Rückblick auf Ostern – Gastbeitrag von Uwe Jochum

Vor einer Woche war Karfreitag. Die meisten Menschen werden sich noch im Ferienmodus befinden, völlig unabhängig davon, ob sie Christen sind oder nicht. In unserem immer säkulareren Säkulum sind dabei Anlaß und Ereignis längst entkoppelt: Immer weniger Menschen wissen anzugeben, warum und was an Ostern überhaupt gefeiert wird und wieso mit dieser Feier Schulferien verbunden sind; und weil das so ist, sind die Osterferien eben das, was sie sind: staatlich gewährte Freizeit.

Die­ser Säku­la­ri­sie­rungs­pro­zeß hat frei­lich längst auf die Kir­chen zurück­ge­schla­gen, in denen die Rest­be­stän­de eines christ­li­chen Bewußt­seins und damit die letz­ten Ahnun­gen vom Sinn des Oster­fes­tes ver­wal­tet werden.

Man merkt die­sen Rück­schlag dar­an, daß die kirch­li­chen Amts­trä­ger aller Hier­ar­chie­stu­fen nichts mehr dabei fin­den, den Sinn des Oster­fes­tes mög­lichst theo­lo­gie- und glau­bens­frei aus­zu­le­gen. Statt­des­sen üben sie seit Jah­ren den direk­ten Anschluß an den Zeit­geist, wohl in der Hoff­nung, den längst ver­lo­ren­ge­ge­be­nen christ­li­chen Pos­ten durch eine mög­lichst tra­gen­de Rol­le in der lau­fen­den Komö­die der Eitel­kei­ten ein­tau­schen zu können.

In die­ser lau­fen­den Komö­die spiel­te die Kir­che in der gera­de ver­gan­ge­nen Oster­zeit in drei klei­nen Sze­nen mit, in denen sie sich nicht mit Ruhm bekle­ckert hat.

In der ers­ten Sze­ne trat der katho­li­sche Esse­ner Bischof Over­beck auf und hielt eine Kar­frei­tags­pre­digt, in der er den Pro­zeß gegen Nawal­ny mit dem Pro­zeß gegen Jesus ver­glich und Nawal­ny, des­sen Äuße­run­gen über Homo­se­xu­el­le und Migran­ten und des­sen natio­na­lis­ti­sche Agen­da der Kir­che eigent­lich Ana­the­ma sein müß­te, auch gleich noch in die Rol­le des lei­den­den Gerech­ten schubste.

Over­beck weiß als Theo­lo­ge natür­lich, was er da sagt. Der »lei­den­de Gerech­te« ist eine Grund­fi­gur der alt­tes­ta­men­ta­ri­schen und auch der christ­li­chen Theo­lo­gie, die das Lei­den Jesu ver­ständ­lich machen will: Jesus hat nicht nur als ein Gerech­ter in einer unge­rech­ten Welt gelebt, son­dern um der Gerech­tig­keit wil­len auch das Lei­den bis zum Tod am Kreuz auf sich genom­men; das ist eine mensch­lich gese­hen sinn­lo­se und bru­ta­le Sache, die aber in der Auf­er­ste­hung die epo­cha­le Wen­dung erfah­ren hat, daß im Tod der Durch­gang zum wah­ren Leben liegt.

Wir kön­nen das hier nicht wei­ter beden­ken, aber soviel wird man doch sagen müs­sen: Nawal­ny war ein poli­ti­scher Akti­vist, des­sen poli­ti­sche Rol­le und Bedeu­tung him­mel­weit von der Wel­ten­wen­de ent­fernt ist, für die Jesus als Chris­tus steht. Wer Nawal­ny daher, wie Over­beck, zu einem Chris­tus redi­vi­vus macht, hat Absich­ten, die mit dem Chris­ten­tum nichts zu tun haben.

Die zwei­te Sze­ne spiel­te am Kar­sams­tag, als der Ber­li­ner Erz­bi­schof Koch dem offi­zi­el­len Inter­net­por­tal der katho­li­schen Kir­che in Deutsch­land ein Inter­view gab, in dem es um Ostern als »Fest des Uner­war­te­ten« gehen soll­te, in Wahr­heit aber um Poli­tik ging: um die AfD, um die Rol­le der Kir­che in der Poli­tik und in die­sem Zusam­men­hang auch ein wenig um den »Lebens­schutz«, also die Abtreibungsfrage.

Nichts davon hat mit Ostern zu tun, das in die­sem Inter­view viel­mehr erst ganz am Ende zum The­ma wur­de, als Koch Ostern und Fuß­ball zusam­men­brach­te, näm­lich so: Fuß­ball und Ostern sei­en ein Fest für die Gemein­schaft; und Fuß­ball und Ostern sei­en ein Fest des Uner­war­te­ten. Das ist nicht ein­mal mehr die Schwund­stu­fe von Chris­ten­tum und christ­li­cher Theo­lo­gie, es ist ihre Eli­mi­na­ti­on durch maxi­ma­le Banalisierung.

Man wun­dert sich nicht, daß das Inter­view unter den Gläu­bi­gen auch nicht gezün­det hat, aber von den Medi­en das von Koch geleg­te Anti-AfD-Bömb­chen bereit­wil­ligst auf­ge­grif­fen wur­de. Denn die von der Bischofs­kon­fe­renz im Febru­ar ver­öf­fent­lich­te Erklä­rung, die offen gegen die AfD Posi­ti­on bezog und damit die von der Kir­che in der Bun­des­re­pu­blik bis­her gepfleg­te offi­zi­el­le poli­ti­sche Neu­tra­li­tät ganz offi­zi­ell auf­gab, wur­de von Koch in dem Inter­view bestä­tigt und noch ein­mal in das Pro­krus­tes­bett der Poli­tik gelegt:

Die Kir­che darf sich nicht raus­hal­ten, denn die christ­li­che Bot­schaft umfasst immer auch das gesell­schaft­li­che Leben. Wir sehen uns in der Mit­ver­ant­wor­tung für die Demokratie.

