Begriff und Realität der Verschwörung

-- von Georg Nachtmann

PDF der Druckfassung aus Sezession 115/ August 2023

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Luci­en Char­don ist der Prot­ago­nist in Hono­ré de Bal­zacs drei­tei­li­gem Roman Ver­lo­re­ne Illu­sio­nen (1837 – 1843). Als er sich nach einem Kom­plott, das sei­ne bür­ger­li­che Exis­tenz gänz­lich ver­nich­tet zu haben scheint, das Leben neh­men will, wird er von einem mys­te­riö­sen Spa­ni­er, dem Abbé Car­los Her­rera, gerettet.

Der Wohl­tä­ter erklärt dem lebens­mü­den Luci­en, daß des­sen Situa­ti­on – es feh­len ihm rund zwölf­tau­send Francs – in Wahr­heit gar nicht so schlimm sei. Luci­en müs­se ledig­lich den kind­li­chen Blick auf die Rea­li­tät abstrei­fen und ler­nen, hin­ter den Vor­hang zu bli­cken, denn: »Es gibt zwei Arten von Geschich­te: die offi­zi­el­le lügen­haf­te Geschich­te, die unter­rich­tet wird, die Geschich­te ad usum del­phi­ni, und die gehei­me Geschich­te, in der man die wah­ren Grün­de der Ereig­nis­se fin­det, eine Geschich­te der Schan­de.« (1)

Der Abbé, der sich übri­gens im Nach­fol­ge­ro­man wie zum Beweis sei­ner Wor­te als Hoch­stap­ler ent­puppt, lie­fert gewis­ser­ma­ßen das Mot­to ­aller Ver­schwö­rungs­theo­rien: Nur der unge­bil­de­te Naiv­ling traut kri­tik­los sei­nen Augen und Ohren, denn in Wahr­heit sind die Din­ge anders, als sie schei­nen. Für den Zeit­geist ist das aller­dings zu viel der Skepsis.

Kon­se­quen­ter­wei­se dient der Aus­druck »Ver­schwö­rungs­theo­rie« heu­te vor­nehm­lich zur Feind­mar­kie­rung: Wer Zwei­fel an den jüngs­ten Ver­laut­ba­run­gen öffent­lich aner­kann­ter »Exper­ten« oder an den neu­es­ten Ergeb­nis­sen »der Wis­sen­schaft« anmel­det, wer laut über­legt, ob die Din­ge nicht anders sein könn­ten, als man uns glau­ben machen möch­te, läuft Gefahr, als Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker gebrand­markt und damit als ernst­zu­neh­men­der Gesprächs­part­ner aus dem öffent­li­chen Dis­kurs ver­bannt zu wer­den. Wenn es nach den Mei­nungs­wäch­tern geht, ist der Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker als irra­tio­na­ler Spin­ner und poten­ti­ell gefähr­li­cher Extre­mist zu kenn­zeich­nen, zu iso­lie­ren und aus der bür­ger­li­chen Gesell­schaft auszuschließen.

Nun ver­hält es sich mit der rea­len Geschich­te aber ganz so, wie es Bal­zacs Abbé aus­spricht: Für jeden, der sich auch nur ein biß­chen mit der His­to­rie beschäf­tigt hat, dürf­te klar sein, daß der Geist der Ver­schwö­rung in ihr gera­de­zu all­ge­gen­wär­tig ist. Drei von unzäh­li­gen Bei­spie­len mögen dies in aller Kür­ze illus­trie­ren: Die Cäsa­ren­mör­der, die Gai­us Juli­us aus dem Leben und damit vom Herr­scher­thron beför­der­ten, waren nicht nur Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker, son­dern auch höchst erfolg­rei­che Ver­schwö­rungs­prak­ti­ker. Die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on und das Ende des Abso­lu­tis­mus wären ohne die kon­spi­ra­ti­ve Maul­wurfs­ar­beit der Frei­mau­re­rei undenk­bar gewe­sen. Und auch die Atten­tä­ter des 20. Juli 1944 waren frei­lich Ver­schwö­rer, wenn auch gescheiterte.

Es ist nun eine glei­cher­ma­ßen bemer­kens- wie beden­kens­wer­te Tat­sa­che, daß die Ver­schwö­run­gen gegen Cäsar und Hit­ler all­ge­mein als sol­che akzep­tiert wer­den, wohin­ge­gen der Hin­weis auf die Machen­schaf­ten der Frei­mau­rer beim mas­sen­me­di­al abge­rich­te­ten Durch­schnitts­bür­ger zu einem Paw­low­schen Empö­rungs­re­flex füh­ren dürf­te. Was ist der Grund für die­se unglei­che Reak­ti­on? Es kann nicht dar­an lie­gen, daß das klan­des­ti­ne Wir­ken der Mau­re­rei wäh­rend der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on his­to­risch nicht hin­rei­chend doku­men­tiert wäre. Das Gegen­teil ist der Fall.

