Die Serben und die Russen

von Dušan Dostanić -- PDF der Druckfassung aus Sezession 118/ Februar 2024

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In Deutsch­land herrscht die Ansicht vor, Ser­bi­en bil­de so etwas wie eine rus­si­sche Vor­hut auf dem Bal­kan. Wahr­schein­lich stammt die­se ver­ein­fa­chen­de Wahr­neh­mung noch aus der Zeit des Ers­ten Welt­kriegs, in der Ruß­land als gro­ßer Strip­pen­zie­her hin­ter der ser­bi­schen Außen­po­li­tik dar­ge­stellt wurde.

Die Vor­stel­lung von den angeb­lich aggres­si­ven Ser­ben, die als ver­län­ger­ter Arm Ruß­lands fun­gie­ren, hat in Deutsch­land bis zum jugo­sla­wi­schen Bür­ger­krieg über­dau­ert. Johann Josef Deng­ler iden­ti­fi­zier­te in Cri­ticón »ser­bi­sche Kom­mu­nis­ten« als Übel­tä­ter, wäh­rend Klaus Hor­nung in der­sel­ben Zeit­schrift mut­maß­te, daß Groß­bri­tan­ni­en die Schaf­fung eines Groß­ser­bi­ens anstrebe.

Wie Lon­don und Paris gegen­über den Ser­ben tat­säch­lich ein­ge­stellt waren, zeig­ten die NATO-Angrif­fe gegen die Repu­bli­ka Srps­ka 1995 und gegen Ser­bi­en 1999. In einem ande­ren Text, in dem er »eine mili­tä­ri­sche Inter­ven­ti­on« gegen die Ser­ben in Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na befür­wor­te­te, mahn­te Hor­nung, daß auch »die Gene­rä­le Ruß­lands« aus dem »ser­bi­schen Fall« ihre Schlüs­se zie­hen wür­den. Man müs­se also die Ser­ben bestra­fen, um die Rus­sen in Schach zu halten.

Die Gleich­set­zung der Ser­ben mit dem Kom­mu­nis­mus ent­spricht dem bekann­ten Bild von den ser­bisch-rus­si­schen Bezie­hun­gen, aber hat auch viel mit einem fal­schen Ver­ständ­nis des ortho­do­xen Glau­bens zu tun. Etli­che west­li­che Autoren waren der Ansicht, daß die ortho­do­xen Völ­ker beson­ders anfäl­lig für den Kom­mu­nis­mus sei­en. Die­se Fehl­dia­gno­se stell­te auch Otto von Habs­burg, der behaup­te­te, die ortho­do­xen Völ­ker Ost- und Süd­eu­ro­pas hät­ten am wenigs­ten Wider­stand gegen ihre Bol­sche­wi­sie­rung geleis­tet und nicht zufäl­lig eine Art »Natio­nal­kom­mu­nis­mus« entwickelt.

Aus die­ser Deu­tungs­li­nie lei­tet sich die Vor­stel­lung ab, daß nicht bloß die Kom­mu­nis­ten, Ser­ben oder ser­bi­schen (National-)Kommunisten, son­dern die Rus­sen und die Ortho­do­xie der eigent­li­che Feind der abend­län­di­schen Kul­tur sei­en. Repor­ta­gen aus dem jugo­sla­wi­schen Bür­ger­krieg cha­rak­te­ri­sier­ten die Ser­ben immer wie­der auf abwer­ten­de Wei­se als »öst­lich«, »byzan­ti­nisch« und »ortho­dox«. Der ser­bi­sche His­to­ri­ker Mil­o­rad Eknečić zog dar­aus den Schluß, daß Ser­bo­pho­bie sehr oft nur ein Aus­fluß der west­li­chen Rus­so­pho­bie sei.

