Ich konnte es mir schon denken. Wenn es in den Sozialen Medien eine Debatte über „Breastfeeding“ – also: das Stillen eines Säuglings – gibt, dürfte es wohl um Bilder von schwulen Vätern gehen, die (wie erschöpft nach einer schweren Geburt unter einer Decke liegend, selig lächelnd) nun das wie-auch-immer entstandene arme Kleine „an die Brust legen“.
Mir sind schon x solcher Photos begegnet. Jaja, das ist bekannt: Durch Hormongaben und bestimmte Stimulation kann auch solchen Menschen, die nie ein Kind geboren haben, ein dürres Rinnsal aus der Brust entspringen. Dieses Theater haben Adoptivmütter bereits vor Jahrzehnten vorgeführt (bzw. mangels Insta etc. damals nur beschrieben), später kamen die Väter dran, die auf diese Art versuchten, den „Ernährer“ zu spielen. (Wohl meist, weil sie sich für die herkömmliche Ernährerrolle außerstande sahen.)
Und nun halt die Queeren – um (wie armselig auch immer; das Bild zählt!) das Diktum zu konterkarieren, daß es kein natürliches Fortpflanzungsleben im Unnatürlichen gäbe.
Aber nein. Es ging meinen Kindern um etwas ganz anders! Nämlich um Tittenschau unter Stillvorwand. Und was das bedeutet! Nämlich: Instagram „zensiert“ nackte Körper. Da man aber (anders als Facebook früher – man erinnere sich an schwarze Balken an Abbildungen von antiken Statuen) dort weder prüde noch pietistisch sein will, hat man Ausnahmen gestattet.
Darstellungen aus der Kunstgeschichte sind ebenso vom Abbildungsverbot ausgenommen wie das mütterliche Stillen.
Vergessen wir die Uralten, die Antike– das Stillen eines Säuglings allerdings ist ein Kampfplatz erster Güte! Vom Stillen generell bis zum „öffentlichen“ Stillen!
Ich selbst bin in den mittleren Siebziger Jahren geboren worden, in denen die Stillerei weithin als rückständig galt. Darin lag eine eigentümliche Dialektik, die bis heute wirksam ist: Je höher der soziale Status, desto wahrscheinlicher gibt die Mutter dem Kind die Brust!
Ich wurde nicht gestillt, weil man meiner Mutter abriet: im Krankenhaus, die Hebamme, die Medien etc. Das “Fläschchen” war damals Goldstandard für die Normalbürgerin: Kauf so ein Pulverpäckchen, da weißt du, was drin ist!
Das hat sich längst geändert. Der Kampf um die Potenz der Brust war in den vergangenen Jahrzehnten vor allem ein feministischer und ein anti-globalistischer avant la lettre; nämlich gegen die Kunstmilchindustrie.
Als Jungmutter hatte ich damals die Bücher der Feministin Barbara Sichtermann (u.a. Leben mit einem Neugeborenen) verschlungen, obgleich die damals schon ordentlich bejahrt waren und ich wußte, daß Sichtermann aus linker Warte schrieb und ich rechts war und keine Feministin. Sichtermann hatte sich gründlich zur „Erotik des Stillens“ geäußert – eine stille, geheime, höchstprivate Erotik. Stillen macht Lust, schrieb sie, und meinte die Lust der Frau.
Ich habe weit über zehn Jahre meines Lebens gestillt, stets mit Hingabe und Ehrgeiz, oft unter Schmerzen und wenig effektiv. Ich war eine schlechte Milchgeberin, meine Kinder waren nie pappsatt, aber ich wollte es partout. Ich war angefüttert von diesen üblichen Hebammen-Thesen: daß jede Frau es kann, wenn sie nur will!
Ich habe auch immer „öffentlich“ gestillt. Das hatte nichts mit Zurschaustellung zu tun und wenig mit „ich mach es halt trotzdem“. Es war für mich einfach total natürlich. Ich stillte an der Uni, im Konzert, im Kino – im Wirt selbst liegt ja der Effekt: trotz Kleinkind nicht stören, denn es ist ge-stillt. Und bitte: Wo kämen wir hin, wenn eine Frau mit vier, fünf Kindern nur durch ihren Stilljob über mindestens ein Jahrzehnt von der Öffentlichkeit ausgeschlossen wäre?
