Es ist schrill (und unterhaltsam!), es ist daneben, es hat aber oft ein Körnchen Wahrheit. Es ist ein bißchen wie “Konservative Revolution auf Geschwindigkeit 3.0.” – auf Speed also.
Warum folge ich diesem „weiblichen Andrew Tate“, deren Sexismus eben nicht darin besteht, spiegelgerecht Männer abzuwerten, sondern die Vertreterinnen des eigenen Geschlechts?
Pearl Davis’ Alleinstellungsmerkmal besteht darin, Frauen abzukanzeln und bloßzustellen, die sich öffentlich als “whores”, zu deutsch als “Huren” darstellen. Und: Frauen verbal zu maßregeln, die ihrem Ehegespons nicht dienen, wie sie es eigentlich sollten.
Das ist fraglos hart und zweifellos unzeitgemäß. Aber – seit mindestens Jahrzehnten gibt es ja so eine Grundregel: Was in den USA „boomt“, wird mit fünf bis zehn Jahren Verzögerung Trend bei uns. In modischer, psychologischer, musikalischer wie politischer Hinsicht hat das sehr oft zugetroffen.
Es ist eine eigentümlich-träge Schwappbewegung, die auch im Smartphonezeitalter so stabil ist, wie sie anscheinend besonderen Rhythmen gehorcht.
Seit etlichen Jahren sind konservative Frauen in den USA ein Machtfaktor. Die Zahl der Republikanerinnen im US-Repräsentantenhaus hatte sich 2020 verdoppelt. Und diese Frauen sind klar rechts. Mehr noch: Es gibt ungezählte Vorfeldorganisationen, in denen Frauen sich gegen laxe Abtreibungsregeln, gegen die Forderungen der „LGBTQplus“-Gemeinschaft, gegen Homo-Propaganda an Schulen und gegen „Sozialismus“ (worunter bereits der normaleuropäische Wohlfahrtsstaat zählt) einsetzen.
Diese ganze Szene mit ihren reichweitenstarken Protagonistinnen ist enorm wuchtig. Und dort hinzu tritt nun Hannah „Pearl Davis“, die seit 2020 diverse Social Media Accounts betreibt – und eine Hardcore-Antifeministin ist.
Sie ist Jahrgang 1996, tritt recht unverkrampft und natürlich auf: wenig Make-up, oft sogar wie betont schlecht geschminkt; die Haare fallen, wie sie wollen, auffallend hohe Stirn, stets ein offenes Lachen – und ja, sie hat diese sogenannten Haare auf den Zähnen. Sprich: Sie läßt sich in Diskussionen nie die Butter vom Brot nehmen und verteidigt ihre meist spektakulären Standpunkte tapfer und lächelnd bis zum Geht-nicht-mehr.
Auf eine gewisse Art hat sie es drauf! Sie verkörpert einen Typ Frau, der in dieser Form noch nicht verbreitet ist. Humorvoll, aber nicht auf diese Mainstream-Comedian-Art, sondern wirklich eckig. Für die traditionelle Frauenrolle, ohne aber selbst Langweilerin zu sein. Laut, um den Leisen eine Stimme zu geben. Total nonkonform im Dienste einer verlorengegangenen Institutionalität.
Wieviel daran glaubhaft und “authentisch” ist oder einfach PR – das ist die Frage!
Auf Youtube hat Davis (als „JustPearlyThings“) zwei Millionen Abonnenten, sie hat in der recht kurzen Zeit ihrer Öffentlichkeit etwa 11.000 Stellungnahmen produziert. Fast jeder ihrer Tweets hat hunderttausende “Views”. Sie – geboren in Chicago, mittlerweile in London ansässig; neun Geschwister, darunter auch adoptierte, die Eltern sind IT-Avantgardisten – toppt so ziemlich alles, was heute so als sagbar gilt.