Wenn aber Ruß­land als Feind des Wes­tens betrach­tet wird, gilt das auch für die poten­ti­ell pro­rus­si­schen Ser­ben; wenn man gemäß die­ser Logik die Rus­sen bekämp­fen will, muß man auch die Ser­ben unter Kon­trol­le brin­gen, auch jene in Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na oder in Mon­te­ne­gro. Nicht nur die ser­bi­sche Regie­rung, son­dern das ser­bi­sche Volk als Gan­zes wird von der west­li­chen Poli­tik als geo­po­li­ti­scher Ant­ago­nist eingestuft.

Aber auch man­che ser­bi­schen Autoren sind der Ansicht, daß eine libe­ra­le Hal­tung mit einer pro­west­li­chen, eine kon­ser­va­ti­ve, natio­na­le oder tra­di­tio­na­lis­ti­sche Hal­tung hin­ge­gen mit einer pro­rus­si­schen Ori­en­tie­rung gleich­zu­set­zen sei. Die west­li­chen Medi­en bezeich­nen die Haupt­trä­ger der letz­te­ren Rich­tung als »rechts­extrem«. Auch die­se Deu­tung, die in Ser­bi­en vor allem in libe­ra­len Krei­sen Wur­zel geschla­gen hat, beruht auf einem ver­zerr­ten Geschichts­bild. In sei­ner pro­gram­ma­ti­schen Schrift Der Ent­wurf schrieb der bedeu­ten­de ser­bi­sche Staats­mann Ili­ja Garaša­nin schon 1844, daß ein rus­sisch-ser­bi­sches Bünd­nis zwar natür­lich und nahe­lie­gend sei, riet aber trotz­dem dazu, gegen­über Ruß­land nüch­tern, vor­sich­tig und skep­tisch zu bleiben.

Auch spä­te­re ser­bi­sche Kon­ser­va­ti­ve blie­ben ruß­land­skep­tisch und befür­wor­te­ten eine Ori­en­tie­rung an Öster­reich-Ungarn und an Deutsch­land. Sie befürch­te­ten eine Rus­si­fi­zie­rung der Ser­ben und lehn­ten pan­sla­wis­ti­sche Bestre­bun­gen als absurd ab. Ande­rer­seits waren es die ser­bi­schen Libe­ra­len des 19. Jahr­hun­derts, die sich im gro­ßen und gan­zen eher an Ruß­land ori­en­tier­ten. Rus­si­sche Tra­di­tio­na­lis­ten ver­öf­fent­lich­ten 1860 einen Hir­ten­brief an die Ser­ben, der die Ver­west­li­chung der ortho­do­xen Bal­kan­völ­ker kri­ti­sier­te. Die­ser Brief for­der­te das ser­bi­sche Volk auf, sei­ne Iden­ti­tät und Selb­stän­dig­keit zu erhal­ten, wäh­rend er beton­te, daß die Ortho­do­xie die Grund­la­ge des ser­bi­schen und sla­wi­schen Wesens sei. Man fürch­te­te, daß eine außen­po­li­ti­sche Bin­dung Ser­bi­ens an Wien die Ver­brei­tung von Mate­ria­lis­mus und Ratio­na­lis­mus hier beschleu­ni­gen könn­te, eine Ent­wick­lung, der mit einer ent­schie­de­nen Hin­wen­dung zum ortho­do­xen Ruß­land vor­zu­beu­gen sei.

Was heißt es über­haupt, »pro­rus­sisch« zu sein? Ruß­land ist kein homo­ge­ner Block und war es auch nie­mals. Mehr als eine Mil­li­on sowje­ti­scher Bür­ger, dar­un­ter 700 000 Sla­wen, kämpf­ten im Zwei­ten Welt­krieg auf deut­scher Sei­te. Das zeigt, wie tief die Spal­tun­gen inner­halb Ruß­lands waren. Sowohl eine pro­kom­mu­nis­ti­sche als auch eine anti­kom­mu­nis­ti­sche Hal­tung lie­ßen sich rus­so­phil recht­fer­ti­gen. Zum Bei­spiel zeig­te König Alex­an­der I. (1888 – 1934) Sym­pa­thien für die »wei­ßen« Rus­sen und die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che im Exil, gepaart mit einer deut­lich anti­so­wje­ti­schen Hal­tung. Bis 1940 pfleg­te das König­reich Jugo­sla­wi­en kei­ne diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen mit dem Sowjet­staat. Vor dem Zwei­ten Welt­krieg unter­schied die ser­bi­sche Rech­te kon­se­quent zwi­schen der Sowjet­uni­on und Ruß­land. Die dama­li­ge Posi­ti­on der Sowjet­uni­on wie­der­um war eher anti­ser­bisch. Mos­kau betrach­te das »mon­archo-faschis­ti­sche« König­reich Jugo­sla­wi­en als ein Werk­zeug der »groß­ser­bi­schen Bour­geoi­sie« und unter­stütz­te sepa­ra­tis­ti­sche Bewegungen.

