Ob vor diesem Hintergrund auch die Verkaufszahlen des neuen Buches des Lausanner Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld steigen, bleibt abzuwarten. Vorerst ist nur bekannt, daß Land ohne Mut auf der Frankfurter Buchmesse nicht präsentiert werden darf.
Studiert man die Publikation aufmerksam, so wird einem schnell klar, eines der wichtigsten Wissenschaftsbücher dieses Jahres in Händen zu halten. Der Autor schafft es, auf überschaubarem Raum stringent und plausibel darzulegen, warum der Umgang mit der (Schein-)Pandemie als postfaktische Reaktion der öffentlichen Entscheidungsträger zu werten ist.
Doch nicht nur die Covid-Maßnahmen sind ein schlagender Beleg für ein längst installiertes, globales Kontrollregiment, für das in den 1960er und 1970er Jahren der Philosoph Michel Foucault wichtige Stichworte geliefert hat. Als noch freiheitsgefährdender zeichnet sich das vielfältige »Klima-Paradigma« (Ernst-Peter Ruewald) ab.
Esfeld referiert faktengesättigt, was der Kundige bereits weiß, sich aber noch nicht allgemein herumgesprochen hat: Eine Gesundheitsgefahr für den größten Teil der Bevölkerung, jenseits der vielzitierten vulnerablen Gruppen, gab es zu keiner Zeit. Die Ergebnisse von PCR-Tests wurden weltweit zu Freiheitbeschränkungen mißbraucht. Eine relevante Übersterblichkeitsrate war zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Da sich das Corona-Regime – nicht zuletzt aufgrund des Einflusses globaler Organisationen wie der WHO – weltweit durchsetzen konnte, sind die Vergleichsmöglichkeiten mit einer medizinisch-juristischen Alternativagenda rar. Immerhin widersetzten sich Staaten wie Weißrußland oder Schweden entsprechenden Zwängen zumindest punktuell. In einigen US-Bundesstaaten wurden mildere oder gar keine Lockdowns verhängt. Im nachhinein konnte man in diesen Regionen keine negativeren Auswirkungen auf die Volksgesundheit feststellen.
Mit der Bezeichnung »politischer Szientismus« umschreibt das Mitglied (und Kritiker!) der renommierten Einrichtung »Nationale Akademie der Wissenschaften« (Leopoldina) in seinen Ausführungen den Mißbrauch der Forschung. Aus wissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich demnach keine politischen Handlungsanweisungen ableiten. In plakativer Form wurde ein solches Vorgehen während der Pandemie mit den Worten kommuniziert: »Folgt der Wissenschaft!«
Treffend kehrt Esfeld hervor, daß die sich überlagernden Großkrisen unserer Tage (Corona‑, Klima‑, Ukrainekriegs- und Wokeness-Regiment) auf einen zentralen Angelpunkt zurückzuführen sind: auf die Verknappung von Ressourcen. »Gesundheit« gilt demnach ebenso als neues Kollektivgut wie die sogenannte Klimaneutralität. Zur Sicherung beider Güter dürfen Freiheitsrechte eingeschränkt werden – so jedenfalls die Vertreter des neuen Totalitarismus.
Esfeld arbeitet in seinen Überlegungen die Wurzeln des neuen Herrschaftsmodells heraus: in der unmittelbaren Gegenwart den postmodernen »Fiat«-Konstruktivismus, in der Antike vor allem den Philosophen Platon. Dieser ging von einem allgemeinen (Heils-)Gut aus, das nur von Wissenden für den Alltag fruchtbar gemacht werden könne. Ebenso ausführlich beschreibt Esfeld (im Kontrast dazu) die Grundlagen moderner Wissenschaftskultur und Rechtstaatlichkeit. Immanuel Kant differenzierte (bleibend gültig) zwischen der reinen Vernunft und der praktischen. So schiebt er dem Mißbrauch der Wissenschaft durch die Politik einen Riegel vor.
Im fulminanten Schluß plädiert Esfeld für die Abkehr vom politischen Szientismus, der die Gewährung von Grundrechten mehr und mehr als Belohnung für willfähriges Verhalten der Untertanen betrachtet. Ohne eine Entflechtung der Komplexe Staat, Geldwesen, Wissenschaft und Medien, um nur vier Beispiele zu nennen, ist eine Moderne, die ihren Namen verdient, nicht wiederzubeleben.
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Michael Esfeld: Land ohne Mut. Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung, Berlin: Achgut Edition 2023. 198 S., 24 €
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