Wo sind die Preußen? Gedanken von Uwe Jochum

»Friedrich [der Große] brachte die Rede- und Schreibfreiheit zu Ehren, teils durch einen pikanten geistreichen Witz, der so viel über die Menschen vermag, wenn er von einem Könige kommt, teils durch sein noch mehr vermögendes Beispiel als Monarch; denn nie bestrafte er die, welche Böses von ihm sagten oder drucken ließen.«
(Madame de Staël: Über Deutschland)

– –

Bevor aus dem preu­ßi­schen König Fried­rich II. »Fried­rich der Gro­ße« wur­de, muß­te er durch eine har­te Schu­le gehen. Wie hart die­se Schu­le war und war­um sie so hart war, hat Jochen Klep­per in sei­nem Roman Der Vater erzählt:

Es war durch­aus kein Ver­gnü­gen, ein König zu sein, auch wenn die zahl­lo­sen Hol­ly­wood-Fil­me uns das ein­re­den wol­len, in denen wir deka­den­tes Per­so­nal sehen, das sei­ner Lüs­te lebt und sich ums Volk nicht schert. In Wahr­heit war das König­sein kei­ne Lust, son­dern eine Last, vol­ler Ver­pflich­tun­gen in unsi­che­ren staat­li­chen Ver­hält­nis­sen, so daß das Über­le­ben des Staa­tes nicht anders als das per­sön­li­che Über­le­ben immer gefähr­det war.

Daher wur­de man König nicht irgend­wie und irgend­wo und neben­her, son­dern man wur­de dar­auf vor­be­rei­tet. Von Kin­des­bei­nen an wur­de man von Gou­ver­nan­ten und Erzie­hern unter­rich­tet und geschult:

In der Kon­ver­sa­ti­on so lan­ge, bis man per­fekt Fran­zö­sisch sprach; Latein und Grie­chisch sowie­so, damit der spä­te­re Herr­scher bei Cice­ro, Plut­arch, Taci­tus und Cae­sar gele­sen hat­te, was es hieß, zu herr­schen und ein Land zu ver­tei­di­gen; Tanz­stun­den, bis das Menu­ett sicher saß, damit man in Gesell­schaft eine gute Figur mach­te; Musik­un­ter­richt, damit man abends sich selbst und ande­re zur Not musi­ka­lisch unter­hal­ten konn­te, am Cem­ba­lo oder mit der Flö­te; Geschichts­un­ter­richt und Geo­gra­phie, damit man wuß­te, war­um das eige­ne Land, das man regie­ren soll­te, so zer­klüf­tet aus­sah, wie es aus­sah, und damit man wuß­te, aus wel­cher Rich­tung der Feind kam; Kame­ra­lis­tik, damit man ein Gut ver­wal­ten konn­te und, wenn man das konn­te, auch ein Land; Fecht­un­ter­richt, damit man in Form blieb und sich äußers­ten­falls auch sel­ber zur Wehr set­zen konn­te; Reit­un­ter­richt und Unter­richt an der Schuß­waf­fe, damit man bei der Fuchs­jagd in den eige­nen Jagd­re­vie­ren in der Lage war, zu jagen und zu tref­fen; Exer­zie­ren, damit man wuß­te, wie man eine Trup­pe oder eine gan­ze Armee anzu­füh­ren hatte.

Zeit fürs Kin­der­spiel? Hat­te man nicht, höchs­tens, daß ein­mal die Gou­ver­nan­te durch die Fin­ger sah und einen in Ruhe im Sand spie­len ließ; die Mut­ter hat­te Ver­pflich­tun­gen und kam nur ab und an zu Besuch vor­bei; der Vater regier­te mit mehr oder weni­ger har­ter Hand und woll­te nicht wis­sen, was der Sohn nicht konn­te, son­dern wie taug­lich er inzwi­schen war, denn eines Tages wür­de er in die Fuß­stap­fen des Vaters zu tre­ten haben.

Wer die­se Schu­le durch­ge­macht hat­te, hat­te sich bewährt, noch bevor er sich im Regie­rungs­amt bewäh­ren muß­te. Und wenn er sich nicht bewährt hat­te, wuß­te das nicht nur der Hof, son­dern das gan­ze Land, und die Geg­ner wuß­ten es auch. Dann konn­te man nur hof­fen, daß die Erzie­hung des Mon­ar­chen wenigs­tens dafür gesorgt hat­te, daß er sich gute Bera­ter zuzu­le­gen wuß­te und auf sie hörte.

Das ging manch­mal gut, und manch­mal böse dane­ben. Aber ins­ge­samt darf man ver­mu­ten, daß das Regie­rungs­ni­veau und also das Poli­tik­ni­veau deut­lich höher war als heut­zu­ta­ge, wo man meint, es brau­che das alles nicht. Wer unter den Ver­hält­nis­sen, die bis 1918 herrsch­ten, regie­ren muß­te, der wuß­te schon als noch jugend­li­cher Herr­scher in spe, daß das kein Ver­gnü­gen wer­den und man schei­tern wür­de, wenn man mit dem Kopf durch die Wand woll­te. Und das woll­te man damals schon des­halb nicht, weil es kei­ne ideo­lo­gi­schen Pro­gram­me gab, die man durch­set­zen woll­te. Das ein­zi­ge Pro­gramm, das zähl­te, lau­te­te: Sta­bi­li­sie­re dei­nen Staat und dei­ne Herr­schaft, sor­ge für die Zufrie­den­heit dei­ner Bür­ger, dann hat das Zukunft. Vielleicht.

Von hier aus wird ver­ständ­lich, war­um aus Fried­rich II. »der Gro­ße« wer­den konn­te: Er war von sei­nem Vater der­art gedrillt wor­den, daß er all das konn­te, was man kön­nen muß­te, wenn man das Über­le­ben eines Staa­tes zu sichern hat­te. Und er hat das, was ihm vom Vater in die Hän­de gelegt wor­den war, nicht ein­fach kon­ser­viert, son­dern vermehrt.

