Ulrich von Hutten – Porträt zum 500. Todestag

-- von Erik Lommatzsch

PDF der Druckfassung aus Sezession 115/ August 2023

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Er konn­te so wun­der­bar pole­misch sein, der Reichs­rit­ter Ulrich von ­Hut­ten. Dif­fe­ren­zie­rung war nicht sei­ne Stär­ke. Für ihn gab es rich­tig und falsch, sei­ne Sicht – und die ver­bohr­te Idio­tie des Geg­ners, den er lite­ra­risch gern und reich­lich vorführte.

Eine der popu­lärs­ten Gestal­ten des Refor­ma­ti­ons­zeit­al­ters war er, sei­ne Stim­me hat­te Gewicht, er galt als mei­nungs­prä­gend. Er war einer der bedeu­tends­ten deut­schen Huma­nis­ten der Renais­sance, der sei­ner­zeit meist­ge­druck­te und meist­ge­le­se­ne, ein Schrift­stel­ler und Dich­ter von außer­or­dent­li­chem Rang.

Sei­ne Spra­che war – natür­lich – das Latei­ni­sche. Um der Wir­kung sei­ner poli­ti­schen Anlie­gen wil­len schrieb er spä­ter auch auf deutsch. Die von ihm prak­ti­zier­te lite­ra­ri­sche Form des Dia­logs wur­de prä­gend. Immer wie­der her­vor­ge­ho­ben wird – zu Recht – sein 1521 ver­faß­tes Gedicht »Ich habs gewagt mit Sinnen«.

Papst und Fürs­ten bekämpf­te er, die Sache eines star­ken Kai­sers, das Reich, war sei­ne Sache. Eben­so die Refor­ma­ti­on; im Unter­schied zu Luther moch­te er hier nicht nur auf das Wort set­zen, das Schwert war ihm ein pro­ba­tes Mit­tel. Dabei waren Recht und Staats­ord­nung wesent­li­che Ele­men­te sei­nes Den­kens. Die Dich­ter­kro­ne bekam er von Kai­ser ­Maxi­mi­li­an I., ein nen­nens­wert her­aus­ge­ho­be­nes Amt beklei­de­te der poe­ta lau­rea­tus nie.

Die Frei­heit war sein The­ma, immer wie­der die Frei­heit. Die uni­ver­sa­le Kai­ser­idee, das Euro­päi­sche, die umfas­sen­de Abend­land-Vor­stel­lung tra­ten spä­ter zurück – Deutsch­land, die deut­sche Nati­on, das Natio­nal­be­wußt­sein waren die Ideen, für die er nun stand. (Dem Ein­wand, dama­li­ge Begriff­lich­kei­ten sei­en nicht unbe­dingt mit dem heu­ti­gen Ver­ständ­nis zu lesen, Ver­satz­stü­cke nicht kri­tik­los zu gebrau­chen, sei statt­ge­ge­ben; bloß tut dies Hut­tens his­to­ri­scher Wirk­mäch­tig­keit kei­nen Abbruch.) Hein­rich Grimm resü­miert in sei­ner 1971 erschie­ne­nen Hut­ten-Bio­gra­phie lapi­dar und tref­fend: »Auf wei­te Sicht schlug er eine Bre­sche für die geis­ti­ge und poli­ti­sche Wei­ter­ent­wick­lung der deut­schen Nation.«

Gera­de ein­mal 35 Jah­re war Ulrich von Hut­ten alt, als er am 29. August 1523 auf der im Zürich­see gele­ge­nen Insel Ufen­au ver­starb. Elend waren die Umstän­de. Geflo­hen war er aus Deutsch­land, der von ihm ver­ehr­te Eras­mus von Rot­ter­dam, der ihn einst geför­dert hat­te, woll­te ihn in Basel nicht ein­mal mehr emp­fan­gen. Der mit­tel­lo­se Hut­ten ging schließ­lich an einer Syphi­lis zugrun­de, unter der er andert­halb Jahr­zehn­te gelit­ten hat­te. Hin­ter­las­sen hat er – hier erfreut uns die Über­lie­fe­rung mit einem Bil­der­buch-Kli­schee eines dar­ben­den Intel­lek­tu­el­len – »an Haus­rat nichts außer einer Feder«.