Rein­hart Koselleck hat in Kri­tik und Kri­se (1959) die Logen im vor­re­vo­lu­tio­nä­ren Frank­reich nicht von unge­fähr als »gehei­men Innen­raum im Staa­te« bezeich­net. »Unter dem Schutz des Geheim­nis­ses« konn­ten die Mau­rer ihre Auf­fas­sung bür­ger­li­cher Frei­heit inner­halb der Logen ver­wirk­li­chen, bevor die­se Auf­fas­sung von dort nach außen dif­fun­dier­te und schließ­lich zur poli­ti­schen Wirk­lich­keit wur­de. (2) Die­ses Geheim­nis muß inzwi­schen als gelüf­tet gelten.

Die Ungleich­be­hand­lung der genann­ten Fäl­le dürf­te viel­mehr damit zu tun haben, daß die wenigs­ten in der Lage sind, sich eine Ver­schwö­rung anders vor­zu­stel­len als das ganz hand­fes­te Kom­plott einer klei­nen Grup­pe, die, in einem Raum ver­sam­melt, gemein­sam einen kon­kre­ten Plan aus­heckt. Dage­gen ver­weist die Ver­schwö­rung im Wort­sin­ne der Kon-Spi­ra­ti­on auf ein geis­ti­ges Band, das auch zwi­schen Unbe­kann­ten gespannt sein kann und in der Lage ist, Raum und Zeit zu überbrücken.

Auf die­sen Punkt haben jüngst die anony­men Ver­fas­ser des ursprüng­lich auf fran­zö­sisch erschie­ne­nen Kon­spi­ra­tio­nis­ti­schen Mani­fests hin­ge­wie­sen. »Die Ver­schwö­rung«, so schrei­ben sie, »benö­tigt ihrer­seits kein Zusam­men­kom­men ihrer Betei­lig­ten. Sie schwebt. Ihr Ele­ment ist die Luft. Die Über­ein­kunft kann still­schwei­gend, unbe­stimmt blei­ben, auch unfaß­bar, wie eine Idee. Das ist übri­gens das, was sie so gefähr­lich macht.« (3)

An der begriff­li­chen Ver­en­gung der abs­trak­ten Ver­schwö­rung auf das kon­kre­te Kom­plott hat viel­leicht nie­mand so gro­ßen Anteil wie der öster­rei­chi­sche Phi­lo­soph Karl Pop­per. In sei­nem Werk Die offe­ne Gesell­schaft und ihre Fein­de (1945), aus dem bezeich­nen­der­wei­se Geor­ge Sor­os sei­ne Visi­on einer »Open Socie­ty« gewon­nen hat, pole­mi­siert Pop­per gegen die von ihm so genann­te »Ver­schwö­rungs­theo­rie der Gesell­schaft«. (4)

Zwei­fel­los, so Pop­per, gebe es ver­ein­zelt Ver­schwö­run­gen. Die Steue­rung der Gesell­schaft durch eine klei­ne Grup­pe von Ver­schwö­rern sei dage­gen völ­lig abwe­gig. Die Welt sei schlicht zu kom­plex, zu sehr von Zufall durch­zo­gen sowie von kon­f­li­gie­ren­den Inter­es­sen und Absich­ten geprägt, als daß irgend jemand den Wel­ten­lauf ein­fach so pla­nen könn­te. Daß Ver­schwö­rungs­theo­rien Unsinn sei­en, zei­ge sich vor allem auch dar­an, daß die aller­meisten rea­len Ver­schwö­run­gen schei­ter­ten. »Ver­schwö­rer«, so Pop­per, »genie­ßen nur sel­ten die Früch­te ihrer Ver­schwö­rung«. (5)

Ganz abge­se­hen davon, daß es selbst­re­dend ein Merk­mal der gelun­ge­nen Ver­schwö­rung ist, nicht als sol­che ent­tarnt zu wer­den, ist Pop­pers Argu­men­ta­ti­on wenig über­zeu­gend. Sie über­sieht näm­lich den bereits ange­spro­che­nen geis­tig-äthe­ri­schen Cha­rak­ter der Kon­spi­ra­ti­on, dank dem sie sich auf viel­fäl­ti­ge, sogar schein­bar wider­sprüch­li­che Wei­se in der Wirk­lich­keit nie­der­schla­gen kann, ohne mit einem bestim­men Plan einer klar umris­se­nen Grup­pe iden­tisch sein zu müssen.

