Köppel strahlt eine interessierte Liberalität alten Schlages aus. Armin Mohler schrieb einmal, im Gegensatz zu Deutschland gehe es in der Schweiz stets nur um Mehr oder Weniger, nie um Alles oder nichts. Das ist eine Charakterisierung dieser Liberalität, die leicht abschätzig klingt, zugleich aber eine Türe öffnet: die zum offenen, ausführlichen Gespräch, in dem keine Fallen gestellt und keine Dolche eingesetzt werden.
Schon das Gespräch Köppels mit Höcke war wichtig für alle, die endlich einmal spüren wollten, daß dieser Mann nicht nur in den Kategorien des politischen Kampfes und der historischen Aufgabe denken kann.
Nun war Krah bei Köppel in der Sendung, und dieser Auftritt, der ja mit einer simplen Bildschirmkamera aus dem heimischen Büro heraus gefilmt wurde, ist so authentisch, wie es keine Studiosendung je sein könnte. Wir sehen Krah, wie er ist, wenn er zuhause sitzt, vor einer Kamera, die ein wenig glubschig auflöst.
Krah, bildschirmfüllend, noch nicht rasiert, aber voll da, also: mal eben eimerweise klar und durchdacht Auskunft gebend, selbst auf tiefgründige, schwierige Fragen.
Er hat es drauf, schrieb mir ein Leser, und führte aus:
Irgendwie Donald Krah, oder? Ab Minute 20 sind das klare und durchdachte Statements zu Europa. Ab Minute 38 präsentiert er uns ein Lehrstück in persönlicher und bundesrepublikanischer Historie. Ab Minute 48 glänzt er als Jurist mit normativen Hinweisen, wie schon bei jung&naiv. Er schüttelt das aus dem Ärmel, es ist nicht so, daß er es sich zurecht gelegt hätte und es etwas zu hektisch aus der Tasche ziehen würde. Es ist einfach da, wenn er es braucht.
Bei Minute 50 folgt dann der knackigste Satz: „Wenn wir die Grenzen nicht zukriegen, ist alles aus“. Und als wunderbare ungewollte Gefühlseinlage läuft bei 45.50 ferien-gelangweilt der Sohn durchs Bild. Dieses Gespräch macht seine Singularität in den AfD-Reihen deutlich. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Es ist klar, was der Leser sieht und meint, mit seinem letzten Sätzchen, oder? Die AfD hat mit Krah einen, der etwas kann, was kaum ein anderer kann. Das mag denen, die so nicht sein können, Sorge bereiten. Denn man kann es nicht lernen.
Was kann Krah? Magnetisch spalten. Krah spaltet, weil er nicht buhlt, und er ist magnetisch, weil er faszinierend ist. Er kann in derselben Rede mit unglaublicher Zuneigung “dem Volk” Zuversicht und Herkunftswärme vermitteln und seine Gegner nackt ausziehen – fast schon belustigt über deren Hilflosigkeit, weil sie in Scharen kommen, um ihn zu verhindern.
Das kriegt außer ihm nur Höcke hin, also: magnetisch spalten. Selbst seine Feinde sind fasziniert von ihm, und sie sind fasziniert von Krah. Wie man so sein kann! Wie man die Tag- und Nachtgedanken von hunderten, tausenden beherrschen kann, die mit einem nicht fertig werden!
Man hat, trifft man auf Krah, den Eindruck, er schlafe stets gut, wissend, daß er andere wieder um den Schlaf brachte, Nacht für Nacht, darunter auch Leute aus den eigenen Reihen, die es gern ein wenig ruhiger, also harmloser hätten.
Köppel hat binnen weniger Tage knapp 170 000 Zuschauer für sein Gespräch mit Krah einsammeln können, und das mit Höcke ist das bei weitem aufrufstärkste des Weltwoche-Kanals. Damit muß die AfD wuchern, ebenso wie mit den überfüllten Dorfsälen bei Bürgerdialogen. Nur Sahra Wagenknecht zieht ähnlich.