Am Ende war er ein Ver­folg­ter, einer, der sich durch sei­ne lang­jäh­ri­gen ver­ba­len Angrif­fe reich­lich Fein­de geschaf­fen und sich schließ­lich auch noch als dilet­tan­ti­scher Auf­wieg­ler in der Pra­xis ver­sucht hat­te. Hut­tens Anhän­ger gedach­ten sei­ner ver­eh­rend, ver­ges­sen wur­de er nie. Aber bis in die zwei­te Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts war er vor allem als huma­nis­ti­scher Dich­ter von Inter­es­se. Das poli­ti­sche Wol­len und Wir­ken trat in den Hin­ter­grund, wur­de aller­dings bei Bedarf mobilisiert.

So etwa erschien wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges mit dem Ziel, die Eini­gung der Pro­tes­tan­ten gegen die Katho­li­ken zu unter­stüt­zen, eine Schrift Hut­tens von 1520 mit dem nun­mehr geän­der­ten Titel »Auf­we­cker teut­scher Nati­on«. Der »gan­ze« Hut­ten wur­de schließ­lich »wie­der­ent­deckt«, nach­dem ihn Johann Gott­fried Her­der 1776 in einer Abhand­lung als »Mär­ty­rer der teut­schen Frei­heit« vor­ge­stellt hat­te. Schwer über­schau­bar sind die viel­fäl­ti­gen The­ma­ti­sie­run­gen Hut­tens in Poli­tik, Publi­zis­tik, Wis­sen­schaft und Literatur.

Die Spann­brei­te der Inan­spruch­nah­me könn­te kaum grö­ßer sein. Joseph Goeb­bels zeig­te sich eben­so ange­tan wie ein Jahr­hun­dert zuvor der mit der Arbei­ter­be­we­gung ver­bun­de­ne Dich­ter Georg Her­wegh, der Hut­ten als »Hei­land, der sich für das deut­sche Volk ans Kreuz schla­gen ließ«, fei­er­te. David Starr Jor­dan, der ers­te Prä­si­dent der 1891 gegrün­de­ten kali­for­ni­schen Stan­ford Uni­ver­si­ty, sorg­te dafür, daß das Hut­ten-Zitat »Die Luft der Frei­heit weht« zum offi­zi­el­len Mot­to der Hoch­schu­le wur­de – in deut­scher Sprache.

Hut­ten, der die Zeit in die Schran­ken, oder bes­ser, den Zeit­ge­nos­sen den Weg wei­sen woll­te, hät­te ein ein­fa­che­res Leben haben kön­nen. Es wur­de ein Aben­teu­er mit ste­ti­gen Orts­wech­seln, Erfol­gen, Anfein­dun­gen – und mit einer stu­pen­den lite­ra­ri­schen Pro­duk­ti­vi­tät. Stets war da der Drang nach einem Auf­bruch – im direk­ten und noch viel mehr im meta­pho­ri­schen Sin­ne. Oft hat­ten die Ver­öf­fent­li­chun­gen kon­kre­te Anläs­se, um dann aber schnell ins All­ge­mein­gül­ti­ge überzugehen.