Was das real­po­li­tisch heißt, muß man nicht umständ­lich ana­ly­sie­ren. Es heißt, daß auch die Kir­che im Kampf gegen die AfD auf der Sei­te der Oppo­si­ti­ons­be­kämp­fer Stel­lung bezo­gen hat. Daß die­se Stel­lung mit der gänz­li­chen Ver­flüch­ti­gung von Chris­ten­tum und christ­li­cher Theo­lo­gie ver­bun­den ist, zeigt das Inter­view ins­ge­samt bis hin­un­ter zu die­sem pein­li­chen Detail:

Wäh­rend der »Marsch für das Leben« von der AfD unter­stützt wird — was dem Marsch zwangs­läu­fig den Ver­dacht des rech­ten Akti­vis­mus ein­ge­tra­gen hat —, phan­ta­siert der Bischof im Hin­blick auf die AfD von einer inak­zep­ta­blen »Begren­zung des Lebens­schut­zes aus völ­kisch-natio­na­lis­ti­schen oder bevöl­ke­rungs­po­li­ti­schen Moti­ven«, um sei­ne Nicht­teil­nah­me an dem von ihm wort­reich begrüß­ten Marsch mit Ter­min­schwie­rig­kei­ten zu begründen.

Die drit­te Sze­ne schließ­lich spiel­te eben­falls am Kar­sams­tag in der media­len Rand­zo­ne der Deut­schen Wel­le, als die Pas­to­ral­re­fe­ren­tin des Bis­tums Müns­ter mit­teil­te, daß die Auf­er­ste­hung mit Auf­ste­hen zu tun habe. Wie das gemeint war, dürf­te nicht schwer zu raten sein: Da Jesus schon vor sei­ner von den Chris­ten seit 2000 Jah­ren erin­ner­ten Auf­er­ste­hung immer wie­der auf­ge­stan­den sei, um sich für eine gerech­te­re Welt stark zu machen, soll­ten auch wir aufstehen —

für Tole­ranz, Akzep­tanz, Gerech­tig­keit, Chan­cen­gleich­heit, Nächs­ten­lie­be und viel mehr.

Kon­kret war das so zu ver­ste­hen: daß die »Demos gegen rechts« »auch ein geleb­tes Stück Auf(er)stehen« sind. Was der Pas­to­ral­re­fe­ren­tin dabei beson­ders gut gefiel, war der Umstand, daß die Men­schen auf die­sen Demos ihrer Mei­nung nach nicht gegen etwas demons­trier­ten, son­dern für etwas, näm­lich »für ihre Wer­te«. Das soll­te dann irgend­et­was mit der Lie­be Got­tes zu tun haben, wes­halb die Pas­to­ral­re­fe­ren­tin erwar­tungs­ge­mäß für die­se Lie­be Got­tes »immer wie­der auf­ste­hen« woll­te, und wahr­schein­lich immer noch will.

Damit sind wir theo­lo­gisch ganz unten ange­kom­men. Denn daß eine Demons­tra­ti­on für etwas immer zugleich eine Demons­tra­ti­on gegen etwas ist und daß das Ziel der »Demos gegen rechts« die­ses »Gegen« ja nun auch schon im Titel klar mar­kiert — blieb von der Pas­to­ral­re­fe­ren­tin eben­so unbe­merkt wie ungedacht.

Das­sel­be gilt für den kei­nes­wegs neben­säch­li­chen Umstand, daß Jesus, wie die Refe­ren­tin bemerkt, »sich durch die­ses Auf­ste­hen mit den Mäch­ti­gen in Poli­tik und Reli­gi­on ange­legt« hat. Daß die »Demos gegen rechts« ganz gewiß kein sol­ches Sich-Anle­gen mit den Mäch­ti­gen in Poli­tik und Reli­gi­on sind, son­dern in der Welt und in den Begrif­fen Jesu zum wei­ten Feld der von ihm abge­lehn­ten heuch­le­ri­schen Glau­bens­ma­ni­fes­ta­tio­nen gehö­ren — geschenkt, wür­de man zu sagen haben, wenn man die­ser Art von Chris­ten­tum etwas schen­ken wollte.

Was ein Feh­ler wäre. Denn die­se Art von Chris­ten­tum ist ein bloß gespiel­tes Staats­chris­ten­tum durch und durch, bei dem die christ­li­chen Funk­tio­nä­re als Zöll­ner agie­ren, die denen, die beim Glau­ben an Ostern noch ein wenig mit­spie­len wol­len, den brei­ten und beque­men Weg anweisen.

Wohin die­ser Weg führt? Er führt schnur­stracks zu Robert Habeck, der an Kar­frei­tag in pas­to­ral-schwar­zem Anzug und mit dun­kel­ro­ter Kra­wat­te per Twitter/X vor sei­ne Gemein­de trat, um zu ver­kün­den:

Wir fei­ern Ostern. Hof­fent­lich für vie­le von euch ein paar Tage der Ruhe, zum Durch­schnau­fen und die Din­ge sor­tie­ren zu können.

Die­se Eröff­nung war sowe­nig christ­lich wie das, was danach kam: Nach einem anlaß­ge­mäß vor­ge­brach­ten Sätz­chen, daß Ostern das Fest der Auf­er­ste­hung und der Hoff­nung auf Frie­den in einer erlös­ten Welt sei, ging es in Habecks Oster­pre­digt ganz ohne das christ­li­che Bei­werk wei­ter. Wir sei­en vom Frie­den weit ent­fernt, sag­te Habeck, Putin habe den Krieg zu ver­ant­wor­ten, wol­le und brau­che ihn, um sei­nen wahn­haf­ten Neo-Impe­ria­lis­mus umset­zen zu kön­nen, der die Eini­gung und Ein­heit Euro­pas zer­stö­ren wol­le; und wei­ter sag­te Habeck, daß Putin, wenn er in der Ukrai­ne gewon­nen habe, fort­fah­ren wer­de, wes­halb wir uns vor ihm schüt­zen müß­ten, indem wir die Ukrai­ne unter­stütz­ten, und zwar mit mehr und, wie der Minis­ter hin­zu­füg­te, auch »wei­te­ren Waf­fen«; was, wie uns der Minis­ter sag­te, sich mit sei­nem Amts­eid decke, näm­lich Scha­den vom deut­schen Volk zu wenden.

