Historische Schuld und Europa – eine Tagung in Brüssel

Vor bald 17 Jahren gab das Institut für Staatspolitik eine Studie mit dem Titel Meine Ehre heißt Reue heraus. Darin ging es, das Holocaust-Mahnmal war gerade zwei Jahre alt, um den "Schuldstolz der Deutschen".

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Dar­un­ter wur­de eine bestimm­te Art der Sinn­stif­tung durch Geschich­te ver­stan­den; eine, die ihren Lebens­mut nicht aus den erhe­ben­den Momen­ten der eige­nen Geschich­te bezog, son­dern aus denen, über die man lie­ber schweigt. Die­se Momen­te wer­den hier­zu­lan­de mit einer reli­giö­sen Inbrunst prä­sen­tiert, die welt­his­to­risch ein­ma­lig ist und mitt­ler­wei­le nur dadurch etwas abge­mil­dert wird, daß die “neu­en Deut­schen” damit nicht viel anfan­gen können.

His­to­ri­sche Schuld ist aber, auch wenn das die deut­sche Moral­po­li­tik anders sieht, kein deut­sches Phä­no­men. Wer han­delt, wird schul­dig. Was im Klei­nen gilt, gilt auch im Gro­ßen. Und so haben alle euro­päi­schen Natio­nen irgend­wie mit dem zu kämp­fen, was man als Instru­men­ta­li­sie­rung der Ver­gan­gen­heit zu poli­ti­schen Zwe­cken bezeich­nen könnte.

Doch nicht nur inner­halb Euro­pas läuft die­ses Auf­rech­nungs­ka­rus­sell mun­ter wei­ter, mitt­ler­wei­le steht ganz Euro­pa im Zen­trum post­ko­lo­nia­ler Vergangenheitsbewältigung.

Am 2. März 2024 ver­an­stal­tet das Büro Maxi­mi­li­an Krah zusam­men mit der ID-Frak­ti­on im Euro­päi­schen Par­la­ment in Brüs­sel des­halb eine Tagung zum Thema:

𝐇𝐢𝐬𝐭𝐨𝐫𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐒𝐜𝐡𝐮𝐥𝐝 𝐮𝐧𝐝 𝐄𝐮𝐫𝐨𝐩𝐚
𝐏𝐨𝐬𝐭𝐤𝐨𝐥𝐨𝐧𝐢𝐚𝐥𝐞 𝐓𝐡𝐞𝐨𝐫𝐢𝐞 𝐮𝐧𝐝 𝐩𝐨𝐥𝐢𝐭𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐑𝐞𝐚𝐥𝐢𝐭𝐚̈𝐭 𝐢𝐦 𝐖𝐢𝐝𝐞𝐫𝐬𝐭𝐫𝐞𝐢𝐭

Sechs Red­ner wer­den sich mit ver­schie­de­nen Aspek­ten die­ses The­mas auseinanderzusetzen:

Prof. Dr. Hans Neu­hoff „Rea­lis­mus und Mora­lis­mus in der Außenpolitik“
Prof. Dr. Heinz Thei­sen „Die post­ko­lo­nia­le Dele­gi­ti­mie­rung Isra­els und der Anti­se­mi­tis­mus der Linken“
Mar­tin Licht­mesz „Der Film als geschichts­po­li­ti­sches Medium“
Felix Kraut­krä­mer „Die Ent­wick­lung der AfD im Kon­text der Schulddebatten“
Nils Weg­ner „Die Neue Rech­te und die Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung in Europa“
Dr. Erik Leh­nert „Schuld­stolz – zur Ver­fasst­heit post­he­roi­scher Gesellschaften“

Die Ver­an­stal­tung beginnt am Frei­tag, den 1. März mit einem Wein- und Käse­abend sowie einem Ein­füh­rungs­vor­trag von Maxi­mi­li­an Krah. Die Tagung star­tet am Sams­tag, den 2. März um 9:30 Uhr und endet gegen etwa 17:00 Uhr.