Der Drang, die Din­ge zu sagen (oft kunst­voll for­mu­liert und allein schon des­halb über­dau­erns­wert), mit­zu­rei­ßen und zu han­deln, war früh erkenn­bar. Woher er vor allem die phy­si­sche Kraft nahm, bleibt ein Rät­sel. Er ver­stand sich als akti­ver Huma­nist: »Das Wis­sen von uns allen, die wir im Schat­ten – das heißt abseits des täti­gen Lebens – phi­lo­so­phie­ren und uns nicht zu Taten erhe­ben, ist ein Nicht­wis­sen.« Den Gedan­ken for­mu­lier­te er mehr­fach, so etwa auch in einem Schrei­ben an den Gelehr­ten Cro­tus Rubeanus: »Wir sind nichts, Cro­tus, und hören nicht eher auf, nichts zu sein, bis wir irgend­ei­ne Rol­le in die­ser Komö­die übernehmen.«

Zum Rah­men der Komö­die also: Gebo­ren am 21. April 1488 auf Burg Ste­ckel­berg bei Schlüch­tern, dem Stamm­sitz der Fami­lie, wird dem schwäch­li­chen Kind die Ver­wal­tung des Erbes, die ihm als Erst­ge­bo­re­nem zuge­stan­den hät­te, nicht zuge­traut. Hut­ten, der tat­säch­lich eine zier­li­che Kon­sti­tu­ti­on auf­weist und spä­ter eine Kör­per­grö­ße von ledig­lich 1,55 Metern errei­chen soll­te, auch für dama­li­ge Ver­hält­nis­se klein, wird mit elf ­Jah­ren der Reichs­ab­tei Ful­da über­ant­wor­tet und zum Mönch bestimmt.

Über­lie­fe­rungs­lü­cken und »Ergän­zun­gen« spä­te­rer Geschichts­schrei­ber sind in Hut­tens Bio­gra­phie immer wie­der anzu­tref­fen. So paßt es gut in das Bild des »Revo­lu­tio­närs«, daß er sich der Enge des Klos­ters durch eine dra­ma­ti­sche Flucht ent­zo­gen habe. Weni­ger spek­ta­ku­lär wäre eine Abord­nung zu einem zwei­jäh­ri­gen Stu­di­um nach Erfurt, wo er für den Huma­nis­mus gewon­nen wird. Bei­de Vari­an­ten sind ungesichert.

Tat­sa­che ist, daß er einem kon­tem­pla­ti­ven Leben hin­ter den Mau­ern einer Abtei die gro­ße, wei­te Welt vor­zieht. »Bes­ser gefiel mir der Plan, hin­aus in die Fer­ne zu rei­sen, wäh­rend die Jugend mir noch grü­ne mit fröh­li­chem Trieb«, dich­tet er weni­ge Jah­re spä­ter. Gegen Ende sei­nes Lebens ver­klärt er die Ent­schei­dung gegen das Klos­ter mit den Wor­ten, er sei zu der Ein­sicht gelangt, »in einem ande­ren Stand viel bes­ser gott­ge­fäl­lig und der Welt nütz­lich« sein zu können.

Das Som­mer­se­mes­ter 1505 ver­bringt er an der Uni­ver­si­tät Mainz, es fol­gen Köln, Frank­furt (Oder), Leip­zig, Greifs­wald, Ros­tock und Wit­ten­berg. Sein Ehr­geiz gilt sei­ner Bil­dung, die­se sei »wah­rer Reich­tum«. Als wer­den­der Huma­nist steht er gegen den Pri­mat der Theo­lo­gie, gegen die Scho­las­tik. Nicht um die Heils­er­war­tung im Jen­seits, son­dern um das Indi­vi­du­um, um die Bil­dung des Men­schen im Hier und Jetzt ist es ihm zu tun.

In Leip­zig steckt er sich mit der Syphi­lis an, das lebens­lan­ge Lei­den und die qual­vol­len The­ra­pien kom­men bei ihm immer wie­der zur Spra­che. Über die »Heil­kraft des Gua­jak­hol­zes«, auf die er gro­ße Hoff­nun­gen setzt, ver­faßt er spä­ter, begeis­tert und kun­dig in den medi­zi­ni­schen Begriff­lich­kei­ten, ein Büch­lein, wel­ches im Unter­schied zur The­ra­pie ein Erfolg wird.

