Nationale Mythen sind die Sache der Linken nicht. Daß Kaiser Friedrich Barbarossa aus dem Kyffhäuser auferstehen wird, um Deutschland in Zeiten größter Not zu einen und zu retten, ist ein Bild, mit dem Sozialisten, Sozialdemokraten, Grüne und die meisten Liberalen im Regelfall eher wenig anfangen können. Dazu müßten sie nämlich auf irgendeiner Ebene an die Existenz einer Nation oder eines Volkes glauben, und das tun sie nun einmal nicht.
Umso überraschender macht sich derzeit die Figur unseres Wirtschaftsministers Robert Habeck aus. Er arbeitet an nichts anderem als einem nationalen Mythos. Der geht in etwa so: Wenn Deutschland die alte Form des Wirtschaftens aufgibt, alle seine Stärken und Vorteile, dann wird es wie ein Phoenix aus der Asche aus den Trümmern der alten Industrie aufsteigen und weltweit die Rolle eine führende Wirtschaftsmacht einnehmen.
Man kann Robert Habeck keineswegs nachsagen, das nicht offen angekündigt zu haben. Bereits 2019 sagte er, Verzicht sei nicht immer nur negativ. Man könne auch Opfer bringen für Ideale und Überzeugungen. Mittlerweile Wirtschaftsminister, drückt er das im Jahreswirtschaftsbericht 2022 der Bundesregierung folgendermaßen aus:
Durch die Politik, die er anstrebe, „drohen Verluste, und sie betreffen auch Identitäten, Tradition, das, worauf Menschen stolz sind.“ Doch diese Verluste werden nicht umsonst sein. Sie ermöglichen den „Aufbruch Deutschlands zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft“. Deutschland biete „als klimapolitischer Vorreiter den Unternehmen beste Voraussetzungen, gewichtige neue Märkte zu entwickeln und zu erobern.“
„Opfer“, „Verluste“, „Aufbruch“, „erobern“. Die Sprache deutet schon ganz auf einen nationalen Mythos hin. Deutschlands Unternehmen werden durch ein Tal der Tränen gehen; am Ende aber werden sie mit neuer Kraft die ihr zustehende Rolle in der Welt übernehmen und die anderen Nationen sicher durchs dann klimaneutrale 21. Jahrhundert führen.
An Teil 1 dieses Mythos, also der Darbringung der Opfer und der Einäscherung der „alten“ deutschen Wirtschaft, arbeitet Robert Habeck derzeit mit Hochdruck und, man muß es leider sagen, mit großem Erfolg. Die krassesten Beispiele sind bekannt. Der Autoindustrie, wie wir sie kennen und wie sie den Standort Deutschland über Jahrzehnte geprägt hat, wird durch den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor die Grundlage entzogen. Sie soll sich nun auf den Märkten für E‑Mobilität neu erfinden. Ähnliches gilt für Millionen von Gas- und Ölheizungen. Die sollen im Rahmen der Wärmewende fast schon buchstäblich eingeäschert werden, um den Weg frei zu machen für Wärmepumpen und andere, angeblich klimaverträgliche Heizungssysteme. Es wird allein durch diesen Schritt mit zusätzlichen jährlichen Kosten von ca. 9 Milliarden für die deutschen Bürger gerechnet.
Die Opfer, die Robert Habeck der Wirtschaft und den Haushalten aufzwingt, zeigen auch schon Wirkung. Deutschland ist das einzige Industrieland weltweit, das 2023 nicht gewachsen ist. Selbst Rußland, das mitten in einem Krieg steckt und wirtschaftlich massiv sanktioniert wird, hat uns abgehängt. Die Prognosen für 2024 sehen ähnlich aus. Selbst die Bundesregierung geht nur noch von mageren 0,2 Prozent Wachstum aus. Was die Asche betrifft, ist Habecks Mythos schon dabei, Wirklichkeit zu werden.
Wie sieht es aber mit dem Phoenix aus? Wann kommt die Wende, und wie soll sie herbeigeführt werden? An diesem Punkt läßt sich die Naivität der Ampel-Koalition sehr klar aufzeigen.