Habecks rhe­to­ri­sches Mach­werk endet mit dem kum­pel­haf­ten Satz: »Ihnen und euch gute Ostertage!«

Und ein Mach­werk ist es. Denn Ostern ist kein Fest des Durch­schnau­fens und auch kein Fest der gestei­ger­ten Kriegs­vor­be­rei­tung zwecks Kriegs­ver­mei­dung. Jesus sagt nicht, »Mei­ne Tau­rus brin­ge ich euch«, er sagt: »Mei­nen Frie­den gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch.« (Johan­nes, 14,27) Das Mini­mum für die­sen von Jesus gemein­ten Frie­den liegt dar­in, daß wir die Wahr­heit tun, wie es im Johan­nes­evan­ge­li­um (3,21) heißt.

Die­ses Grund­er­for­der­nis erfüllt Habeck nicht, wenn er davon spricht, daß das Mins­ker Abkom­men von 2014 Putin nicht dar­an gehin­dert habe, die Ukrai­ne zu über­fal­len. Jeder, der sich auch nur ober­fläch­lich mit der Lage in der Ukrai­ne befaßt hat, weiß, daß die­se Aus­sa­ge nicht ein­mal als Halb­wahr­heit durch­ge­hen kann.

Denn seit­dem die Alt­bun­des­kanz­le­rin öffent­lich zuge­ge­ben hat, daß das Mins­ker Abkom­men nicht in der ehr­li­chen Absicht geschlos­sen wur­de, die ukrai­ni­schen Pro­ble­me zu lösen, son­dern nur, um der Ukrai­ne Zeit zur Kriegs­vor­be­rei­tung zu ver­schaf­fen, seit­dem kann man einen Satz wie den Habecks nicht mehr sagen. Jeden­falls nicht, wenn man der Wahr­heit ver­pflich­tet ist und dank der vol­len Wahr­heit und mit der unver­fälsch­ten Wahr­heit einen ech­ten Frie­den errei­chen will.

Und daher ist das, was Habeck an Kar­frei­tag gesagt hat, nicht nur ein Schlag gegen die Wahr­heit, son­dern ein Schlag gegen das Chris­ten­tum. Es ist eine ober­fläch­li­che und wahr­heits­wid­ri­ge Rhe­to­rik, die Ängs­te nicht nur bedient, son­dern ansta­chelt und aus der mili­tä­risch kata­stro­pha­len Lage, für die Habeck mit­ver­ant­wort­lich ist, zynisch noch ein wenig poli­ti­sches Kapi­tal für sich sel­ber her­aus­pres­sen will.

Da muß man dem Kanz­ler fast schon dank­bar dafür sein, daß er mit erheb­lich weni­ger Rhe­to­rik in sei­ner Oster­bot­schaft mit­teil­te, daß »die Chris­ten« an Ostern für eine fried­li­che­re Welt beten, und daß daher »wir« die Ukrai­ne im Kampf für einen gerech­ten Frie­den so lan­ge wie nötig unter­stüt­zen würden.

Wer die­ses »Wir« sein soll, weiß ich nicht. Und es ist eigent­lich auch egal, es zu wis­sen. Denn nicht Scholz betet an Ostern für Frie­den, son­dern — man muß ihm ja nur genau zuhö­ren — »die Chris­ten«. In die­ser rhe­to­ri­schen Distanz­ges­te liegt alles, was Ostern die­ses Jahr aus­ge­zeich­net hat: Es ist ein Fest für die ande­ren, die gläu­bi­gen Chris­ten eben, zu denen man selbst als Funk­tio­när in Kir­che und Staat nicht mehr gehört, und deren Frie­dens­ge­be­te und Frie­dens­hoff­nun­gen man miß­braucht für ein »Frie­den schaf­fen mit immer mehr und bes­se­ren Waf­fen«. Bis zum letz­ten ukrai­ni­schen Christen.

Noch nie in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik hat­ten wir soviel woken und grün­ro­ten Zynis­mus, der Chris­ten­tum bloß noch spielt.

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Kommentare (30)

Gracchus

5. April 2024 11:31

Derartiges ist man (leider) gewohnt. Seit Ostern 2020 die Kirchentüren verschlossen blieben, sind sie für mich verschlossen geblieben. Ich neige einer Lesart nach Joachim von Fiore zu. Auf das Zeitalter des Vaters und des Sohnes ist das des Hl. Geistes angebrochen - über institutionell-konfessionelle Grenzen hinweg; auf Petrus und Paulus folgt der Evangelist Johannes; nach der Kirche der Kleriker (römisch) und der der Theologen (evangelisch) sind die schlichten Laien gefragt. Jedenfalls: Von einer geistgeleiteten Kirche erwartet man doch: Geistesgegenwart. Gerade die Liberalen führen gerne die "Zeichen der Zeit" an, um sich dann aber dem Zeitgeist an den Hals zu werfen. Die Konservativen haben sich dagegen in eine Art "Ewigkeit" zurückgezogen. 

Laurenz

5. April 2024 11:47

Gegen die Politik-Kritik von Herrn Jochum ist nichts einzuwenden. Jochums These über ein Neutralitätsgebot der Kirchen ist historisch seit 90 Jahren nicht zu halten & davor erst recht nicht. Das Gegenteil ist der Fall, es existiert ein Narrativ-Gebot.