Einige ihrer Thesen:
- Frauen sollten kein Wahlrecht haben;
- Feminismus zerstöre die traditionelle Familie;
- Frauen sollten sich dezent bekleiden, um nicht aufreizend zu wirken (Pearl Davis geht selbst nicht in Sack & Loden);
- Für unerwünschte Schwangerschaften trügen allein Frauen die Verantwortung;
- Frauen seien selbst schuld, wenn ihre Ehemänner untreu würden.
Letzteres ist ihr großes Thema: diese Frauen, die sich den Männern “verweigern” und dann halt die Konsequenzen tragen müßten.
In einem ihrer Videos, millionenfach angeschaut, ledert sie (selbst offenkundig ohne Mann und Kinder) ab:
Ihr seid zum großen Teil widerliche Ehefrauen. Ihr kocht nicht für euren Mann, ihr macht ihn herunter, ihr nörgelt unablässig an ihm herum. Ihr behandelt ihn nicht wie einen Mann.
Den eigentlichen Knaller lieferte Pearl Davis mit einem selbstgedichteten Lied, das sie, fast im Janis-Joplin-Stil, im Sommer 2023 veröffentlichte. „Why can’t we talk about the jews?“ Wir sehen sie selbst mit ihrer Gitarre, singend:
I am not saying that Hitler was a good guy, but I kind of want to know why…
In diversen Talkshows durfte sie begründen, warum dies einfach eine Stellungnahme gegen Cancel Culture sei. Sie ist eine „loose cannon“, also ein unberechenbares Element. Mindestens. Und vermutlich ist sie als aus den USA eingewanderte Nummer einfach nicht übertragbar ins alte Europa.
Ich stehe ratlos vor diesem Phänomen und verfolge Pearl Davis weiterhin staunend. Ich habe Lichtmesz (der sich in überseeischen Sachen einfach besser auskennt) gefragt, ob Pearl Davis womöglich eine Karikatur sei. Eine gutgemachte Überzeichnung? Die einige kapieren, andere nicht – was zur Belustigung der ersteren beitrüge? Ist sie eine Satire? Ein deutsches Publikum (ob links, ob rechts) würde doch kopfschüttelnd vor diesen Aufführungen stehen?
Seine Antwort (per Messenger, daher die Form):
Die Amis sind halt so. Haha. Das ist absolut ernst gemeint. Uns erscheint das wie ein Witz. Aber schau Dir mal die amerikanischen Fernsehprediger an. Genau so. Oh Mann, ich halte das Weib keine zwei Minuten aus.
Ich werde Pearl Davis allein aus Neugier noch etwas aushalten. Faszinierend bleibt sie ja doch.
Mauerbluemchen
Vor wenigen Wochen wurde mir Hannah/Pearl von einem Bekannten empfohlen, so daß ich einen Abend ihren Beiträge widmete. Am Ende habe ich abgeschaltet, weil sie mir zu lieblos, zu gottlos-atheistisch und zu naiv ist. Mir taten die von Pearl vorgeführten und abgewatschten Frauen und Mädchen bald nur noch leid, denn schließlich haben sie ihr armseliges Leben lang vertrauensvoll immer nur gemacht, was Schule, Staatsmedien, verkrachte Singlemütter, Boomeromas, bescheuerte Leerer*nnen usw. ihnen unablässig vorgetrötet haben und jetzt, wo sie rettungslos im Dreck stecken, kommt eine (oftmals selbst leichtgeschürzte) Jungesellin daher und tritt genüßlich nach.
Gewiß sind moderne Frauen grottendumm, wahnhaft und verkommen, aber damit tun sie es den modernen Männern nur nach. Ein verfemter englischer Prälat hat das ganze Geschlechterproblem treffend auf den Punkt gebracht: wenn in der Moderne Frauen nichts mehr taugen, dann nur, weil es ihnen die Männer so vorgemacht haben: dem Niedergang weiblichen Anstands und gewisser Verhaltenstandards ging der der Männer voraus. Daß der Feminismus dieses Problem nicht behebt, sondern nur verschlimmert, liegt auf der Hand und muß von den Pearls dieser Welt nicht in ihrer groben Weise vorgebetet werden.