Gut, die französische Nationalversammlung wird nach dem tückischen Mehrheitswahlrecht bestimmt. Einige Kandidaten zogen zurück, um dem Linksbündnis zum Erfolg zu verhelfen, was gelang:
Sechsundzwanzig Prozent für dieses eilig zusammengeschraubte Linksbündnis reichen, um zweiunddreißig Prozent für den Rassemblement National zu neutralisieren, die Rechte also auszubremsen, weil Zweckbündnisse dann vielleicht mit Macrons Truppe (dreiundzwanzig Prozent) und fluiden Kräften geschlossen werden können.
Demokratie ist Rechnerei und meint, daß zusammenaddierte Mehrheiten bestimmen sollten, auch in Frankreich, wo Bündnisse und Koalitionen schwierig sind. Nach ein paar Monaten Selbstlähmung werden sie sich zusammenraufen.
Aber eine Volksfront funktioniert hierzulande um so besser – als Allianz aus Transferversorgten, Halb- und Jungintellektuellen, alimentierten Zugereisten, ausdauernd Arbeitsunwilligen und deren politischen Sachwaltern, die meinen, Sozialismus sei trotz retardierender Wirtschaft und schwieriger Finanzlage so luxuriös wie noch nie möglich, da doch, dank Restkapitalismus, immer noch genug Vermögen umzuverteilen wäre.
Die Volksfrontkommissare der Linken, Sozialdemokraten und Grünen versorgen ihre Anhängerschaft mit der Gewißheit, denen stünde um ihrer Würde und diverser universeller Rechte willen aller Lebenskomfort selbstverständlichst zu. Der Begriff der Würde fungiert quasireligiös als sakrosanktes Anrecht auf alles, während über den Wert von Personen zu reden bereits als Akt faschistischer Selektion gilt.
Dazu mal der Aphoristiker Francoise de La Rochefoucauld: „Es gibt Wert ohne Würde, aber keine Würde ohne Wert.“
Selbst der derzeit Nachtsitzungen des Kabinetts auslösende Haushalt riefe kaum so dramatischen Klärungsbedarf auf, wäre er nicht vom Klientelismus der Parteien diktiert, überlastet unter anderem durch Milliarden, die für fragwürdige Programme in ein Bildungssystem gekippt werden, das sein Unvermögen zur Qualifizierung junger Menschen seit ca. vierzig Jahren mit stets neuerlichem Versagen eindrucksvoll erweist. Um von den kostenintensiven Klima- und AgitProp-Programmen mal zu schweigen.
Die Regierung weiß es selbst: Mehr als an einem Einnahmen- krankt sie an einem Ausgabenproblem. Es sind zu viele zu reichlich zu bedienen.
Aus der Draufsicht wären Straffungen zum Nutzen der Leistungsträger und wichtiger Zweckgerichtetheit kurzfristig möglich, nur verliert die Draufsicht gegenüber der demokratisch bevorzugten Froschperspektive der Einzelbedürfnisse.
Frankreich ist ökonomisch und finanziell aus gleichem Grund schon lange kaputt; es lebt als Karikatur seiner selbst gestisch und rhetorisch vom überkommenen Nimbus der Grande Nation. Macron, personifizierte Hybris, ist der Comic-Held dieser Karikatur. Deutschland ist unter der Ampel-Regie stramm auf dem Weg dorthin, nur will es im Gegensatz zu Frankreich nicht mal mehr eine Nation sein und wird an sich ja von einer ph-neutralen Buchhalterfigur geführt.
Außerhalb der Konsumtionszentren der großen Städte wirkt es zudem eingeschlafen und überaltert, das Leben auf dem Lande erlosch. Einsamkeit, Verlorenheiten, ans Glasfasernetz angeschlossen. Digitalisierung, als Vehikel, Medium, Fetisch, soll irgendwie ausgleichen, was an Substanz verlorenging.
Die Kultur inszeniert sich wie wie eh und je als ein Elitenprojekt, die Bildung bietet kaum mehr als eine so reduziert sozialpädagogische wie forciert politische Veranstaltung: Leistungsorientierung, Erziehung also, Vertiefung der Wissens- und Könnensbestände ausgeschlossen. Das Land ist alles andere als fit.
Falls überhaupt noch an Korrektur zu denken wäre, ist der Korrekturbedarf mittlerweile so enorm und existentiell dringlich, daß er demokratisch, also kraft Mehrheitsentscheidungen kaum mehr leistbar erscheint. Wer dennoch die Nation retten wollte, müßte den Rubikon überschreiten.
Denn die Mehrheit aus dem hypertrophen öffentlichen Dienst und freigestellten Leistungsempfängern kann nur wollen, daß alles so bleibt, wie es ist, solange es eben noch laufen mag. Und der Parlamentarismus des Bundestages und all der anderen mit hohem Ernst debattierenden Klein- und Kleinstvertretungen mit ihren Honoré-Daumier-Gestalten folgt dieser Maßgabe. Devise: Wir wollen alle unser Mandat behalten, also haben wir Mandanten zufriedenzustellen.