Heinrich Loewe

5. April 2024 12:43

Toleranz ist im Übrigen KEIN christlicher Wert bzw. Tugend.
Ich vertrete die Sicht, daß alle, die Gesicht zeigen und mit Name und Adresse gegen die kulturmarxistisch-globalistischen woken Machthaber, für die freiheitliche Ordnung aufstehen, Christus nachfolgen. Sie riskieren die totale persönliche Zerstörung: übelste Beschimpfung, De-banking, soziale Ausgrenzung, doxxing, Jobverlust u.a. bis zur politischen Haft (z.B. Ballweg). Donald Trump ist sicher das prominenteste Beispiel. Vielleicht ist an dem Fall Nawalny auch was dran, aber die Dissidenten im Westen stehen klar in der Nachfolge Christi.

RMH

5. April 2024 14:30

"Das Gegenteil ist der Fall, es existiert ein Narrativ-Gebot." Laurenz
Natürlich, zu taufen, zu lehren, also ein "Narrativ" zu verbeiten, ist klares Gebot Jesu Christi, vgl. Matthäus, Kapitel 28, Verse 19, 20. Die Auseinandersetzungen zwischen Kirche, Christentum und Staat aus Anlass dessen, dass die Kirche ihre eigenen Auffassung vertrat und eigene Standpunkte verteidigte, finden sich bis ins 19. Jhdt historisch belegt. Kern der Kritik des Artikels ist doch, dass die Kirche nicht im Worte Christi bleibt (vgl. Johannes, Kapitel 8, Vers 31) sondern auf einmal ganz andere Weisheiten und Lehren verkündet. Und damit weichen beide Krichen in immer dramtischer werdenden Umfang von den zentralen Glaubensinhalten und von den Worten Christ ab. Sie sind nicht mehr die wahren Jünger Christi.

RMH

5. April 2024 14:38

"Denn seitdem die Altbundeskanzlerin öffentlich zugegeben hat, daß das Minsker Abkommen nicht in der ehrlichen Absicht geschlossen wurde, die ukrainischen Probleme zu löse, sondern nur, um der Ukraine Zeit zur Kriegsvorbereitung zu verschaffen," Da muss man aber schon einiges in die Aussagen Merkels hineininterpretieren, um zu einer "nicht ehrlichen Absicht" zu kommen und um das "nur" rechtfertigen zu können. Aber evtl. gibt es das ganze Interview Merkels irgendwo ohne paywall, aus dem man dann eher dieses Ergebnis begründen kann. Mit dem, was im verlinkten Artikel steht, lässt sich die These des Autors nicht halten, da es eine Interpretation ist. Meine Interpretation ist, dass Merkel sich wg. des Scheiterns des Abkommens raus redet und sinngemäß behauptet, na immerhin hat es der UKR Zeit gebracht, stärker zu werden. Aber beim Thema im Umgang mit toxischen Themen, wozu auch Russland- UKR gehört, zeigt sich die AfD unreif, uneinheitlich, getrieben von Einzelaktionen, die auf die Füße fallen etc. Denn das man dieses Thema politisch zumindest sauber und redlich verkaufen kann, zeigt aktuell S. Wagenknecht. Zum Schaden der AfD. Wie bekannt ist, vetrete ich eine andere Position als BSW und teilen der AfD und großen Teilen des Kommentariats hier. Dennoch kann ich anerkennen, wenn jemand, wie SW das Thema stringent bespielt und bitte das Kommentariat, jetzt nicht wieder die alten Diskussionen zu starten, die doch schon alle ausdiskutiert sind. Please agree, that we disagree.

Le Chasseur

5. April 2024 16:37

@RMH
"Meine Interpretation ist, dass Merkel sich wg. des Scheiterns des Abkommens raus redet und sinngemäß behauptet, na immerhin hat es der UKR Zeit gebracht, stärker zu werden."
François Hollande, der ja auch an den Verhandlungen zum Minsker Abkommen beteiligt war, sagte ebenfalls, dass es das Ziel des Abkommens gewesen sei, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen. Allerdings sagte Hollande das nicht in einem öffentlichen Interview, sondern in einem vermeintlichen Telefonat mit dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Poroschenko. Tatsächlich ist H. aber auf zwei russische "Prankster" hereingefallen, die sich als Poroschenko bzw. als dessen Stabschef ausgegeben hatten. Der Krieg gegen Russland war zweifellos gewollt, dass zeigt ja dieTatsache, dass seitens des Westens nach dem russischen Angriff nichts unternommen wurde, um die Lage zu entschärfen, sondern im Gegenteil fleissig Öl ins Feuer gegossen wurde, sowohl durch Taten als auch durch Worte.

FraAimerich

5. April 2024 17:23

@RMH - Der überlieferte "Missionsbefehl des Auferstandenen" ist überdeutlich selbst "Narrativ".

Monika

5. April 2024 19:05

Ja, diese politischen Predigten sind ärgerlich. Auch unser Pfarrer hat in der Osterpredigt vor den Rechtspopulisten gewarnt. Anderseits kann ich das Gejammer  nicht mehr hören. Jeder kann doch den Pfarrer ansprechen oder dem  Bischof schreiben und seine Meinung kundtun. Das sind die Herren nämlich nicht gewohnt und sie werden dann ziemlich klein und verdruckst. (Argumente gegen den Linkskurs findet man bei Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der sich mit Herrn Bätzing angelegt hat.) Ich wies meinen Pfarrer auf die Situation in der deutschsprachigen kath. Gemeinde ST. Bonifatius in London hin, wo die Christen seit dem 7. 10. inzwischen heftigen Angriffen durch Muslime ausgesetzt sind. ob er darüber mal predigen wolle. (www. domradio "Priester spricht über bedrohte Religionsfreiheit in London") Wer nicht gerade einen Arbeitsplatz in der Kirche hat, kann dort doch ohne groß Mut haben zu müssen, seine Meinung sagen. Am besten vor versammelter Mannschaft. Die Christen sind viel zu brav und lassen sich jeden Mist vorsetzen.

Gracchus

5. April 2024 22:31

Dass hohe Kirchenvertreter säkularen Parteien nach dem Mund reden, verletzt m. E. nicht die evtl (wo?) selbst auferlegte (und wohl nie eingehaltene) kirchliche Neutralität, sondern ist Ergebnis der Neutralisierung. Neutralisierung heißt nichts Anderes, Christus unwirksam machen zu wollen, biblisch gesprochen: ihn zu kreuzigen. Dass Religion Privatsache sein soll, gehört mit zu dem Neutralisierungsprogramm - für einen Christen indes unannehmbar. Der säkulare Staat wahrt im Übrigen keineswegs weltanschaulich Neutralität. Das alles ist daher eine liberale Chimäre. 

