Klaus Taschwer, Benedikt Föger: Konrad ­Lorenz. Biografie

-- von Eva Rex

Konrad Lorenz (1903 – 1989) war einer der populärsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Schon zu Lebzeiten wurde er zur Symbolgestalt einer neuartigen Disziplin, die er selbst begründet hatte: der vergleichenden Verhaltensforschung.

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Nicht nur der Kör­per­bau der Tie­re, son­dern auch ihre Ver­hal­tens­wei­sen sei­en erb­lich, womit Lorenz die klas­si­sche Evo­lu­ti­ons­leh­re um eine wesent­li­che Dimen­si­on erwei­ter­te. Sein Ansatz, von der »Gans aufs Gan­ze«, also auch auf den Men­schen zu schlie­ßen, lös­te Wider­spruch aus. Er war ein moder­ner Franz von Assi­si, einer, der mit den Tie­ren sprach und vor der Zer­stö­rung der Natur warn­te – ein Kämp­fer und Pre­di­ger gegen die Wer­te­blind­heit der moder­nen Zivilisation.

Ohne ihn wäre die Umwelt­schutz­be­we­gung in Öster­reich und Deutsch­land nicht denk­bar. Sein Name pola­ri­siert. Man­che hal­ten ihn als For­scher für über­holt und über­dies für einen Par­tei­gän­ger der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Das hier vor­ge­stell­te Buch, das sich mit der Lebens- und Wir­kungs­ge­schich­te des gro­ßen Bio­lo­gen befaßt, hat selbst eine Vorgeschichte:

2003 ver­öf­fent­lich­ten die Wie­ner Wis­sen­schafts­jour­na­lis­ten Klaus Taschwer und Bene­dikt Föger eine Lorenz-Gesamt­schau. Es war die ers­te gro­ße Bio­gra­phie über den Vater der Grau­gän­se, gestützt auf damals neue Erkennt­nis­se und bis dahin unver­öf­fent­lich­tes Mate­ri­al. Bereits zwei Jah­re zuvor hat­ten sie sich mit ihrer Publi­ka­ti­on Die ande­re Sei­te des Spie­gels (2001) als Lorenz-Exper­ten erwie­sen, einer Stu­die, die das Ver­hal­ten des Ver­hal­tens­bio­lo­gen wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus unter­such­te. Dar­in brach­ten sie Bele­ge für sei­ne Mit­ar­beit beim Ras­sen­po­li­ti­schen Amt der NSDAP und auch den Beweis für sei­ne NSDAP-Mit­glied­schaft, die Lorenz bis zu sei­nem Tod geleug­net hatte.

Nun hat das Autoren-Duo zum 120. Geburts­tag des gro­ßen Wis­sen­schaft­lers und zum 50. Jah­res­tag der Nobel­preis­ver­lei­hung eine aktua­li­sier­te Neu­auf­la­ge der Bio­gra­phie vor­ge­legt. Neue archi­va­ri­sche Fun­de gibt es kei­ne, auch kei­ne Ent­hül­lun­gen, und doch habe man, so Taschwer, eine etwas modi­fi­zier­te Sicht auf die Din­ge gewon­nen. Es sei der Ein­druck ent­stan­den, daß Öster­reich in den letz­ten zwei Jahr­zehn­ten sei­ne »lang­jäh­ri­gen Ver­säum­nis­se im Umgang mit der NS-Ver­gan­gen­heit« an der Pro­mi­nenz von Kon­rad Lorenz »über­kom­pen­siert« habe. Ein Bei­spiel dafür sei die Aberken­nung der Ehren­dok­tor­wür­de in Salz­burg 2013 gewe­sen. Dabei sei es wün­schens­wert, mei­nen die Autoren, die Wider­sprüch­lich­kei­ten einer so fas­zi­nie­ren­den Per­sön­lich­keit auszuhalten.

Was put­zig ist, denn gera­de sie haben ja mit ihren Büchern dazu bei­getra­gen, daß die ohne­hin kri­ti­sche Ein­schät­zung sei­ner Per­son noch uner­bitt­li­cher wur­de. In ihrem zwei­ten Anlauf ver­spre­chen Taschwer und Föger, eine »unvor­ein­ge­nom­me­ne Sicht« zu wah­ren. Gelun­gen ist ihnen vor allem eines: das facet­ten­rei­che Leben eines For­schers, der wie kein ande­rer »sein eige­nes Fach ver­kör­per­te«, fes­selnd nach­zu­zeich­nen. Eine para­die­si­sche Kind­heit in Luxus, ein welt­weit gefei­er­ter Vater. Eine roman­ti­sche Lie­be, die alle Höhen und Tie­fen über­steht. Schu­le, Stu­di­um, dunk­le Jah­re, die gar nicht als so dun­kel emp­fun­den wer­den. Rus­si­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Danach die glän­zen­de Kar­rie­re. Wohl­stand, Reich­tum, Ruhm. Zum Schluß die höchs­te aller wis­sen­schaft­li­chen Ehrun­gen. Die letz­ten Jah­re sei­nes beweg­ten Lebens ver­bringt Lorenz da, wo es sei­nen Anfang nahm: in jenem Mär­chen­schlöß­chen in Alten­berg, das in sei­nem eige­nen Geburts­jahr fer­tig­ge­stellt wor­den war.

Den Bio­gra­phen gelingt eine über­aus fai­re und über­zeu­gen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der nicht ein­fa­chen Mate­rie, ganz ohne Pole­mik, nie­mals bös­ar­tig oder auch nur annä­hernd feind­se­lig. Trotz­dem wird sich eif­rig abge­grenzt: Taschwer und Föger bemü­hen sich sehr, ihr Idol gegen die Buhl­schaft von sei­ten der Fal­schen zu ver­tei­di­gen. So ist es ihnen wich­tig, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß das Fach Etho­lo­gie von Kri­ti­kern immer wie­der dem rech­ten oder rechts­extre­men Spek­trum zuge­ord­net wer­de. Dies füh­ren sie dar­auf zurück, daß spä­tes­tens mit den Acht Tod­sün­den und bis in die Gegen­wart hin­ein die extre­me Rech­te ver­su­che, Lorenz und sein Werk für sich zu vereinnahmen.

Detail­liert wird jene Geschich­te geschil­dert, wie es Alain de Benoist in den 1970er Jah­ren gelang, Lorenz für das Unter­stüt­zer­ko­mi­tee sei­ner Zeit­schrift Nou­vel­le Éco­le zu gewin­nen. Und wie die­ser, Jah­re spä­ter und erst nach der Inter­ven­ti­on eines »Auf­klä­rungs­ar­ti­kels« des Spie­gels, sei­nen Irr­tum ein­sah und sein Mit­wir­ken im Komi­tee ein­stell­te. Damit ver­su­chen die Autoren nun ihrer­seits, den gro­ßen Meis­ter für sich zu bean­spru­chen und jedem Unbe­fug­ten den Zugriff auf ihn strei­tig zu machen.

Lesens­wert ist die­ser bio­gra­phi­sche Bil­der­bo­gen allemal.

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Klaus Taschwer, Bene­dikt Föger: Kon­rad ­Lorenz. Bio­gra­fie, Wien: Czern­in 2023. 480 S., 32 €

 

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