Den Überbau dieser leerdrehenden Stagnationsgesellschaft bildet das sozialistisch-grünwoke Phrasengebäude um Teilhabe, Antidiskriminierung, Chancengleichheit, Gerechtigkeit, das permanent neue „Bedarfe“ benennt, aber die Banalität vergessen will, daß erarbeitet werden muß, was dann verteilt werden kann. Der Renten- und Banlieue-Sozialismus gewann in Frankreich die Wahlen zur Nationalversammlung, während hierzulande die ökosozialen Weltverbesserungs- und Umverteilungsfunktionäre die Politik bestimmen.
Eine Kraft, die nun demokratisch diese sklerotische Form der angeblich unhintergehbaren Demokratie und deren dekadente quasibarocke Selbstgefälligkeit eines Ancien Regime verändern wollte, kann, wenn’s um harte Umsteuerung geht, selbst kaum mehr eine lupenrein demokratische sein. Das ist mindestens zu befürchten, insofern das, was ein – zusammenaddierte – Mehrheit will, nicht per se das ist, was notwendig zu leisten wäre.
Also wird es um die Frage gehen: Will man das? Will man es wagen, Verkrustungen aufzubrechen, hinter denen es noch so wohlig restwarm ist?
In dem riskanten Fall vergesse man, daß es auf evolutionärem Wege über parlamentarische Initiativen, Debatten und Ausschußarbeit in Berlin, den Provinzhauptstädten und gar in Brüssel laufen könnte. Bei allen vielfach beschriebenen Vorzügen der Demokratie:
Wäre mit ihr, so wie sie derzeit ist, noch konsequent umzusteuern? Oder braucht es einen Solon, Peisistratos, Kleisthenes oder Milei? Gar Salazar? Oder das Erratikum Donald Trump? Nein, erfordert ist nicht gleich eine Korrektur-Diktatur, vor der allen so bangt, sondern der vitale, der mutige Impuls oder auch nur das hochgehaltene Stop-Schild. Aber wie kommen jene nach vorn, die es hochhalten? Und wer genau wäre das?
Erscheinen dringend notwendige Veränderungen nurmehr auf charismatischem und autoritärem Weg möglich? Aber wer sollte der Charismatiker, wer die Autorität für notwendige Veränderungen sein? Wer noch könnte oder wollte den Rubikon überschreiten? Die Gefahr, in diesem Grenzgewässer umzukommen, ist größer als die Chance, am anderen Ufer erfrischt weitermarschieren zu können.
Minimalvariante illiberale Demokratie? Gilt als defekt, erscheint aber handlungsfähig in dezisionistischer Weise …
Es bleibt sonst immer noch die philiströse Biedermeier-Variante, es unter bisherigen „Grundvereinbarungen“ – im Vertrauen auf die für eine Lebensfrist passable Vorratslage – auszuhalten, solange die Billigangebote reichen. Alter Wappenspruch der Zuversichtlichen: Die Rente ist sicher! Die meisten werden darauf vertrauen und jene anderen, die nach starken Alternativen suchen, bei den Staatsorganen denunzieren.
Ich meine nach wie vor kleinlaut:
Der Reaktionär sowieso, aber vermutlich ebenso der Rechte und der Konservative stehen auf verlorenem Posten. Wer hält das aus? In der woken Demokratie werden sie als Feinde, als pathologische Fälle und als das personifizierte Böse geschmäht. Haben sie aber tatsächlich den Elan, Veränderungen herbeizuführen, werden sie unweigerlich schuldig, weil sie angesichts der Verhältnisse robust vorgehen müßten.
Was wiederum kaum vorstellbar ist, insofern dafür längst die Energie aus der Gesellschaft fehlt, insbesondere in Gestalt einer nach Kreativität strebenden und risikobereiten Jugend, die Richtung Bewegung drängt – so, wie das um 1900 auf vielfältige Weise und nicht nur im Jugendstil geschah.
Bislang taugt die Rechte eher als Selbstlegitimierung der „Demokraten“ – für deren sich zunehmend hysterisierenden „Kampf gegen rechts“, weil die Steinmeiersche „Mitte“ um etwas anderes als ein Feindbild gar nicht zu ringen bereit ist.
Als Björn Höcke einflocht, bei Abschiebungen könne „es schon mal zu unschönen Szenen kommen“, drehten die Staatsmedien schrill durch. Unschöne Szenen! Dabei stellten Abschiebungen doch nur ein Mindestminimum des viel umfassender Notwendigen dar …
Mitleser2
Die unvermeidliche Wirtschaftskrise wird etwas verändern. Offen bleibt, wohin.