Anfangs tat er das in jugend­lich-unge­stü­mer und, wie er spä­ter zugab, gefähr­li­cher Wei­se, als er in den Schle­si­schen Krie­gen vom Vor­bild des Vaters abwich und die Armee ein­setz­te, um Preu­ßen durch die Erobe­rung des öster­rei­chi­schen Schle­si­en nach Süden zu erwei­tern. Damals wäre es fast um Preu­ßen gesche­hen gewe­sen, aber Fried­rich gelang es, mit Ver­stand und Glück, viel Sol­da­ten­blut und dem Ein­satz sei­ner gan­zen Per­son, das ver­grö­ßer­te Preu­ßen zu stabilisieren.

So wehr­haft er nach außen war, so libe­ral regier­te er sein Land, und er tat es in einer Wei­se, die die Zeit­ge­nos­sen stau­nen mach­te. Selbst wenn die Geschich­te mit dem Mül­ler, mit dem er in Streit kam, eine Legen­de ist, so hat sie doch, wie alle Legen­den, einen wah­ren Kern: Fried­rich war »der ers­te Die­ner des Staa­tes«; er stell­te sich nicht über die Geset­ze, son­dern unter sie.

Das Recht war ihm nicht Instru­ment über­eif­ri­ger Ehr­pus­se­lig­keit oder gar per­sön­li­cher Machen­schaf­ten, es war ihm ein klug ein­zu­set­zen­des Regie­rungs­mit­tel zuguns­ten des all­ge­mei­nen Bes­ten. Es zer­fiel nicht in ein Zwei­klas­sen­recht und nicht in ein Gesin­nungs- und Normalrecht.

Es gab kei­nen Dop­pel­staat mit einer Dop­pel­mo­ral und all­ge­gen­wär­ti­ger Heu­che­lei. Es gab eine stram­me Staats­ver­wal­tung durch stramm kon­trol­lier­te Beam­te, es gab vom König stramm beauf­sich­tig­te Staats­mi­nis­ter und ein stramm befeh­lig­tes Heer, das nicht nur ein­satz­fä­hig war, son­dern vom König per­sön­lich ins Feld geführt wur­de. Er ritt dabei nicht hin­ten im Troß, son­dern vor­ne an der tête.

Mag sein, daß man­cher die­se Skiz­ze für zu rosig hält, und wahr­schein­lich ist sie es in die­ser oder jener Hin­sicht auch. Aber ins­ge­samt dürf­te das Bild stim­men. Und hält man neben die­ses all­ge­mei­ne Bild das Bild der Bun­des­re­pu­blik von heu­te, auch die­ses Bild ins All­ge­mei­ne und damit Sicht­ba­re ver­grö­bert, wird man nicht nur einen gehö­ri­gen Qua­li­täts­ab­stand dia­gnos­ti­zie­ren, son­dern sich auch fra­gen müs­sen, woher all die Hoch­stap­ler kom­men, die sich und uns ein­re­den wol­len, sie könn­ten aus blo­ßer Ein­bil­dung her­aus ein Land regieren.

– –

Woher also kom­men sie, unse­re Regie­rungs­hoch­stap­ler? Nun, die Ant­wort lau­tet natür­lich: Sie kom­men aus Deutsch­land, sind ein Gewächs die­ses Lan­des. Daß die­ses Kraut hier Fuß fas­sen konn­te, hat vie­le Grün­de. Einer davon ist, daß Deutsch­land 1918 erfolg­reich nie­der­ge­run­gen wor­den war und die Revo­lu­ti­on das alte Sys­tem mit den alten Sicher­hei­ten hin­weg­ge­fegt hatte.

Der Staat von Wei­mar hat die­se Sicher­hei­ten nicht wie­der her­stel­len kön­nen und litt unter innen- und außen­po­li­ti­schen Span­nun­gen, die sich nach einem schlei­chen­den Bür­ger­krieg in der Eta­blie­rung der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft ent­lu­den. Sie hin­ter­ließ nicht nur ein staat­li­ches Trüm­mer­feld, son­dern auch ein Volk, dem man das Kreuz gebro­chen hat­te, so daß ihm nichts ande­res übrig­blieb, als sich mit­tels der ange­bo­te­nen ame­ri­ka­ni­schen Pro­the­sen wenigs­tens wie­der in eine halb­wegs auf­rech­te Hal­tung zu bringen.

Aber, machen wir uns nichts vor: Seit 1945 kann Deutsch­land nicht mehr allei­ne ste­hen. Und auch dies dür­fen wir uns nicht vor­ma­chen: Es will auch nicht mehr allei­ne stehen.

Ein ande­rer Grund, war­um die Hoch­sta­pe­lei so mas­sen­haft in Staat, Wirt­schaft und Kul­tur Ein­zug hielt, ist die immer wei­ter um sich grei­fen­de Media­li­sie­rung des All­tags. Was wir tun sol­len, wie wir zu sein haben, sagt uns nicht mehr die väter­li­che Erzie­hung, die Tra­di­ti­on der Fami­lie, schon gar nicht die des Adels­ge­schlechts, und daß das Chris­ten­tum uns etwas zu sagen hät­te, dürf­te die Mehr­zahl der hier­zu­lan­de Leben­den nicht ein­mal mehr für einen Scherz halten.

Was gilt oder gel­ten soll, sagt uns viel­mehr die Film­in­dus­trie, die sich zunächst als Fern­se­hen und inzwi­schen als Face­book, Net­flix oder You­Tube in unse­rem All­tag fest eta­bliert hat, längst über­formt von einer über­bild­mäch­ti­gen Wer­be­indus­trie. All die­se sta­bil in ame­ri­ka­ni­scher Hand befind­li­chen Mas­sa­ge­ma­schi­nen des Bewußt­seins gau­keln uns eine Kul­tur vor, in der sich kör­per­li­che Schön­heit und finan­zi­el­ler Erfolg in einer so attrak­ti­ven Wei­se amal­ga­mie­ren, daß die Fra­ge des »Wozu eigent­lich?« nicht ein­mal mehr als sinn­vol­le Fra­ge gilt.

