Also sprach Nancy Faeser: „Ich habe das Compact-Magazin verboten.“ Darf die das? Nein! Ist das relevant? Mal sehen! Und es wird uns verraten, wie es um die so oft beschworene Rechtsstaatlichkeit der Republik steht.
Der juristische Befund ist eindeutig. Das Verbot einer Zeitschrift ist der Regierung, zumal der Bundesregierung, nicht erlaubt. Das beginnt schon ganz formal damit, daß nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern das Presserecht Ländersache ist.
Auch materiell ist es eindeutig. Die Pressefreiheit des Artikel 5 Grundgesetz kennt keine Verpflichtung zur Verfassungstreue. Allein das Bundesverfassungsgericht darf zum Schutz der Verfassungsordnung die Verwirkung von Grundrechten, einschließlich der Pressefreiheit, anordnen (Artikel 18).
Das Verbot der Verlagsgesellschaft des Compact-Magazins beinhaltet zudem einen Vermögenseinzug der GmbH, wodurch die Gesellschaftsanteile wertlos werden – eine klare Enteignung. Entschädigungslose Enteignungen, zumal aus politischen Gründen, verbietet Artikel 14.
Die Berufsfreiheit des Artikel 12 ist im Hinblick auf die Redakteure ebenfalls betroffen, ohne daß sich das Innenministerium auch nur ansatzweise um die dafür notwendigen Anforderungen kümmern würde. Schließlich besteht eine gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Zeitungsschließungen in der Türkei, die nach dortigem Recht – anders als in der Bundesrepublik – möglich sind. Der Menschenrechtsgerichtshof hat dem massive Hindernisse entgegengesetzt, die auf den Compact-Fall übertragen das Faeser-Verbot unmöglich machen.
Faeser begründet ihr Verbot mit dem Vereinsrecht. Die Vereinigungsfreiheit des Artikel 9 enthält tatsächlich die Bestimmung, daß solche Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, aufgelöst werden können. Vereinigungen im Sinne des Artikels 9 Grundgesetz erfassen alle Zusammenschlüsse von Personen, unabhängig von der Rechtsform, also theoretisch auch eine GmbH. Nur: Das Ziel Faesers war ja nicht die GmbH, sondern die Zeitschrift. Und das sagen sowohl sie wie ihre Claqueure ganz offen und ungeniert: „Ich habe das Compact-Magazin verboten“.
Es geht ihr explizit nicht um die Tätigkeit der GmbH, also den üblichen Geschäftsbetrieb von Papier einkaufen, Personal bezahlen bis Steuererklärungen abgeben. Sondern es geht um die Zeitschrift, und die ist nun einmal von der Pressefreiheit geschützt, und nebenbei von der Eigentumsgarantie und der Berufsfreiheit.
Die Einschränkung der Vereinigungsfreiheit soll die Tätigkeiten von als verfassungsfeindlich eingestuften Vereinen verhindern, also Zusammenkünfte, Schulungen, Absprachen. Wenn solche Vereine Mitgliederzeitungen zur internen Kommunikation führen, erwischt es diese auch. Aber nichts davon trifft auf das Compact-Magazin und seine Verlags-GmbH zu: Diese vertreibt ein sich an jedermann gerichtetes Presseerzeugnis auf dem freien und jedermann offenen Markt. Das Vereinsrecht ist auf diese Tätigkeit selbst bei größter juristischer Kreativität nicht anwendbar.
Das mag man sich aus folgender Parallelüberlegung nochmals verdeutlichen: Wenn Jürgen Elsässer das Magazin als Einzelunternehmer herausgegeben hätte, dann könnte man nach Faesers Auffassung nichts tun, sobald er es aber über eine Kapitalgesellschaft vertreibt, soll es durch einfachen Bescheid verboten werden können – daß das Ausmaß der Pressefreiheit an der Rechtsform des Verlegers liegen soll, ist eine ersichtlich absurde Rechtsauffassung.
