Parlamentswahl in Frankreich – Der siegreiche Verlierer

Große Ernüchterung innerhalb der französischen Rechten.

Daniel Fiß ist freier Publizist.

Nach den Wahl­er­fol­gen zur Euro­pa­wahl und einer mehr als soli­den ers­ten Run­de der Par­la­ments­wah­len hoff­te man beim Ras­sem­blem­ent Natio­nal (RN) auf ein poli­ti­sches Erd­be­ben, wel­ches Mari­ne Le Pen und ihren Front­mann Jor­dan Bar­del­la end­lich den Zugang zur Macht eröff­nen sollte.

Der RN geht am Ende mit dem höchs­ten abso­lu­ten (8 Mil­lio­nen) und pro­zen­tua­len (32,1%) Stim­men­an­teil aller Par­tei­en den­noch nur als Dritt­plat­zier­ter vom Feld. Grund 1 dafür sind die Tücken des fran­zö­si­schen Mehr­heits­wahl­sys­tems, wel­ches einen Par­la­ments­sitz nur durch den Gewinn eines Wahl­krei­ses ermöglicht.

Grund 2 ist eine soge­nann­te „Repu­bli­ka­ni­sche Front“ von lin­ken Kom­mu­nis­ten bis hin zu Libe­ra­len, die sich als „Anti-Le Pen Alli­anz“ for­mier­ten. Der RN konn­te zwar auch 54 Sit­ze in der Natio­nal­ver­samm­lung dazu­ge­win­nen, aber blieb den­noch weit unter den Erwar­tun­gen einer mög­li­chen abso­lu­ten Mehrheit.

Bereits im Vor­feld war für die meis­ten poli­ti­schen Beob­ach­ter unklar, ob sich zwi­schen Macrons Bünd­nis „Ensem­ble“ und dem lin­ken Par­tei­en­blu­men­strauß des Bünd­nis­ses der „Natio­na­len Volks­front“ nach dem ers­ten Wahl­gang über­haupt eine tak­ti­sche Wäh­ler­ko­ali­ti­on schmie­den ließe.

Zunächst muß­ten in einer Mehr­heit aller Wahl­krei­se die Dritt­plat­zier­ten des ers­ten Wahl­gangs zuguns­ten des Zweit­plat­zier­ten ihre Kan­di­da­tur zurück­zie­hen, um somit einen Durch­marsch des RN zu ver­hin­dern. In etwa der Hälf­te aller Wahl­krei­se gelan­gen der­ar­ti­ge Ver­ein­ba­run­gen und Absprachen.

Zwei­tens muß­ten sol­che Plan­spie­le auch für den Wäh­ler über­zeu­gend trans­por­tiert wer­den. In 215 Wahl­krei­sen kam es zu Rück­zü­gen des jeweils aus­sichts­rei­che­ren Ensem­ble- (Macron Bünd­nis) oder NFP- (lin­ke Volks­front) Kan­di­da­ten. Die repu­bli­ka­ni­sche Front erwies sich somit als außer­or­dent­lich effizient.

Die Wäh­ler­schaft von Macrons Par­tei, die mit ihrem wirt­schafts­li­be­ra­len Pro­fil als pro­gram­ma­ti­sches Pen­dant zur deut­schen FDP gese­hen wer­den kann, muß­te in zahl­rei­chen Wahl­krei­sen einen kom­mu­nis­ti­schen Kan­di­da­ten unter­stüt­zen, und umge­kehrt muß­ten in ande­ren Wahl­krei­sen lin­ke Wäh­ler das ihnen eigent­lich ver­haß­te Macron-Bünd­nis über die Ziel­li­nie tragen.

Seit ges­tern Abend wis­sen wir nun, dass die­ses Kal­kül für Macron und das Links­bünd­nis auf­ge­gan­gen ist.