Alle Teil­neh­mer sind im Anschluss zu einem gemein­sa­men Essen mit den Refe­ren­ten und dem Büro Maxi­mi­li­an Krah in einem bel­gi­schen Restau­rant ein­ge­la­den. Dort hat jeder Teil­neh­mer die Mög­lich­keit, die The­men des Tages mit unse­ren Refe­ren­ten zu vertiefen.

Für die­se Ver­an­stal­tung ist eine Anmel­dung unter 𝐦𝐚𝐱𝐢𝐦𝐢𝐥𝐢𝐚𝐧.𝐤𝐫𝐚𝐡@𝐞𝐩.𝐞𝐮𝐫𝐨𝐩𝐚.𝐞𝐮 erforderlich.

Ich wür­de mich sehr freu­en, in Brüs­sel eini­ge bekann­te Gesich­ter begrü­ßen zu können!

Programm‑1–2‑März-ID-Veranstaltung

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (25)

RMH

16. Februar 2024 14:08

Achtung! Geheimtreffen!
(Ironie)

Hesperiolus

16. Februar 2024 15:27

„Historische Schuld“ ist ein omnifizierbares Tautologem. „Europäisches“ Immunversagen, forciert mit den aufkläricht-bourgeoisen Nationalisierungen hin dann zu invers kulturellen Selbstnekrotisierungen, folgt abendländischer Kernfäule a Luthero.

FraAimerich

16. Februar 2024 18:10

Gutächslich-postkoital die "Delegitimierung Israels" und linken "Antisemitismus" krokodilsbetränen, während in Rafah wohl schon die Opfer des nächsten großen Massakers zu beklagen stünden. Die liberalkonservative Erfolgsgeschichte neurechter Metapolitikasterei!

Fonce

16. Februar 2024 20:27

Ich finde solche Foutierungen sind ein zweiter Kategorie-Fehler (der erste ist die Kolonial-/Sklaverei-Schuld überhaupt in den Raum zu lassen). Das ist umso schwer wiegender als es nie gelingen wird, sich davon reinzuwaschen, denn wie Dr. Krah selber sagt, haben Söhne der Europäer Amerika in eine (bunte) Abfallhalde verwandelt. Wie soll man sich von einem solchem Monument das für alle Zeiten weiterbestehen wird, wie die Pyramiden, reinwaschen oder sich darum foutieren?
Nein! Warum? Weil die Europäer damals (also z.B. im 17. – 19.  Jahrhundert) selber Opfer waren (und sogar in stärkerem Masse als die bei den erwähnten Schuldfixierungen ständig ins Auge gefassten Opfer) ─ und zwar des damaligen politisch-ideologisch-religiösen Systems ─ und deshalb schuldunfähig waren. Dieses System müsste man anschauen. Aber das IfS liebt komischerweise dieses System.
Dass wir die Opfer sind springt heute sogar direkt ins Auge (in den USA und in Europa; wir sind Opfer dieser Abfallhalde), drum wurde die AfD als Rettungseinsatz gegründet. Der Fehler ist, anzunehmen, unser Opferdasein sei wumm! im 20 Jh. plötzlich aufgetaucht. … Wir waren damals (z.B. im 18. Jh.) nämlich gar nicht so kühn, wie wir meinen.

Florian Sander

17. Februar 2024 02:29

Ich kenne Herrn Theisens Positionen aus anderen AfD-Kontexten. Er ist letztlich ein neokonservativer Anhänger Samuel Huntingtons (siehe auch seine AchGut-Beiträge) und segelt damit politisch auf genau der geschichtspolitischen Welle, die hier kritisiert wird. Ich hätte mir gewünscht, dass dann wenigstens ein Referent auch die nahostpolitische Gegenperspektive vertreten hätte, so wie man das bei so einseitigen Positionierungen, die in Partei und Spektrum alles andere als Konsens sind, eigentlich grundsätzlich machen sollte. Hoffentlich fällt dann wenigstens die Diskussion kritisch aus. Alles andere wäre auf ärgerliche Weise selbstreferenziell.

