Vlaams Belang

pdf der Druckfassung aus Sezession 10 / Juli 2005

sez_nr_10von Jerker Spits

Noch immer lehnen die belgischen Parteien jede politische Zusammenarbeit mit dem „Vlaams Belang“ ab. Der Isolationskurs gegenüber der Nachfolgepartei des „Vlaams Blok“ geht sogar so weit, daß Parteimitgliedern, die sich über das Verbot der Zusammenarbeit hinwegsetzen, der Ausschluß droht. Noch scheint eine stillschweigende Vereinbarung der politischen Eliten gültig zu sein, wonach der Vlaams Belang aus politischen Entscheidungsprozessen herausgehalten werden soll. Aber es gibt Grund zu der Annahme, daß die flämische Bevölkerungsmehrheit längst nicht mehr derselben Auffassung ist wie die etablierte Politik. Auch unter Politikern werden jetzt Stimmen laut, die für eine Zusammenarbeit mit der stärksten Partei Flanderns plädieren.

Der Vlaams Blok ging 1979 aus der „Vlaam­se Volks­par­tij“ und der „Vlaams Natio­na­le Par­tij“ her­vor. Grün­der und lang­jäh­ri­ger Vor­sit­zen­der der Par­tei war der Fla­me Karel Dil­len. Die Hafen­stadt Ant­wer­pen galt als Hoch­burg des Blok. Unter dem Ant­wer­pe­ner Vor­sit­zen­den und Spit­zen­kan­di­da­ten für die Kom­mu­nal­wah­len Filip Dewin­ter rich­te­te die Par­tei sich seit den neun­zi­ger Jah­ren ver­stärkt gegen die Ein­wan­de­rung und die libe­ra­le bel­gi­sche Inte­gra­ti­ons­po­li­tik. In Wal­lo­ni­en, dem fran­ko­pho­nen Süden Bel­gi­ens, spiel­te der Blok kei­ne bedeu­ten­de Rol­le. Im nie­der­län­disch­spra­chi­gen Flan­dern hin­ge­gen wählt in den Städ­ten Ant­wer­pen, Gent und Mechelen bis zu einem Drit­tel der Bevöl­ke­rung die Par­tei Dewinters.
In den letz­ten Jah­ren wur­de die Par­tei ver­stärkt zum Ziel einer juris­ti­schen Gegen­kam-pagne. Bel­gi­ens Grü­ne und Sozia­lis­ten ver­such­ten, die Par­tei­en­fi­nan­zie­rung gezielt zu refor­mie­ren, um so „ver­fas­sungs­feind­li­che“ Par­tei­en von öffent­li­chen Steu­er­mit­teln fern­zu­hal­ten. Die juris­ti­sche Grund­la­ge für die­se Initia­ti­ve bil­de­te ein bel­gi­sches Gesetz aus dem Jahr 1999. Pro­ble­ma­tisch war aller­dings, daß in die­sem Gesetz die ent­spre­chen­den Durch-füh­rungs­be­stim­mun­gen fehl­ten. Die Grü­nen und Sozia­lis­ten wuß­ten im Okto­ber 2003 das Par­tei­en­gesetz aber ent­spre­chend zu „repa­rie­ren“: eine Ände­rung, die vor allem den Vlaams Blok traf.
Daß es eine Par­tei, die sich nicht nur gegen die Schat­ten­sei­ten der „mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft“ aus­spricht, son­dern dazu noch für die Rech­te der Fla­men ein­tritt, nicht leicht hat, erfuhr der Vlaams Blok am 9. Novem­ber 2004. An die­sem Tag befand der bel­gi­sche Hohe Gerichts­hof, daß der Vlaams Blok sich schwe­rer Ver­stö­ße gegen bel­gi­sche Anti­ras­sis­mus­ge­set­ze schul­dig gemacht habe. Die Ent­schei­dung des Gerichts kam einem Par­tei­ver­bot gleich. Dem Blok stan­den durch das Urteil kei­ne staat­li­chen Gel­der mehr zu, was umso pro­ble­ma­ti­scher war, als pri­va­te Par­tei­en­fi­nan­zie­rung in Bel­gi­en weit­ge­hend ver­bo­ten ist. Außer­dem droh­te Mit­ar­beit in der Par­tei mit dem Ent­scheid straf­bar zu werden.
Die nüch­ter­ne Reak­ti­on des Par­tei­vor­sit­zen­den Frank Van­he­cke – „auch wenn wir juris­tisch als Kri­mi­nel­le gel­ten, wer­den wir wie­der­kom­men“ – hat sich mitt­ler­wei­le als erfolg­reich erwie­sen. In Erwar­tung des Urteils wur­den von der Par­tei­spit­ze bereits Vor­be­rei­tun­gen getrof­fen, den Blok auf­zu­lö­sen und eine Nach­fol­ge­par­tei zu schaf­fen. Die­se Neu­grün­dung wur­de am 14. Novem­ber letz­ten Jah­res unter der Bezeich­nung „Vlaams Belang“ (Flä­mi­sches Inter­es­se) vollzogen.
Hat die­se Namens­än­de­rung zu einer inhalt­li­chen Neu­ori­en­tie­rung geführt? Hat der Vlaams Belang sich von den poli­ti­schen Auf­fas­sun­gen des Vlaams Blok ent­fernt? Oder ist alles beim alten geblie­ben? Die Neu­grün­dung Vlaams Belang ist ein­deu­tig als Nach­fol­ge­par­tei des Vlaams Blok zu erken­nen. Doch ist unüber­seh­bar, daß Dewin­ter und die Sei­nen Ände­run­gen in den Par­tei­stand­punk­ten durch­ge­führt haben. Sie haben die Chan­ce genutzt, die Par­tei in den Augen vie­ler salon­fä­hi­ger zu machen. Durch den Abschied von Vor­stel­lun­gen, die vom Gerichts­hof als „ras­sis­tisch“ bezeich­net wur­den, will die Füh­rungs­spit­ze der Par­tei künf­ti­gen Pro­zes­sen vor­beu­gen. Außer­dem hät­te ein salon­fä­hi­ger Vlaams Belang mehr Chan­cen auf eine künf­ti­ge Zusam­men­ar­beit mit rech­ten Libe­ra­len und wer­te­kon­ser­va­ti­ven Christ­de­mo­kra­ten aus den ande­ren flä­mi­schen Parteien.
Es ist denn auch kei­nes­wegs über­ra­schend, daß der Vlaams Belang ein ent­schärf­tes Par­tei­pro­gramm ver­ab­schie­det hat, aus dem die For­de­rung, alle nicht­eu­ro­päi­schen Aus­län­der soll­ten abge­scho­ben wer­den, gestri­chen wur­de. Der Abschied von die­sem Plan stellt einen deut­li­chen Bruch mit einst­mals ver­tre­te­nen, als extre­mis­tisch kri­ti­sier­ten Stand­punk­ten dar.

