Der Verzicht steht, da auf alle diese Dinge nicht freiwillig verzichtet wurde, daher in einem schlechten Ruf, von dem ihn der bekannte Philosoph Otfried Höffe (geb. 1943) mit seiner kleinen Philosophie des Verzichts befreien möchte. Denn Verzicht ist nur dann etwas, aus dem etwas Positives erfolgt, wenn er freiwillig, aufgrund von Einsicht oder Vertrauen, erfolgt. Der freiwillige und der erzwungene Verzicht, das ist der Unterschied zwischen Eintopfsonntag und Lebensmittelmarke. Beim ersten hatte man die Wahl, beim zweiten nicht.
An sich ist gegen dieses Vorhaben, den Verzicht zu rehabilitieren, nichts einzuwenden, mit dem ja auch immer eine Kritik am Hedonismus und am Lustprinzip verbunden ist. Das ist auch bei Höffe der Fall, der das Thema mit leichter Hand und mit vielen erhellenden historischen und systematischen Bezügen überzeugend zu entfalten weiß.
Drei seiner fünf Verzichtsmuster sind allgemeinmenschlicher Natur und betreffen die Grundlagen des Menschseins. Da ist der Verzicht in der Sphäre des Rechts, zum Beispiel auf Rache, der eine Gesellschaft erst ermöglicht, dann der Hinweis auf die zu erwerbenden Kardinaltugenden, die immer irgendeinen Verzicht nahelegen, und schließlich das Muster der Steigerung des Menschseins im selbstauferlegten Verzichten.
Die beiden anderen Verzichtsmuster sind aktueller Natur: »Aktuelle Krisen bewältigen« und »Den Planeten retten«, und da wird es problematisch (nebenbei nicht nur, weil er die Corona-Impfstoffe als hoch wirksam bezeichnet). Denn Höffe, der die konstitutionelle Demokratie für die beste Staatsverfassung hält, kann nicht schlüssig erklären, wie er den Souverän dazu bringen will, den für die Weltrettung (»Klimawandel«!) notwendigen Verzicht zu üben. Er lehnt eine Ökodiktatur ebenso ab wie die Gewaltanwendung durch Klimaterroristen, besteht aber darauf, daß die Welt gerettet werden muß.
Wie aber soll man die Bürger hierzulande dazu kriegen, auf ihren gewohnten Lebensstandard zu verzichten und ihr Land »klimaneutral« zu machen, wenn Deutschlands Ausstoß an CO2 im Weltmaßstab zu vernachlässigen ist? Man muß sie umerziehen. Das Buch ist ein subtiler Versuch in diese Richtung.
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Otfried Höffe: Die hohe Kunst des Verzichts. Kleine Philosophie der Selbstbeschränkung, München: C. H. Beck 2023. 192 S., 20 €
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