In die­sem Sin­ne ist auch die Frei­mau­re­rei ein höchst undurch­sich­ti­ges Geflecht ver­schie­dens­ter Grup­pie­run­gen, aus deren Tun sich aber zuwei­len selbst für die Han­deln­den uner­war­te­te Ver­schwö­rungs­syn­er­gien erge­ben. Dem kon­spi­ra­ti­ven Wesen der Frei­mau­re­rei tut es daher kei­nen Abbruch, daß sich die Logen in ihren »Riten« (wie etwa dem Schot­ti­schen Ritus und dem Mis­raïm-Ritus) unter­schei­den oder daß sie sich im Lau­fe der Geschich­te sowohl mit repu­bli­ka­ni­schen als auch mit kom­mu­nis­ti­schen ­Revo­lu­ti­ons­be­we­gun­gen ver­bun­den haben. (6) Wor­auf es statt des­sen ankommt, ist – mit den Wor­ten des His­to­ri­kers Gust­ave Bord – »der frei­mau­re­ri­sche Gedan­ke, der, sich aus­brei­tend, die­se gan­ze Welt lenkt, ohne daß die meis­ten Frei­mau­rer auch nur etwas davon wis­sen.« (7)

Lorenz Jäger hat die­se frei­mau­re­ri­sche Leit­idee tref­fend als die der »völ­lig auto­nom gewor­de­nen Mensch­heit« iden­ti­fi­ziert. (8) Was die Logen dem­nach ver­bin­det, ist der Wunsch­traum einer schran­ken­lo­sen Selbst­er­mäch­ti­gung des Men­schen. Ihr Haupt­feind ist jede höhe­re Macht (sei es Gott, die Natur oder das Gesetz der Ahnen), die dem eig­nen Tun Gren­zen auf­er­legt. Die Vor­stel­lung jedoch, die Gesamt­heit der welt­his­to­ri­schen Umbrü­che sei durch eine frei­mau­re­ri­sche Zen­tral­in­stanz wie am Reiß­brett geplant und dann umge­setzt wor­den, ist eine Idio­tie, die vom ­Wesent­li­chen ablenkt.

Ganz ähn­li­ches läßt sich mit Blick auf die ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche Kri­tik der Coro­na-Maß­nah­men sagen. Die Vor­stel­lung, daß ein klei­ner Zir­kel an Ultra­mäch­ti­gen – nahe­lie­gen­de Kan­di­da­ten, die im Netz dis­ku­tiert wur­den, waren neben ande­ren Bill Gates, Georg Sor­os und Klaus Schwab – die (Insze­nie­rung der) Pan­de­mie von lan­ger Hand geplant habe, um die glo­ba­lis­ti­sche Neu­ge­stal­tung der Welt in Form eines »Gre­at Reset« her­bei­zu­füh­ren, hält einer kri­ti­schen Über­prü­fung nicht stand.

Der Blog­ger Eugyp­pi­us, von dem die viel­leicht klügs­ten Ana­ly­sen zum welt­wei­ten Maß­nah­men­irr­sinn stam­men, schrieb dies­be­züg­lich in erfri­schen­der Nüch­tern­heit: »Die Lock­downs waren auf jeder Ebe­ne exakt das, als was sie uns erschie­nen sind: irr­sin­ni­ge, unlo­gi­sche, sinn­lo­se und chao­ti­sche poli­ti­sche Maß­nah­men. Sie sind Kopf­ge­bur­ten unbe­deu­ten­der Regie­rungs­funk­tio­nä­re mit einem Pla­nungs­ho­ri­zont von höchs­tens zwei Wochen, die ihren eige­nen Erfolg oder Miß­er­folg anhand der Pres­se­be­richt­erstat­tung beur­tei­len und die die Öffent­lich­keit als dum­mes Vieh betrach­ten, das in zweck­dien­li­che Bah­nen gelenkt wer­den muß.« (9)

Die Coro­na-Maß­nah­men waren dem­nach wohl nicht das Resul­tat eines glo­ba­len Kom­plotts. Das zu akzep­tie­ren schließt jedoch nicht aus, daß es sehr wohl eine geis­tig-ideo­lo­gi­sche Kon­spi­ra­ti­on gege­ben hat. Eine sol­che scheint man sogar anneh­men zu müs­sen, will man erklä­ren, war­um sich so vie­le frei­wil­lig der staat­li­chen Gän­ge­lei unter­wor­fen haben, offen­bar in der Über­zeu­gung, daß Poli­ti­ker, Pres­se und Phar­ma­un­ter­neh­men für alle stets das Bes­te wol­len. Ein der­ar­ti­ges Ver­hal­ten ist nur begreif­lich, wenn man berück­sich­tigt, daß die Men­schen schon seit Jah­ren oder gar Jahr­zehn­ten durch eine schlei­chen­de Ver­än­de­rung des Den­kens, Spre­chens und Füh­lens für bio­po­li­ti­sche Repres­sio­nen im Namen der Gesund­heit emp­fäng­lich gemacht wor­den sind.