Ein unan­ge­neh­mes Erleb­nis zum Ende sei­nes Auf­ent­halts in Greifs­wald –  die Fami­lie sei­nes vor­ma­li­gen scho­las­ti­schen Gast­ge­bers und Gön­ners läßt ihn über­fal­len und aus­rau­ben – ver­an­laßt ihn zur Abfas­sung des im Herbst 1510 gedruck­ten Wer­kes Que­r­e­lae in Lossi­os (»Löt­ze-Kla­gen«). Es han­delt sich um eine Gedicht­samm­lung, die latei­ni­sche Poe­sie beherrscht Hut­ten sou­ve­rän. »Wor­te ver­än­dern die Men­schen, Wor­te haben Gewicht!« ver­kün­det er.

Aus­ge­hend von dem erfah­re­nen Unrecht, stellt er, weit dar­über hin­aus­grei­fend, die Front des Huma­nis­mus gegen die Scho­las­tik, aus einem per­sön­li­chen Kon­flikt wird eine Ange­le­gen­heit für die Öffent­lich­keit, ein Mus­ter, dem Hut­ten auch künf­tig fol­gen wird. »Deutsch­lands Dich­ter, die das Vater­land ehrt«, läßt er sei­ne Muse im letz­ten Teil des Wer­kes besu­chen: Hut­ten prä­sen­tiert Por­träts von etwa 50 Dich­tern sei­ner Gegen­wart, deut­schen Huma­nis­ten, in deren Rei­he er sich damit selbst stel­len will. Hier ist er noch der »rein kul­tu­rel­le« Hut­ten, die Poli­tik tritt erst mit der nächs­ten Lebens­sta­ti­on hin­zu, mit sei­nem Auf­ent­halt in Wien, wo er 1511 eintrifft.

Dort übt das Den­ken des 1508 ver­stor­be­nen »Erz­hu­ma­nis­ten« Con­rad Cel­tis gro­ßen Ein­fluß auf Hut­ten aus, gepflegt und wei­ter­ge­tra­gen durch die von Cel­tis begrün­de­ten Krei­se. Wie ande­re Huma­nis­ten ori­en­tier­te sich auch Cel­tis an den klas­sisch-anti­ken Autoren, nahm aller­dings auch die kul­tu­rel­len Her­vor­brin­gun­gen der Deut­schen in Abgren­zung zu den Ita­lie­nern in den Blick. Neben der poli­ti­schen Füh­rung im Reich sah Cel­tis die Auf­ga­be der Deut­schen auch in der Über­nah­me der kul­tu­rel­len Füh­rung. Hut­ten nimmt dies auf; Inter­es­se für deut­sche Geschich­te und tages­po­li­ti­sche Fra­gen sind bei ihm seit sei­nem Wie­ner Auf­ent­halt stark ausgeprägt.

An den huma­nis­ten­freund­li­chen Kai­ser Maxi­mi­li­an I. ver­faßt er in Gedicht­form eine »Mahn­re­de«, den Krieg gegen die Vene­zia­ner fort­zu­set­zen. In die­ser Zeit ver­faßt er auch das Gedicht »War­um Deutsch­land weder in sei­nen Tugen­den noch in sei­nen Füh­rern gegen­über der Vor­zeit ent­ar­tet ist«. Die Stär­ken sieht er hier im Kul­tu­rel­len, weni­ger in der Wehrhaftigkeit.

Hut­ten geht nach Ita­li­en, von 1512 bis 1514 und noch ein­mal von 1515 bis 1517, beim zwei­ten Mal kommt er bis nach Rom. Sei­ne anfäng­li­che Kri­tik an der Per­son des Paps­tes wird spä­ter zu einer umfas­sen­den Feind­schaft gegen­über dem Papst­tum. Zwi­schen­zeit­lich ver­dingt er sich im Heer des Kai­sers und schließt Freund­schaft mit Eras­mus von Rotterdam.