Und so spie­len alle die ame­ri­ka­ni­schen Rol­len ein­fach nach, und je län­ger das geht, des­to mehr ver­schmel­zen Rol­le und Selbst­bild zu einem öffent­lich­keits­wirk­sa­men »Image«. Bei Baer­bock, so kann man ver­mu­ten, ist es das Image des Man­ne­kins aus der Wer­bung für »Drei-Wet­ter-Taft«; das Gan­ze in die Ver­lauf­ste­gung der öffent­li­chen Auf­trit­te so ein­ge­bet­tet, als wol­le man Lager­feld ein wenig Kon­kur­renz machen. Aber halt nur für die »Bun­te«.

Und der Schelm, der ver­mut­lich durch einen Agen­ten in die Rol­le des Wirt­schafts­mi­nis­ters gehievt wur­de, gibt den schnodd­ri­gen Pro­le­ten in einem fran­zö­si­schen Film aus der Schu­le des Poe­ti­schen Rea­lis­mus, der abends auf einen Dia­bo­lo men­the ins Bis­tro geht, um dort die Welt­pro­ble­me im Hand­um­drehn zu lösen. Das sieht zwar irgend­wie fran­zö­sisch aus, wohl wahr, aber der Ver­leih ist ja längst in ame­ri­ka­ni­scher Hand.

– –

Wie schrieb Madame de Staël über Ber­lin? Die Stadt brin­ge kei­ne fei­er­li­che Wir­kung her­vor, sie tra­ge weder das Geprä­ge der Geschich­te des Lan­des noch sei­ner Ein­woh­ner. »Die schöns­ten Paläs­te von Ber­lin sind von gebrann­ten Stei­nen; kaum wird man in den Por­ta­len und Tri­umph­bö­gen Qua­der­stei­ne auf­fin­den.« Sie schrieb das vor zwei­hun­dert Jah­ren. Das 19. Jahr­hun­dert hat sie wider­legt, das 20. Jahr­hun­dert hat sie bestä­tigt. Der Rest der Stadt und und jenes Deutsch­land, des­sen form­ge­ben­des Haupt Ber­lin sein soll­te, wird nun abgeräumt.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (37)

Artabanus

13. Juni 2024 12:02

Wann genau ist Preussen untergegangen? 1871? 1918? 1945?
Im Nachhinein ist zumindest klar, dass 1871 der Anfang vom Untergang war, was Wilhelm I damals intuitiv fühlte, und auch Bismarck merkte schnell, dass er übers Ziel hinausgeschossen war. Und nun haben wir die Groß-BRD: groß genug um den Zahlmeister für Europa zu spielen und gleichzeitig ein geopolitischer Zwerg mit weniger Souveränität als Andorra. Ganz zu schweigen von der allgemeinen Korruption, die in sämtlichen Institutionen so alltäglich geworden ist, dass Sie von den meisten überhaupt nicht wahrgenommen wird.
 

das kapital

13. Juni 2024 12:14

Wir sind weiter von Preußen entfernt als je zuvor.Oberflächlicher amerikanischer Konsum bestimmt unser täglich Leben, täglich Brot, täglich Kultur.Wir sind deutschsprachig. Bis zu 90 Prozent der Radiomusik sind englischsprachig. Da schon fängt kulturelle Entfremdung an.In der Bonner Republik war Aufstieg durch Bildung möglich.Das ist jetzt immer weniger machbar.Wer versteht sich heute noch als kultureller Nachfahre von Kant und Goethe und Luther ?Vergleich da einfach mal die Zeit vor dem 1. Weltkrieg mit heute, 110 Jahre später.Vor dem ersten Weltkrieg haben u.a. Kant, Goethe und Luther dieses Land kulturell getragen.Heute wird uns tagtäglich eine neue woke Kultur eingeblasen.

Mitleser2

13. Juni 2024 13:40

Bin für das Königreich Bayern unter Prinzregent Luitpold 1886-1912, nach den Tod von Ludwig II. Große kulturelle Blüte. Und man schaue sich alte Bilder vom Oktoberfest an. Pure Lebensfreude. Preußen ist uns Bayern fern.

Karl Otto

13. Juni 2024 13:41

Das größte Unglück der deutschen Geschichte war zweifellos die Dominanz Preussens und es Hauses Hohenzollern über lange Zeit. Unter den liberalen Süddeutschen oder den anglophilen Hannoveranern wäre es und besser gegangen.

Blue Angel

13. Juni 2024 13:51

Um das (leider) zutreffende aber recht düstere Bild der beiden Vorkommentatoren etwas heller zu zeichnen möchte ich darauf hinweisen, daß zumindest einige preußisch-deutsche Tugenden weiter existieren: Die normalen Menschen, die noch arbeiten und erfreulicherweise auch große Teile der Jugend füllen unauffällig und alltäglich Werte wie Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein mit Leben aus. Auch und grade unter täglich erschwerten Bedingungen.
Die "Woken" (m. E. tatsächlich Narkotisierten) sind laut und ihre Lautstärke wird von den Systemmedien nach Kräften verstärkt. Den normalen Jugendlichen ist eine solide Ausbildung mit dem Ziel, auch unter Entbehrungen ein Häuschen für die geplante Familiengründung und deren Zukunft erwerben/bauen zu können, immer noch wichtiger als "Image" und Konsum und auch sonst leben sie eher bodenständig und nach traditionellen Werten. Es sind erfreulicherweise mehr als man aufgrund ihres Vorkommens in den Hauptstrommedien erwartet hätte. Zumindest für mich ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer.

das kapital

13. Juni 2024 15:10

@ karl otto stimme zu 1848/49 Paulskirche war die Chance auf demokratischen Fortschritt in Deutschland. Preußen, Hannover und Österreich haben das verhindert. Insofern also kleine Korrektur, das anglophile Hannover hat sich auch der Paulskirche in den Weg gestellt.

KlausD.

