton, der Dich­ter­kri­ti­ker, weiß sogar etwas mit der »edlen Lüge« anzu­fan­gen. Liess­mann bemerkt immer­hin, daß nicht nur »böse« Popu­lis­ten, son­dern auch »Gute« wie der Spie­gel-Jour­na­list ­Relo­ti­us die Fak­ten krea­tiv ver­fäl­schen und erfinden.

Ähn­lich kom­plex ist das viel­schich­ti­ge Phä­no­men des Has­ses, das man nicht gut zu fin­den braucht, das aber den­noch eine fun­dier­te Ana­ly­se ver­dient. Liess­mann bemüht sich dar­um. Oft ist Haß eine Ver­hal­tens­wei­se, die die Schwä­che der Ohn­mäch­ti­gen zum Aus­druck bringt. Nicht sel­ten ver­birgt sich dahin­ter der struk­tu­rel­le Hin­ter­grund der »Reprä­sen­ta­ti­ons­lü­cke« (Wer­ner Pat­z­elt), die häu­fig nicht ein­ge­bil­det ist.

Auch an Ver­schwö­rungs­theo­rien arbei­tet sich Liess­mann ab, wenn­gleich an man­chen Stel­len eher auf nai­ve Wei­se. Er emp­fiehlt als Anti­dot gegen sol­che unan­ge­neh­men Argu­men­ta­ti­ons­wei­sen »Bil­dung, Bil­dung, Bil­dung«. Wenn nur alles so ein­fach wäre! Man muß kein Ken­ner die­ses viel­schich­ti­gen Gen­res sein, um zu wis­sen, daß die Kon­trol­le eines Gut­teils der öffent­li­chen wie ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung durch eine rela­tiv über­schau­ba­re Zahl von Spin-Doc­tors fak­tisch Aus­gren­zung bestimm­ter, nicht­ge­neh­mer Mei­nun­gen bedeu­tet, die sich häu­fig auf alter­na­ti­ven Wegen ihre Bah­nen brechen.

Soweit die for­ma­le Sei­te, die nichts über den Inhalt sol­cher Auf­fas­sun­gen besagt. Auf Art und Wei­se eines Kom­plotts ent­stan­de­ne Theo­rien kön­nen, wie ande­re auch, rich­tig oder falsch sein. Zu einer sol­chen Erkennt­nis kann sich Liess­mann nicht durch­rin­gen. Er schafft es nur, Ver­schwö­rungs­theo­rien ihrem inhä­ren­ten »künst­le­ri­schen Poten­ti­al« nach zu wer­ten. Nicht gera­de ein durch­schla­gen­der Geistesblitz!

Liess­mann gelingt es auch auf ande­ren Fel­dern, kri­ti­sche Bli­cke zu schär­fen, etwa im Kon­text der Debat­te über digi­ta­le Bil­dung. Das ist nicht nichts, aber auch nicht beson­ders viel. Das Pan­ora­ma unse­rer Gesell­schaft, das der Wie­ner Phi­lo­soph ent­wirft, ist nicht nur ein »Mosa­ik ihrer Irr­tü­mer und Selbst­täu­schun­gen«, wie es in einer Buch­be­schrei­bung heißt; viel­mehr ist unüber­seh­bar, daß der Autor selbst öfters kei­nen Kompaß besitzt, sich in die­sem Gestrüpp zu orientieren.

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Kon­rad Paul Liess­mann: Lau­ter Lügen, Wien: Paul Zsol­nay Ver­lag 2023. 254 S., 26 €

 

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