Par­tei­grün­der Dil­len hat­te 1979 als Grund­satz sei­ner Par­tei „die Rück­kehr der über­gro­ßen Mehr­heit der nicht-euro­päi­schen Gast­ar­bei­ter nach ihrem eige­nen Vater­land“ inner­halb eines „ver­tret­ba­ren Ter­mi­nes“ ange­kün­digt. Die­ses Vor­ha­ben wur­de 1992 von Filip Dewin­ter auf dem Kol­lo­qui­um „Immi­gra­ti­on – Der Wes­ten vor der Wahl“ bestä­tigt, indem er einen „70-Punk­te-Plan“ vor­leg­te, in dem die kon­kre­te Umset­zung der Immi­gran­ten­rück­kehr prä­sen­tiert wur­de. Die­ser Plan wur­de, wie die ursprüng­li­chen Grund­sät­ze der Par­tei, für den Hohen Gerichts­hof zum durch­schla­gen­den Beweis für die Berech­ti­gung der Kla­ge des flä­mi­schen „Cen­trum voor Ras­sis­me­be­strij­ding“ (Zen­trum für Ras­sis­mus­be­kämp­fung) und der „Liga voor de men­sen­rech­ten“ (Liga für die Men­schen­rech­te), es hand­le sich beim Vlaams Blok um eine „ras­sis­ti­sche Par­tei“, die sich auf „Eth­nie“ statt auf „Natio­na­li­tät“ berufe.
Daß die Par­tei kei­nes­wegs geneigt ist, sich gänz­lich von ihren Grund­sät­zen zu ver­ab­schie­den, macht der Wahl­spruch deut­lich, mit dem der Vlaams Belang eben­so wie der eins­ti­ge Vlaams Blok sei­ne Wäh­ler mobi­li­siert. Es ist ein Spruch, der nichts an Deut­lich­keit zu wün­schen übrig­läßt: „Aan­pas­sen of terug­ke­ren“ (Anpas­sung oder Rück­kehr). Nach wie vor setzt die Par­tei auf kon­ser­va­ti­ve Wer­te wie Fami­lie, Hei­mat und eige­ne Iden­ti­tät. In den wirt­schaft­li­chen Vor­stel­lun­gen des Vlaams Belang ist eine ver­stärk­te Ori­en­tie­rung am markt­wirt­schaft­li­chen Den­ken zu beob­ach­ten, die sich an ame­ri­ka­ni­schen kon­ser­va­ti­ven think tanks wie dem Inter­col­le­gia­te Stu­dies Insti­tu­te ori­en­tiert. Die Par­tei hat den Anti-Ame­ri­ka­nis­mus der bel­gi­schen Sozia­lis­ten wie­der­holt kri­ti­siert. In der bel­gi­schen Poli­tik macht sich die Par­tei nach wie vor für die Unab­hän­gig­keit des wirt­schaft­lich stär­ke­ren Flan­derns stark. Auch plä­diert sie, wie der Vlaams Blok, für einen direk­ten Emi­gra­ti­ons­stopp. Obwohl der Vlaams Belang kei­ne kon­fes­sio­nel­le Par­tei ist, setzt sie auf christ­li­che Wer­te und spricht sich als ein­zi­ge bel­gi­sche Par­tei gegen Abtrei­bung und Ster­be­hil­fe aus.