13. Juni 2024 15:15

Den jetzigen Politikbetrieb mit seinen Hochstaplern in Deutschland dem Preußens unter König Friedrich II. gegenüber zu stellen, ist wohl ganz erhellend, aber sollte nicht zu dem Schluss führen, einen aristokratischen Feudalstaat zu präferieren. Denn Gegenbeispiele gibt es genug, selbst in Preußen, nehmen wir nur seinen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. Ganz abgesehen von sonstigen Verhältnissen wie beispielsweise unter dem französischen König Ludwig XVI. mit seiner Frau, der ehemaligen habsburgischen Prinzessin Marie Antoinette, der Tochter von Kaiserin Maria Theresia. Und selbst dem sich zur Aufklärung hingezogenen Friedrich II. war das Regime seines Vaters so verhasst, das er versuchte, daraus (nach England) zu entfliehen. Aber zugegeben, in der gegenwärtigen Situation sich preußischer Tugenden bewusst zu werden, macht ganz sicher Sinn. Und die Frage „Wo sind die Preußen“ ist ganz leicht zu beantworten – sie sind hier - unter uns - und das Haus Hohenzollern wartet vermutlich nur darauf, gerufen zu werden …
https://www.preussen.de/#:~:text=Mit%20%C3%BCber%20350.000%20Besucherinnen%20und,der%20beiden%20Linien%20unseres%20Hauses.
 

Daniel

13. Juni 2024 15:41

@ Blue Angel: Wobei man allerdings anmerken sollte, dass der ganze Laden nur deswegen läuft, weil immer noch genügend in die Pedale treten und damit auch dazu beitragen, dass Sozialleistungen wie Bürgergeld an die stetig wachsende Zahl nicht-deutscher Empfänger gezahlt werden können (deren Anteil in Hessen laut einem jüngsten Artikel in der Welt bereits bei über 75 % liegt). Von daher sollte es einen wiederum auch nicht verwundern, wenn viele Jüngere den Sinn des 9-bis-17-Arbeitens hinterfragen, insbesondere wenn man auch an die, nicht zuletzt durch die Migration, stark gestiegenen Immobilienpreise denkt, die in den urbanen Regionen (also dort wo eben auch die Jobs sind) den Eigenheimerwerb selbst für Gutverdiener mittlerweile nahezu unerschwinglich machen (sofern man sich jedenfalls nicht auf Jahrzehnte über beide Ohren verschulden will).

Valjean72

13. Juni 2024 15:58

@Karl Otto: "Unter den liberalen Süddeutschen oder den anglophilen Hannoveranern wäre es und besser gegangen."
---
 
Jeder prosperierende deutsche Nationalstaat hätte den Argwohn und den Neid seiner Nachbarn (insbesondere der westlichen) hervorgerufen, vollkommen egal unter wessen Führung.
 
Auszug aus einem Gespräch zwischen dem britischen Spitzenpolitiker und Chefdiplomaten Arthur Balfour (1902 - 1905 britischer Premierminister, 1915 - 1916 Erster Lord der Admiralität, 1916 - 1919 britischer Außenminister) mit dem US-Diplomaten Henry White aus dem Jahr 1907 (!).
 
BALFOUR: "Wir sind wahrscheinlich Narren, wenn wir keinen Grund finden, Deutschland den Krieg zu erklären, bevor es zu viele Schiffe baut und uns den Handel nimmt."
 
(Quelle: Allan Nevins, "Henry White - Thirty Years of American Diplomacy", New York: Harper Bros., 1930, S. 257-258)
 
Aber dies einem eingefleischtem (liberal-konservativem) Transatlantiker näher zu bringen, ist wohl vergebliche Liebesmüh.
 
---
P.S.: Wilhelm II. war der Lieblingsenkel von Queen Victoria.

Blue Angel

13. Juni 2024 16:46

Daniel, Sie schildern da sehr richtig die Kehrseite der Werte-und-Tugenden-Medaille: Gäbe es mehr Verweigerung auf allen Ebenen, könnten die "Fahrradlenker" es nicht mehr in der Spur (in den Abgrund) halten. Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein, z. B. gegenüber Kranken und Pflegebedürftigen, verhindert vielfach diese Verweigerung. 
Valjean, danke für den Hinweis auf Balfour u. a. - M. E. führen solche Fakten und Zitate aber selten zur Abkehr der (freundlich ausgedrückt) Transatlantik- und Anglophilie-Romantiker von ihrem illusionären Weltbild: Die lebenslängliche Indoktrination sitzt leider zu tief. 

Klaus Kunde

13. Juni 2024 16:46

Preußen ist mausetot. Der Alliierte Kontrollrat attestierte lediglich seinen Tod, ein an Leichenschändung grenzendes Delikt. Voraus ging ein schwerer Krankheitsverlauf mit sichtbaren Spitzen 1871, 1918 und 1932, schließlich im Siechenstadium 1933 unter Kuratel gestellt. Mit dem Verlust der östlichen, ehemals preußischen Provinzen territorial amputiert blieb Deutschland zur Weiterexistenz allein die interne Westverschiebung, was eine nachhaltige politische, gesellschaftliche und kulturelle Neuausrichtung zur Folge hatte. Die Elite Preußens, einst eine Kriegerkaste, lediglich dem obersten Kriegsherrn verantwortlich, durch Vertreibung und Enteignung vollständig ruiniert, spielte politisch im Nachkriegsdeutschland keine Rolle mehr. Eine neue hat sich bis heute nicht herausgebildet, was man begrüßen oder bedauern mag.
Nebenbei: Domestique, gern mit Diener übersetzt, scheint mir zweifelhaft. Eher zutreffend wäre Hausknecht, während für (Haus)Diener serviteur passender wäre. Friedrich 2 dürfte sich des Unterschieds sicher bewußt gewesen sein.