Zwei­fel­los lief die­se Ver­schwö­rung in wei­ten Tei­len unper­sön­lich, sys­te­misch ab. Mit ande­ren Wor­ten: Offen­bar ist es einer bestimm­ten Welt­an­schau­ung gelun­gen, die ideo­lo­gi­schen Schalt­stel­len der Gesell­schaft, das heißt vor allem Kul­tur, Pres­se und Uni­ver­si­tä­ten, zu kapern. Woll­ten wir die­se herr­schen­de Ideo­lo­gie auf einen Begriff brin­gen, fie­le es schwer, etwas Tref­fen­de­res als die bereits im Zusam­men­hang mit der Mau­re­rei erwähn­te Visi­on einer völ­lig auto­nom gewor­de­nen Mensch­heit anzuführen.

Um Miß­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen, sei sowohl mit Blick auf Coro­na als auch auf Ver­schwö­run­gen im all­ge­mei­nen betont, daß die ideo­lo­gisch-sys­te­mi­sche Kon­spi­ra­ti­on kei­nes­wegs aus­schließt, daß sie von hand­greif­li­chen Ver­schwö­run­gen eini­ger weni­ger Mäch­ti­ger flan­kiert wird. Schließ­lich sind es Figu­ren wie Sor­os und Schwab nebst Orga­ni­sa­tio­nen wie den Open Socie­ty Foun­da­ti­ons und dem Welt­wirt­schafts­fo­rum, die vor allem durch den Ein­satz finan­zi­el­ler Mit­tel ent­schei­dend zum ideo­lo­gi­schen Wan­del der letz­ten Deka­den bei­getra­gen haben.

Auf alle Fäl­le ist die Ver­schwö­rung in all ihren Vari­an­ten, vom hand­fes­ten Kom­plott bis hin zur äthe­ri­schen Kon­spi­ra­ti­on, nicht denk­bar ohne das Geheim­nis, das Ver­schlei­ern, das Ver­ber­gen. So ist es nur natür­lich, daß die herr­schen­de Ideo­lo­gie ihr kon­spi­ra­ti­ves Wesen zu ver­heim­li­chen ver­sucht, indem sie das öffent­li­che Nach­den­ken über Ver­schwö­run­gen mit einem Tabu belegt.

Erstaun­lich ist dage­gen, daß sie ande­rer­seits die Wahr­heit über sich selbst durch­aus öffent­lich aus­spricht – aller­dings nur im Modus der Fik­ti­on. Als The­ma pop­kul­tu­rel­ler Ima­gi­na­ti­on näm­lich sind Ver­schwö­run­gen gera­de­zu all­ge­gen­wär­tig. Man den­ke etwa an Dan Browns unfaß­bar erfolg­rei­chen Schund­ro­man The Da Vin­ci Code (2003), in dem die gesam­te Kir­chen­ge­schich­te als das Resul­tat einer Fäl­schung ent­larvt wird. Auch Com­pu­ter­spie­le, Fil­me und Seri­en sind vol­ler klei­ner und gro­ßer Ver­schwö­run­gen. So wird bei­spiels­wei­se im Seri­en­hit House of Cards (2013 – 2018) mit Kevin Spacey die US-Poli­tik als ein ein­zi­ges zyni­sches Spiel aus Kor­rup­ti­on, Kom­plott und Intri­ge gezeigt.

Indem nun aber die Unter­hal­tungs­in­dus­trie die Wahr­heit über den Ver­schwö­rungs­cha­rak­ter der Rea­li­tät ver­kün­det, ver­hüllt sie die­sen zugleich. Denn die fik­tio­na­le ­Dau­er­in­sze­nie­rung sorgt gera­de dafür, daß Ver­schwö­run­gen den Men­schen als etwas bloß Erfun­de­nes und damit Unwirk­li­ches erschei­nen. Wich­tig in die­sem Zusam­men­hang ist auch, daß Hol­ly­wood und Kon­sor­ten dem Publi­kum vor allem maß­los über­trie­be­ne Kom­plot­te sinis­trer Hin­ter­män­ner prä­sen­tie­ren. Das wie­der­um trägt dazu bei, die unper­sön­li­che, sys­te­mi­sche Natur der Kon­spi­ra­ti­on aus dem Reich des über­haupt Vor­stell­ba­ren zu verdrängen.