Ein Fremder aus Elea

17. Februar 2024 03:32

Eigentlich sollte doch bereits alles zum Konzept der Erbsünde gesagt worden sein.

RMH

17. Februar 2024 12:38

"Dieses System müsste man anschauen. Aber das IfS liebt komischerweise dieses System." @Fonce, Kein Wunder, denn das System bis zur franzöischen Revolution ist eines, welches tatsächlich "rechts" ist, während alle anderen Systeme danach, bis hin zum NS, demokratistische Spielarten von links sind, da sie insbesondere entweder revolutionär oder reformend sind und immer auch auf der Masse aufbauen und nicht auf Klassen, selbst der Faschismus hat sich linke Elemente eingebaut. Joseph de Maistre, Edmund Burke, Donoso Cortés und der späterer Nicolás Gómez Dávila sind hier eben noch präsent und bekannt, auch wenn die neuen Rechten (wie JEDE heute noch existierende politische Anschauung) links durchsetzt sind. Es gibt keine wahrnehmbare, reine Rechte. "drum wurde die AfD als Rettungseinsatz gegründet." Das ist reine Projektion, wir alle wissen, dass die AfD ursprünglich eine euro-kritische, liberal-konservative Gründung war. Das findet sich bis heute in ihrem Programm wieder, weshalb "Faktenchecker" auch immer wieder behaupten, die AfD mache keine Politik für den "kleinen Mann" (Fehler, den Migrationsdruck aus der Gesellschaft zu nehmen ist die beste Politik, die für den "kleinen Mann" gemacht werden kann, sei er ethnisch deutscher oder mit MiHiGru).
 

fw87

17. Februar 2024 12:39

Man kann sagen, dass der Schuldkult die Pervertierung des christlichen Gedankens der Erbsünde ist. Erbsünde meint nur, dass die Auswirkungen der Ursünde auf alle Menschen übergegangen sind, nicht aber die persönliche Schuld. Der Schuldkult meint aber genau das: Die heutigen sollen büßen oder sich reinwaschen von tatsächlichen oder vermeintlichen Verbrechen der Vorfahren in Europa. Es ist aber zutiefst unchristlich, jemandem ständig die Vergangenheit vorzuhalten, sei es die persönliche oder die kollektive. Wirkliches Christentum setzt immer die Möglichkeit zum Neubeginn voraus. Das ständige Herumreiten auf der Vergangenheit oder auf dem, was jemand vor vielleicht 10, 20 Jahren mal gemacht hat, offenbart eine Hartherzigkeit, die zeigt, wie sehr wir uns mittlerweile vom christlichen Glauben entfernt haben. 

RMH

17. Februar 2024 12:52

"Hoffentlich fällt dann wenigstens die Diskussion kritisch aus." @Florian Sander, wenn man in der eigenen Suppe selbtsreferenziell vor sich hin kochen wollte, hätte man sicher keine offene Einladung ausgesprochen. Also, hinfahren, mitdiskutieren. 
"während in Rafah wohl schon die Opfer des nächsten großen Massakers zu beklagen stünden." @FraAimerich
Mit Massakern zu argumentieren, trägt immer die Gefahr der Heuchelei und die der doppelten Standards. Die angeblichen Massaker der Israelis folgen auf die realen der Hamas (wofür der "kleine" Pali genausowenig etwas kann, wie der "kleine" Israeli für die seiner Staatsorgane), die bis heute Geiseln hält und die Massaker an anderen Orten dieser Welt werden nicht so verbissen kommentiert oder evt. nur mit Glück überhaupt erwähnt oder zur Kenntnis genommen (Israel bzw. die Juden scheinen für manche immer noch der Nabel der Welt zu sein - eines von vielen möglichen Indizien für Antisemitismus). Worauf ich hinaus will: Das Argument, wer massakriert wen, ist immer der Beginn einer ewigen Abfolge von Whataboutism. Wenn die Tagung also dazu beitragen kann, dass man über historische Verantwortung wirklich historisch sprechen kann ohne dass gleich einer mea maxima culpa ruft und andere "entlastend" relfexartig den Finger auf andere (ja, aber, was haben denn die ...) zeigen, dann wäre ernsthaft etwas gewonnen.