RMH

13. Juni 2024 17:12

@Valjean72,
was ist jetzt so spezfisch "antideutsch" bei dem Zitat Balfours, welches aus der Zeit des Imperialismus stammt, in dem alle europäischen Mächte ihre Spiel um ihre eigenen Machtinteressen spielten und jedem Land noch klar war, dass es keine Freundschaften zwischen Nationen gibt, sondern nur Interessen. Deutschland war da auch dabei und nicht nur ein naives, argloses Opfer. Es wusste zumindest damals, dass ihm nichts vergönnt ist und hat daher entsprechende militärisch aufgerüstet, war am Ende dann aber doch nicht so schlau. Diese Einsicht wurde dann recht schnell von deutschen Militärs dahingehend gedreht, dass Deutschland niemals eine Chance gehabt hätte, wegen und dann kommen tausend Gründe etc.
Für die Hobbyhistoriker mag dieser Artikel interessant sein, welcher einen Einblick in die ausgefeilten Planungen, Spiel und Intrigen in der Zeit vor dem WK1 gibt:
https://www.welt.de/geschichte/article158923155/Wie-Frankreich-Deutschland-in-den-Krieg-trieb.html 

Le Chasseur

13. Juni 2024 17:14

@Valljean72
"Wilhelm II. war der Lieblingsenkel von Queen Victoria."
Willi soll sich doch auch von seinem englischen Cousin bequatscht haben lassen, Bismarck zu entlassen.

das kapital

13. Juni 2024 18:18

@Valjean72 Soso, Lieblingsenkel, die musste ja auch den ersten Weltkrieg nicht mehr erleben, wo sich das ganze dann in Haus Windsor umbenannte. /// Der ewige Kampf um die Ressourcen der Welt mag ja auch den Weg in den ersten Weltkrieg mit bestimmt haben. Aber allen Ernstes, der Tod eines Thronfolgers war genügender Anlass um Millionen von Toten zu produzieren ? Da gab es keine bessere Lösung ? ///

kikl

13. Juni 2024 20:33

"So wehrhaft er nach außen war, so liberal regierte er sein Land, und er tat es in einer Weise, die die Zeitgenossen staunen machte. Selbst wenn die Geschichte mit dem Müller, mit dem er in Streit kam, eine Legende ist, so hat sie doch, wie alle Legenden, einen wahren Kern: Friedrich war »der erste Diener des Staates«; er stellte sich nicht über die Gesetze, sondern unter sie."
Das schließt perfekt an meinen Kommentar zum vorherigen Gastartikel " Bewältigung des Scheiterns" von Fritz Keilbar. Dort hatte mich bemerkt:
"Frau Merkel hat mit dem permanenten Rechtsbruch durch die Duldung und Beförderung der illegalen Massenimmigration dem Rechtsstaat Deutschland  das Licht ausgeknipst. Denn ein Rechtsstaat ist ein Staat, der dem Recht unterworfen ist. Merkel hat bewiesen, dass der Kanzler über dem Recht steht."
Wir sind im besten Deutschland aller Zeiten (Bundespräsident Steinmeier) zivilatorisch hinter die aufgeklärte Monarchie Friedrichs des Großen zurückgefallen. 

Artabanus

13. Juni 2024 23:39

@Le Chasseur
Die Entlassung Bismarcks war doch überfällig und rief allgemeine Erleichterung hervor. Es war eine der besten Taten von Wilhelm II. Die darauffolgenden Zeit bis zum 1.Weltkrieg war wahrscheinlich die glücklichste Zeit der Deutschen Geschichte.

ofeliaa

14. Juni 2024 02:16

Aber nicht die Mischlinge vergessen, die 50% Bayer und 50% Preusse sind. 

KlausD.

14. Juni 2024 08:44

@Artabanus  13. Juni 2024 23:39"Die Entlassung Bismarcks war doch überfällig und rief allgemeine Erleichterung hervor. Es war eine der besten Taten von Wilhelm II."
Zu der nach dem Sturz Bismarcks 1890 anstehenden Verlängerung des Nichtangriffsvertrages mit Rußland sagte Wilhelm II. nach kritischen bzw. ablehnenden Aussagen seiner Berater: (Zitat) „Nun, dann geht es nicht, so leid es mir tut“ … „zehn Worte, deren Folgen niemand berechnen konnte, als der Mann, den man nicht mehr fragte. Sie erschütterten die Sicherheit des deutschen Reiches: sie führten zum frankorussischen Bündnis.“
Und als Bismarck 1892 von der Hochzeit seines Sohnes von Wien wieder zurück fährt: „Heut strömen an allen Orten, die der Alte auf der Fahrt von Wien nach Kissingen passiert, die Menschen zusammen, die Städte bitten um die Huld, ihn empfangen zu dürfen … Europa spottet, als es die Verbote der preußischen Regierung an die Städte Halle und Magdeburg liest, sie dürfen nicht mittun … Da drängen Stadt und Hochschule, Bürger und Bauern der Umgebung, Lehrer, Kinder, Frauen auf den alten Markt ...“
Zitate aus „Bismarck – Geschichte eines Kämpfers“ von Emil Ludwig 1927 Ernst Rowohlt Verlag Berlin

das kapital

14. Juni 2024 12:15

@ Klaus D. Prima beschrieben. Bismarck war ja schon "in die Jahre gekommen". Aber seine Huldigung zu verbieten war unsäglich. Er war und blieb ein geopolitischer Leuchtturm auch nach der Entlassung. Heute würde er in einem "thinktank" daran mitwirken, dass seine Nachfolger auf Linie bleiben und ihnen den Weg weisen. Damals war man so dumm, das Licht auszuknipsen. Wären seine Nachfolger ihm gefolgt, dann hätte es kein Verdun und keinen ersten Weltkrieg gegeben. Soweit traue ich mich, theoretische Geschichtsschreibung zu betreiben. Bismarck steht für die Erfolge nationaler Einigung. Demokrat allerdings war er ganz und gar nicht. Politisch wäre Deutschland mit den Demokraten der Frankfurter Paulskirche besser gefahren.

kikl

14. Juni 2024 13:36

@KlausD 
@ „Nun, dann geht es nicht, so leid es mir tut“
Aha, der Kaiser wollte den Pakt also verlängern, aber es sprach einiges dagegen. Was wäre denn der Preis dafür gewesen? Erst wenn man das weiß, kann man darüber urteilen, ob es ein Fehler war.
Und kann das wirklich der Grund für die Katastrophe sein? Hat Wilhelm 2 doch immer wieder eine Entente mit Russland gesucht, beispielsweise 1904. Aber Russland wollte nicht! Vielleicht hat einfach die Gier nach Beute zum Krieg geführt?
Mir scheint es deshalb arg verkürzt, dieses Ereignis als Angelpunkt der Geschichte zu betrachten.