Die zwei­fel­los gewach­se­ne Nor­ma­li­sie­rung des RN in der fran­zö­si­schen Par­tei­en­land­schaft und die damit ein­her­ge­hen­den erwei­ter­ten Mobi­li­sie­rungs­räu­me konn­ten den nach wie vor sta­bi­len „Cor­don-Sani­taire-Bun­ker“ nicht auf­bre­chen. 72% der Anhän­ger des lin­ken NFP-Bünd­nis­ses unter­stütz­ten im zwei­ten Durch­gang in ihren Wahl­krei­sen den Ensem­ble-Kan­di­da­ten. Ent­ge­gen­ge­setzt gaben immer­hin mehr als die Hälf­te der Ensem­ble-Wäh­ler einem Kan­di­da­ten aus dem Links­bünd­nis ihre Stim­me. Der Fak­tor der höchs­ten Wahl­be­tei­li­gung bei einer Par­la­ments­wahl seit mehr als 20 Jah­ren dürf­te die­se tak­ti­schen Spiel­zü­ge zusätz­lich begüns­tigt haben.

All dies zeigt, daß die Angst vor einer RN-Macht­über­nah­me nach wie vor groß ist und sie jeder­zeit akti­viert wer­den kann. Le Pen steht vor einer struk­tu­rel­len Bar­rie­re, die vor allem durch demo­gra­phi­sche und sozia­le Pro­zes­se wie der eth­ni­schen Wahl und der Urba­ni­sie­rung stets wei­ter gefes­tigt wird. Auch wenn die Wahl­kar­ten sich sowohl nach der Euro­pa­wahl als auch der ers­ten Par­la­ments­wahl­run­de in einem dunk­len blau ein­färb­ten, gilt die alte Regel: Land wählt nicht!

Am Wahl­abend hielt sich Le Pen mit State­ments weit­ge­hend zurück und über­ließ es ihrem Schütz­ling Jor­dan Bar­del­la, die­sen Rück­schlag zu erklä­ren. Sie will sich aus der Schuß­bahn neh­men, um die inner­par­tei­li­che Unter­stüt­zung für ihr Lebens­werk einer Prä­si­dent­schaft im Jahr 2027 nicht zu gefähr­den. Der Preis, den die fran­zö­si­sche Rech­te für die­se Prä­si­dent­schaft zahlt, wur­de im Zuge die­ser Par­la­ments­wahl ein­mal mehr in die Höhe getrieben.

Der RN mag sich als par­tei­po­li­ti­scher Platz­hirsch der fran­zö­si­schen Rech­ten behaup­ten, doch er hat es sich mit sei­nen poten­ti­el­len Bünd­nis­part­nern von Zemm­our bis zu den kon­ser­va­ti­ven Repu­bli­ka­nern verscherzt.

Sowohl die Repu­bli­ka­ner als auch Recon­quete kön­nen nach die­ser Par­la­ments­wahl nur noch einen poli­ti­schen Scher­ben­hau­fen zusam­men­fe­gen. Damit mag die inter­ne Kon­kur­renz Le Pens struk­tu­rell neu­tra­li­siert sein, doch dadurch wird es für die Rech­te auch schwie­ri­ger, gewis­se urba­ne und bür­ger­lich-intel­lek­tu­el­le Milieus an sich zu bin­den, für die sowohl Zemm­our als auch die Repu­bli­ka­ner ein attrak­ti­ves Ange­bot gewe­sen sind.

Gewiß über­wie­gen für den RN jetzt die stra­te­gi­schen Chan­cen. Kaum jemand in der fran­zö­si­schen Poli­tik glaubt an die lang­fris­ti­ge Sta­bi­li­tät des lin­ken NFP-Bünd­nis­ses. Der gemein­sa­me Nen­ner war die RN-Ver­hin­de­rungs­tak­tik und die gleich­zei­ti­ge Schein­wah­rung einer Ableh­nung von Macron. Eine akti­ve poli­ti­sche Visi­on, unter der sich alle Akteu­re ver­ei­nen könn­ten, kann die fran­zö­si­sche Lin­ke jedoch nicht vor­wei­sen. Neu­er­li­che Span­nun­gen und Spal­tun­gen sind vorprogrammiert.