Franz Bettinger

17. Februar 2024 21:45

Der Schuldkult ist keine Pervertierung der Erbsünde. Er ist nicht einmal eine Variation davon, er ist ein und dasselbe! Mit diesem psychologischen Trick (man trage qua Existenz eine Schuld, die man abzutragen habe) haben die Religions-Verwalter (ich sage nicht: Rel.-Stifter) aller Zeiten Menschen in ihre Gewalt gebracht und mental versklavt, oft auch physisch. (Die Hindus kennen einen anderen Trick, der fast noch besser, jedenfalls klüger ist.) 

Fonce

17. Februar 2024 21:56

@RMH: Trotzdem ist es komisch, dass das IfS dieses System liebt: Dadurch, dass das IfS (wie Sie sagen) den Zustand vor der französischen Revolution verehrt und somit sein Erbe antreten möchte, erbt es auch das bunte Müllhalden-Monument in Amerika. Wieso sollte man so ein Erbe freiwillig antreten wollen?
Zudem sehe ich das Problem, dass Klasse (also gesellschaftlich höhere Klasse) eigentlich nur dadurch Klasse sein kann, dass sie einen Inhalt verkörpert. Doch z.B. Heerführererfolge, Leistung, Erziehung (und klassische Bildung) oder göttliche Absicht als Klassenkriterien wirken alle zu plump um als Inhaltsklasse durchzugehen. Durch das von Ihnen (@RMH) bekräftigte Festhalten des IfS an vagen Adelsklassen verhindert das IfS das Voranschreiten zu Inhalten, weil durch sie die gerade erwähnten vier altmodischen Klassenkriterien angegriffen würden. Aber gerade weil dieses Voranschreiten zum Inhalt damals (wie in einer Art Kartell) verhindert wurde, ist die sinnlose Katastrophe der Französischen Revolution ausgebrochen, wodurch der (bunte) Mensch der Inhalt wurde, obwohl man ihn inhaltlich nicht versteht (und wie Gott über alles stellt).
Die AfD hat sich vielleicht seit 2013 zu einer heutigen (nicht mehr mittelalterlichen) Rechten Partei gewandelt. Zudem ist es nicht so, dass die Linken überhaupt keine Inhaltsklasse haben. Sie bemühen sich z.B. durch Heilpädagogik, dass sich Kinder richtig entwickeln.
 
Insgesamt eine ziemlich verfahrene Situation …

Franz Bettinger

17. Februar 2024 22:06

@Oben: Hindus glauben (sehr vereinfacht gesagt): Reinkarnation enthält neben der Seelen-Wanderung auch die Wanderung evtl. vorhandener Schuld oder Verdiensten. Es ist die Idee, dass Ungleichheit (bei den vier Kardinaltugenden Gesundheit, Schönheit, Interessantheit, Liebenswürdigkeit) gerecht sein könnte. Es ist die Idee von Bestrafung & Belohnung, wenn nicht im Diesseits, dann im Jenseits; Karma.

MartinMesner

17. Februar 2024 23:00

Vielleicht spannend da auch den heideggerschen Schuldbegriff als "Grundsein einer Nichtigkeit" zu thematisieren. Wird in den §§ 54 - 60 von "Sein und Zeit" entwickelt (Martin Sellner müsste sich da auskennen) und mit dem Rufcharakter des Gewissens in Beziehung gesetzt. Jedenfalls ist die Schuld dort sicher nicht als persönliche Haftbarkeit für etwas gedacht.

FraAimerich

18. Februar 2024 00:34

@RMH: "Die angeblichen Massaker der Israelis folgen auf die realen der Hamas"
 
Wenn man sich nicht sicher sein kann, ob gewisse Formulierungen einem eher naiv oder schäbig vorkommen sollten, schweigt man wohl besser. Gleiches würde ich Kritikern empfehlen, die stets zielsicher am Kern eines Einwands vorbeikommentieren.