Wer die heu­ti­ge Lage Ser­bi­ens ver­ste­hen will, muß jedoch alle ein­fa­chen For­meln über Bord wer­fen. Ser­ben und Rus­sen sind zwei ver­schie­de­ne Völ­ker mit auf­fäl­li­gen Ähn­lich­kei­ten, aber auch eige­nen geschicht­li­chen Prä­gun­gen. Ver­bin­dend sind vor allem das ortho­dox-byzan­ti­ni­sche Erbe und die sla­wi­sche Her­kunft. Der ortho­do­xe Glau­be und die Natio­nal­kir­che waren für die Ser­ben stets Fun­da­ment ihrer natio­na­len Iden­ti­tät. Schlech­te Erfah­run­gen mit dem Islam wäh­rend der osma­ni­schen Okku­pa­ti­on des Bal­kans, mit dem katho­li­schen Pro­se­ly­tis­mus und mit der Ver­west­li­chung über­haupt hat­ten gro­ße Tei­le des ser­bi­schen Vol­kes vor allem in den Rand­ge­bie­ten dazu getrie­ben, in Ruß­land einen Beschüt­zer des ortho­do­xen Glau­bens und der tra­di­tio­nel­len Kul­tur zu sehen. Das hat manch­mal zu einer unkri­ti­schen Roman­ti­sie­rung geführt.

Obwohl ihre eth­no­kul­tu­rel­len Ähn­lich­kei­ten und tra­di­tio­nell engen Bezie­hun­gen nicht zu leug­nen sind, blei­ben die Ser­ben und die Rus­sen ver­schie­de­ne Völ­ker mit aus­ge­präg­tem Selbst­be­wußt­sein, eige­nen natio­na­len Inter­es­sen und einer kom­ple­xen wech­sel­sei­ti­gen Geschich­te. Jour­na­lis­ten und Mora­lis­ten ken­nen die Geschich­te im all­ge­mei­nen sehr schlecht und ver­ges­sen, daß es ihrer bedarf, um das Ver­hal­ten der Völ­ker zu ver­ste­hen und die Gren­zen zu erken­nen, inner­halb derer Lösun­gen zu suchen sind.

Fol­gen­de his­to­risch beding­te Tat­sa­chen sind für die gegen­wär­ti­ge außen­po­li­ti­sche Ori­en­tie­rung Ser­bi­ens von Bedeutung:

  1. Ser­bi­en wur­de am Ende des 20. Jahr­hun­derts von der NATO bom­bar­diert. Die West­mäch­te unter­stütz­ten die uni­la­te­ra­le Abspal­tung des Koso­vo wie auch die Ver­krüp­pe­lung des ser­bi­schen eth­no­kul­tu­rel­len Raums durch künst­li­che Gren­zen und ad hoc erfun­de­ne eth­ni­sche Iden­ti­tä­ten. Noch heu­te üben die West­mäch­te Druck auf den ser­bi­schen Teil von Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na aus. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben mit Unter­stüt­zung des EU-Par­la­ments Sank­tio­nen gegen den Prä­si­den­ten der bos­ni­schen Repu­bli­ka Srps­ka, Mil­o­rad Dodik, ver­hängt. Das Ziel ist offen­bar, die recht­lich aner­kann­te Auto­no­mie der Repu­blik auf­zu­he­ben und die Ser­ben unter die zen­tra­lis­ti­sche Kon­trol­le von Sara­je­vo zu brin­gen, was prak­tisch alle Ser­ben unab­hän­gig von ihren poli­ti­schen Prä­fe­ren­zen ablehnen.