Auch für die Libe­ra­len unter Macron ist die Situa­ti­on nicht ein­fa­cher gewor­den. Macron rech­ne­te wohl kaum damit, dass die Lin­ke inner­halb kür­zes­ter Zeit ein eige­nes Bünd­nis schmie­den wür­de und hoff­te auf eine Zer­streu­ung der lin­ken Kräf­te. Nun wird er auf fra­gi­le Mehr­hei­ten zwi­schen sei­ner Par­tei und eini­gen mode­ra­ten lin­ken Akteu­ren hof­fen, die über die kom­men­den Jah­re wahr­schein­lich immer wie­der zer­bre­chen und dann neu auf­ge­baut wer­den müs­sen. Poli­tisch sta­bi­le und lang­fris­ti­ge Alli­an­zen sind im fran­zö­si­schen Par­la­ment eher unwahr­schein­li­cher geworden.

Der RN kann in die­ser Lage vor allem sein Oppo­si­ti­ons­pro­fil stär­ken und die­ses noch stär­ker als Mobi­li­sie­rungs­res­sour­ce nut­zen. Le Pen und Co wer­den wei­ter­hin auf ent­täusch­te lin­ke Wäh­ler hof­fen, die die erwart­ba­ren Koope­ra­tio­nen mit Macron als Ver­rat anse­hen. Zugleich wird Ensem­ble mit Macron als prä­si­dia­lem Zug­pferd 2027 wahr­schein­lich implo­die­ren. Auch dort fehlt es an Visi­on und Stra­te­gie für die Post-Macron-Ära.

Setzt man die Prä­mis­se von einem wach­sen­den RN und einer gleich­zei­tig frag­men­tier­ten Par­tei­en­land­schaft vor­aus, stellt sich nun die Fra­ge, ob Le Pen eher von der gesell­schaft­li­chen Pola­ri­sie­rung oder dem wei­te­ren Zuge­hen auf die poli­ti­sche Mit­te pro­fi­tie­ren wird.

Wie vie­le tak­ti­sche Opfer kann sich der RN noch leis­ten, um einer­seits nicht den inne­ren Par­tei­f­rie­den über­zu­stra­pa­zie­ren und zugleich auch inhalt­lich-pro­gram­ma­tisch als dezi­diert rech­tes und alter­na­ti­ves poli­ti­sches Pro­jekt wahr­ge­nom­men zu werden?

Hin­zu kommt die Fra­ge, was Le Pen, an der Macht ange­kom­men, dann der fran­zö­si­schen Rech­ten bie­ten möch­te. Denn wer sich für den Macht­ge­winn ent­dä­mo­ni­siert, wird die­se Ent­dä­mo­ni­sie­rung auch für den Macht­er­halt wei­ter­trei­ben. Das Para­de­bei­spiel dafür kön­nen wir bei Melo­ni in Ita­li­en beobachten.

Daniel Fiß ist freier Publizist.

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Kommentare (27)

RMH

8. Juli 2024 19:26

Ein deartiges Schicksal wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die AfD bei den Wahlen im Herbst in den neuen Ländern ereilen. Mit siegt nominell, aber am Ende bleibt es beim Katzentisch, der dann eben überbelegt ist. BSW als Kanal funktioniert offenbar. Einzig dem Bundesland Sachsen traue ich eine Überraschung zu. Und Macron ist das, was man in Bayern unter "ein Hund is er scho", bezeichnet. Unter dem Strich hat er sein Land leider nach links getrieben. Das die Franzosen nicht erst nach Ende der jetzt begonnen Wahlperiode wählen werden sondern vorher, liegt aber nahe.
PS: Ich kann das Herumhacken auf Meloni langsam nicht mehr ab. Die Frau erreicht mehr für ihr Land, als alle hier an ihr Herumnörgelnden sich für Deutschland nur träumen können - und wir bezahlen dennoch weiterhin für Italien (Volltreffer!). Das sie das Recht auf Abtreibung aus der G7 Schlusserklärung nehmen lies, kann man nicht oft genug hervorheben. Damit hat sie Macron und U. von der Leyen eine gewatscht.

das kapital

8. Juli 2024 19:40

Es ist doch wohl richtig, die Rechte zu entdämonisieren und den Krieg gegen Rechts einzudämmen. Bei uns gelingt das noch nicht, aber in Ungarn und Italien und den Niederlanden gelingt das und in Frankreich ist es in Reichweite.

