Steffen Kopetzky: Damenopfer

Drei Romane aus der Feder Kopetzkys haben wir in der Sezession bereits vorgestellt, dieser ist der vierte.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Er schließt an den ers­ten an, Risi­ko aus dem Jahr 2015. Die ver­bin­den­de, his­to­ri­sche Figur ist Rit­ter Oskar von ­Nie­der­may­er. Die­ser »letz­te bay­ri­sche Rit­ter«, wie es im Damen­op­fer mehr­mals heißt, war im Ers­ten Welt­krieg trei­ben­de Kraft einer Afgha­ni­stan-Expe­di­ti­on, deren Zweck die Auf­wie­ge­lung zum Dschi­had gegen die eng­li­sche Kolo­ni­al­macht sein sollte.

Man nann­te Nie­der­may­er auch den deut­schen Law­rence von Ara­bi­en. Kopetz­ky schil­der­te die­se letzt­lich erfolg­lo­se Stra­te­gie in Risi­ko und ver­knüpf­te sie mit der Erfin­dung des gleich­na­mi­gen Spiels, in dem Armeen gegen­ein­an­der um Län­der und Kon­ti­nen­te kämp­fen und das es bis heu­te zu kau­fen gibt.

Afgha­ni­stan ist auch Schau­platz der ­ers­ten Kapi­tel in Damen­op­fer. Nach der sieg­rei­chen rus­si­schen Revo­lu­ti­on ver­bringt die über­zeug­te Bol­sche­wi­kin Laris­sa Reiss­ner als Ehe­frau des sowje­ti­schen Bot­schaf­ters eini­ge Zeit in ­Kabul, und Kopetz­ky läßt sie in der Mauer­nische eines ver­fal­le­nen Hau­ses Nieder­mayers Plä­ne für einen Angriff auf Indi­en aus Afgha­ni­stan her­aus entdecken.

Reiss­ner ist so fas­zi­niert von die­ser minu­ti­ös aus­ge­ar­bei­te­ten Stra­te­gie, daß sie ihren Mann ver­läßt und nach Mos­kau zurück­kehrt, um ein­fluß­rei­che Offi­zie­re der ­Roten Armee von der Not­wen­dig­keit zu über­zeu­gen, daß man auf die­se Wei­se los­schla­gen müs­se. Als man ihr Karl Radek emp­fiehlt, über den sie Kon­takt zu Oskar von Nie­der­may­er auf­bau­en kön­ne, beginnt das Karus­sell aus Namen und his­to­ri­schen Bezü­gen sich zu drehen.

Man muß die Aktio­nen, Bünd­nis­se und Ein­fluß­sphä­ren aus den Jah­ren 1918 bis 1925 nicht unbe­dingt ken­nen, um die Ereig­nis­se und ­Hand­lungs­ebe­nen nach­voll­zie­hen zu kön­nen, aus denen ­Kopetz­ky die vor- und zurück­sprin­gen­den Kapi­tel ­sei­nes Romans formt und bestückt.

Aber hilf­reich ist es schon: die Wei­ma­rer Repu­blik als Ide­al­bo­den für die Fort­set­zung der kom­mu­nis­ti­schen Welt­re­vo­lu­ti­on und das Schei­tern des roten Put­sches; die Mus­ter­ka­ser­nen der Schwar­zen Reichs­wehr bei Kasan und die gehei­me Rüs­tungs­zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Deutsch­land und der Sowjet­uni­on;  die diplo­ma­ti­sche, in fei­ne Umgangs­for­men geklei­de­te Käl­te der bri­ti­schen Geheim­diens­te – das alles läuft per­spek­ti­visch nicht all­wis­send ab, son­dern inner­halb des Blick­win­kels der Akteu­re, also vor allem Laris­sa ­Reiss­ners. Sie selbst ist natür­lich nicht nur Funk­tio­nä­rin, son­dern aus Fleisch und Blut, kämpft gegen die Fie­ber­schü­be einer Mala­ria­er­kran­kung, ver­führt Män­ner, über­läßt ihr Kind ihrer Schwes­ter zur Adop­ti­on und stirbt sehr jung.

Das kann man alles in Geschichts­bü­chern über die­se Zeit nach­le­sen (oder auf Wiki­pe­dia zusam­men­krat­zen). Kopetz­ky hat die Fäden ver­knüpft und schön gekor­delt – fast schon als Sati­re im zen­tra­len Kapi­tel, das in einer Vil­la in Ber­lin alle ver­sam­melt, die den Vor­trag eines sehr eit­len Arthur Moel­ler van den Bruck über ein kom­men­des »Drit­tes Reich« hören wollen.

Oskar von Nie­der­may­er ist dort, aber auch der vier­fa­che Ernst (von ­Salo­mon, Nie­kisch, Jün­ger und Rowohlt) und ein recht klein­ge­wach­se­ner, extrem eit­ler Staats­recht­ler ­namens Carl Schmitt. Er gräbt die Reiss­ner an, aber die spielt lie­ber Schach gegen jeman­den, der behaup­tet, daß Frau­en das ein­fach nicht könn­ten, denn es feh­le ihnen jedes stra­te­gi­sche Verständnis.

Damen­op­fer: Das ist gute Lek­tü­re, vor allem dann, wenn man von den absur­den Mög­lich­kei­ten und Ver­läu­fen die­ser Jah­re fas­zi­niert ist und im »Was wäre wenn« ab und an gern versinkt.

Stef­fen Kopetz­ky: Damen­op­fer. Roman, Ber­lin: Rowohlt 2023. 448 S., 26 €

 

 

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Götz Kubitschek

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