Der Kon­flikt zwi­schen den West­mäch­ten und den Ser­ben war nie eine Fra­ge der »Demo­kra­tie« oder der Libe­ra­li­sie­rung, son­dern in ers­ter Linie geo­po­li­tisch bedingt. Im jugo­sla­wi­schen Bür­ger­krieg woll­ten die Ser­ben nach dem Zer­fall des jugo­sla­wi­schen Viel­völ­ker­staa­tes einen eige­nen, rela­tiv homo­ge­nen Natio­nal­staat grün­den, gera­de in dem Moment, als sich der Wes­ten anschick­te, Natio­nal­staa­ten durch die Schaf­fung mul­ti­kul­tu­ra­lis­ti­scher und trans­na­tio­na­ler poli­ti­scher Struk­tu­ren aufzulösen.

Nach der offe­nen Aggres­si­on von 1999 hat die NATO ihren Krieg mit ande­ren Mit­teln wei­ter­ge­führt. Die Pro­zes­se vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof in Den Haag gehö­ren eben­so dazu wie auch der »deutsch-fran­zö­si­sche Plan« für den Koso­vo und ande­re Erpres­sungs­ver­su­che sei­tens der EU. Wenn die Ser­ben ihre Sou­ve­rä­ni­tät, ihre Gren­zen und ihre natio­na­le Selbst­ach­tung erhal­ten wol­len, sind sie gezwun­gen, Wider­stand gegen die West­mäch­te zu leis­ten. Sie sind seit dem Zwei­ten Welt­krieg das ein­zi­ge euro­päi­sche Volk, das sich kraft sei­nes aus­ge­präg­ten Natio­nal­be­wußt­seins ohne Ver­bün­de­te im Rücken, ohne durch­dach­te Stra­te­gie, im Allein­gang und aus eige­nem Antrieb her­aus den atlan­tisch-glo­ba­lis­ti­schen Kräf­ten wider­setzt hat.

  1. Die Ser­ben sind im Ver­gleich zu ande­ren Völ­ker Euro­pas noch ein rela­tiv kon­ser­va­ti­ves, tra­di­ti­ons­ori­en­tier­tes und natio­nal­be­wuß­tes Volk. Die ser­bisch-ortho­do­xe Kir­che spielt im gesell­schaft­li­chen Leben des Lan­des eine wich­ti­ge Rol­le als patrio­ti­sche, Ehe und Fami­lie schüt­zen­de Insti­tu­ti­on. Aus der ortho­do­xen Per­spek­ti­ve ist die Idee eines glo­ba­lis­ti­schen Welt­staats wider­sin­nig. Das himm­li­sche Ser­bi­en kann nicht in einer uto­pi­schen »One World« auf­ge­löst wer­den, die ser­bi­sche Kir­che ist ent­we­der eine Natio­nal­kir­che oder gar kei­ne Kir­che mehr. In der Welt der Ortho­do­xie gibt es kei­nen Platz für »Homo­ehe« oder Gen­der­ideo­lo­gie. Die Kir­che hat in der Zeit des Kom­mu­nis­mus vie­le Erfah­run­gen mit dem Tota­li­ta­ris­mus gesam­melt und ist dar­um befä­higt und bereit, auch heu­ti­ge tota­li­tä­re Ten­den­zen zu bekämp­fen. Aus die­ser Per­spek­ti­ve wird der Kon­flikt mit den Glo­ba­lis­ten nicht nur geo­po­li­tisch, son­dern auch ideo­lo­gisch oder, wenn man es so nen­nen will, geis­tig aus­ge­tra­gen. Die links­li­be­ra­le Ideo­lo­gie, die heu­te in Euro­pa hege­mo­ni­al gewor­den ist, ist für die brei­te Mas­se des ser­bi­schen Vol­kes nicht nur fremd, son­dern voll­kom­men inakzeptabel.
  2. Ser­bi­en ist eine zu klei­ne Nati­on, um sich geo­po­li­tisch und ideo­lo­gisch allein gegen die west­li­che Welt stel­len zu kön­nen. Es braucht Ver­bün­de­te. In die­ser Lage bie­tet sich Ruß­land selbst­ver­ständ­lich als stra­te­gi­scher Part­ner Ser­bi­ens an. Das ist auch inso­fern logisch, weil die Regie­rung Ruß­lands und die rus­si­sche Öffent­lich­keit der dezi­dier­ten Mei­nung sind, daß die Pro­vinz Koso­vo und Metochi­en ein unver­äu­ßer­li­cher Teil der Repu­blik Ser­bi­en ist. Ruß­land betrach­tet es auch als inak­zep­ta­bel, die Repu­bli­ka Srps­ka in ein ein­heit­li­ches Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na auf­ge­hen zu las­sen, was zur Fol­ge hät­te, daß die Ser­ben von bos­ni­schen Mus­li­men domi­niert wür­den. Das sind nur zwei für die Ser­ben sehr bedeut­sa­me Bei­spie­le, um den Unter­schied zwi­schen der rus­si­schen und der west­li­chen Hal­tung zu markieren.

