Manfred Kleine-Hartlage: Querfront

Manfred Kleine-Hartlage ist einer der produktivsten Autoren unseres Lagers. Nach der Systemfrage (Standardwerk der BRD-Analyse und »Bestseller«) und Tödliche Torheit (Standardwerk zum Ukrainekrieg, ebenfalls ein Verkaufsschlager) legt er nun mit Querfront nach.

Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

Das Buch schließt direkt an die Sys­tem­fra­ge an und will einen neu­en Aus­weg wei­sen. Anders als Bene­dikt Kai­sers gleich­na­mi­ger kaplaken-Band geht Klei­ne-Hart­la­ge kaum auf die Gene­se des Begriffs und sei­ne geschei­ter­ten his­to­ri­schen Ver­su­che ein. Kai­ser stell­te 2017 fest, daß es »die Lin­ke von heu­te gar nicht wert« sei, »sich um sie zu bemü­hen. Weder welt­an­schau­lich noch strategisch.«

Die neue Rech­te sol­le sich von his­to­ri­schen, tem­po­rä­ren Quer­front­be­stre­bun­gen nur inso­fern inspi­rie­ren las­sen, als sie sich der sozia­len Fra­ge öff­ne: »Eine Quer­front ist der­zeit nicht mög­lich, nicht nötig, nicht erstre­bens­wert.« Damit mein­te Kai­ser vor allem eine ideo­lo­gi­sche Fusi­on lin­ker und rech­ter Welt­an­schau­ung und Akteu­re. Auch ange­sichts einer mög­li­chen »Wagen­knecht­par­tei« bleibt Kai­ser sei­ner Linie treu, wenn­gleich er tem­po­rä­re und ziel­ge­bun­de­ne Zusam­men­ar­beit von rechts und links nicht ablehnt.

Man­fred Klei­ne-Hart­la­ges Sicht auf das Phä­no­men ist dage­gen stra­te­gisch und ideen­ge­schicht­lich unter­legt. In einer hoch­do­sier­ten Kon­zen­tra­ti­on bis­he­ri­ger Schrif­ten beschreibt der Autor die Essenz lin­ken und rech­ten Den­kens. Er kommt zum Schluß, daß bei­de Lager ideo­lo­gisch unver­ein­bar sind. Gott sei Dank also kei­ne Spur einer plump-apo­dik­ti­schen Behaup­tung, daß »rechts und links pas­sé« sei­en, weil es »gegen die da oben« gehe.

Lin­ke miß­ver­ste­hen die Gesell­schaft als »von Men­schen gemacht und daher plan­mä­ßig ver­än­der­bar«. Sie negie­ren eine mensch­li­che Natur, »die der Ver­wirk­li­chung eman­zi­pa­to­ri­scher Idea­le ent­ge­gen­stün­de«, und rich­ten sich in die­sem uto­pisch-pro­gres­si­ven Drang gegen jede gewach­se­ne Ord­nung. Ihre Mora­li­sie­rung der Welt wird onto­lo­gisch, wenn als »unwahr« nicht »das gilt, was der empi­ri­schen Wirk­lich­keit, son­dern was die­sen Axio­men wider­spre­che«. Hier erkennt man ein­deu­tig den Autor von War­um ich kein Lin­ker mehr bin wieder.

Der Rech­te erkennt nach Klei­ne-Hart­la­ge dage­gen, daß eine Gesell­schaft nicht ratio­nal plan­bar, son­dern samt ihren Soli­dar­struk­tu­ren »oft­mals in jahr­hun­der­te­lan­gen Pro­zes­sen« his­to­risch gewach­sen sei. Klei­ne-Hart­la­ge grenzt ein genu­in neu­rech­tes Welt­bild so auch scharf von einem »rech­ten Leni­nis­mus«, wie er den Faschis­mus nennt, ab. Dar­aus ergibt sich eine bemer­kens­wer­te neu­rech­te Her­lei­tung der Demo­kra­tie und des par­la­men­ta­ri­schen Plu­ra­lis­mus. Die Neue Rech­te, so Klei­ne-Hart­la­ge, sol­le »nicht den Uto­pis­mus, son­dern die Herr­schafts­kri­tik der Lin­ken in ihr Selbst­ver­ständ­nis« integrieren.

Demo­kra­tie bedeu­tet das Aus­hal­ten der Unter­schie­de. Der geis­ti­ge und reli­giö­se Plu­ra­lis­mus ist der Schluß aus der Unmög­lich­keit der Per­fek­ti­on des Men­schen und der tota­li­tä­ren Plan­bar­keit der Gesell­schaft. Die­se Viel­falt besteht aber nur auf Grund­la­ge und im Rah­men der Nati­on als einen­der Fak­tor. Die­ser »Burg­frie­de«, und nicht etwa eine öko­no­mi­sche oder geo­po­li­ti­sche Fra­ge, ist Klei­ne-Hart­la­ges Basis für die »Quer­front«: »Dies bedeu­tet, daß die Rech­te (und sei es zäh­ne­knir­schend) bereit ist, um der Exis­tenz der Burg wil­len not­falls auch eine lin­ke Haus­ord­nung in Kauf zu neh­men, die Lin­ke bereit ist, die Burg zu ver­tei­di­gen, um sich die Chan­ce auf eine sol­che Haus­ord­nung zu bewahren.«

Gegen das anti­de­mo­kra­ti­sche glo­ba­lis­ti­sche Kar­tell, das sei­ner Ansicht nach weder links noch rechts sei, müs­se sich eine außer­sys­te­mi­sche Plu­ra­li­tät for­mie­ren. Klei­ne-Hart­la­ge moniert zu Recht, daß sowohl oppo­si­tio­nel­le Kon­ser­va­ti­ve als auch Liber­tä­re zuhauf exis­tie­ren, eine sys­tem­kri­ti­sche Lin­ke aber kaum vor­han­den ist. Die AfD allei­ne, so sein Fazit, kön­ne kei­ne demo­kra­ti­sche Wen­de bewir­ken, da ihr maxi­ma­les Wäh­ler­po­ten­ti­al mit rund 30 Pro­zent begrenzt sei.

Eine »Wagen­knecht­par­tei« könn­te der »baby­lo­ni­schen Gefan­gen­schaft der Main­stream­lin­ken« ent­kom­men und neue Mehr­hei­ten ermög­li­chen. Zumin­dest wür­de eine Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft sofort die »Ver­hand­lungs­po­si­ti­on jeder der bei­den Par­tei­en gegen­über even­tu­el­len Koali­ti­ons­part­nern aus dem Kar­tell« stärken.

Das Buch mün­det in eine furio­se Brand­re­de gegen die real exis­tie­ren­de Lin­ke. In jeder Zei­le brennt die auf­rich­ti­ge Ent­täu­schung eines ehe­ma­li­gen Lin­ken, der zum Vor­den­ker der Rech­ten gewor­den ist. Nie­mand ist beru­fe­ner und befä­hig­ter als Klei­ne-Hart­la­ge, den Lin­ken die Hand zur Quer­front zu bie­ten. Ob sie ange­nom­men wird, wird sich zeigen …

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Man­fred Klei­ne-Hart­la­ge: Quer­front. Die letz­te Chan­ce der deut­schen Demo­kra­tie, Wer­der (Havel): Kai Homi­li­us 2023. 224 S., 12,90 €

 

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Martin Sellner

Martin Sellner ist Kopf der österreichischen Identitären Bewegung.

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