Gracchus

8. Juli 2024 21:12

Ich denke, Le Pen hat es einfach nicht drauf. Sie wird nie Präsident.

Franz Bettinger

8. Juli 2024 21:18

In der Migrations- und Post-Corona-Ära ist die Stimmung überall in der Welt nach Rechts gekippt. Daran ändern verfahrenstechnische Tricksereien nichts. Im Gegenteil, sie belegen die Defekten Demokratien und Blei-schweren Unrechtsstaaten. Die Zeit ist reif. Sie werden fallen. 

Laurenz

8. Juli 2024 21:21

@RMH ... Sahra Wagenknecht gräbt sich aktuell selbst das Wasser ab. https://www.nordkurier.de/politik-wirtschaft/wegen-der-afd-koalition-zwischen-wagenknecht-und-den-gruenen-im-osten-2676120 Die Grünen müssen auch erstmal in die Landtage kommen. Bei der EU-Wahl hat auch die AfD Stimmen an das BSW verloren, aber das war überschaubar. Insofern bleibt das BSW ein 0-Summen-Spiel, kann dafür sorgen, daß mögliche Einheitsfront-Mitglieder draußen bleiben. Was Meloni angeht, so muß ich Ihnen ausnahmsweise Recht geben. Meloni ist die Königin des Machbaren, was nicht heißt, daß Sie unser Freund ist. Der Rausschmiß der G7-Abtreibungsnummer war wohl die Retourkutsche dafür, weil sich abzeichnete, daß kein Meloni-Mann einen der 3 EU-Top-Jobs erhält. Sie spricht Sich für den Krieg aus, liefert aber weder groß Waffen, noch Geld. Vielmehr baut Sie (Leonardo) jetzt mit Rheinmetal Panzer. Auch bei uns geschieht im Grunde bis vor kurzem Undenkbares. https://www.rheinmetall.com/de/media/news-watch/news/2024/02/2024-02-12-rheinmetall-baut-neue-munitionsfabrik-in-unterluess-spatenstich-mit-bundeskanzler-scholz

Gelddrucker

8. Juli 2024 21:24

Auch hier gilt was für alle europäischen Länder gilt:
 
Die Aufklärung über den Bevölkerungsaustausch und Frankreich als in Zukunft afrikanisch-muslimisches Land ist leider nicht das Hauptthema. Ich kenne mehrere in Deutschland lebendes Franzosen, denen ICH vorrechnen musste, wann die Lage demographisch kippt. Wie kann das sein?
Es braucht endlich eine westeuropäische Mega-Aufklärungskampagne über die demographische Lage und wann sie kippt. Und dann bitte nicht wie auf manchen Seiten praktiziert einfach alle Migrationshintergründler in einen Topf werfen. Bei vielen ist nämlich der Mihigru komplett egal (allermeistens Brudervölker).

dojon86

8. Juli 2024 21:44

@RMH Stimme zu. Meloni ist kein Wunderwuzzi aber ein Lichtblick. (Gott bewahre uns vor Wunderwuzzis, der letzte hat uns Deutsche ins Unglück geführt) Bei vielen Deutschen spielt bei Politikern aus dem romanischen Raum noch immer ein antilateinisches Ressentiment eine große Rolle. Seltsam, dabei möchte ich sagen, dass die Angelsachsen (wozu ich die USA, Kanada, Australien und Neuseeland zähle) den Deutschen zwar kulturell am nächsten sind, aber seit 1900 immer unsere gefährlichsten Gegner waren.