Gustav

6. April 2024 08:55

Diese Kirchenleute und Politiker, die nicht die meinen sind, benennt Jesus im Johannes Evangelium, 8,44 zutreffend:
Warum versteht ihr denn meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt! "Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Gelüste wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lügen redet, so spricht er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge."Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubt ihr mir nicht.
Was von jenen angebetet wird, ist das Übel unserer Welt.....

Laurenz

6. April 2024 10:36

@RMH ... Die Auseinandersetzungen zwischen Kirche & Staat fanden bis 1932 statt. Bei den Italienischen Verhältnissen & Regierungswechseln im Schnitt in Unterjahresfrist, kam es nie zu Vereinbarungen & Übereinkommen zwischen Kirche & Staat, dafür aber in 1933. Alle internen Inhalte der Kirche interessieren außerhalb niemanden, außer sie würden extrem politisch. Entscheidend sind die Inhalte von außen, welche die Kirche repräsentieren muß. Voraus ging dem Reichskonkordat das Italienische Konkordat von 1929, das Bayerischen Konkordat von 1924, das Preußische Konkordat aus 1929 & das Badische Konkordat aus 1932. aus welchen Hitler seine Erfahrungen schöpfte. Von außen wirken: 1. staatliches Vetorecht (Politische Klausel) für neu ernannte Bischöfe. 2. Treueeid der Bischöfe, für sich & seinen Klerus dem Staat gegenüber (Artikel 16), heutzutage beim Ministerpräsidenten. 3. Verpflichtung, an Sonntagen & gebotenen Feiertagen „im Anschluß an den Hauptgottesdienst für das Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes“ zu beten (Artikel 30). Die größte Angst der Kirchen wird in der Kündigung des Reichskonkordats liegen, eben weil die Kirche verpflichtet ist, im Narrativ dem jeweiligen Ministerpräsidenten zu folgen, was bei einem Regierungswechsel zur AfD akut werden könnte.

Maiordomus

6. April 2024 11:12

@RMH. Ihre Differenzierungen sind zu schätzen, es muss auch Merkel in ihrer Karriere historisch eingeschätzt werden. Sie hat, im bei Prinzip nicht ungeschickter aber lebenslang jeweils den Umständen angepasster Politisierung, den Satz von Musil verinnerlicht: "Politik ist, was geschieht". In diesem Rahmen praktizierte sie "Gestaltungsspielraum", dabei unter dem durchschnittlichen Korruptionsgrad der westlichen Union, was Heinrich Böll in "Frauen vor Flusslandschaft" denunzierte. Dabei wurde M. aber nun mal von ihren linkschristlichen in die Diktatur emigrierten Eltern geprägt, entbehrte die geistigen Grundlagen, wie sie z.B. hier @Monika zeigt als ehem. Studentin der christlichen Soziallehre bei Oswald von Nell-Breuning, prägend von Adenauer bis noch Norbert Blüm. Ich fürchte, es gibt im Bundestag kaum noch jemanden mit diesem Fundus, nicht mal in der Bischofskonferenz. Innerhalb der AfD und allenfalls der Werteunion gehören solche Haltungen, auf dieser Spalte immerhin ernst genommen, zur normalen Bandbreite des Diskurses, viel mehr aber kaum. Immerhin eine Bestätigung der Duldung kritisch-besonnener Intelligenz in einem als "rechtsextrem" verschrienen Publikationsorgan mit einem Kulturniveau, das mit Ausnahme von dann und wann Schlagseiten im Bereich der Philosophie (Universalienproblem) und der Politischen Theologie dem Mainstream glaubwürdig Paroli bietet.      

Maiordomus

6. April 2024 11:30

@Gracchus. Dass Religions "Privatsache" sein soll, ist ein Satz mit letztinstanzlich hoher Bedeutung, weil Ihre intimste Entscheidung z.B. bei einem Flugzeugabsturz ("Gott erbarme dich meiner") wirklich allein Ihr Innenleben betrifft, so wie gemäss Meister Eckhart und Angelus von Schlesien Jesus in Ihnen geboren sein muss, und nicht nur in Bethlehem.  Dies schliesst dann dezisionistisches Handeln aus Ihrem Gewissen nicht aus, im Gegenteil. Der Satz "Religion ist Privatsache" hat den genau gleichen Kontext wie Max Webers Diktum "Politik gehört nicht in den Hörsaal", den man nach Lübbe richtig verstehen muss, nämlich der Entlastung Ihres Denkens gegenüber dem Gehorsam, den Ihre Obrigkeit übrigens nach Luther von Ihnen verlangen darf, was aber für die Freiheit Ihrer Gedankenexperimente im Hörsaal nicht gelten darf. Es gibt schlechthin kein System, das Sie im Hörsaal nicht in Frage stellen dürfen, jedoch nicht in Form von Parolen und Handlungsaufrufen. "Die ideologische Funktion von Wetter und Klima von den Hexenprozessen bis in die Gegenwart" wäre z.B. ein ganz normales Vorlesungsthema, so wie Frageverbote nicht nur Geschlechtsdifferenzierungen betreffend, auch z.B. biologisch bedingre Intelligenz-Unterschiede ergebnisoffen dargelegt werden dürfen usw.     