Fonce

18. Februar 2024 01:36

«"drum wurde die AfD als Rettungseinsatz gegründet." Das ist reine Projektion, wir alle wissen, dass die AfD ursprünglich eine euro-kritische, liberal-konservative Gründung war.»
@RMH: Wissen Sie das so genau? Die Migration war bereits 2013 als Fehlentwicklung bekannt (und die AfD beruft sich in ihren Statuten im ersten Satz allgemein "auf politische Fehlentwicklungen", weshalb ich jubelte, als sie gegründet wurde). Ich finde Ihren Gebrauch des Worts «Projektion» hier seltsam. Projektion bedeutet, dass man etwas nach seinen Bedürfnissen oder Wünschen zu etwas anderem verzerrt. Das mache ich aber eigentlich gar nicht, sondern ich fokussiere bloss auf die aktuelle politische Fehlentwicklung (die uns zu Opfern macht) in die sich die AfD jetzt besonders verbissen hat, was gemäss Statuten ihre Aufgabe ist, jetzt halt das Migrationsthema.

Dr Stoermer

18. Februar 2024 13:42

Der Mensch kann nicht nur Empathie zu empfinden, sondern über das Instinkthafte hinaus diesbezügliche kulturelle Praktiken entwickeln. Diese machen die externen Wirkungen eigener Interessensverfolgung wahrnehmbar und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass es zum gemeinschaftlichen Kooperations-Paradoxon kommt: Das Erzielen langfristiger Vorteile für alle durch Inkaufnahme eigener kurzfristiger Nachteile. Die Ehe ist ein Beispiel dafür, auch wenn nicht jede dieses Ziel erreicht. Ein Nachteil ist es, sich aufgrund einer „historischen Schuld“ in anderen Angelegenheiten zugunsten Dritter einzuschränken. Dies könnte „gedeihlich“, also ein Kooperations-Paradoxon, sein, wenn es langfristig mindestens auch Nachteile für den sich Einschränkenden vermeidet. Also nicht lediglich dauerhaft einseitige Einschränkung zum Ergebnis hat (selbstredend kann es kein Kennzeichen von Kooperation sein, wenn die Vermeidung des Nachteiles in ausgebliebener Bestrafung besteht, sofern diese nicht auf einem „fairen“ Regelwerk fußt, dass für alle gleichermaßen gilt).
Gedeihlichkeit auf Gegenseitigkeit liegt in NATO-Ländern mit europäisch-stämmiger Bevölkerung nicht ansatzweise vor. Der Nutznießer ist bekannt. Insofern ist die Beschäftigung mit Theorien zu Moralismus in der Politik zwar ehrenvoll. Aus meiner Sicht jedoch implizite Affirmation der Verhältnisse insoweit, als damit ein sich gesellschaftlich selbst von innen heraus einstellendes Phänomen suggeriert wird. Dies ist nicht der Fall.

Kurativ

18. Februar 2024 21:14

Die Schuldfrage lebt davon, dass es eine Seite gibt, welche eine "Schuld" vergibt und eine andere Seite, welche diese Schuld annehmen soll.

Interessant ist auch, dass die zu vergebene Schuld meist nicht quantifizierbar ist. ("Wie viel Asylanten müssen wir denn noch aufnehmen und durchfüttern, damit diese komische Schuld abgearbeitet ist?")

Ich würde die Schuldfrage komplett beiseite legen. Wie man das auch durchdenkt, es führt immer in die Irre.

Es spricht nichts gegen Dokumentation und Erinnerung. Aber am Ausgang dieser virtuellen Museen stehen dann die neuen Priester um sich und anderen profane Vorteile zu verschaffen.