paterfamilias

14. Juni 2024 13:45

Eine allzu rosige Skizze Friedrichs des "Großen" in der Tat. Seine liberale Haltung zu Kunst und Meinungsfreiheit scheint bisweilen eher snobistische Attitüde gewesen zu sein.
Als Vertreter der lutherischen Kirche von Berlin-Brandenburg 1781 ein neues Gesangbuch einführen wollten, aus dem viele der unter anderem von Bach vertonten Gedichte Paul Gerhardts getilgt werden sollten, führte das zu Aufruhr an der Kirchenbasis. Dort liebte man die volkstümliche und volksfromme Dichtkunst Gerhardts, die der Amtskirche ein Dorn im Auge war. Schließlich warf sich niemand anderes als die Toleranz-Ikone Friedrich mit großer Geste für die Gerhardt-Fraktion in die Bresche. Er verfügte, jedermann habe die Freiheit, im Gottesdienst die Lieder zu singen, die ihm heilig seien. Doch er tat das von einem verdammt hohen königlichen Ross herab, nämlich mit den Worten:
"Was die Gesangbücher angeht, so stehet einem jedem frey zu singen: Nun ruhen alle Wälder, oder dergleichen dummes und thörichtes Zeug mehr."
Statt Gedankenfreiheit glaubte Seine Majestät dem Pöbel offenbar eher Narrenfreiheit zu gewähren - beinahe noch respektloser, als mit der Zensurkeule auf das gemeine Volk einzuprügeln.  
 

Klaus Kunde

14. Juni 2024 15:22

Zur Einordnung religiöser Toleranz des Königs: Das sonntägliche Hetzen von der Kanzel gegen Andersgläubige gehörte zum guten Ton, auch in Preußen. Die protestantische Mehrheit hetzte gegen Katholiken, Katholiken gegen Protestanten, auf daß die Häretiker ewiglich in der Hölle schmoren mögen. Man lebte bestenfalls gleichgültig Rücken an Rücken. Gemeinsamkeit: Tiraden aller Art gegen die Mörder Christi. Eine gewachsene Normalität religiöser Intoleranz. Friedrichs Randnotiz verdeutlicht denn auch eine oktroyierte Tolereranz, die er zeitweise durch Spitzel überwachen ließ: „Die Religionen müssen alle tolleriret werden und mus der Fiskal nuhr das Auge darauf haben, das keine der anderen abrug tuhe, denn hier muß (nicht etwa soll) ein jeder nach seiner Fasson selich werden.“
Die nunmehr staatlich verordnete Toleranz entsprach keineswegs dem Volksempfinden, vor allem nicht auf dem Lande, u. wurde von den wenigsten als Wohltat empfunden. Kolportiert wird, es hätten einige Pastoren und Priester das Land verlassen, weil sie die neuartige Toleranz nicht ertrugen. Das primäre Motiv des praktisch denkenden Religionsverächters Friedrich 2: mit hoher Wahrscheinlichkeit Staatsräson, also „Suum cuique“, preußisch übersetzt, jedem seine Pflicht zum Wohle des Staates. Also Vermeidung von Reibungsverlusten im exakt laufenden preußischen Uhrwerk.

KlausD.

14. Juni 2024 18:07

@kikl  14. Juni 2024 13:36" Was wäre denn der Preis dafür gewesen? ... immer wieder eine Entente mit Russland gesucht ..."
Der Vertrag wurde 1890 mit folgender Begründung abgelehnt: „ … in diesem Vertrag kämen die Vorteile nur Rußland zugute, das durch ihn zur Eröffnung der Orientkrise ermuntert, worauf Frankreich auf uns losschlagen würde.“ Ja, die Geschichte war damit noch nicht zu Ende, das Verhältnis zu Rußland nicht endgültig zerstört. Wilhelm II. erkannte „die teuflische Greifzange Gallien-Rußland“ und schlug, quasi im Alleingang, seinem Vetter Zar Nikolaus II ein Bündnis vor (1904 per Brief und 1905 bei einem Zweiertreffen an Bord der „Polarstern“ in der Bucht von Björkö), jedoch dilettantisch abgefasst, beide nicht umsetzbar. Ergebnis: „Die Folgen seines Abenteuers sind gesteigertes Misstrauen Frankreichs, das den Zaren einen General zum Aufpassen schickt, Wandel der Deutschenfreunde in Petersburg, die sich betrogen fühlen ...“ Infolge der naiven und sprunghaften Politik Wilhelm II. wird sich folgendes bewahrheiten: „In Berlin fürchten jetzt weite Kreise, daß wir eines Tages zwischen sämtlichen Stühlen sitzen könnten. Leider hat der Kaiser ja mit allen Staaten anzubandeln versucht, was sie natürlich sämtlich wissen. Auch ist er in seinen Äußerungen gar zu unvorsichtig … von seiner Unfehlbarkeit und Überlegenheit ist er überzeugt ...“

Zauberer von Oz

14. Juni 2024 20:17

Fragen sie mal einen Dortmunder wer die Borussia ist!
Merkste selber, ne?

KlausD.

15. Juni 2024 09:31

@kikl
Kurz zusammengefasst aus meiner Sicht: Die Genialität Bismarcks hatte zwei Schattenseiten, innenpolitisch unterschätzte er das Volk, was er später einsah, und außenpolitisch hatte er alles auf seine Person zugeschnitten, was nach seinem Ausscheiden dazu führte, daß sein System zusammenbrach. Keiner war da, der ihn ersetzen konnte. Der Kaiser war zwar der Meinung, er wäre der Mann dafür, brachte auch guten Willen mit, aber in seiner naiven und selbstherrlichen Art brachte er Deutschland letztendlich nur in die Isolation.

Valjean72

15. Juni 2024 10:46

@das kapital: "@Valjean72 Soso, Lieblingsenkel ...Aber allen Ernstes, der Tod eines Thronfolgers war genügender Anlass um Millionen von Toten zu produzieren ? Da gab es keine bessere Lösung?"
---
1) Das Wilhelm II. von Queen Victoria geschätzt und gemocht wurde ist mW in der Geschichtswissenschaft unbestritten
 
2) Willhelm II. wollte diesen Krieg nicht und hatte auch gar keinen Grund dazu, da sich das damalige Deutschland im Frieden enorm entwickelte in Wissenschaft, Technik, Industrie und Handel. Weltweit gab es nur einen einzigen Staat, der eine ähnliche Dynamik aufwies: die USA.
 