Dieser Vorgang ging nicht mit einer großangelegten Entblößung einher! Gelegentlich aber wurden dennoch Zweifel gesät. Nicht nur von „unbeteiligten Dritten“ (=kinderlosen Männern „mit gewissen Problemen“ und Belehrungsbedürfnis). Auch Frauen haben mir gelegentlich einen Mangel an Dezenz in dieser „hochintimen Angelegenheit“ vorgeworfen: „Du machst das einfach so – aber scherst dich nicht drum, was du auslöst!“ Nun gut, so bin ich halt.
Beim ersten, zweiten, ja, selbst dritten Kind gärten solche Zurechtweisungen noch in mir. Ich mußte viel nachdenken. Darf ich das? Wenn ich „instinktiv“ agiere, ist das dann automatisch richtig? Stoße ich andere vor den Kopf? Ist es gar „unzüchtig“, meinem Kind die Brust zu geben, wenn Fremde im Raum anwesend sind?
Diese Fragen haben sich heute – gottlob!- längst erledigt. Stillen, auch öffentliches, ist mehr oder weniger „in“. Etliche Frauen benötigen für ihr Stillgeschäft aber einen strikt geschützten Raum. Nicht aus Heiligtuerei heraus, sondern weil sie ein anderes Schamgefühl haben. Das ist völlig in Ordnung und überhaupt nicht begrübelnswert.
Heute stillen in Deutschland 68% der Mütter in den ersten zwei Lebensmonaten ihr Kind ausschließlich, nach vier Monaten tun es noch 40%. Je prekärer die Lebensumstände, desto höher der Drang zur Flasche.
Die Stillquote ist national höchst unterschiedlich: Sowohl in Skandinavien als auch in Ungarn wird überdurchschnittlich viel und lang gestillt, in Großbritannien und den USA unterdurchschnittlich wenig.
Dies war nun ein langes Vorwort, um zum Kern zu kommen. Hier geht es nicht um die möglichst günstige Mutter-Kind-Beziehung, sondern um Klickraten.
#Breastfeeding trendet nicht aufgrund treuherziger Mütter, die ihr Kind aus eigener Kraft ernähren und davon Zeugnis geben wollen. #Breastfeeding ist ein „hasthag“, unter dem junge Frauen unzensiert ihre Brüste auf Nicht-Porno-Seiten zeigen können – um dann auf ihre Only-Fans-Seiten umzuleiten.
Natürlich werde ich hier nichts verlinken. Meine Töchter riefen mir zu:
Guck mal die! Oder die! Oder, extrem krass, die! Die hier!! Oder diese Frau, das soll wohl Perverse anlocken! Und hier, da hast du das ganze Farbenkarussell! Und die, siehst du, wie die extra wackelt?
Wir haben uns die ersten drei Guckmals angeschaut, danach beschlossen, das nie wieder zu tun. Es war widerlich: Starkgeschminkte Frauen lassen ihre Brüste springen, um ein Plastikspielzeug in Form eines Säuglings in die Nähe ihrer Brustwarzen zu führen.
Wozu tun sie es? Um Klicks zu generieren! Wozu? Um Geld zu verdienen! Es gibt ungezählte Bräute, die ernsthaft blankziehen, um eine Babypuppe an die Nippel zu halten. Zig Frauen „stillen“ ihre Kunstbabies strapsbewehrt, um ihre „Mütterlichkeit“ feilzubieten! Mittlerweile gibt es ungezählte „Stillvideos“, die ganz offenkundig Pornostandards genügen. JEDER sieht, daß dieses “Breastfeeding” ein Fake ist. Die Mutter als Hure – was für ein feuchter Traum.
Wie so oft hat sich der ungezügelte Feminismus selbst überholt, oder?
Sie, die linken Frauen, sprachen von Emanzipation und „Selbstermächtigung“. Hier haben sie das Resultat: Frauen tarnen sich als Mütter, um Porno-Regulatorien zu unterlaufen. Einst war die stillende Mutter eine Art heiliges Bild. Die Linken haßten es. Nun ist es ein pornographisches Meme geworden: Na, Glückwunsch zur Dekonstruktion!
Früher hatten wir diese Dichotomie: Heilige oder Hure. Heute geht es in eins.
Ein gebuertiger Hesse
Jau. Der wichtigste und grundbödigste Aufsatz des Jahres hier bislang. KEY for everyone, der jemals eine Best-of-SiN-Kompilation erstellen möchte (macht euch mal ein Lesezeichen und sei es insgeheim, auf nem Zettel, so daß der VS es nicht mitbekommt). Dank an die Autorin und die ihren: Ihr gehört ZUSAMMEN. Deshalb bewegt ihr euch, begegnet ihr euch, aktiv, jeder für sich, in eurer Familie. Es kann gut sein, daß Gott es genau so gewollt hat.