Volksernaehrer

19. Februar 2024 09:40

Also, wenn ich das jetzt richtig verstehe, daß 6 deutsche Redner über die historische Schuld Europas für die Kolonialzeit Vorträge halten, dann graust mir vor dem Ergebnis, welches dann nur zu einer noch höheren Stilisierung des deutschen Schuldkultes führen kann. Deutschland hatte nur sehr wenige Kolonien und die nur für relativ kurze Zeit. ausgerechnet diese Länder sind heute die mit am besten entwickelten Afrikas.
Dazu kommt, daß wir endlich mal aufhören sollten Europa in einen Topf zu werfen und es dann auch noch belehren zu wollen. 
Die meisten europ. Staaten hatten gar keine Kolonien, ich schätze mal Litauen oder Kroatien haben wenig Bock auf die Schulterung von Schuld für  die Kolonialzeit. 

RMH

19. Februar 2024 14:01

@Fonce,
ich bin sicher kein Sprecher des IfS und sie können daher meinen Beitrag nicht als Referenz für irgendeine vermutete Ausrichtung des IfS verwenden (die ich persönlich auch nicht kenne). Ich interpretiere lediglich das, was ich seit Ausgabe 1 der Sezession gelesen habe und bin der Auffassung, dass wenn einer noch ansatzweise weiß, was rechts ist und dies auch definieren kann, dann die Autoren des IfS sind, da sie eben ihre intellektuellen Hausaufgaben schon lange gemacht haben.  Mein Beitrag hatte hingegen die Zielrichtung einmal klarzustellen, dass es eine "reine", vorrevolutionäre oder gegenaufklärerische Rechte politisch schon lange nicht mehr gibt (ein paar Intellektuelle wird es vermutlich geben, aber die fallen politisch nichts ins Gewicht) und das die Verschiebung der Parameter eben - und das erleben wir aktuell alle live - nunmehr soweit fortgeschritten ist, dass vieles von dem, was bis vor kurzem normale, legitime politische Aussagen waren, heutzutage unter das Verdikt "Rechts" gestellt wird, obwohl es - ernsthaft abegewogen - nie rechts war, sondern immer modern (zur Moderne zählt auch der Nationalstaat), aufgeklärt und demkoratisch. Zugespitzt formuliert: Aus Sicht eines echten Reaktionärs ist die AfD links.

anatol broder

19. Februar 2024 15:54

@ kurativ 21:14
nein, die schuldfrage wird nicht immer beidseitig gelebt. ich habe als lebender jude keinen einfluss darauf, dass die lebenden deutschen kommunisten an jeder ecke den toten juden gedenken. 
genauso wenig können etwa schwule oder afrikaner die kommunisten daran hindern, sie als maskotchen zu missbrauchen.
wenn also eine deutsche kommunistin vorgibt, gegen rassismus, homophobie und antisemitismus zu kämpfen, dann handelt sie in ihrem eigenen auftrag.

Fonce

19. Februar 2024 16:46

«Mit diesem psychologischen Trick (man trage qua Existenz eine Schuld, die man abzutragen habe)» (von Monsieur Bettinger)
Das funktioniert aber nur, weil die Religion noch viel gründlicher ist (und hier arbeiten oft auch die Religionsstifter mit): Die Religion lehrt das ewige Leben und jenseitige Strafmechanismen. Dadurch versuchen dann die Gläubigen neurotisch, in einer Art Instant-Läuterung, Regeln zu befolgen (z.B. an gewissen Tagen gewisse Dinge nicht essen oder «Gutes» zu tun; der mittelalterliche {aber auch der Klima-} Ablasshandel gehört hierher). Und genau so entsteht die Schuld täglich neu (das ist der Schuldgenerator).
Warum? Weil man so ständig zerstreut wird und sich nicht dem Aufspüren von Inhalten widmen kann. Dadurch verliert man den Kompass und bringt allerlei dummes Zeug (--> Schuld) hervor, z.B. Kolonialismus, Sklaverei, Rassenvermischung, Refuges welcome, falsche Kindererziehung, falsche Kommunikation, falsche Berufswahl, falsche Partnerwahl, u.s.w.
D.h. ein ständiger Strom von neuer Schuld («frische Erbsünde») entsteht dadurch, dass die Religion (sowie übrigens auch die Ideologie ) wie schwarze Magie wirkt, weil die Leute sie normalerweise, wie oben beschrieben, wie Magie anzuwenden versuchen und so wie (von der Religion und auch von den Religionsstiftern?!) geplant irre werden und sich und ihr Volk ins Unglück stürzen und dann Schuld sind.