Maiordomus

6. April 2024 14:10

Korr. Maiordomus 11.30 h.  natürlich gemeint: keine Frageverbote betreffend biologisch bedingter Intelligenz-Unterschiede, darüber darf wie über alles "ergebnisoffen" diskutiert werden. Etwas anderes wären direkte Parolen, z.B. welche Parteimeinungen verboten werden müssen und welche propagagiert werden sollen. Dass R e l i g i o n   Privatsache sein muss, ist nach Max Weber eine Entlastung dessen, der Unterricht hält und eine Bedingung für möglichst offene Diskurse zum Beispiel, was ein gewaltiges Thema war zur Zeit Max Webers etwa in den USA, über Darwins Evolutionstheorie, die übrigens von Karl Popper ein "metaphysisches Forschungsprogramm" genannt wurde, insofern diese Theorie Anspruch auf weltbildmässige Verbindlichkeit bei Abstellung von Zweifeln stellte. Diesen Anspruch stellt z.B. gemäss Logik der Forschung Einsteins Relativitätstheorie nicht. Der Physiker schlug Experimente vor, welche die Theorie endgültig als falsch erweisen könnten.  Derlei müsste auch für Voraussagen betr. Klimawandel bis hin zur Verantwortung bei Irrtum gegeben sein, sofern man für eine Theorie politische Verbindlichkeit verlangt.    

Monika

6. April 2024 15:09

Lieber Maiordomus, es ist mir immer etwas peinlich, dass Sie mich als Studentin der kath. Soziallehre nennen. Ich habe während meines Studiums Oswald v. Nell-Breuning einmal "live" erlebt. Da war er schon 90 und blind und hielt seine Vorlesung "Grundsätzliches zur Politik" (von 1975) vor einem beeindruckten Publikum. Ich kaufte damals das Buch, aber es erschien mir völlig unangemessen, den alten Herrn um ein Autogramm zu bitten. Das Buch habe ich noch, und ich habe keine Ahnung, was Nell-Breuning zur heutigen Poltik sagen würde. Nur ein Zitat daraus: "Der Christ und das poltische Tun":"Als Christ...soll er an das poltische Tun der Partei, der er beitritt oder die er wählt, den Maßstab des christlichen Sittengesetzes anlegen. Ich sagte: als Christ. In seiner Eigenschaft als Staatsbürger hat der Christ an die politischen Parteien den politischen Maßstab anzulegen. Das will besagen:Er muß sich ein Urteil darüber bilden, ob das, was die Partei unternimmt oder zu verwirklichen sucht, dem wahren Wohl der staatlichen Gemeinschaft und - heute - darüber hinaus auch der Staatengemeinschaft, der Gesamtmenschheit dient oder doch zu dienen verspricht. Daß die Ziele der Partei billigenswert sind, genügt aber nicht;ff 1,2

Monika

6. April 2024 15:19

1/2 ...dazu muß die ernsthafte Aussicht kommen, daß es ihr gelingen wird, diese Ziele zu verwirklichen oder jedenfalls sie der Verwirklichung näher zu bringen. Dem Wohl des Volkes ist ja nicht gedient durch noch so viel Gutes, das man sich vornimmt, sondern durch das vielleicht nur wenige Gute, das man verwirklicht." 
Kann man heute mit einer solchen Aussage noch was anfangen ? Die Kirchen müßten sich etwa mit dem Programm der AfD genau auseinandersetzen und belegen, wo die Partei gegen christliche Vorstellungen verstößt. Das müßte sie dann aber auch mit allen anderen Parteiprogrammen machen. Haben die etablierten Partein in der Vergangenheit zum Wohle des Volkes gehandelt ? Das sieht eher nicht so aus. Die AfD ist noch nicht in Regierungsverantwortung. An was will man das Gute, das sie bringen könnte messen ? Es ist also noch viel zu früh und zu vermessen,  dass die Kirchen sich hier in die Politik einmischen. 

Monika

6. April 2024 15:40

Die etablierten Partein (SPD, CDU, FDP, Grüne) sind sog. Weltanschauungsparteien,d.h. sie gehen auf eine soziale, liberale oder christliche Weltanschauung zurück, (Grüne passen da nicht ganz rein). Die AfD ist ja zunächst aus Protest gegen die etablierten Partein entstanden. Da vermischen sich liberale, soziale, christliche Positionen. Eine eigene Position zu formulieren, hat Maximilian Krah in "Politik von rechts" versucht. Ich habe das Buch nicht gelesen und weiß offen gesagt auch nicht, welche weltanschauliche Grundlage alle AfD Mitglieder oder Wähler  vereinen könnte. M.E. ist es noch zu früh zu sagen, wie sich diese Partei im Falle eines großen Wahlerfolges entwickelt. Als Christ kann man sicher grundsätzliche Bedenken anmelden. Die politischen Realitäten sind inzwischen aber so verworren, dass man froh um jede realistische, problemorientierte  Politik ist mit glaubhaften Politikern, die sich ihrem Volk verpflichtet fühlen. Da sehe ich so gut wie nichts. Wenn dann auch von den christlichen Kirchen nichts Erfreuliches und Hoffnungsvolles mehr kommt, dann kann man nur hoffen, dass nicht eine übergroße Sehnsucht nach einem neuen poltischen Heilsbringer und Welterklärer entsteht.

Monika

6. April 2024 16:04

@Maiordomus Religion ist beides, sowohl intim wie öffentlich, so wie das Gebet. Sie bringen das Beispiel bei einem Flugzeugabsturz. Da betet man allein, für sich. Gleichzeitig werden die weitaus meisten geängstigten Mitpassagiere auch beten. Es gibt eine sogenannte Urverbundenheit der Einsamen. Im Kult (öffentlich) sind das Intimste  und das Öffentliche verbunden. Der Kult verschwindet leider immer mehr.  Nicht bei den Muslimen.
 

Gracchus

6. April 2024 20:26

@Maiordomus: "Letztinstanzlich" - ich weiß, Sie haben es nicht so gemeint, aber die letzte Instanz ist ja Gott, vor dem ich mich kaum mit "Glauben ist Privatsache" herausreden kann. Ich widerspreche Ihnen nicht unbedingt (zumal ich gerade Ihr schönes Paracelsus-Buch begonnen habe). Ich spreche mich auch nicht gegen Glaubens- und Gewissensfreiheit aus, im Gegenteil - nur frage ich mich, ob die bekannten Formeln realiter und zukünftig noch Bestand haben. Wenn ich - um ihr Beispiel aufzugreifen - innerlich bekehrt den Flugzeugabsturz überlebe, wird sich dies wohl oder übel bzw. hoffentlich in meiner Lebensführung niederschlagen. Christentum ist, war und wird sein eine Lebensform und hat damit eine öffentliche, soziale und auch politische Dimension. 