Insbesondere der Aufstieg zur globalen Handelsmacht bereitete den Engländern Sorgen, mehr noch: daraus erwuchs der Gedanke und schliesslich der Plan Deutschland mit kontinentalen Partnern (F & RUS) in einen Mehrfrontenkrieg zu verwickeln und zu besiegen ("Germania ese delenda").
 
Das Bild welches heute noch über Wilhelm II. weitestgehend vorherrscht, ist erwachsen aus der anti-deutschen Kriegspropaganda insbesondere der Angelsachsen aus dem 1.WK.
 
Hiesige Transatlantiker habe sich dieses Bild naturgemäss zu eigen gemacht.

Le Chasseur

15. Juni 2024 12:50

"Dass Wilhelm II. von Queen Victoria geschätzt und gemocht wurde ist mW in der Geschichtswissenschaft unbestritten"
Richtig: https://www.welt.de/geschichte/kopf-des-tages/article236393259/Queen-Victoria-Die-Koenigin-starb-in-den-Armen-Kaiser-Wilhelms-II.html
"Immer wieder schwankt Wilhelm zwischen der Liebe zum hochgemuten England (...) und dem Hass auf die englische Mutter, auf das "perfide Albion", dessen Medizinern er vorwirft, nicht nur seine Geburt verpfuscht, sondern durch falsche Diagnosen auch den Tod Friedrichs III. beschleunigt zu haben: "Ein englischer Doktor tötete meinen Vater und ein ebensolcher verkrüppelte meinen Arm!" Er will Frieden halten mit Oma Victoria, Onkel Edward, Vetter George - aber er hat seinen Stolz. Vorschläge zur Aufgabe der Flottenaufrüstung weist er als "Unverschämtheit" zurück."
https://www.geo.de/magazine/geo-epoche/10358-rtkl-wilhelm-ii-als-kaiser-der-letzte

das kapital

15. Juni 2024 12:50

@Valjean72 Queen Victoria ist 1901 gestorben und hat die sogenannte "Kanonenbootpolitik" nicht mehr miterlebt. ///Bismarcks Politik hätte nicht in einen ersten Weltkrieg geführt. Die Abwendung von seinen Strukturen und seinem Verständnis hat dazu geführt. ///Transatlantische Turboegoisten beherrschen unser Land ganz und gar. Ich kann aber hier im Forum gerade nicht gar zu viele Transatlantiker entdecken. Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Guttenberg, Strack-Zimmerman oder Roderich Kiesewetter schreiben hier weder unter Klarnamen noch unter Pseudonym. Die lassen nur durch ihren guten Kumpel Haldenwang alles schön mitschreiben und legen so prima Dossiers an, wie auch bei Dr. Maaßen. Wenn Sie unter drei Pseudonymen schreiben, dann bekommen Sie gleich 3 Stasi 2.0 Akten. ///Wirtschaftskriege werden ja damals wie heute geführt. Auch der Wirtschafts-krieg um Europa und den Rest der Welt hat eine Vorgeschichte. Wenn aber ein einziger Spinner, der mordet für einen Weltkrieg ausreicht, stimmt was nicht. Wegen eines toten Polizisten in Mannheim würde keiner einen Weltkrieg auslösen.

kikl

15. Juni 2024 13:27

@KlausD
Danke für ihre ausführliche Replik, die sehr sachlich und vernünftig war. In einem Punkt möchte ich Ihnen allerdings widersprechen. Vielleicht liegt aber auch kein Widerspruch vor und ich habe Sie nur falsch verstanden:
Wenn es Wilhelm II "verschulden" war, nicht die Genialität Bismarcks besessen zu haben, so stimme ich ihn zu. Aber darauf folgt für mich nicht, dass er ein schlechter Kaiser gewesen ist oder dass er gar hauptschuldig am Ausbruch des 1. Weltkrieges war. Diese Interpretation des Mainstreams scheint mir auch ihre zu sein und der möchte ich widersprechen.
Im Vergleich zu unseren heutigen Repräsentanten (Scholz, Baerbock und Co.) war Wilhelm II gewiss ein Genie. Es ist also immer eine Frage der Perspektive.

herbstlicht

15. Juni 2024 14:37

»religiöse Toleranz«
Hierzu Anekdote aus der Zeit 1910--1920; aus dem Munde meines Vaters: im Armenhaus des Dorfes, im katholischen Oberpfälzer Wald, wohnte eine protestantische Witwe mit ihrer fast erwachsenen Tochter.  Ein Zeitvertreib der Dorfbuben war es, sich unter das Fenster zu stellen und zu schreien:
"Steig affe [hinauf] am Gipfel, luthrischer Zipfel / fall owe [hinunter] in Grund, luthrischer Hund".  Niemand im Dorf, auch nicht Pfarrer oder Lehrer, ermahnte jemals die Buben.

Gustav

15. Juni 2024 15:33

@ das Kapital
"Bismarcks Politik hätte nicht in einen ersten Weltkrieg geführt. Die Abwendung von seinen Strukturen und seinem Verständnis hat dazu geführt."
Es war vollkommen egal, wer das Land regierte.
Professor USHER hat in seinem 1913 erschienenen Werk zum ersten Male das Vorhandensein und den Inhalt eines >Agreement< oder >Treaty< (Abkommen oder Vertrag) geheimer Natur zwischen England, Amerika und Frankreich aus dem Frühjahr 1897 bekanntgegeben. Professor USHER führt des längeren alle Gründe, auch kolonialer Natur an, die es für die Vereinigten Staaten zwingend machten, sich unbedingt auf Seiten Englands und Frankreichs an einem Krieg gegen Deutschland zu beteiligen. Hier hat man einen Vertrag, von dem Professor USHER behauptet, er sei schon Anno 1897 geschlossen worden, in welchem jede Phase der Anteilnahme und Betätigung Englands, Frankreichs und Amerikas bei zukünftigen Ereignissen schon vorgesehen ist, einschließlich der Eroberung der spanischen Kolonien, der Kontrolle über Mexiko und Zentralamerika, der Öffnung Chinas und der Annexion von Kohlenstationen.
Dazu der Kaiser nach dem Krieg: »Man muß staunen. Ein direkter Aufteilungsvertrag gegen Spanien, Deutschland usw. wird von Galliern und Angelsachsen im tiefsten Frieden bis in die Details geregelt, abgeschlossen, ohne jede Gewissensbisse zum Zwecke, Deutschland-Österreich zu zertrümmern und ihre Konkurrenz vom Weltmarkt auszuschließen."