anatol broder

19. Februar 2024 21:09

wenn die historische schuld echt wäre, dann hiesse sie einfach schuld. aber die historische schuld ist kein gefühl, sondern eine denkart, nämlich der moralische materialismus. zum besseren verständnis führe ich eine seiner alltäglichen erscheinungen an.
eine mutter hat zwei erwachsene kinder. die mutter trinkt täglich kaffee, eines der kinder auch. zu weihnachten schenkt die mutter diesem kind eine kaffemaschine. um nun in ihrer rolle gerecht zu erscheinen, schenkt sie zugleich dem anderen kind die gleiche kaffemaschine wohlwissend, dass es gar keinen kaffee trinkt.
deshalb nennen wir moralische materialisten alltäglich selbstgerecht.

Franz Bettinger

19. Februar 2024 23:31

Wenn wenigstens Michael Klonovsky (zusätzlich) zu dem Thema eingeladen wär. Der würde Zunder in die Diskussion bringen und wohl glatt die Gegen-These vertreten: "Kolonialismus, zumal der deutsche, war segensbringend.“ Von dieser verehrungswürdigen Seite her wird der K außer von den PoCs selbst (aka Farbige, N, Eingeborene) selten durchdacht. In der momentanen Ära maximaler Oppositionellen-Hatz erscheint mir aber dies Thema ohnehin zu heiß und nicht zielführend (Wählerstimmen gewinnend). 

Laurenz

20. Februar 2024 08:49

@Franz Bettinger ... kurzer Widerspruch. Das mit dem Deutschen Kolonialismus hat sich wenig geändert, außer daß er jetzt informell, nicht tarifär ist. Er war seinerzeit im II. Reich ein riesengroßes Zuschußgeschäft & ist es jetzt immer noch. Deswegen war Bismarck im Grunde dagegen. Es ist ein Glaube an mangelndes Prestige, ignorierend, daß nur militärische Siege & ökonomischer Erfolg Prestige unter Staaten erzeugen.
@Anatol Broder ... Obwohl ich nicht zu Ihrer Schopenhauer-Mischpoke gehöre & wohl auch kaum die Fähigkeiten besäße, da aufgenommen zu werden, kann ich Ihnen im Grunde zustimmen. Allerdings nur verhalten. Ganz so philosophisch läßt sich der Sachverhalt des Schuldkults mit moralischem Materialismus nicht erklären. Da bleiben schon noch internationale politische Unwägbarkeiten bestehen, die den Schuldkult aufrecht erhalten, wie zB die UN-Feindstaatenklausel unter der wir noch geführt werden. Natürlich wäre es einfach, dieses zu beseitigen, wenn nicht solch eklatante Lutscher in Berlin an der Macht wären. Einfach die Zahlungen an die UN einstellen, bis Deutschland gestrichen wird. Aber scheinbar findet man die Zugehörigkeit zu den Feindstaaten geil, weil sie den Schuldkult dokumentiert.

Fonce

20. Februar 2024 13:10

Oben im Kommentariat (z.B. von @fw87) wurde gesagt, dass die Erbsünde christlich (nicht jüdisch) sei. Aber wer sagt mir, dass die Erbsünde nicht in der Tora (oder im AT) dort beschrieben ist, wo zu Adam gesprochen wird, dass der Erdboden um seinetwillen verflucht sei (weil er nicht artig war)?
Ich habe es jahrzehntelang bis heute so aufgefasst. Wenn das wahr ist, was ich sage, bedeutet das dann nicht, dass @anatol broders (in gewohnter Weise) undeutliches Beispiel zum moralischen Materialismus (als den er historische Schuld umdeuten will) ein sophistischer Versuch ist, davon abzulenken, dass die historische Schuld eine vom Judentum eingeführte und gehegte geostrategische Mobbingmethode ist?

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