Die­se Bin­dung an Ruß­land soll jedoch nicht aus einer roman­ti­sier­ten, emo­tio­na­len Sla­wen­bru­der­schaft, son­dern aus nüch­ter­nen poli­ti­schen Erwä­gun­gen erfol­gen. Es ist nicht wün­schens­wert, einen Hege­mon durch einen ande­ren zu erset­zen. Genau dar­in hat Dimi­tri­os Kis­ou­dis den gro­ßen Unter­schied zwi­schen den USA einer­seits sowie Ruß­land und Chi­na ande­rer­seits erblickt. Die USA erhe­ben »Anspruch auf eine uni­po­la­re Welt, sprich: Welt­herr­schaft«, wäh­rend »Ruß­land und Chi­na eine mul­ti­po­la­re Welt anstre­ben, in der Euro­pa als Pol eigen­stän­dig Freun­de anzieht und Fein­de abstößt.« Min­des­tens strebt Ruß­land eine mul­ti­po­la­re Welt an, die klei­nen Staa­ten etwas mehr Spiel­raum läßt. Und nur Ruß­land ist heu­te imstan­de, den Druck der NATO auf den Bal­kan zu min­dern und die wei­te­re Zer­quet­schung des ser­bisch-eth­no­kul­tu­rel­len Raums zu stoppen.

  1. Die­se Part­ner­schaft könn­te auch für die Rus­sen von Belang sein. Alex­an­der Dugin hat wie­der­holt die geo­po­li­ti­sche Bedeu­tung Ser­bi­ens für Ruß­land her­vor­ge­ho­ben und eine Alli­anz vor­ge­schla­gen, an der auch Bul­ga­ri­en und Grie­chen­land betei­ligt sein könn­ten. Sei­ner etwas über­trie­be­nen Mei­nung nach tei­len Ser­ben und Rus­sen auf der geo­po­li­ti­schen Ebe­ne ein und das­sel­be Schick­sal. Er ging sogar so weit, die Ser­ben als »Avant­gar­de der eura­si­schen Kräf­te« und als Vor­kämp­fer der mul­ti­po­la­ren Welt zu bezeichnen.

Auch hier spielt die NATO-Aggres­si­on von 1999 eine ent­schei­den­de Rol­le. Damals hat die rus­si­sche Eli­te begrif­fen, daß mit einer rus­si­schen Inte­gra­ti­on in den Wes­ten nicht zu rech­nen ist. Nata­li­ja Narot­sch­niz­ka­ja schreibt, daß Ser­bi­en ein Hin­der­nis für die mili­tä­risch-poli­ti­sche Beset­zung Euro­pas durch die NATO dar­stel­le. Dar­aus folgt, daß die NATO-Aggres­si­on gegen Ser­bi­en ein Krieg sowohl gegen Ruß­land als auch gegen Euro­pa gewe­sen ist.