Speng

8. Juli 2024 22:15

RMH:
"Das sie das Recht auf Abtreibung aus der G7 Schlusserklärung nehmen lies, kann man nicht oft genug hervorheben."
Und das ist genau der gesellschaftspolitische Tand, den die Oberen solchen Rechtspopulisten überlassen, welche bei den wirklich wichtigen Themen auf Linie sind. Auch ein Klassiker: "Es gibt nur zwei Geschlechter"usw. usf.... PS: Ich bin auch generell gegen Abtreibungen, aber so ein Zirkus rettet nicht ein Kindchen noch Mutterseelchen.
Zur Wahl: Mehrheitswahlrecht ist hier, wie in GB auch, antidemokratischer Krebs. Schön fürs System.
Zum Wähler: Mit Blick auf die nächsten Jahre darf man sich ruhig etwas Häme und Schadenfreude erlauben. Wenn Liberale sich mit, teilw. gewalttätigen, Antifas absprechen, heißt es: geliefert wie bestellt.
Zu LePen: Ähnlich wie oben vermerkt, freut es einen, wenn's für die 30 Silberlinge nicht reicht. 2027 dann nochmals das gleiche Spiel.
 

Artabanus

8. Juli 2024 23:37

Wie's aussieht wird Frau LePen wahrscheinlich auch in 2027 die Präsidentenwahl verlieren. Die Bilderberger werden rechtzeitig vorher einen neuen Kandidaten küren, der die Stichwahl gegen Frau LePen gewinnen wird. Das Französische Wahlsystem mit dem 2. Wahlgang wurde ursprünglich eingeführt um die Kommunisten von der Macht fernzuhalten. Jetzt sind die Kommunisten mit im Boot um den RN von der Macht fernzuhalten. 
Ein Mehrheitswahlrecht mit Parteien ist völlig absurd wie man auch in GB sieht. Da wäre ein Losverfahren besser.

Laurenz

8. Juli 2024 23:41

@Speng @RMH ... Mehrheitswahlrecht ... ist vollkommen in Ordnung. Es bedeutet, daß der Wähler nicht mehr oder zumindest weniger taktisch wählen kann, sich für seinen Kandidaten aus seinem Wahlkreis entscheiden muß. In Britannien fällt zB das ganze Koalitions-Affentheater weg & man kann keine Schuld irgendwelchen Koalitionspartnern zuweisen, was die sogenannten Konservativen (Tories) jetzt auch Kopf & Kragen kostete. In Frankreich sind die Interessenlagen & Verhältnisse so diffus, daß beim Verhältniswahlrecht LePen zwar mehr Sitze bekommen, aber trotzdem eine zerbrechliche Mehrheit gegen sich gehabt hätte. Das Direktwahl-Prinzip, welches dem Mehrheitswahlrecht zugrunde liegt, bürdet zu Recht dem Abgeordneten & dem Bürger viel mehr Verantwortung auf, als wenn, wie bei uns, eine große Zahl Abgeordneter ungewählt mit irgendeinem Listenplatz abstrakt ins Parlament rutschen.
@Dojon86 @RMH ... Die Chinesen sehen das mit dem Wunderwuzzi ganz anders als Sie. Aber zugegeben, im Gegensatz zu Meloni & uns, können die Chinesen sich auch den Deutschen Wunderwuzzi leisten.

tearjerker

9. Juli 2024 07:22

In Frankreich geht es nur noch darum einen Nachfolger für Macron aufzubauen, der voraussichtlich aus dem Linksbündnis kommen und gleichzeitig Teil der reichen Pariser Politschickeria sein dürfte. Dafür wird wie zuvor für Macron eine neue Gruppierung geschaffen werden, die mehr Linksdrall haben und gleichzeitig die Mitte einbeziehen wird. Frankreich zeigt, dass die Antwort auf rechts eine ultralinke Politik für fast alle sein wird, mit der die oberen 5% ihren Status sichern und sich gegen ihre bürgerliche Konkurrenz abschirmen werden. Die Webseite des RN weist als Programmatik nur wenige Punkte auf: keine Sozialkürzungen, Unterstützung Israels, Abgrenzung von Deutschland. Da auch in Frankreich mit "rechts" linke Politik, aber für Franzosen gemeint ist, wird sich eine Lösung finden lassen.

lxndr

9. Juli 2024 07:48

Für mich gilt nur eins - RN steigert seinen Anteil von 89 auf 143 Sitze. RN befreit vom Kartell netto 54 Sitze. Das ist der eigentliche Erfolg. Alles andere war vorhersehbar. 
 