Im gran­dio­sen Ver­schwö­rungs­thril­ler Die übli­chen Ver­däch­ti­gen (1995) – auch hier spielt, sicher Zufall statt Ver­schwö­rung, Kevin Spacey eine der Haupt­rol­len – fällt der für den Plot im gan­zen emble­ma­ti­sche Satz: »Der größ­te Trick, den der Teu­fel je gebracht hat, war, die Welt glau­ben zu las­sen, es gäbe ihn gar nicht.« Ana­log dazu besteht der viel­leicht größ­te Erfolg der kon­spi­ra­ti­ven Kräf­te unse­rer Zeit dar­in, die Welt glau­ben zu las­sen, es gäbe kei­ne Verschwörungen.

Bleibt noch die Fra­ge, wie Dis­si­den­ten mit der beschrie­be­nen Situa­ti­on umge­hen soll­ten. Zu hüten gilt es sich vor allem vor hol­ly­woo­des­ken Ver­schwö­rungs­theo­rien, die hin­ter jeder Ecke ein glo­ba­les Kom­plott einer klei­nen Macht­eli­te ver­mu­ten. So zu den­ken hie­ße gera­de, den herr­schen­den Mäch­ten auf den Leim zu gehen. Außer­dem soll­te – soviel Pop­per muß dann doch sein – jeder intel­lek­tu­ell inte­gre Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker ange­ben kön­nen, unter wel­chen Bedin­gun­gen er sei­ne Theo­rie als fal­si­fi­ziert anse­hen wür­de. Wer jeden Gegen­be­weis selbst wie­der zum Pro­dukt einer Ver­schwö­rung erklärt, ver­bar­ri­ka­diert sich geis­tig und ist in der Tat nicht ernst zu nehmen.

Dage­gen scheint es aus­neh­mend wich­tig, einen seriö­sen Begriff der Ver­schwö­rung zurück­zu­er­obern. Zu die­sem Zweck soll­te man gegen­über den his­to­risch Ahnungs­lo­sen eben­so nüch­tern wie kennt­nis­reich auf die zahl­lo­sen Ver­schwö­run­gen hin­wei­sen, die his­to­risch bes­tens doku­men­tiert sind. Ande­rer­seits soll­te man sich selbst und ande­ren den Unter­schied zwi­schen kon­kre­ten Kom­plot­ten und äthe­ri­schen Ver­schwö­run­gen klar­ma­chen. Bei letz­te­ren han­delt es sich, wie wir am Bei­spiel der Frei­mau­re­rei gese­hen haben, im Grun­de um meta­po­li­ti­sche Pro­jek­te, an denen Men­schen zusam­men­ar­bei­ten kön­nen, die sich weder begeg­net sind noch jemals direkt mit­ein­an­der gespro­chen haben. Man beden­ke, daß auch die Frei­mau­rer ein­mal Dis­si­den­ten waren – und zwar äußerst erfolg­rei­che, wenn man den Gang der Geschich­te betrach­tet. War­um also nicht von ihnen lernen?

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(1) – Hono­ré de Bal­zac: Ver­lo­re­ne Illu­sio­nen, übers. von Mela­nie Walz, Mün­chen 2014, S. 789.

(2) – Vgl. Rein­hart Koselleck: Kri­tik und Kri­se. Eine Stu­die zur Patho­ge­ne­se der bür­ger­li­chen Welt, Frank­furt a. M. 21976, S. 60.

(3) – Anonym: Das Kon­spi­ra­tio­nis­ti­sche Mani­fest, Ber­lin 2022.

(4) – Karl Pop­per: Die offe­ne Gesell­schaft und ihre Fein­de, Bd. 2, Tübin­gen 71992, S. 111.

(5) – Ebd., S. 112.

(6) – Vgl. Lorenz Jäger: Hin­ter dem Gro­ßen Ori­ent. Frei­mau­re­rei und Revo­lu­ti­ons­be­we­gun­gen, Wien 32018.

(7) – Zit. nach Jac­ques Plon­card d’Assac: Das Geheim­nis der Frei­mau­rer, Stutt­gart 1990, S. 48.

(8) – Jäger: Hin­ter dem Gro­ßen Ori­ent, S. 136.

(9) – Zit. nach Mar­tin Licht­mesz: »Sys­tem und Pan­de­mie«, in: Sezes­si­on 113 (2023), S. 16 – 19, hier S. 19.

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