Die BILD-Zeitung und andere Medien versuchen nun neben den orchestrierten Skandal-Kampagnen gegen die AfD auch ein demoskopisches Untergangsbild zu zeichnen. Es wäre sicherlich selbstbetrügerisch, wenn man die aktuelle Lage in den Umfragen zu sehr beschönigen würde. Vor nicht mal einem halben Jahr stand die AfD im Bund schließlich noch bei soliden 22%.
Dennoch ist man bundesweit und in den meisten Ländern im Vergleich zu vergangenen Wahlen weit über dem Soll. Der Vergleichsbezug zu vorangegangenen Wahlen ist am Ende immer eine saubere Analysebasis als die Erwartungsgrößen, die sich aus dem Umfragenmarkt ergeben.
Die AfD in Thüringen konnte bei den Kommunalwahlen 25,8% der Stimmen einfahren und landet damit nur knapp hinter dem kommunalen Platzhirschen CDU, die in nahezu allen ostdeutschen Bundesländern schon immer eine starke kommunalpolitische Basis hatte. Absolut konnte die AfD knapp 250.000 Stimmen im Vergleich dazugewinnen. Prozentual um 8,1% zulegen. In 9 von 22 Kreistagen und Stadträten zieht die AfD als stärkste Fraktion ein. In weiteren 10 Kommunalparlamenten wird sie die zweitstärkste Fraktion stellen. 9 Bewerber gehen in die Stichwahl um die Landratsämter. Damit wird sich die Partei auf der kommunalen Ebene weiter verankern können und zeigt damit, dass sie als politischer Faktor im Freistaat nicht mehr wegzudenken ist.
Noch deutlicher als die AfD-Zugewinne dürfte jedoch der Absturz des linken Blocks in Thüringen sein. Sofern in der Bundeszentrale der Linkspartei noch irgendeine Hoffnung bestand, dass sich die Linkspartei in Thüringen noch eine letzte regionale Bastion bewahren könnte, bleibt jetzt nur noch die Ernüchterung und das sehr wahrscheinliche Ende der linken Minderheitskoalition aus SPD, Linke und Grüne. Nur noch die SPD kommt auf ein knappes zweistelliges Ergebnis von 11,6%. Ansonsten spielt der linke Parteienblock in Thüringen keine Rolle mehr. Lediglich in den Groß- und Universitätsstädten des Landes (Jena und Erfurt) kann man sich noch auf eine gewisse Grundbasis verlassen. Auch die deutlichen Zugewinne der „Sonstigen“ Parteien (+4,1% und jeweils stärker als Linke, SPD, Grüne, FDP) unterstreichen den Absturz der etablierten Parteipolitik in Thüringen.
Die Wahlkreiskarten zeigen, dass die AfD vor allem dort starke Zugewinne einfahren konnte, wo sie 2019 noch recht durchschnittlich abschnitt. Insbesondere der Nordosten des Landes kann als neu hinzugewonnene geographische Hochburg für die Partei betrachtet werden. Die Regressionsmodelle zeigen dabei folgende Zusammenhänge:
- Die AfD bleibt eine Partei des ländlichen Raumes und der Kleinstädte
- In Regionen wo es schon 2019 zu einem signifikanten Zuwachs der Wahlbeteiligung kam, kann die Partei nochmals zulegen, was für eine starke erweiterte Wählerreserve und zugleich einer festen Stammwählerschaft spricht.
- Katholisch geprägte Wahlkreise wie das Eichsfeld bleiben unerreichte Festungen in CDU-Hand.
- Sozioökonomische Faktoren spielen nur eine geringfügige Rolle. Weder das verfügbare pro-Kopf Einkommen oder die Arbeitslosenquote in einem Kreis haben signifikanten Einfluss auf den AfD-Stimmenanteil. Allgemeine Unzufriedenheit, Abstiegssorgen und die klassischen identitätspolitischen Themen haben deutlich mehr Gewicht.
- Die AfD wird vor allem in Wahlkreisen mit einem hohen Anteil von Ü65-Jährigen gewählt. Das heißt nicht, dass die Älteren auch die Partei dort zu größeren Anteilen wählen. Eher sind es die Jüngeren in diesen Kreisen, die durch die Vergreisung ihrer Heimat immer weniger Angebote für Kinder und junge Familien haben. Der milieugetriebene Konfliktvektor Alt vs. Jung bestimmt im Osten immer stärker den politischen Mobilisierungswettbewerb.
In den letzten Umfragen zu den Landtagswahlen in Thüringen kann die AfD bisweilen einen komfortablen 10% Abstand zur CDU als Zweitplatzierten halten. Daß die CDU bei den Kommunalwahlen vor der AfD landet ist schließlich auch auf die spezifischen Wahlbedingungen wie das spezifische Wahlsystem, lokaler Verankerung, Kandidatenzentrierung und auch die Verfügbarkeit von ausreichend Bewerbern für die Parlamentssitze zurückzuführen. Dies mögen für die Union auf kommunaler Ebene gewisse Stabilitätsfaktoren sein.
Eine Landtagswahl die aber wesentlich stärker von Stimmungsbildern und einem Bedürfnis nach politischem Wandel geprägt sein kann, dürfte eher auf das Konto der AfD einzahlen. Hier zeigt die Kommunalwahl, daß das Momentum einer politischen Dynamik ganz klar auf Seiten der AfD liegt. Der BSW-Faktor kann bei dieser Wahl bisher noch nicht beurteilt werden, da das Bündnis nur in 4 Wahlkreisen angetreten ist, dort aber immerhin schon zweistellige Ergebnisse einfahren konnte.
Ein Übersichtsartikel zum Stand des BSW schiebe ich in der kommenden Woche nach.
Valjean72
"Absolut konnte die AfD knapp 250.000 Stimmen im Vergleich dazugewinnen. Prozentual um 8,1% zulegen."
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Nur ein kleiner Hinweis: der Anstieg von 17,7% (2019) auf 25,8% (2024) enstspricht einem Zuwachs von 8,1 Prozentpunkten. Prozentual hat die AFD 46% hinzugewonnen.