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Aber nun zu Kärnten, diesem wunderschönen österreichischen Bundesland, in dem ich zu Gast auf einer Akademie war. Unser Institut veranstaltet seit sieben Jahren in Kooperation mit österreichischen Projekten eine Art Ableger unserer großen studentischen Winter- und Sommerakademien – mit der Besonderheit, daß in Österreich auch ältere Teilnehmer willkommen sind.
Der Tagungsort: mit Bergen ringsum, und in der Gaststube die südliche Speisenfolge aus Suppe, Hauptgang und Nachtisch, dazu diese seltsame Kaffeevielfalt aus Verlängertem, Einspänner, Melange, Braunem und so weiter, bis zum Schlagobers über dem Marillenkompott oder dem Apfelschlangerl. Man wird umschmeichelt von Kultur und Land, selbst schwerwiegende Probleme wirken eingebettet.
Wir tagten mit 80 Gästen. Es war eine Art Familientreffen: Fast jeden kennt man, fast jeden kann man mit Namen ansprechen, fast alle haben fast alles gelesen, was in der “Szene” zum Grundbestand eines Bücherschranks gehört, der diesen Namen verdient hat.
Es gibt aber einen interessanten und wichtigen Unterschied, der den einen, kleineren Teil von einem anderen, größer werdenden trennt. Dieser Unterschied kann mit einigen Fragen und den Antworten darauf umrissen werden:
- Ist das, was an rechten Strukturen entstanden ist, Ergebnis eines Gramscismus von rechts?
- Ist es möglich, über Parteien eine Politik anderen Typs zu verwirklichen?
- Trägt Publizieren etwas aus?
Meine Antworten lauten nein, nein und ja, und ich teilte sie in Kärnten mit – nicht so knapp, sondern in den Diskussionen nach den Vorträgen.
Diese Antworten sollten niemanden verwundern. Die Gründung der AfD ist nicht das Ergebnis einer zuvor erfolgten Kulturrevolution von rechts, sondern eine Mitte-Ausgründung im Sinne einer WerteUnion. Bloß hat man sie diesen CDU-Korrigierern aus der Hand gewunden. DAS ist der rechte Anteil, das ist tatsächlich das Ergebnis eines Denkens, das, von der Konservativen Revolution herkommend, das Revolutionäre als Hauptwort begreift, nicht als Adjektiv.
Aber: Ohne den Vorstoß aus der Mitte wäre das Rechte bis heute etwas, das in abgestempelten Nischen seine feine, aber unbedeutende Arbeit machte. So zu denken, nimmt dem Vorgang nichts von seiner Berechtigung: Es war richtig, zuerst Lucke, dann Petry und zuletzt Meuthen den Stuhl vor die Tür zu stellen.
Jedoch ist jede Partei eine Partei – und bleibt eine. Das Wort vom “sowieso gefrierenden Wasser” war Ausdruck meiner frühen Skepsis beim Blick auf die Soziologie des Parteienwesens. Daran hat sich nichts geändert. Jedoch sind Parteien der Hebel, mit dem um politische Macht gerungen werden muß, und die Begeisterung über Erfolge läßt niemanden kalt, der Jahrzehnte auf so etwas wartete.
Zum Sinn des Publizierens nun doch Zuversichtliches: Ich halte den Aufbau alternativer Medien für eine der Hauptaufgaben, die sich unserer politischen Richtung stellen. Ich habe das neulich ausgeführt, hier noch einmal der Gedankengang:
Unsere Gegner können Propagandamittel einsetzen, über die wir noch nicht verfügen. Sie sind in der Lage, die Realität durch emotionalisierende, wirkmächtige Erzählungen zu überlagern und eine andere Realität vorzuspiegeln. Sie sind Meinungsmacher und wissen, daß gerade in Demokratien die veröffentlichte Meinung die öffentliche Meinung ist.
