Autorität

PDF der Druckfassung aus Sezession 115/ August 2023

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Sebas­ti­an Klein­schmidt, 1948 gebo­ren, hat ein Lob der Auto­ri­tät ange­stimmt, das ohne jeden Abstrich und genau so in der Rei­he kapla­ken bei Antai­os hät­te erschei­nen können.

Klein­schmidts knap­per Essay (Ver­lag Matthes & Seitz Ber­lin) räumt zunächst den Ver­dacht aus, unter den die Auf­klä­rung die Auto­ri­tät stell­te, indem sie sich gegen jede Bevor­mun­dung ver­wahr­te und zur Befrei­ung aus der selbst­ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit die Maxi­me auf­stell­te, »jeder sol­le jeder­zeit sel­ber denken«.

Hier, so Klein­schmidt, ste­he der »Zau­ber der Gegen­be­grif­fe« (Eman­zi­pa­ti­on, Mün­dig­keit, Gleich­stel­lung, Auto­no­mie) der Auto­ri­tät als einer Kraft gegen­über, der fälsch­li­cher­wei­se die ein­engen­den Kate­go­rien Gehor­sam, Hier­ar­chie und Bevor­mun­dung zuge­ord­net wor­den sei­en und noch immer würden.

Mit Hegel wis­sen wir indes expli­zit, daß Frei­heit die Ein­sicht in das Not­wen­di­ge sei und daß es zur Durch­set­zung die­ser gedeih­lich gerahm­ten Frei­heit einer »frei­heits­er­mög­li­chen­den Auto­ri­tät« bedür­fe. Klein­schmidt, des­sen knap­per Stil selbst auf fei­ne Wei­se auto­ri­tär wirkt, läßt kei­nen Zwei­fel dar­an, daß er die­ses preu­ßi­sche Ver­ständ­nis von Frei­heit und Auto­ri­tät für rei­fer hält als die unaus­ge­setz­te Rebel­li­on, die in unse­ren Brei­ten noch dazu aus Absi­che­rung und Wohl­stand her­aus erfolgt, also ein Event ist und eine Fahr­läs­sig­keit und kei­nes­falls eine Revol­te aus ver­zwei­fel­ter Lage.

Es ist wich­tig, daß Klein­schmidt neben die Auto­ri­tät auch die Tra­di­ti­on als eine Grö­ße setzt, von der man sich bedin­gen und zur Arbeit des Bewah­rens anstif­ten las­sen soll­te. Er läßt sein Lob des Her­kom­mens in einem apo­dik­ti­schen Satz gip­feln, der ein Beleg für den bereits erwähn­ten auto­ri­tä­ren Stil ist: »Jeden­falls ist Bewah­rung nicht min­der ein Ver­hal­ten aus Frei­heit, wie Umsturz und Neue­rung es sind.«

Klein­schmidt begreift die Tugend des Bewah­rens als Vor­aus­set­zung für Ver­wur­ze­lung und Selbst­be­wußt­sein. Von die­ser Set­zung aus kommt er auf das für uns Wesent­li­che zu spre­chen, auf unse­re Lage, die er natür­lich nie als »unse­re Lage« bezeich­net. Wohin näm­lich sei es gekom­men, nun, da das Ler­nen von Auto­ri­tä­ten ver­pönt sei und die Tra­di­ti­on nir­gends mehr als Kompaß die­ne? »Die Ant­wort lau­tet: Grup­pen­zwang, Kon­for­mis­mus, Richtungslosigkeit.«

Die der Zuschrei­bung nach »mün­di­gen Bür­ger« ver­fie­len dem »Sog der Majo­ri­tät«, wür­den »ein­ge­paßt ins Voka­bu­lar gut­ge­hei­ße­ner The­men und Dis­kur­se«, und das Ergeb­nis die­ses mora­lisch auf­ge­la­de­nen Grup­pen­zwangs sei eine der Demo­kra­tie nicht nur unwür­di­ge, son­dern für ihren Bestand brand­ge­fähr­li­che Her­den­men­ta­li­tät: »Zu ihr gehört es, mit lizen­sier­tem Mut die zu ver­bel­len, die uner­wünsch­te Din­ge sagen.«

Wen meint Klein­schmidt, wen sieht er, wenn er über die Kläf­fer und die Ver­bell­ten nach­denkt? Sein Text wird nicht kon­kret, son­dern beschreibt Pen­del­ge­set­ze, die grund­sätz­lich wir­ken. Also ist die Über­tra­gung unse­re Sache. Sie soll­te uns nicht schwer­fal­len, wenn wir uns den abschlie­ßen­den Gedan­ken des Essays wid­men, in denen es um die Auto­ri­tät in der Demo­kra­tie geht. Mit äußers­ter Zurück­hal­tung notiert Klein­schmidt, daß es zunächst dar­um gehe, sich von alten, ideo­lo­gi­schen Scha­blo­nen freizumachen.

Der berühm­te Satz, daß weni­ger Auto­ri­tät mehr Demo­kra­tie bedeu­te, sei über­holt. »Es gibt die Ansicht, Auto­ri­tät soll­te ver­stan­den wer­den als eine beherz­te außer­de­mo­kra­ti­sche Kraft, die bei inner­de­mo­kra­ti­schen Kon­flik­ten sta­bi­li­sie­rend wir­ken kann.«

Ahnen wir, wel­che Wucht in die­sem Satz steckt, der auf Situa­tio­nen gemünzt ist, »in denen die Demo­kra­tie selbst ihre Regeln ver­letzt«? In unse­rem Par­tei­en­staat haben sich die Par­tei­en das Gan­ze unter den Nagel geris­sen, also mit die­sem »Gan­zen« auch jene außer­de­mo­kra­tisch Beherz­ten, deren Auto­ri­tät und Tra­di­ti­on alle wähl­ba­ren Kräf­te stets an ihre Macht auf Zeit und an den ihnen zuge­wie­se­nen Platz hät­ten erin­nern können.

Der »gesi­cher­te Kon­sens der Gesin­nungs­ethik«, in dem wir zu leben haben, kann vom Staat, dem Gan­zen, nicht mehr auf­ge­bro­chen wer­den. Viel­mehr ist er mit sei­nen Behör­den in den anti­de­mo­kra­ti­schen Kon­sens ein­ge­bun­den wor­den. Es wird »cha­ris­ma­ti­sche Auto­ri­tät« not­wen­dig sein, um den Beu­te­ma­chern das Gan­ze zu ent­rei­ßen und es zu restaurieren.

Klein­schmidt beschreibt die­se beson­ders kräf­ti­ge Form der Auto­ri­tät, sieht sie kom­men und warnt vor ihr: Sie kön­ne aus dem Ruder lau­fen. Aber das muß sie nicht.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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