Das Buch schließt direkt an die Systemfrage an und will einen neuen Ausweg weisen. Anders als Benedikt Kaisers gleichnamiger kaplaken-Band geht Kleine-Hartlage kaum auf die Genese des Begriffs und seine gescheiterten historischen Versuche ein. Kaiser stellte 2017 fest, daß es »die Linke von heute gar nicht wert« sei, »sich um sie zu bemühen. Weder weltanschaulich noch strategisch.«
Die neue Rechte solle sich von historischen, temporären Querfrontbestrebungen nur insofern inspirieren lassen, als sie sich der sozialen Frage öffne: »Eine Querfront ist derzeit nicht möglich, nicht nötig, nicht erstrebenswert.« Damit meinte Kaiser vor allem eine ideologische Fusion linker und rechter Weltanschauung und Akteure. Auch angesichts einer möglichen »Wagenknechtpartei« bleibt Kaiser seiner Linie treu, wenngleich er temporäre und zielgebundene Zusammenarbeit von rechts und links nicht ablehnt.
Manfred Kleine-Hartlages Sicht auf das Phänomen ist dagegen strategisch und ideengeschichtlich unterlegt. In einer hochdosierten Konzentration bisheriger Schriften beschreibt der Autor die Essenz linken und rechten Denkens. Er kommt zum Schluß, daß beide Lager ideologisch unvereinbar sind. Gott sei Dank also keine Spur einer plump-apodiktischen Behauptung, daß »rechts und links passé« seien, weil es »gegen die da oben« gehe.
Linke mißverstehen die Gesellschaft als »von Menschen gemacht und daher planmäßig veränderbar«. Sie negieren eine menschliche Natur, »die der Verwirklichung emanzipatorischer Ideale entgegenstünde«, und richten sich in diesem utopisch-progressiven Drang gegen jede gewachsene Ordnung. Ihre Moralisierung der Welt wird ontologisch, wenn als »unwahr« nicht »das gilt, was der empirischen Wirklichkeit, sondern was diesen Axiomen widerspreche«. Hier erkennt man eindeutig den Autor von Warum ich kein Linker mehr bin wieder.
Der Rechte erkennt nach Kleine-Hartlage dagegen, daß eine Gesellschaft nicht rational planbar, sondern samt ihren Solidarstrukturen »oftmals in jahrhundertelangen Prozessen« historisch gewachsen sei. Kleine-Hartlage grenzt ein genuin neurechtes Weltbild so auch scharf von einem »rechten Leninismus«, wie er den Faschismus nennt, ab. Daraus ergibt sich eine bemerkenswerte neurechte Herleitung der Demokratie und des parlamentarischen Pluralismus. Die Neue Rechte, so Kleine-Hartlage, solle »nicht den Utopismus, sondern die Herrschaftskritik der Linken in ihr Selbstverständnis« integrieren.
Demokratie bedeutet das Aushalten der Unterschiede. Der geistige und religiöse Pluralismus ist der Schluß aus der Unmöglichkeit der Perfektion des Menschen und der totalitären Planbarkeit der Gesellschaft. Diese Vielfalt besteht aber nur auf Grundlage und im Rahmen der Nation als einender Faktor. Dieser »Burgfriede«, und nicht etwa eine ökonomische oder geopolitische Frage, ist Kleine-Hartlages Basis für die »Querfront«: »Dies bedeutet, daß die Rechte (und sei es zähneknirschend) bereit ist, um der Existenz der Burg willen notfalls auch eine linke Hausordnung in Kauf zu nehmen, die Linke bereit ist, die Burg zu verteidigen, um sich die Chance auf eine solche Hausordnung zu bewahren.«
Gegen das antidemokratische globalistische Kartell, das seiner Ansicht nach weder links noch rechts sei, müsse sich eine außersystemische Pluralität formieren. Kleine-Hartlage moniert zu Recht, daß sowohl oppositionelle Konservative als auch Libertäre zuhauf existieren, eine systemkritische Linke aber kaum vorhanden ist. Die AfD alleine, so sein Fazit, könne keine demokratische Wende bewirken, da ihr maximales Wählerpotential mit rund 30 Prozent begrenzt sei.
Eine »Wagenknechtpartei« könnte der »babylonischen Gefangenschaft der Mainstreamlinken« entkommen und neue Mehrheiten ermöglichen. Zumindest würde eine Kooperationsbereitschaft sofort die »Verhandlungsposition jeder der beiden Parteien gegenüber eventuellen Koalitionspartnern aus dem Kartell« stärken.
Das Buch mündet in eine furiose Brandrede gegen die real existierende Linke. In jeder Zeile brennt die aufrichtige Enttäuschung eines ehemaligen Linken, der zum Vordenker der Rechten geworden ist. Niemand ist berufener und befähigter als Kleine-Hartlage, den Linken die Hand zur Querfront zu bieten. Ob sie angenommen wird, wird sich zeigen …
– –
Manfred Kleine-Hartlage: Querfront. Die letzte Chance der deutschen Demokratie, Werder (Havel): Kai Homilius 2023. 224 S., 12,90 €
Dieses Buch können Sie auf antaios.de bestellen.