  1. Die ser­bisch-rus­si­sche Part­ner­schaft bleibt durch eini­ge Fak­to­ren begrenzt. Ruß­land ist von Ser­bi­en weit ent­fernt, es gibt kei­ne Land­ver­bin­dung zwi­schen den bei­den Staa­ten. Abge­se­hen von Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na ist Ser­bi­en von NATO-Län­dern ein­ge­kreist. Nach dem Krieg haben die Ame­ri­ka­ner eine gro­ße Mili­tär­ba­sis im Koso­vo (Camp Bond­s­teel) ein­ge­rich­tet. Seit der Abspal­tung von Mon­te­ne­gro im Jahr 2006 hat Ser­bi­en den Zugang zum Meer ver­lo­ren. Eine von den USA unter­stütz­te und erlaub­te Inter­ven­ti­on gegen die Repu­bli­ka Srps­ka oder gegen die Ser­ben in der Pro­vinz Koso­vo und Metochi­en ist wei­ter­hin im Bereich des Mög­li­chen, auch als Schritt gegen Ruß­land. Des­we­gen soll­te sich Ser­bi­en bemü­hen, sei­ne mili­tä­ri­sche Neu­tra­li­tät zu erhal­ten und sich auf sei­ne ideo­lo­gi­sche und geis­ti­ge Stär­kung zu konzentrieren.

Man muß auch ein­räu­men, daß die rus­si­sche Prä­senz im media­len Bereich nur schwach ist. Stär­ke­ren Ein­fluß haben hin­ge­gen deut­sche links­li­be­ra­le Stif­tun­gen. Es scheint, daß die rus­si­sche Sei­te für den Krieg der Ideen nicht aus­rei­chend vor­be­rei­tet ist. Erheb­lich ist auch der west­li­che Ein­fluß auf ser­bi­sche Eliten.

  1. Obwohl die stra­te­gi­sche Part­ner­schaft mit Ruß­land für die Ser­ben eine Not­wen­dig­keit ist, soll­ten sie sich nicht allein auf die­se ver­las­sen. Es wäre zusätz­lich sinn­voll, etwa gute Bezie­hun­gen zu Ungarn auf­recht­zu­er­hal­ten und zu ver­tie­fen. Die Über­rei­chung des Gol­de­nen Grads des Ordens des Hei­li­gen Sava durch den ser­bisch-ortho­do­xen Patri­ar­chen Porf­iri­je an Vik­tor Orbán ist ein deut­li­cher Schritt in die­se Rich­tung. Das Poten­ti­al für eine tief­ge­hen­de wirt­schaft­li­che, poli­ti­sche und geis­ti­ge Zusam­men­ar­beit zwi­schen Bel­grad und Buda­pest auf christ­li­cher und his­to­ri­scher Grund­la­ge ist groß und soll­te genutzt wer­den. Auch ande­re poten­ti­el­le Bünd­nis­se zeich­nen sich ab: So hat Mil­o­rad Dodik in einem Inter­view für Voice of Euro­pe sei­ner Sym­pa­thie für die AfD Aus­druck ver­lie­hen. Der Wider­stand gegen die atlan­ti­sche Poli­tik kann nur in einem euro­päi­schen Kon­text erfolg­reich sein. Das heißt, daß Ser­bi­en nicht nur die eige­ne Lage erken­nen, son­dern sich auch meh­re­re Mög­lich­kei­ten offen­hal­ten muß. Nur dadurch kann der Wider­stand von 1999 sei­nen Sinn erhal­ten. Ob die herr­schen­de poli­ti­sche Klas­se des Lan­des den Auf­ga­ben der Zeit gewach­sen ist, bleibt frag­lich, aber der poli­ti­sche Instinkt und das natio­na­le Bewußt­sein der Jugend sind wei­ter­hin Grund zur Hoff­nung, daß Ser­bi­en sei­ne poli­ti­sche Exis­tenz bewah­ren wird.

 

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