Meike G. Werner: Gruppenbild mit Max Weber

Es zählt nicht nur zu den bekanntesten Fotos, die es von Max Weber, sondern von deutschen Intellektuellen überhaupt gibt, zumindest wenn man die gestellten Bilder außen vor läßt.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Es zeigt Max Weber ste­hend dozie­rend in einer Dis­kus­si­on inmit­ten jun­ger Leu­te, von denen einer der spä­te­re Räte­re­pu­bli­ka­ner Max Tol­ler ist. Auf­ge­nom­men wur­de das Bild im Sep­tem­ber 1917 auf Burg Lau­en­stein. Damals fand die zwei­te der ins­ge­samt drei Lau­en­stei­ner Kul­tur­ta­gun­gen statt, an der noch zahl­rei­che ande­re Intel­lek­tu­el­le, Künst­ler und Päd­ago­gen teil­nah­men, aber Weber war dort zwei­fel­los die her­aus­ra­gen­de Persönlichkeit.

Auch wenn die­sen Tagun­gen in den letz­ten Jahr­zehn­ten eini­ge Publi­ka­tio­nen gewid­met wur­den, unter­nimmt Mei­ke G. Wer­ner, eine in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten leh­ren­de Literatur­wissenschaftlerin, einen wei­te­ren Ver­such, die Bri­sanz die­ser Tagun­gen her­aus­zu­ar­bei­ten. Sie stützt sich dabei auf eine her­aus­ra­gen­de Quel­le, näm­lich zwei Foto­al­ben, in denen der Ini­tiator der Tagun­gen, der Ver­le­ger Eugen Diede­richs, das Gan­ze foto­gra­fisch doku­men­tie­ren ließ.

Wer­ner nimmt sich die ein­zel­nen Bil­der, es sind 53 Stück, vor und ver­sucht mit ihnen die Kon­stel­la­tio­nen der Gesprä­che und Vor­trä­ge zu ent­schlüs­seln, von denen kei­ne Manu­skrip­te, nur ein paar pro­to­kol­la­ri­sche Mit­schrif­ten über­lie­fert sind. Da die Tagun­gen als infor­mel­le, ver­trau­li­che Run­den mit etwa 50 Teil­neh­mern ange­legt waren, drang damals nicht all­zu­viel davon an die Öffentlichkeit.

Die Idee stamm­te von Eugen Diede­richs, der einer der wich­tigs­ten Mul­ti­pli­ka­to­ren der Lebens­re­form­be­we­gung war und der in die­sem Sin­ne eine Debat­te über die Neu­ord­nung Deutsch­lands nach dem Ers­ten Welt­krieg anre­gen woll­te. Ursprüng­lich sah er Jena als Aus­tra­gungs­ort vor, ent­schloß sich auf­grund ver­schie­dens­ter Pro­ble­me für eine Vari­an­te ganz im Abge­schie­de­nen, auf der frän­ki­schen Burg Lau­en­stein, die einem Bekann­ten gehör­te. Dort soll­te über alle beruf­li­chen Gren­zen hin­weg debat­tiert wer­den. Ins­ge­samt fan­den drei Tagun­gen statt, Pfings­ten und Sep­tem­ber 1917 sowie Pfings­ten 1918; eine wei­te­re Tagung gab es auf­grund der sich zuspit­zen­den Situa­ti­on im Reich nicht. Schon Pfings­ten 1918 waren die Rei­hen stark aus­ge­dünnt, unter ande­rem fehl­te Max Weber, der Ver­pflich­tun­gen in Wien wahr­neh­men wollte.

Die Tagun­gen fan­den vor dem Hin­ter­grund des anhal­ten­den und sich ver­schär­fen­den Krie­ges, der Debat­ten um eine Demo­kra­ti­sie­rung des preu­ßi­schen Wahl­rechts und der ange­spann­ten Ver­sor­gungs­la­ge statt. Den Tagun­gen waren Ober­the­men, »Staats­idee im Volks­staat«, »Füh­rer­pro­blem in Staat und Kul­tur« und die »Frau­en­fra­ge«, vor­ge­ge­ben, die dann aller­dings oft­mals auch ver­las­sen und durch Tanz und Rezi­ta­tio­nen ergänzt wur­den, was Pro­fes­so­ren wie Weber und Wer­ner Som­bart zu kri­ti­schen bis despek­tier­li­chen Bemer­kun­gen Anlaß gab.

Aber nicht nur in der Form war man sich nicht einig, son­dern auch in welt­an­schau­li­cher Hin­sicht zeich­ne­te sich ab, daß der gro­ße Kon­sens von 1914 zer­brach und auch nicht wie­der erneu­ert wer­den konn­te. Den­noch ist es erstaun­lich, wie offen dort trotz kriegs­be­ding­ter Zen­sur debat­tiert wurde.

Das Buch ist eine unter­halt­sa­me Hin­füh­rung zu den Lau­en­stei­ner Tagun­gen, die aller­dings eine star­ke Nei­gung zum Name­drop­ping hat, was natür­lich auch der star­ken Bezug­nah­me auf die Fotos geschul­det ist. Dadurch gera­ten die ver­han­del­ten Inhal­te ins Hin­ter­tref­fen, auch wenn es der Autorin gelingt, die ein­zel­nen Teil­neh­mer auf knap­pe Art zu cha­rak­te­ri­sie­ren, so daß der Leser einen Über­blick über die ver­schie­de­nen Per­so­nen und ihren Stand­ort bekommt.

Als schö­ner Neben­ef­fekt wird an heu­te weit­ge­hend ver­ges­se­ne Den­ker erin­nert, so an Max Mauren­brecher, der sich als natio­nal gesinn­ter Poli­ti­ker und eine der Haupt­fi­gu­ren hin­ter den Tagun­gen hef­ti­ge Wort­ge­fech­te mit Weber lieferte.

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Mei­ke G. Wer­ner: Grup­pen­bild mit Max ­Weber. Gesprä­che über die Zukunft Deutsch­lands nach dem Krieg, Göt­tin­gen: Wall­stein 2023. 244 S., 30 €

 

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Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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