Alles für Deutschtum!

Mitleser2

9. Juli 2024 08:53

"Entgegengesetzt gaben immerhin mehr als die Hälfte der Ensemble-Wähler einem Kandidaten aus dem Linksbündnis ihre Stimme."
 
Das ist der Punkt: Macrons "liberale" Wähler haben bewußt eine linke Mehrheit erzeugt. Warum, bleibt ihr Geheimnis. 

lxndr

9. Juli 2024 09:47

Warum, bleibt ihr Geheimnis. 
 
Weil Kartell einheitlich ist. 

Le Chasseur

9. Juli 2024 10:02

@Laurenz"Mehrheitswahlrecht ... ist vollkommen in Ordnung. Es bedeutet, daß der Wähler nicht mehr oder zumindest weniger taktisch wählen kann, sich für seinen Kandidaten aus seinem Wahlkreis entscheiden muß."
Schauen wir doch mal nach Großbritannien. Dort konnte die Labour Party ihren "Erdrutschsieg" nur feiern, weil Farages Reform Party Stimmen von den Tories abzog und Labour somit in vielen Wahlbezirken der lachende Dritte war. Ich kann einem Wahlsystem, bei dem eine Partei mit einem Drittel der Stimmen 411 Parlamentssitze einheimst, während eine Partei mit 14% der Stimmen gerademal fünf Sitze erhält, nicht viel abgewinnen.

Laurenz

9. Juli 2024 11:28

@Tearjerker ... Sie glauben, daß Macron einfach so aufgeben wird? Im Leben nicht. Macron wird 2027 50 Jahre alt, LePen 2028 60. Was soll er denn machen, bis er so alt wie Trump oder Biden ist... In schätzungsweise 11 Jahren muß er seine Frau (aktuell 71) begraben & wird die nächste Gilf heiraten. Da ist noch viel Luft nach oben, um Frankreich & uns zu beglücken.

Maiordomus

9. Juli 2024 11:31

Ixndr. "Alles für Deutschtum!" finde ich um Welten stärker abzulehnen als "Alles für Deutschland", was übrigens letzte Woche einem Fernsehreporter für den Fussball rausgerutscht sein soll und welche Losung vor 1933 u.a. auch von der SPD verwendet wurde, wie nachgewiesen. Nehme aber an, dass Sie das nur als "legalen" Ersatz nicht ganz ernsthaft formuliert haben. U.a. wandte sich Nietzsche mehrfach gegen die "Deutschtümelei", etwas, was in der Schweiz stets umstritten war. Aber "Alles für Deutschland" ist mit Sicherheit weniger extremistisch als die türkische Wolfs-Symbolik, wiewohl diese nicht stärker massenmordorientiert ist als zum Beispiel Hammer und Sichel.   

Karl

9. Juli 2024 12:59

@Maiordomus: In der 77 Spielminute des Spiels Deutschland : Spanien sagte der Reporter: "Gebt nochmal alles für Deutschland..."