Das bedeutet: Wer die Macht hat, der Öffentlichkeit aus vielen Kanälen dieselbe Botschaft zu vermitteln, erzeugt beim Einzelnen den Eindruck, daß um ihn herum alle derselben Meinung seien. Die Vergewisserung beim Nachbarn oder Kollegen ist ein Abtasten, das in der Regel den Eindruck verstärkt, die öffentliche Meinung entspreche der veröffentlichten. Denn auch der Nachbar wollte nicht grundsätzlich abweichen, als man ihn fragte.
Es kommt zu Schwarmverhalten und Herdenbehagen. Deutlich wird: Der Aufbau einer wirkmächtigen Gegenöffentlichkeit, die das Monopol der veröffentlichten Meinung aufbricht, ist von größter Bedeutung.
Es geht um den Aufbau von Propagandamitteln, die denen des Gegners ebenbürtig sind, mindestens. Wir müssen unsere Geschichte erzählen, auf verschiedenen Ebenen, wirkmächtig, magnetisch. Wir müssen vergiftete Wörter entgiften und neue Begriffe setzen. Ohne entgiftete und neue Begriffe ist eine alternative Politik nicht möglich.
Wir müssen der Realität, die sich von selbst nicht durchsetzen wird, auf die Sprünge helfen.
In Kärnten trug unter anderem Erik Lehnert vor. Seine Gedanken über den “Beruf zur Politik”, angelehnt an Max Weber, wird in der 120. Sezession erscheinen. Der Text ist wichtig, weil er zeigt, wie innerhalb des Parteien-Unwesens agiert werden könnte, wenn die richtigen Leute agierten.
Lehnert verkniff es sich, so wie ich, bereits in Kärnten ein Wort zu sagen über die Auflösung des Vereins “Institut für Staatspolitik”. Diese Auflösung war längst angebahnt, aber noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Nun ist sie es.
Also: Das Institut für Staatspolitik (IfS) existiert nicht mehr. Der Verein ist aufgelöst, alle Mitglieder sind ausgetreten, die Konten geschlossen, die Aufgaben erledigt oder neu verteilt. So ein Verein hat keinen Zweck mehr, wenn er seine Gemeinnützigkeit endgültig verloren hat und wenn ihn der Gegner durchlöchert hat wie eine Scheibe auf dem Schießstand.
Die Zeitschrift Sezession gehört nun Lehnert. Sein Unternehmen heißt “Metapolitik” und verantwortet die Zeitschrift inhaltlich und finanziell. Meine eigene Unternehmung heißt “Menschenpark”. (Ich mußte so sehr an Sloterdijk denken, als ich gründete.) Vielleicht werde ich Akademien anbieten, vielleicht schon im Herbst, vielleicht zum Thema “Menschenpark”.
Ein bißchen komisch ist das jetzt schon. Erste Gedanken über die Notwendigkeit einer Gründung machten wir uns im Mai 1999. Das ist jetzt fünfundzwanzig Jahre her. Naja.
Gracchus
@das kapital: natürlich kann ich V. Weidermann ignorieren, tue ich auch. Wenn Impfgegner mit Novalis, einem der tiefsinnigsten Denker & Dichter, in einen Topf geworfen werden, ist das natürlich eine verkappte Ehrbezeugung, die nicht mal alle verdient haben.
Das Beispiel sollte aber als Symptom für Rezeption im Mainstream herhalten. Es spiegelt sich darin auch ein geistiges Klima, das sich mittelbar auch politisch - oder medizinisch - auswirkt. Es gibt eine ehrwürdige deutsche medizinische Tradition, wohl von Paracelsus herrührend, die über die rein grobphysische Betrachtung hinausgeht. Wäre diese Tradition lebendiger, hätte der Corona-Irrsinn keine Chance gehabt, jedenfalls nicht in der krassen Form. K. Lauterbach wäre auch nicht Gesundheitsminister.