Correctiv hatte seine Stunde und mußte zurückrudern. Björn Höckes Immunität wurde zum achten Mal aufgehoben, er wird sich mitten im Wahlkampf in drei Gerichtsprozessen dafür rechtfertigen müssen, daß er mit Worten spielte und Steigerungsformen anwandte. Man will ihn hinter Panzerglas präsentieren – zu seinem Schutz, zum Schutz derer, die er anspringen könnte? Bilder jedenfalls wie bei italienischen Mafiaprozessen …
Zuletzt enthüllte der Bayerische Rundfunk, die AfD im Bundestag beschäftige hundert Rechtsextreme. Daß die Definition dessen, was rechtsextrem sei, im Zusammenspiel von Medien, Behörden und linken Forschungseinrichtungen festgelegt wurde und trotz aller Bemühungen verwaschen bleibt, nimmt dem Zweck der Berichterstattung nicht die Spitze. Was auf vielen Kanälen laut behauptet werden kann, ist in der Welt.
Alexander Kissler beschrieb in der Neuen Zürcher Zeitung vom 12. März, wie sich Bundeskanzler Scholz im Videoformat »Kanzler kompakt« mit arabischen und türkischen Untertiteln an die im Ramadan versinkenden Migranten, eher »Mitbürger«, wandte und auch bei dieser Gelegenheit nicht auf Falschaussagen verzichten konnte: Warum, so fragt Kissler, sei es notwendig gewesen, erneut
von angeblichen ›Deportationsplänen‹ zu sprechen und so Verunsicherung zu schüren, Ängste zu wecken und die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen.
Und weiter:
Für die Existenz dieser Pläne gibt es nämlich keinen Beweis. Es handelt sich um die Interpretation eines Artikels der Rechercheplattform Correctiv, nicht um eine belegte Tatsache.
Die Antwort gibt sich Kissler mit seiner Aufzählung selbst: Es geht denjenigen, die mit Lügen und Unterstellungen, verbalen Aufladungen und historischen Parallelen operieren, um Verunsicherung, Angstpolitik und Spaltung, um Feindmarkierung und Vorbereitung der Beete, auf denen die Saat aufgehen soll.
Sie täuschen unabhängigen Journalismus vor, simulieren demokratische Verantwortung und verhöhnen diejenigen, die sich auf die Straße treiben lassen, weil sie solche Sorgen ernst nehmen: daß nämlich die AfD drauf und dran sei, auf legalem Wege die Macht im Staate zu erringen, um, wie dazumal, sich zu ermächtigen und unterdrückend und deportierend ein neues Deutschland einzuläuten.
Kissler gehört zu denjenigen, die das Zusammenspiel zwischen Regierungsvertretern, Inlandsgeheimdienst, Staatsmedien und zivilgesellschaftlichem Netzwerk beschreiben und dabei sehr zurückhaltend, aber immerhin doch auf den Elefanten im Raum hinweisen:
Was wäre, wenn die Aushöhlung der Demokratie längst in vollem Gange wäre, betrieben von denjenigen, die vor der Opposition als den »Feinden der Demokratie« warnen und so etwas wie eine akklamatorische Demokratie anstreben, also eine, die auf situativer Überrumpelung, spontaner Zustimmung, Propagandakunst und Notstand beruht, nicht mehr auf freien und fairen Wahlen?
Für einen Publizisten wie Kissler mögen solche Andeutungen, solche Denkmöglichkeiten die äußerste Grenze dessen sein, was er sich zumuten darf. Man kann das verstehen: Dort, von wo aus Kissler schreibt, muß weiterhin die Überzeugung vorherrschen, daß die deutsche Demokratie noch funktioniere und daß ein Staatsstreich von oben nicht stattfinde.
Wir sehen das anders – nicht naturgemäß, sondern aufgrund von Erfahrung. Denn natürlich waren wir allesamt staatstreu und prädestiniert für den Dienst am Staate und im Staate (und wären es wieder, bestünde Hoffnung). Daß wir es nicht mehr sind, ist das Ergebnis eines kollektiven Lern- und Abnabelungsprozesses, den wir uns nicht ausmalen konnten und den wir so ganz noch immer nicht vollziehen können.
Denn noch immer gehen selbst wir hier und dort von einem Irrtum aus, von einem Mißverständnis, das sich durch Argumente auflösen lassen könnte. Das ist ein Weg nach vorn zurück: erst einmal Grund unter die Füße bekommen.
Das ist aber auch die rechte Geduld, die Eselsgeduld, und damit eines der Kennzeichen rechter Politik und rechten Denkens: Der Mensch, aus krummem Holze geschnitzt, bedarf der Regeln und Institutionen, des Rahmens und der Hegung, und über Jahrhunderte errichtete Leitplanken sind zwar von heute auf morgen umgelegt, aber nicht wieder aufgestellt. Aus diesem Grund können wir uns wohl nie an die Leichtfertigkeit gewöhnen, mit der die Feinde unseres Volkes die Staatsmittel gegen die Verfassung einsetzen und auf diese Weise beides ruinieren.
Dieter Rose
Das ist keine Frohe Osteebotschaft.
Das wird wohl ein DDR-Zeitraum, der überlebt werden muss. Für viele wird es in ihrem Leben keine Änderung geben, es sei denn, das...(diesen Appell vermeide ich lieber.)