Panajotis Kondylis: In konkreter Lage

Der Grieche Kondylis (1943 – 1998) ist – wie Rolf Peter Sieferle – zeit seines Lebens auch unter rechten Lesern ein Geheimtip geblieben.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Im Teil drei des Staats­po­li­ti­schen Hand­buchs, dem Band über Vor­den­ker (Schnell­ro­da 2012), wird sei­ne Denk­hal­tung als eine bezeich­net, die sich »ahis­to­ri­scher nor­ma­ti­ver Urtei­le« ent­hal­te, »um die Tugend des kal­ten, illu­si­ons­lo­sen Bli­ckes zu schu­len«. Die­ser Blick kön­ne, so ­Kon­dy­lis, »die Poli­tik nicht als mäßi­gen­des Ele­ment« auf­fas­sen, son­dern als Feld »eines per­ma­nen­ten Kamp­fes, wor­aus von Zeit zu Zeit Krie­ge ent­ste­hen müssen«.

Die­se Auf­fas­sung prägt auch die drei nun in einem Bänd­chen ver­sam­mel­ten, aus­führ­li­chen Gesprä­che. Sie sind zwi­schen 1994 und 1997 geführt wor­den und haben den Denk­weg Kon­dy­lis’ und vor allem sei­nen Aus­blick auf die pla­ne­ta­ri­sche Poli­tik des kom­men­den 21. Jahr­hun­derts zum The­ma. Die Gesprächs­part­ner wir­ken als Stich­wort­ge­ber, die Ant­wor­ten deh­nen sich über Sei­ten, ein Gespräch ent­steht nicht recht. Aber das ist ein unwich­ti­ger, for­ma­ler Kri­tik­punkt. Denn ergie­big sind die Aus­füh­run­gen auf jeden Fall.

Ein Bei­spiel: Kon­dy­lis wischt die Mit­te der 1990er Jah­re domi­nie­ren­de Erzäh­lun­gen über ein Ende der Geschich­te als »Lächer­lich­kei­ten« bei­sei­te und ver­weist auf die Zunah­me von Span­nun­gen und Inter­es­sens­ge­gen­sät­zen, die allei­ne schon aus dem glo­ba­len Vor­bild west­li­cher Stan­dards rühre.

Denn mit der Behaup­tung von der welt­wei­ten Durch­setz­bar­keit die­ses Vor­bilds sei ein Ver­spre­chen ver­bun­den, das unmög­lich zu erfül­len sei und des­sen Ein­lö­sung vor allem nicht im Sin­ne des »ein­zi­gen Hege­mons« sein kön­ne: »Es sind daher gewalt­sa­me Ant­ago­nis­men und Kon­flik­te zu erwar­ten, und dabei wird sich viel­leicht nicht ein­mal der Krieg, son­dern viel­mehr der per­ma­nen­te Zustand unge­zü­gel­ter Ano­mie als die schlimms­te Gefahr erwei­sen.« Denn eines konn­te Kon­dy­lis trotz aller pole­mi­schen Anstren­gung nicht ent­de­cken: eine welt­wei­te »Gemein­sam­keit der Inter­es­sen«, von der her »die Ein­tracht unter den Men­schen mög­li­cher als in der Ver­gan­gen­heit erscheint«.

Kon­dy­lis aus­füh­ren zu las­sen bedeu­tet: Die Schwät­zer sind gera­de nicht dran.

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Pana­jo­tis Kon­dy­lis: In kon­kre­ter Lage. ­Gesprä­che, Ber­lin: Matthes & Seitz 2023. 158 S., 15 €

 

Die­ses Buch kön­nen Sie auf antaios.de bestellen.

 

 

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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