Einerseits soll Deutschland weltweites Vorbild sein und bei der Klimapolitik als Pionier vorangehen. Wenn Deutschland die Transformation hin zur Klimaneutralität unbeschadet überstehen kann, so die Hoffnung, dann werden andere Länder folgen. Im Jahreswirtschaftsbericht 2022 lautet dieser Gedanke so:
Der Erfolg hängt ebenso davon ab, ob Deutschland im Zuge dieses Weges Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit bewahren kann. Nur wenn das gelingt, können der ehrgeizige Weg auf allen Ebenen bis zum Ende beschritten und andere Staaten ermutigt werden, in die gleiche Richtung aufzubrechen.
Auf der anderen Seite kann der deutsche Weg aber laut Ampel-Koalition nur funktionieren, wenn die anderen Nationen mitspielen, Deutschland also gerade nicht als Pionier vorangeht. Im Jahreswirtschaftsbericht 2023 ist das klipp und klar niedergeschrieben:
Zur wirksamen Dekarbonisierung der Industrie ist internationale Zusammenarbeit unerlässlich, um auf dem globalen Markt Wettbewerbsverzerrungen und Nachteile für fortschrittliche CO2-arme Produktion möglichst gering zu halten.
Es ist wichtig, Habecks Logik zu verstehen: Deutschland soll den Beweis erbringen, daß es möglich ist, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren, auch wenn man seine Industrie mit Gewalt auf „Klimaneutralität“ umstellt. Wenn dieser Beweis gelingt, werden andere Länder Deutschland folgen, und der Klimawandel kann wirksam bekämpft werden.
Gleichzeitig kann die Umstellung der Industrie auf „Klimaneutralität“ nur dann wirtschaftlich funktionieren, wenn Deutschland eben nicht alleine handelt, sondern in internationaler Zusammenarbeit mit anderen Nationen. Um das einmal pointiert zusammenzufassen: Deutschland soll einerseits voranschreiten, ist aber andererseits darauf angewiesen, daß die anderen Nationen im Gleichschritt mitmarschieren.
Zu allem Überfluß heißt es im Jahreswirtschaftsbericht 2023 übrigens: „Internationale Zusammenarbeit scheitert bisher“.
Was wir derzeit an Niedergang erleben, ist daher im Grunde genommen genau das, was in den Jahreswirtschaftsberichten und den sonstigen Aussagen von Robert Habeck angekündigt wurde. Wir opfern unsere alte, funktionierende und erfolgreiche Industrie, um eine neue, „klimaneutrale“ Industrie zu entwickeln. Da die internationale Zusammenarbeit jedoch laut Aussage der Bundesregierung nicht funktioniert, kann Deutschland seinen Wohlstand und seine Wettbewerbsfähigkeit auf diesem Wege erwartungsgemäß nicht bewahren. Daher können wir davon ausgehen, daß uns die anderen Nationen auch in Zukunft nicht folgen werden. Das gesamte Projekt wird an seinen Widersprüchen scheitern.
Vorbildfunktion könnte Deutschland nur dann ausüben, wenn die deutsche Bundesregierung aufhören würde, die ganze Welt mit ihren naiven links-grünen Heilserwartungen zu missionieren und stattdessen auf die zahlreichen Stärken der deutschen Wirtschaft setzen würde.
Als rohstoffarmes Land haben wir eine weltweit erfolgreiche Industrie mit einem Gesamtumsatz von 2,1 Billionen Euro aufgebaut. Diese Industrie ist nach wie vor mittelständisch geprägt. In diesem Bereich hätte Deutschland die Möglichkeit, anderen Ländern als Beispiel zu dienen.
Was wir derzeit hauptsächlich brauchen, um Deutschlands Mittelstand und Industrie zu erhalten, sind gut ausgebildete Fachkräfte und billige Energie. In beiden Bereichen versagt die Bundesregierung völlig. Vier Jahre Robert Habeck bedeuten vier Jahre Einäscherung der deutschen Industrie. Hoffnung auf einen Phoenix besteht erst für die Zeit danach.
Artabanus
Sehr schoen den Widerspruch selbst innerhalb des "Klimanarrativs" herausgearbeitet.
Trotzdem ist und bleibt der wichtigste Punkt diesem Klimanarrativ grundsaetzlich zu widersprechen. Der Mensch kann den CO2-Gehalt der Atmosphaere nicht wesentlich beeinflussen und CO2 kann das Klima nicht wesentlich beeinflussen. Die Praemisse der Dekarbonisierung ist somit gleich doppelt falsch.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Diskussion waere noch, dass sog. fossile Brennstoffe wohl gar keine fossile Herkunft haben und hoechstwahrscheinlich praktisch unbegrenzt vorhanden sind.