Das anfäng­lich gute Ein­ver­neh­men mit dem zwei Jahr­zehn­te älte­ren Renais­sance-Gelehr­ten wird spä­ter zer­bre­chen. Nicht nur die Tem­pe­ra­men­te – Hut­tens Gerad­li­nig­keit und Eras­mus’ Geschmei­dig­keit – sto­ßen auf­ein­an­der. Hut­ten sieht zuneh­mend die deut­sche Nati­on, Eras­mus Euro­pa in sei­ner Gesamt­heit. Hut­ten will Refor­men mit dem Ziel der Befrei­ung vom päpst­li­chen Ein­fluß, Eras­mus setzt ledig­lich auf Erneue­rung inner­halb der Kirche.

1514 nimmt Hut­ten Ver­bin­dun­gen mit dem Main­zer Erz­bi­schof ­Albrecht von Bran­den­burg auf, in des­sen Diens­te er auch tre­ten wird. Huma­nis­ten und Refor­ma­to­ren set­zen auf Albrecht, die letz­te­ren wird er enttäuschen.

Hut­ten publi­ziert nahe­zu pau­sen­los. So ver­faßt er auf­grund der Ermor­dung sei­nes Vet­ters durch Her­zog Ulrich von Würt­tem­berg im Jahr 1515 fünf Reden und den Dia­log Pha­la­ris­mus. Den Rah­men des unmit­tel­ba­ren Anlas­ses der Ver­öf­fent­li­chung ver­läßt Hut­ten schnell, er rich­tet den Blick auf die Zustän­de im Reich. Die Lan­des­fürs­ten, die er als Fein­de der Frei­heit iden­ti­fi­ziert, greift er an, das Bild eines Tyran­nen wird gezeich­net: »Was ich dir bis jetzt gera­ten habe, dien­te dazu, dei­ne Unter­ta­nen in Furcht zu hal­ten. Nun ist es aber auch not­wen­dig, sich eini­ge Leu­te durch Wohl­ta­ten zu ver­pflich­ten, die dei­ne Sache dann beim gemei­nen Volk för­dern und das Gerücht von dei­ner Grau­sam­keit zerstreuen.«

Im soge­nann­ten Reuch­lin-Streit, der gro­ßen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Scho­las­ti­kern und Huma­nis­ten, gilt Hut­ten als der radi­kals­te Teil­neh­mer. Der zwei­te, 1517 gedruck­te Teil der anonym erschie­ne­nen Spott­schrift Dun­kel­män­ner­brie­fe, in der scho­las­ti­sche Gelehr­sam­keit und der Kle­rus auf das Hef­tigs­te ver­spot­tet wer­den, wird wohl aus­schließ­lich von Hut­ten verfaßt.

Nicht nur sein lite­ra­ri­sches Talent macht ihn zum Aus­nah­me-Huma­nis­ten. Die Abge­schie­den­heit der Stu­dier­stu­be ist ihm zu wenig. An den Nürn­ber­ger Patri­zi­er und Gelehr­ten Wil­li­bald Pirck­hei­mer schreibt er im Okto­ber 1518, er müs­se in die Welt hin­aus, denn »wel­che Geschich­ten soll ich dann erzäh­len, über wel­che Din­ge reden, wenn ich gar nichts erfah­ren habe?« Mit über­schäu­men­dem und spä­ter viel zitier­tem Renais­sance-Opti­mis­mus schließt er den Brief: »O Jahr­hun­dert, o Wis­sen­schaft! Es ist eine Lust zu leben, wenn auch noch nicht in der Stil­le. Die Stu­di­en blü­hen, die Geis­ter regen sich. Bar­ba­rei, nimm dir einen Strick und mach’ dich auf Ver­ban­nung gefaßt!«

Hut­tens eben­falls 1518 ver­faß­te Tür­ken­re­de, in der er for­dert, nicht der Papst, son­dern die Deut­schen unter ihrem Kai­ser soll­ten den Tür­ken­krieg füh­ren, kenn­zeich­net zwei Ver­schie­bun­gen sei­nes Den­kens. Zum einen vom Uni­ver­sal­kai­ser­tum hin zur Idee der deut­schen Nati­on, zum ande­ren tritt, unlös­bar mit der Nati­on ver­knüpft, der Kampf gegen die päpst­li­che Vor­macht, der Kampf gegen die »römi­sche Fremd­herr­schaft«, gegen die finan­zi­el­le Aus­beu­tung (es wird geschätzt, daß etwa 40 Pro­zent des deut­schen Natio­nal­ein­kom­mens nach Rom flos­sen) immer mehr in den Vordergrund.