Geg­ner des Vlaams Belang wer­fen der Par­tei aber immer noch vor, das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung zu miß­brauchen. Nach wie vor ver­su­chen die fl ämi­sche und wal­lo­ni­sche Lin­ke, auf den „ras­sis­ti­schen Cha­rak­ter“ der Par­tei zu ver­wei­sen. Ihnen reicht es dabei, wenn der Vor­sit­zen­de Frank Van­he­cke über die Unver­ein­bar­keit von west­li­cher Demo­kra­tie und Islam spricht. Soll­te der bel­gi­sche Hohe Gerichts­hof sich von die­ser Anschul­di­gung über­zeu­gen las­sen, stün­de aller­dings eine bun­te Rei­he von pro­mi­nen­ten Poli­ti­kern und Intel­lek­tu­el­len vor Gericht: der syrisch-liba­ne­si­sche Dich­ter Ado­nis, die nie­der­län­di­sche Islam­kri­ti­ke­rin Aya­an Hir­si Ali, der bri­ti­sche Phi­lo­soph Roger Scrut­on, der Har­vard-Poli­to­lo­ge Samu­el Hun­ting­ton, der ehe­ma­li­ge deut­sche Bun­des­kanz­ler Hel­mut Schmidt und der nie­der­län­di­sche Par­la­men­ta­ri­er Geert Wilders.
Die bel­gi­sche eta­blier­te Poli­tik ist ohne Zwei­fel von einem cor­don sani­taire geprägt, von einem cor­don média­tique kann aber nicht die Rede sein: Die fl ämi­sche Pres­se berich­tet über­wie­gend sach­lich über die Par­tei. Und es sind gera­de die aufl agen­stärks­ten Zei­tun­gen wie De Gazet van Ant­wer­pen und Het Laats­te Nieuws, die nicht sel­ten sym­pa­thi­sie­rend über die Vor­schlä­ge der Par­tei schrei­ben. Ledig­lich die aus­ge­spro­chen lin­ke Zei­tung De Mor­gen greift den Vlaams Belang in ihrer Bericht­erstat­tung stark an – dar­an hat auch die Trans­for­ma­ti­on von Vlaams Blok zu Vlaams Belang wenig geändert.
Dar­über hin­aus gibt es Grund für die Annah­me, daß auch Tei­le der bel­gi­schen Poli­tik eine Revi­die­rung des cor­don sani­taire anstre­ben. So hat der Gen­ter Pro­fes­sor und libe­ra­le Poli­ti­ker Bou­de­wi­jn Bouck­aert neu­lich für einen „rech­ten Auf­wind“ im Land plä­diert. Der Vlaams Belang gehö­re nach Bouck­aerts Ansicht in eine bel­gi­sche Mitte-Rechts-Regierung.
Auch das Aus­land scheint einer inhalt­li­chen Zusam­men­ar­beit mit Dewin­ters Par­tei immer offe­ner gegen­über­zu­ste­hen. So kün­dig­te Hil­brand Nawi­jn, ehe­ma­li­ger Inte­gra­ti­ons­mi­nis­ter der Nie­der­lan­de und bis­lang Abge­ord­ne­ter der „Lis­te Pim For­tuyn“, im letz­ten Monat eine ver­stärk­te Zusam­men­ar­beit mit Dewin­ter an. Im Wohn­haus des 2002 ermor­de­ten rech­ten Poli­ti­kers Pim For­tuyn grün­de­ten bei­de Poli­ti­ker eine Stif­tung, die in Euro­pa für die Rech­te der Nie­der­län­disch­spra­chi­gen ein­tre­ten und sich mit den The­men natio­na­le Iden­ti­tät, Aus­län­der­po­li­tik, Kul­tur und wirt­schaft­li­cher Zusam­men­ar­beit befas­sen soll. Dewin­ter hat eine ver­stärk­te Zusam­men­ar­beit ver­schie­de­ner rechts­ge­rich­te­ter Par­tei­en wie­der­holt befür­wor­tet und die Deut­schen aus­drück­lich dazu eingeladen.

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