Gustav

15. Juni 2024 15:43

@ das kapital
Nachzulesen in "Der Grosse Wendig" Richtigstellungen zur Zeitgeschichte, Band 1, Seite 59 bis 64

Laurenz

15. Juni 2024 16:16

Preußen war bereits tot & das ist gut so, solange wir nicht über einen Soldatenkönig verfügen.

Artabanus

15. Juni 2024 16:24

@Klaus D. 
Ich Stimme Ihren Aussagen aus dem heutigen Eintrag um 9:31 zu.
Das Bismarcksche Staatsgebilde benötigte stets einen Bismarck um nicht unterzugehen. Aber der Mann war halt nicht unsterblich und nach 19 Jahren war sein Abtreten bereits überfällig. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn er schon viel früher abgelöst worden wäre, denn je länger er die Geschicke des Staates leitete, desto unentbehrlicher schien er sich selbst und dem Rest. 
Der Rückversicherungsvertrag mit Russland war kein solides Fundament für ein strategisches Gleichgewicht mehr, sondern eher ein letzter Versuch, das zusammenbrechende Gebäude der Bismarckschen "Aushilfen" provisorisch abzustützen. Selbst eine Verlängerung um 3 weitere Jahre hätte am Ende nicht viel bewirkt. Die Dynamiken die schließlich zum Krieg führten waren bereits in Gang gesetzt.
Die entscheidenden außenpolitischen Fehler Bismarcks sehe ich in einer viel zu engen Anbindung an Österreich und in der durch Annexion Elsass-Lothringens bedingten Feindschaft mit Frankreich. Sein größter Fehler insgesamt war die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum sog. Deutschen Reich. Ohne diesen Fehler gäbe es Preußen wahrscheinlich noch heute.

das kapital

15. Juni 2024 20:11

@ Gustav Sie führen ja nun als Quelle den großen Wendig an. Wenn ich da aber genauer hinschaue, erscheint der als wenig seriöse Quelle aus einem NPD Umfeld.In Sachen Professor Usher wird um nähere spezifische Benennung von Vornamen, Lebendaten und Buchtitel gebeten. Danke. /// Es ist für mich derzeit nicht nachvollziehbar, ob wer genau wann und wie 1897 eine Art Geheimbündnis zustandegebracht hat, Amerika ist doch wohl auch erst 1916 in den Krieg eingestiegen, nicht schon 1914 ?

Laurenz

15. Juni 2024 20:28

@Gustav @Das Kapital ... "Bismarcks Politik hätte nicht in einen ersten Weltkrieg geführt." ... Das werden wir nie erfahren. Sie behaupten das einfach so. Bismarck starb 1898. Die hohen Trump'schen Schutzzölle & der damit verbunde Entzug des Hochadels von den globalen Agrarmärkten auf Kosten der Allgemeinheit, gab es schon zu den Zeiten Bismarcks. Hierzu gehört auch das Schließen der Deutschen Börsen für den Kapitalbedarf der Russischen Industrialisierung, was bis in der 90er des letzten Jahrhunderts 2 Seiten einer Medaille beschreibt, haben zu einer Deutschen Isolierung geführt. Inwieweit Bismarck auf die bodenlosen Investitionen Habsburgs (nach dem Berliner Abkommen  von 1878) & den mangelnden Rüstungsanstrengungen Habsburgs, schlechter Diplomatie (warum den Serben & damit den Russen keinen Adriazugang gönnen?) beim gleichzeitigen Tanz auf dem Pulverfaß (der Schweinekrieg mit Serbien), auf Kaiser Franz-Joseph hätte Einfluß nehmen können, ist schwer zu beurteilen. Vielleicht hätte Er militärisch keine Nibelungentreue angeboten, das mag sein. Aber das Versagen im I. Krieg bezog sich auch auf die von Bismarck getragene Ständegesellschaft. Niemand will für die Privilegien des Hochadels verrecken oder den Untergebenen für unfähige adlige Offiziere auf Kriegsschiffen machen.

das kapital

16. Juni 2024 04:42

@ Laurenz "theoretische" Geschichtsbehauptungen sind immer riskant. Was aber Bismarck angeht, war dieser geopolitisch den anderen Akteuren seiner Zeit geistig überlegen. Daran - an dieser geistigen Überlegenheit - hätten sich eben auch seine Nachfolger orientieren müssen, um nicht anderen Strategen in die Falle zu gehen. /// Wenn Österreich zu wenig gerüstet hat, warum haben die sich dann wegen eines toten Thronfolgers in den Krieg begeben ? War sterben so sehr "Ehrensache", dass es das wert war ? Das war kein Verdun wert. ///  Die Österreicher sind heute noch Stolz darauf, wie sie im 19. Jahrhundert gelebt und gewirkt haben. Dieses Leben hätte sich doch wohl viel besser verteidigen lassen, als so. Dieser verfeinerte Nationalstolz wirkt auch heute noch und hat mehr Charme, als der preußisch geprägte.  /// Wie es mit dem serbischen Zugang zur Adria war, musste ich mir bisher nicht näher anschauen. Ich habe erstmal die Erwartung, dass ein Transit durch österreichische Lande möglich war und auch entsprechende Abkommen verhandelt worden sind. /// Die von Bismarck (mit-) getragene Ständegesellschaft sei (mit) schuld am ersten Weltkrieg ? Mehr als das behauptete Geheimabkommen von 1897 ? Erst mal war diese Gesellschaft doch wohl schuld an der Reichsgründung 1871.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.