So eindeutig der Befund ist, so unsicher die Konsequenzen. „Auctoritas, non veritas facit legem“, und in der konkreten Ausformung des liberalen Staates bedeutet das: Gerichte, nicht Argumente bestimmen das Gesetz.
Gerichte entscheiden nicht im luftleeren Raum, sondern sind in politische Zwänge eingebunden und nehmen Rücksicht. Die deutsche Vorstellung vom über jedem nicht-juristischen Einfluß stehenden Richter, der durch Überwerfen der Robe aus seinen sozialen Bindungen und Prägungen herausgenommen wird, ja quasi ein anderer Mensch wird und als politisch blinder Jura-Computer urteilt, war schon immer mehr Romantik als Realität. Nach dem Totalversagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Angesicht der Corona-Maßnahmen ist sie bestenfalls naiv.
Obwohl der rechtliche Befund eindeutig ist, können wir daher nicht vorhersagen, wie es vor den Gerichten weitergeht. Lehrbuchmäßig müsste das zuständige Bundesverwaltungsgericht binnen weniger Wochen per Eilentscheidung nach § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung die sofortige Vollziehbarkeit des Compact-Verbots aufheben. Die Zeitschrift dürfte für die Dauer des Hauptsacheverfahrens weiter erscheinen.
Denkbar ist aber auch, daß dieser Eilrechtsschutz verwehrt wird und dann erst in Monaten, gar Jahren irgendein Gericht – Bundesverwaltungsgericht, Bundesverfassungsgericht, Europäischer Menschenrechtsgerichtshof – Compact recht gäbe. Durch diese Zwangspause aber wäre das Magazin massiv geschädigt, und Faesers Machtmißbrauch wäre erfolgreich gewesen. Effizienter Rechtsschutz wäre dann verweigert worden, und ohne den ist der ganze Verweis auf die Rechtslage wertlos.
Den worst case, daß die Gerichte Faesers Akt des Unrechts gutheißen, kann ich mir nicht vorstellen, will ihn aber nach den Erfahrungen bei Corona auch nicht ausschließen
„Der liberale Rechtsstaat lebt von Voraussetzungen, die er selbst weder schafft noch erhält“ lautet das berühmte Diktum des ehemaligen Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde. Der liberale Staat ist gegenüber seinen vorkonstitutionellen Voraussetzungen blind – zum Beispiel für die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung des Volkes.
Die politischen Herausforderungen unserer Zeit sind aber die dramatischen Wandelungsprozesse dieser vorkonstitutionellen Voraussetzungen. Ist der Staat diesen gegenüber wirklich blind, so läßt er die politischen und publizistischen Akteure um sie kämpfen und beschränkt sich auf die Rolle des Schiedsrichters und Wahrers seiner Integrität wie der individuellen Freiheiten der Einzelnen.
Faeser & Co sind aber nicht blind, sondern sie mißbrauchen den Staat als Kampfinstrument im Ringen um die vorkonstitutionellen Voraussetzungen.
Was wir erwarten können ist nicht, daß der Staat uns politisch hilft, aber daß er sich an seine eigenen Regeln hält. Exakt das tut er bei Compact nicht. Von Faeser war nichts anderes zu erwarten. Ob es noch Richter gibt, die auch bei Sorgen um die eigene Karriere bereit sind, das liberale Recht gegen seinen linksradikalen Mißbrauch zu verteidigen, werden wir nun sehen. Es wird uns zeigen, wo wir stehen und dementsprechend, wie wir weiter zu arbeiten haben.
deutscheridentitaerer
Materiellrechtlich ist die Lage tatsächlich eindeutig. Dass Compact aber nicht als Verein erfasst hätte werden können ist aber falsch. Untauglich ist es auch, sich in Ein-Mann-Gesellschaften zu flüchten. Auf die Rechtsform kommt es ja gerade nicht an, sondern auf das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen eines Vereins. Und das ist in Schnellroda und bei Compact gegeben, da sich dort jedenfalls mehrere natürliche Personen einer organisierten Willensbildung unterworfen haben.