Zu den zahl­rei­chen Schrif­ten, in denen er gegen das Papst­tum agi­tiert, zählt etwa das Gespräch­büch­lein. Über den hier­in ent­hal­te­nen, 1519 ver­faß­ten Dia­log »Vadis­cus« sagt Hut­ten: »Nichts Hef­ti­ge­res, nichts Offe­ne­res ist bis­her gegen die römi­schen Gold­sauger ver­öf­fent­licht worden.«

Im Novem­ber 1520 erscheint sein umfang­rei­ches Gedicht Klag und Ver­mah­nung gegen die über­mä­ßi­ge unchrist­li­che Gewalt des Paps­tes zu Rom und der ungeist­li­chen Geist­li­chen. Das Beson­de­re hier: Hut­ten schreibt nun – auch – auf deutsch. »Latein ich vor geschrie­ben hab, / das war ein jeden nicht bekannt. / Jetzt schrei ich an das Vater­land / Teutsch Nati­on in ihrer Sprach, / Zu brin­gen die­sen Din­gen Rach.«

Der erst 1529 pos­tum erschie­ne­ne Armi­ni­us-Dia­log ist, wie die meis­ten Schrif­ten Hut­tens, in Latein ver­faßt. Gerühmt wird »der frei­es­te, unbe­sieg­tes­te und deut­sches­te Held«. Das Werk begrün­det in Deutsch­land den ver­eh­ren­den Kult um Armi­ni­us, also Her­mann, den Bezwin­ger des Varus im Teu­to­bur­ger Wald.

Luthers Wir­ken nimmt Hut­ten erst spät zur Kennt­nis. Die gemein­sa­me anti­päpst­li­che Stoß­rich­tung ist das eine, das Ziel das ande­re, die Kon­flikt­li­nie ist ähn­lich der zu Eras­mus. Luther zielt auf die Theo­lo­gie, Hut­ten auf poli­ti­sche Ver­än­de­rung. Der Reichs­tag zu Worms 1521 und die über ­Luther ver­häng­te Reichs­acht wer­den für Hut­ten zur gro­ßen Ent­täu­schung – er hat im Sin­ne sei­ner Bestre­bun­gen bis dahin immer noch auf den Kai­ser gesetzt.

Die Stim­mung in Deutsch­land völ­lig falsch ein­schät­zend, ver­sucht Hut­ten nun einen gro­ßen Auf­stand gegen Rom zu ent­fa­chen. »Oft gro­ße Flamm’ von Fün­k­lein kam« – die­se Hoff­nung soll sich nicht erfül­len. Das Gan­ze geht als »Pfaf­fen­krieg« in die Geschich­te ein: Es han­delt sich um eine Rei­he von Feh­de­an­dro­hun­gen und klei­ne­ren Aus­ein­an­der­set­zun­gen, bei denen nie­mand ernst­haft zu Scha­den gekom­men sein soll. Nach­dem Hut­tens Schutz­herr Franz von Sickin­gen selbst umge­kom­men ist, bleibt ihm am Ende nur die Flucht in die Schweiz, wo er zwar nicht fern, aber außer­halb der Hei­mat ster­ben wird.

Das kom­pro­miß­los in den Dienst sei­ner Ideen gestell­te Leben fas­zi­niert und trägt zu spä­te­rer Legen­den­bil­dung bei. Sei­ne Gedan­ken­welt, sei­ne Schrif­ten zur Aus­for­mung der deut­schen Nati­on wir­ken als Aus­gangs- und Bezugs­punkt in kaum zu über­schät­zen­der Wei­se nach.

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