Laurenz

9. Juli 2024 13:15

@Le Chasseur @L. ... Warum haben Sie etwas gegen Direktwahlen? Sie beschreiben Ihre Emotion. Die ist aber kein Argument. Ob Farage nun Labour begünstigte oder nicht, liegt alleine in der Verantwortung der Wähler, nicht in der des großen Zampano. Ich kann nicht verstehen, warum Sie abstrakt irgendwelche Apparatschiks wählen wollen? Direktwahl hat auch einen historischen Sinn, aus der Zeit vor dem Telefon. Man schickt jemanden in die Hauptstadt/Regierungssitz, der den Wahlkreis vertritt. Nur die Direktwahl ist demokratisch. Von der Leyen hat nie eine Wahl gewonnen. Bei einem Direktwahl-System gäbe es diese politische Figur überhaupt nicht. Von der Leyen ist der personifizierte Anti-Demokrat/Feudalist.
@Maiordomus @Lxnd ... Deutschtum... hat Vor - & Nachteile. Deshalb muß man sich/uns Deutsche/den Deutschen Volkscharakter kennen. Anstatt pauschal mit Nietzsche zu kommen, macht es vielmehr Sinn bei der Sache zu bleiben, ins Detail zu gehen. Man kann fast bei jedem Kommentatoren/Deutschen den unseligen Hang zur Nibelungen-Treue wahrnehmen oder den Hang zum autistischen Extrem-Föderalismus. Nur entsprechendes Bewußtsein achtet darauf, ob wir uns mit unserem Charakter selbst schaden oder Nutzen bringen.

tearjerker

9. Juli 2024 13:40

@Laurenz: Mag sein, allerdings wird Macron nach zwei Amtszeiten erstmal pausieren müssen. Seine Förderer aus dem FRA/US-Finanzumfeld (KKR) werden sich daher neu orientieren und nach einem geeigneten Nachfolger Ausschau halten. Potentielle Kandidaten sind der Premier Attal, der schon von der sozialistischen Partei zu den Macronisten wechselte und zudem ganz fürchterlich durchdiskriminiert wurde (Jude und Sexueller) sowie der junge Glucksmann, der als Philosophensohn den Spagat zwischen extrem linken Positionen, dem Russlandhass-Erbe seiner einst ultrastalinistischen Familie, engen Ukraine- und Georgienkontakten und jüdischem Incroyable der oberen 2000 mühelos hinlegt. Macrons Optionen werden eher in einer der grossen zwischenstaatlichen Orgas liegen.

Le Chasseur

9. Juli 2024 16:22

@Laurenz
Ist die Tatsache, dass die politischen Verhältnisse in F und GB mindestens genauso beschi**en sind wie bei uns, nicht das beste Argument gegen Ihre These? Hätten wir das selbe Wahlrecht wie in GB, säßen bei uns auch nur fünf AfD-Abgeordnete im Bundestag, wenn überhaupt. Es ist natürlich auch ein Wahlsystem, dass Charismatiker bevorzugt. Ich wäre mir bspw. nicht sicher, ob es eine Alice Weidel als Direktkandidatin in den Bundestag schaffen würde. Und ein Apparatschik muss man trotzdem ein Stück weit sein, weil man doch zumindest im Wahlkampf auf die Unterstützung der Partei angewiesen ist (es sei denn, man ist Multimillionär oder hat reiche Sponsoren).

tearjerker

9. Juli 2024 18:00

@LChass: Haetten wir das Mehrheitswahlrecht nach britischem Rezept haette die Union im Parlament in 2013 allein 79% aller Bundestagssitze kassiert und wir hätten jetzt irgendwas zwischen Reichstag 1936 und Volkskammer 1950, in der die Kandidaten der internationalen Front nur noch vom Wähler zu bestaetigen sind.

Waldgaenger aus Schwaben

9. Juli 2024 19:22

Viel zu wenig thematisiert wird die ethnische Wahl in Fr. Im Artikel wird sie auch nur kurz angesprochen. Im zweiten Wahlgang war die Beteiligung viel höher als im ersten. Ich vermute viele Wähler, den sonst egal ist wer unter Allahs Sonne in Frankreich im Parlament sitzt, liessen sich zum Wahlgang motivieren. Das ist die Unterstützung der Hamas durch die Volksfront (spez. Melenchon), der angebliche Rassismus des RN und dazu noch die Aussicht, das Vermögen derer, die schon länger in Frankreich leben und es ererbt oder erarbeitet haben, wegzunehmen und als Beute zu verteilen. 
Deutschland hat das Glück eine viel heterogenere Einwanderergesellschaft zu haben. 888 000 Bewohner sind polnischstämmig (google) Ukrainer inzwischen wohl mehr. Die deutsche Rechte muss viel mehr als bisher auf kulturnahe Migrationshintergründige zugehen, ebenso auf andere, die schon gut integriert sind. Das Gerede von Remigration war da nicht hilfreich.
Prognose wie es in Fr. weitergeht: Aus Teilen der bald zerfallenden Volksfront, dem LR und dem Ensemble wird sich eine Mehrheit zimmern lassen.