Gracchus

6. April 2024 20:48

Wäre dies nicht so, würden wir nicht die Jahre seit Christi Geburt zählen, nicht den christlichen Feiertagen oder der 7-Tage-Woche folgen - allen neuzeitlichen Revolutionären zum Trotz. Keine Kleinigkeit. Wie lange noch? Die gegenwärtigen Zeitläufte zwingen gewissermaßen dazu, das Verhältnis öffentlich/privat, innen/aussen neu auszuloten. Die Corona-Zeit hat einen guten Vorgeschmack gegeben, wie es in einer szientistischen Technokratie zugehen wird.  Die grossen Kirchen - dabei bleibe ich - haben den Test nicht bestanden. Ferner zeigen gerade auch säkulare Gesellschaften, dass sie auf Sinngebung und Religionssurrogate nicht verzichten kann und dafür durchaus allgemeine Verbindlichkeit einfordert. Warum sollte man sich als Christ auf eine reine Innerlichkeit zurückziehen? 

Laurenz

6. April 2024 22:19

@Gracchus & Monika ... niemand zwingt Sie dazu, meine Beiträge zu lesen. Aber dann entgeht Ihnen Beiden eben auch, daß Kirchen keiner freien politischen Entscheidung unterliegen. Kirchen leisten per Bischof den Treueeid auf den Ministerpräsidenten (Wahl-Beamter mit Parteibuch) ohne dem Neutralitätsgebot eines Nicht-Wahl-Beamten zu unterliegen. Kirchen agieren so, wie sie vertraglich müssen, nicht wie sie wollen. Andernfalls müßte das Konkordat gekündigt werden. Dazu gibt es in den Kirchen eindeutig keinen politischen Willen. Die Gefahr einer Kündigung des Konkordats geht auch weniger von den liberalen Kräften der AfD aus, sondern vielmehr von den christenfeindlichen Grünen, die auch offiziell das  Kreuz gerne durch Halbmond & Regenbogen ersetzen. Die Kirchen schweigen sich lautstark, exponentiell deswegen in geduckter Büßerhaltung aus, weil ihre Reichweite existenzbedrohlich gesunken ist. Im Vergleich zu den 30ern, 40ern, 50ern & 60ern sind Kirchen nur noch ein Schatten ihrer einstigen politischen Macht von der Kanzel herab. Unter der Kanzel steht & kniet kaum noch einer.

RMH

6. April 2024 22:20

"Ferner zeigen gerade auch säkulare Gesellschaften, dass sie auf Sinngebung und Religionssurrogate nicht verzichten kann und dafür durchaus allgemeine Verbindlichkeit einfordert." @Gracchus: Das wird von Voegelin in seinem Werk "Die politischen Religion" sehr gut dargestellt. Voegelin weißt auch deutlich auf die Rolle der Wissenschaft bzw. des Arguments der angeblichen WIssenschaftlichkeit der Lehre der politischen Religion hin. Ich habe das Essay zu Corona-Zeiten gelesen und fand es, obwohl auf den NS (aber wohl auch unter dem Eindruck der  Verhältnisses in der SU) gerichtet, allgemein gültig und sehr aktuell. Die GRÜNEN sind ein Paradebeispiel für eine Partei oder Bewegung, die eine politische Religion nach Voegelin darstellt.
Das Revolutionäre am Christentum ist das Subjekt des Heilsgeschehens. Nicht mehr göttliche Herrscher und Untertanen oder auserwählte Völker, also Gruppen, Stämme, Kollektive sind im Zentrum des Heilsgeschehens, sondern der Einzelne. Der Einzelne entscheidet sich für Gott, nur der je Einzelne kann Heil erfahren (daran ändert auch die Möglichkeit der Fürbitten grundsätzlich nichts) und erst, wenn es genug Einzelne gibt, ergibt sich eine kollektive und damit öffentliche Wirkung.

Adler und Drache

7. April 2024 08:39

Religion ist dem Wesen nach öffentlich. Liturgie heißt "öffentlicher Dienst". Es gibt auch die private Seite, die man als "Frömmigkeit" bezeichnen kann. Wo man den öffentlich zelebrierten Teil des Gottesdienstes abschafft, bleibt eigentlich nur noch "Weltanschauung" oder "Meinung" übrig. Die "Gesellschaft" (im modernen, aufklärerischen Sinn) ist freilich nicht religiös konstituiert, sondern politisch, Religion ist daher zu einem archaisch anmutenden Fremdkörper geworden. Trotzdem können die Anhänger der Religion natürlich nicht auf den öffentlichen Anspruch verzichten (soll man denn alle Kirchen abreißen oder in Tanzlokale umwandeln?), dazu kommt, dass wir längst nicht wissen, ob das im historischen Maß bisher erst kurze Währen der "Gesellschaft" nicht doch eine Ausnahme ist, eine Insel im Meer der Geschichte.   

Umlautkombinat

7. April 2024 10:37

@RMH
Ihr letzter Absatz ist interessant. Ich erlaube ihn mir einmal, in meine Weltsicht umzuschreiben:
 
Das Revolutionäre an der Aufklaerung ist der Einzelne. Der Einzelne entscheidet sich für seinen Ausgang aus der Unmuendigkeit, nur der je Einzelne kann das tun. Und erst, wenn es genug Einzelne gibt, ergibt sich eine kollektive und damit öffentliche Wirkung.
 
Das soll explizit kein Spott sein. Ich halte tatsaechlich nur eine ausreichend grosse derart zusammengesetzte Menschenmenge fuer hinreichend qualifiziert, ein Gemeinwesen zu bilden welches u.a. auch genuegend Einsicht in und Resilienz gegen Unterwerfungstechniken und -ambitionen besitzt, wie sie hier und anderswo gerade in den letzten Jahren angegriffen werden. Und auch die Mittel, das durchzusetzen.

