Andreas Mäckler (Hrsg.): Schwarzbuch Wikipedia 2

-- von Claus-M. Wolfschlag

Wikipedia ist so etwas wie ein Wissensmonopolist im Internet. Allein die deutschsprachige Wikipedia verfügt derzeit über rund 2,75 Millionen Artikel.

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Jeden Monat wird das Por­tal von etwa 100 Mil­lio­nen Gerä­ten knapp eine Mil­li­ar­de Mal auf­ge­ru­fen. Im Goog­le-Ran­king stets ganz oben pla­ziert, wird der Sei­te von vie­len Nut­zern unkri­tisch lexi­ka­li­sche Qua­li­tät zuge­bil­ligt. Dabei gehö­ren belang­lo­ser Klatsch, Falsch­dar­stel­lun­gen und Ruf­mord fest zu die­ser 2001 gegrün­de­ten »Online-Enzy­klo­pä­die«.

Da die kon­zep­tio­nel­len Schwä­chen der angeb­li­chen »Schwarm­in­tel­li­genz« im Netz eigent­lich offen­kun­dig sind, zudem die Schar der von Mob­bing und Aus­gren­zung bei Wiki­pe­dia betrof­fe­nen Per­so­nen im Lau­fe der Jah­re kei­nes­falls klei­ner gewor­den ist, hat sich der Publi­zist Andre­as Mäck­ler der kri­ti­schen Auf­ar­bei­tung die­ses Inter­net-Phä­no­mens ange­nom­men. 2020 ver­öf­fent­lich­te er dafür den Sam­mel­band Schwarz­buch Wiki­pe­dia. Die­sem ist nun ein zwei­ter Teil gefolgt, der sich stär­ker den wirt­schaft­li­chen Hin­ter­grün­den widmet.

Man muß sich vor Augen hal­ten, daß die deutsch­spra­chi­ge Wiki­pe­dia weit­ge­hend von rund 800 maß­geb­li­chen Autoren mit über 100 Edits im Monat inhalt­lich gestal­tet wird. Über die­sen steht eine stren­ge Hier­ar­chie aus 30 Funk­tio­nä­ren und 150 Admi­nis­tra­to­ren, die von rund 300 stimm­be­rech­tig­ten Wiki­pe­dia­nern gewählt wer­den. Etwa 200 Per­so­nen haben also die Macht zur Kon­trol­le der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia. Wel­che wis­sen­schaft­li­che Befä­hi­gung die­se oft anonym auf­tre­ten­den Leu­te für ihr Schrei­ben zu unter­schied­lichs­ten The­men haben, fragt sich der Nor­mal­nut­zer selten.

Kri­ti­ker wie die Jour­na­lis­tin Helen Buy­ni­ski erken­nen hin­ge­gen scharf­sin­nig, daß Wiki­pe­dia längst von Lob­by­grup­pen und poli­ti­schen Agi­ta­to­ren in Beschlag genom­men wur­de, um »Repu­ta­ti­ons­kä­fi­ge« für Dis­si­den­ten jeder Cou­leur zu bau­en. Hin­zu kom­men zahl­rei­che feh­ler­haf­te Behaup­tun­gen in der Wiki­pe­dia, von denen der ehe­ma­li­ge Wiki­pe­dia-Autor Vol­ker ­Wen­de­ler eini­ge Fäl­le zitiert. So war dort 16 Jah­re lang über den Hum­boldt-Gefähr­ten Mar­kus Höhen­rath zu lesen – der nie exis­tier­te. Fünf Jah­re konn­te man bei­spiels­wei­se in der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia von einer frei erfun­de­nen mili­tä­ri­schen Ein­heit NS-Deutsch­lands mit dem Namen »Reichs­korps der Posau­ne« lesen. Trotz sol­cher Schwä­chen wer­den Wiki­pe­dia-Arti­kel teils als Beweis­mit­tel bei deut­schen Gerichts­ver­fah­ren herangezogen.

Ange­sichts der aggres­si­ven »Edit-Wars« unter dubio­sen Viel­schrei­bern wun­dert es nicht, daß vie­le gut­wil­li­ge Autoren der »Enzy­klo­pä­die« den ­Rücken gekehrt haben, Wiki­pe­dia also dies­be­züg­lich unter einem mas­si­ven Schwund lei­det. In den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren hat sich die Zahl der akti­ven Schrei­ber in der deutsch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia auf knapp 6000 hal­biert. Vie­le Sei­ten erfah­ren daher kei­ne Aktualisierungen.

Wiki­pe­dia ist auch ein gro­ßes Geschäft. Die als gemein­nüt­zig auf­tre­ten­de Wiki­me­dia Foun­da­ti­on nahm 2009 8,7 Mil­lio­nen Dol­lar an Spen­den ein. Im Finanz­jahr 2021/22 waren es bereits 165 Mil­lio­nen Dol­lar. Dabei kommt es auch zu Groß­spen­den von Kon­zern­rie­sen wie Ama­zon, Goog­le und Face­book. Heu­te beträgt das Ver­mö­gen der Stif­tung über 300 Mil­lio­nen US-Dollar.

Inter­es­sant sind die grund­sätz­li­chen Über­le­gun­gen des Publi­zis­ten Her­mann Ploppa, der den Grund­ge­dan­ken von Wiki­pe­dia in Ver­bin­dung zu Fried­rich von Hay­eks Theo­rie des frei­en Mark­tes setzt. Denn so wie der auf Aus­hand­lung beru­hen­de »freie Markt« stets das Pro­blem der Kar­tell­bil­dung zu bewäl­ti­gen hat, so führt auch die angeb­lich freie »Wis­sens­aus­hand­lung« zur Her­aus­bil­dung von qua­li­ta­tiv frag­wür­di­gen Hier­ar­chien aus Alpha­tie­ren, die über »rich­tig« und »falsch« entscheiden.

Längst schei­nen dabei auch Mecha­nis­men der Kor­rup­ti­on zu grei­fen. So sei es zum Bei­spiel in Groß­bri­tan­ni­en bereits zu Ange­bo­ten von Wiki­pe­dia-Autoren an Kon­zer­ne gekom­men, gegen Geld wohl­fei­le Bei­trä­ge zu ver­fas­sen. Es wur­de nach­ge­wie­sen, daß Geheim­dienst­mit­ar­bei­ter Bei­trä­ge edi­tie­ren. Zudem ist anzu­neh­men, daß bezahl­te Mani­pu­la­teu­re längst ins Inne­re der Hier­ar­chie ein­ge­drun­gen sind. Ver­bin­dun­gen zur Poli­tik sind offen­kun­dig. Der ehe­ma­li­ge Geschäfts­füh­rer der Unter­or­ga­ni­sa­ti­on Wiki­me­dia Deutsch­land war davor bei der Ber­tels­mann-Stif­tung beschäf­tigt und wech­sel­te danach als Staats­se­kre­tär zur Ber­li­ner Lan­des­re­gie­rung. Bezeich­nend auch, daß Wiki­pe­dia-Grün­der Jim­my Wales 2007 zu einem »Young Glo­bal Lea­der« des World Eco­no­mic Forum gekürt wurde.

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Andre­as Mäck­ler (Hrsg.): Schwarz­buch Wiki­pe­dia 2. Das ver­lo­ge­ne Sys­tem: Pro­pa­gan­da, Kor­rup­ti­on, Aus­beu­tung, Van­da­lis­mus und Rechts­ver­let­zun­gen in der Online-Enzy­klo­pä­die, Höhr-Grenz­hau­sen: Ver­lag zeit­geist 2023. 264 S., 19,90 €

 

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