FraAimerich

9. Juli 2024 19:59

@RMH: "Ich kann das Herumhacken auf Meloni langsam nicht mehr ab."
Sie scheinen da nicht sehr belastbar. Und das, obwohl Sie bei diesem Thema sogar mal den sonst so unerbittlichen @Laurenz an Ihrer Seite haben. Versuchen Sie es vielleicht mal mit einem alten Hausmittel: Melissentee beruhigt!
Nutze das für mich selbst. Man übersäuert sonst schnell angesichts der erschütternden Vielzahl von antiislamisch-israelverrückten Orientierungslosen, die sich z. B. darüber ereifern, daß ein angeblich "antisemitisches" Linksbündnis Le Pen die realpolitische Tour versaut hat und der transatlantische Opportunismus der feschen Machbarkeitsmamsel Melonie nicht überall gut ankommt.
 

rotenburg

10. Juli 2024 10:30

Insgesamt bleibt es ein großer Erfolg für RN. Prozentual spielt die Partei jetzt in derselben Gruppe wie die CDU/CSU in Deutschland und Labour in UK. Dass die anderen gezwungen waren, eine "Front" von den Liberalen bis zu den Kommunisten zu bilden, war ebenfalls ein großer Erfolg, denn was für eine Politik sollen die denn zu Wege bringen? Frankreich befindet sich in einer massiven Haushaltskrise. Zu sehen, wie Melachon zusammen mit Macron den Haushalt saniert oder eben gegen die Wand fährt, wird ganz großes Kino. Wie lange wird es dauern, bis die Finanzmärkte mit den französischen Anleihen Fußball spielen?
Im Grunde ist es ein großes Glück, dass RN nicht den Ministerpräsidenten stellt. Ihre Sozialversprechen wären ihnen jetzt auf die Füße gefallen. RN wäre für jede Sozialkürzung gesteinigt worden. Macron hätte in aller Ruhe abwarten können, bis der RN sich entzaubert hätte und in einem Jahr Neuwahlen ansetzen können. Die Aussichten auf die Präsidentschaft wären ruiniert gewesen. Darum vermuteten ja einigen, dass Macron ein eiskaltes Kalkül verfolg und RN mit Absicht an die Regierung bringen will.  Die Vermutung war offensichtlich falsch.  Frankreich wird jetzt ins politische Chaos stürzen. Das kann dazu führen, dass die Franzosen ihre Einschätzung, was das "kleinere Übel" ist, noch einmal grundsätzlich überdenken.

dojon86

10. Juli 2024 13:08

@Waldgaenger aus Schwaben Ich stimme ihrer Analyse zu. Im übrigen gibt's solch ein Wahlverhalten auch in Deutschland. Ich erinnere an den grünen türkischstämmigen Oberbürgermeister von Hannover, der für einen deutlichen Anstieg der Wahlbeteiligung in migrantenstarken Vierteln sorgte. Und diese lieben Leute haben sicherlich für seine Person, nicht aber für grüne Ideen gestimmt.

Waldgaenger aus Schwaben

10. Juli 2024 15:18

@dajon86 
Es gibt auch den Begriff des Islamo-Gauchisme (islam-links). Wikipedia bezeichnet ihn als polemisch. Ist er aber nicht, die französische Linke sah und sieht immer noch den Islam als Vehikel zur Befreiung der unterdrückten Völker  des "globalen Südens". Sie unterstützten Khomeni und die islamische Revolution im Iran. Für das Schicksal der Schwulen und aufmüpfigen Frauen dort, sehen sie sich natürlcih nicht in der Verantwortung.
Ähnliche Tendenzen sieht man auch in D. auf die Sie zutreffend hinweisen.

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