Monika

7. April 2024 15:17

@Adler und Drache ,Es ist sehr wichtig, daß Sie auf die öffentliche Funktion der Religion und der Liturgie  hinweisen. Wichtig deshalb, weil man oft als Beschwichtigung hört, auch wenn man aus der Kirche austrete, könne man ja noch privat seinen Glauben leben. Nein, der Rückug ins Private ist ein Verlust von Religion überhaupt. Ohne Kult keine Kultur. Der Islam schließt inzwischen die Lücken, die das Christentum durch Rückzug offen lässt. Das ist eine verhängnisvolle Entwicklung. Aus Sehnsucht nach konservativen,ja, auch  "patriachalen" Strukturen, treten wohl nicht wenige junge Frauen zum Islam über, die sich möglicherweise nicht als rechts-konservativ outen wollen, weil sie befürchten, diffamiert zu werden. Ein attraktives, selbstbewußtes Christentum, das sich nicht dem liberalen Zeitgeist anpasst, wäre nötig. @Laurenz, auch ohne Ihre Beiträge zu lesen, ist mir nicht entgangen, daß die Kirchen in Deutschland keiner freien, politischen Entscheidung unterliegen.Ich bin kein Kirchenrechtler, sehe aber Handlungsbedarf bei ausgetretenen Gläubigen, die de facto exkommuniziert sind, weil sie keine Kirchenssteuer zahlen.

Waldgaenger aus Schwaben

7. April 2024 16:36

Ich denke, die tiefere Ursache der Politisierung des Geschehens an Ostern ist die Entmythologisierung der Bibel, die schon in der 40er Jahren des vorherigen Jahrhundert begann. Indem die Auferstehung zu einer Allergorie herabsinkt, ist der Weg offen, sie auf erwünschte politische Aussagen hin zu deuten. 
Dazu ein interessanter historischer Hinweis.
Bei meinen Streifzügen durch youtube fand ich das Palästinalied Walthers von der Vogelweide
https://www.youtube.com/watch?v=rE05Q1w_SKE
Darin wird für die Teilnahme an den Kreuzzügen geworben. Dem Autor kommt es nicht in den Sinn, das Leiden und die Auferstehung Christi als Allegorie für die Teilnahme (und den allfälligen Tod darin) am Kreuzzug zu interpretieren, wie es ein heutiger Verfasser vielleicht täte. Es wirbt dafür, dass Land, wo dies geschehen ist, zu betreten. Gerade weil dort die Wunder örtlich und zeitlich geschehen sind.

Adler und Drache

7. April 2024 21:43

@Waldschwabe
Entmythologisierung der Bibel
Das ist bloß so'n Schlagwort, unter dem jeder verstehen kann, was er will ... oder auch das Gegenteil.
Ich (als Theologe) seh's so: Die Theologie muss nicht nur an den Zu- und Umständen der Zeit partizipieren, sie muss mitten hindurch, um auf die menschlichen Fragen der Zeitgenossen die göttlichen Antworten zu finden. 
Bultmann war durchaus fromm, man lese seine Predigten. 
 

RMH

7. April 2024 22:23

@Waldgänger,
bitte mal die Versionen des Palästinaliedes von den Gruppen Estampie und Quantal anhören. Finde ich beide besser.
 

RMH

7. April 2024 22:24

@Monika und Adler & Drache, als Christ braucht man erst mal rein gar nichts, außer seinen festen Glauben. Eremiten, Diaspora, all das ist auch Christentum. Der ganze Kollektivismus an der Kirche ist eine linke Interpretation und eines Herrschaftskonstrukts der "Zugangskontrolle" (nur der Priester der Kirche darf, ohne Kirche faktisch exkommuniziert etc.) unter gerade der Ausblendung des Umstandes, dass das Heilsgeschehen im Individuum stattfindet. Bei der Eucharistie, Kommunion oder Abendmahl findet eine äußerst innerliche, direkte Begegnung Gläubiger mit Christus statt. Die Gemeinschaft mit den anderen Mitgläubigen kommt zwingend erst an der 2. Stelle. Selbst in der evangelischen Kirche, wo das Abendmahl auch ein Skrament ist (besser: war!), hat man sich dazu früher einmal hingekniet und der Pfarrer wurde wieder faktisch zum Pontifex, zum Brückenbauer und hat Hostie und Kelch zum Mund gereicht. Heute ist es Kindergarten-Kreisstuhl-Spiel und man schüttelt sich "als Zeichen des Friedens" gegenseitig die Bratzen. Genau diese Infantilisierung und den Verlust der religiösen Scheu und der buchstäblichen religösen EhrFURCHT, sind Zeichen dafür, dass man nur noch sagen kann, danke, ohne mich. Die Eucharistiefeier ist wohl das einzige, was man als Christ, der keine Kinder mehr bekommt, nicht selber kann. Kirche und weltliche Ordnung liefen im weitstgehenden Gleichlauf - zumindest viele Jahrhunderte. Das hatte auch Schattenseiten, die man nicht verdrängen darf, nur weil sie von den Atheisten und Linken immer besonders hervorgehoben werden. 

Laurenz

7. April 2024 22:39

@Monika @L. ... es ist noch viel schlimmer. Durch das staatliche Vetorecht, sind alle Würdenträger, die für eine Beförderung zum Bischof in Frage kommen, gezwungen, ein Leben bis dahin konform zu bleiben. Und wenn es die politische Vorgabe ist, für die Impfung zu beten, dann beten die Priester in der Messe für die Impfung oder für Waffen an die Ukraine. Die politischen Vorgaben, also das Konkordat, zerstört die Kirchen, da die Mitglieder nicht bereit sind, die Vorgaben mitzutragen. Noch scheint der Schmerz der Kirchen nicht groß genug zu sein, um all die Privilegien aufzugeben. Aber im Grunde ist das der Untergang.

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